Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

dass Ingrid ihn überrascht hätte. In nur einer Szene – als die
dankbare Ivy aus einem Strassenüberfall grettet war, versucht
sie Dr. Jekyll zu verführen, indem sie die Bluse wie für eine
Untersuchung langsam auszieht – verströmte sie eine seltene
Kombination von sexueller Raffinesse und pathetischer Unschuld.
Wenn sie Lana Turner in die anspruchslosere Rolle stecken
würden, rechnete Fleming Selznick und Louis B. Mayer
vor, hätten Tracy und Bergman eine Chance auf verlockende
neue Rollen.
Das kam dabei heraus: Als die Dreharbeiten Ende Februar
begannen, war Ingrid mit viktorianischen Roben ausgestattet
und der Autor John Lee Mahin hatte Ivy den Familiennamen
Petersen gegeben, um ihren schwedisch gefärbten
Cockney-Slang zu rechtfertigen. "Ingrid wird nicht nur den
wichtigsten Faktor darstellen, um Hyde glaubhaft wirken zu
lassen", sagte Spencer Tracy einmal während den Aufnahmen
– um dann etwas gemässigter und leicht bedenklich anzufügen:"Nur
mich wird in diesem Film niemand bemerken. Sie ist
so überragend!"
Und das war sie wirklich. Ingrid tritt erst zwanzig Minuten
nach Filmbeginn mit einem Off-camera-Schrei in Erscheinung
als Ivy von Jekyll in einer Londoner Allee vor dem Übergriff
eines Passanten in Sicherheit gebracht wird. Eine verstauchte
Fessel vortäuschend küsst sie den Doktor, wobei ihr
vorsichtiges Lächeln einen Hauch sowohl von Unschuld, wie
auch von Attraktion signalisiert. Er begleitet sie dann nachhause,
wo sie ihr Verführungswerk fortsetzt indem sie ihre
Strümpfe abstreift und Jacke und Bluse auszieht – als ob es
ihre Hochzeitsnacht wäre. Tracys Jekyll ist fasziniert aber zurückhaltend;
als Dank für seine Hilfe reicht sie ihm lediglich ihr
Strumpfband hin und flüstert: "Das reicht bei weitem nicht, ich
weiss." Und damit sind die Voraussetzungen für Ivy geschaffen,
dass sie viel mehr bekommt, als worum sie feilschte.
Mit Mahins messerscharf gezeichnetem Script und
Flemings akribisch getreuer Regie wurde Stevensons Geschichte
einer geistigen Verwandlung im Rahmen von sexueller Be-
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