Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Eine ganz andere Sache hätte die Popularität des Films
dauerhaft schädigen können. Nach Ende der Aufnahmen verlangte
der Komponist Max Steiner von Wallis, "As Time Goes
By" fallenzulassen. Dieser Entscheid hätte aber bedeutet, dass
alle Szenen in welchen die Melodie gespielt oder gesungen
wird, neu gefilmt werden müssten, denn das war ja der romantische
Draht zwischen Rick und Ilsa. Ingrid Bergman ihrerseits
hatte schon am Tag nach der Fertigstellung von "Casablanca"
die Arbeit an einem neuen Film aufgenommen,
weshalb ihre Rückkehr zur Wiederholung so vieler Szenen eine
logistische Nachtmär gewesen wäre. So blieb "As Time Goes
By" eben drin. Die von Steiner vorgeschlagene Alternative
wäre nach Meinung zahlloser Fans auch eine zu schreckliche
Idee gewesen.
EIN KOMPLEXES SPEKTRUM VON EMOTIONEN verströmend
– wiedererwachte Liebe, Verletzbarkeit, Ehre in Unsicherheit
– brachte Ingrid eine Art von fragiler Romantik in den
Film ein, die direkt zu den Herzen des kriegsgebeutelten Publikums
sprach. Dieser Film prägte ihr Filmimage für alle Zeiten,
obwohl es bei dessen Produktion nicht einen einzigen erfreulichen
oder erinnerungswürdigen Tag gab. Ilsa war gebändigtes
Feuer, mit Ergebenheit kollidierte Sehnsucht, vom Kopf
niedergekämpftes Herz – und irgendwann 1942 und jedes Jahr
danach erkannte das Publikum, dass hier eine Frau war, um
die ein moralischer Aristokrat wie Henreid kämpfen konnte,
aber auch eine Frau, die ein zynischer Schlägertyp wie Bogart
nie aus seinem kalten, ungezähmten Herz loswerden konnte.
"Casablanca" brachte Ingrid ihre erste grosse Liebesrolle
(wenn nicht ihre erste grosse Rolle schlechthin). Aber
weil ihr die Erinnerung daran immer Mühe bereitete – und dies
mit den Jahren in zunehmendem Masse, als der Film Kultstatus
erreichte und sie mit ihm identifiziert wurde – verliess sie
sich nie darauf, dass dieser Ruf sie weit bringen würde und
wollte sie nie zu dieser schrecklich netten Ikonographie der
Ilsa Lund zurückkehren.
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