Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

Auf ihre persönliche Anregung hin und mit Ratoffs herzlicher Zustimmung vermenschlichte sie den frommen Charakter, wo immer es ging, indem sie Szenen hinzufügte, in welchen sie mit den Jungen Basketball spielte oder gymnastische Übungen machte. Das waren Lichtblicke in einem schwülstigen und traurigen Szenario, das, wie Ingrid sich erinnerte, "während der Aufnahmen von Minute zu Minute neu definiert wurde", und so war es für sie sowohl Herausforderung wie auch Gelegenheit, aus der Not eine Tugend zu machen. Fay Wray brachte die Nöte der Schauspieler und der Crew in diesem Film wie folgt auf den Punkt: "Ingrid hatte eine Qualität, die sich auf der physischen und geistigigen Ebene zugleich bewegte. Sie wirkte vollkommen real, überhaupt nicht, als würde sie spielen." Als der Film 1941 in die Kinos kam, war der allgemeine Konsens der Kritiker und des Publikums der, dass Ingrid ihr grosses Talent für einen unwürdigen Film einsetzte, dass sie "absolut glaubwürdig und gewinnend" war und dass etwas wie ihr grossartiges Schauspieltalent einen weit besseren Stoff verdiente, als "Adam Had Four Sons" . Der Durchbruch kam sicher nicht mit ihrem nächsten Film "Rage In Heaven" . in welchen sie im Spätherbst, einen Tag nach Ende der Produktion von "Adam.." hineingeriet. Christopher Isherwood und Robert Thoeren hatten ein humorloses, unwahrscheinliches Szenario entworfen, basierend auf einer Novelle von James Hilton, dessen frühere Werke den Grundstein zu den Hollywood-Hits "Lost Horizon" und "Good Bye Mr. Chips" gelegt hatten. Metro, an die Selznick Ingrid ausgeliehen hatte, rechnete fälschlicherweise mit einem weiteren Erfolg – umsomehr als ihr Hauptdarsteller Robert Montgomery einer ihrer grossen Stars war; aber nachdem sie das Script gelesen hatte, hätte Ingrid ihre Begeisterung dämpfen können. Die Geschichte handelt von einem paranoiden Schizophrenen (Montgomery in einer Variation seine Rolle in "Night Must Fall"), der seine Frau (Ingrid) terrorisiert und die Loyalität eines alten Freundes (George Sanders) missbraucht. "Rage In Heaven" war fast komisch-unglaubwürdig. 146

Mit dem enttäuschenden Script konnte Ingrid letztlich leben, denn einmal mehr fand sie die richtige dramatische Gangart, um aus einem Papier-Cliché eine unwiderstehliche Persönlichkeit zu formen. Ihr Portrait von Stella Bergen, der Gesellschafterin einer älteren Dame, die Herrin des Guts und Gattin des Verrückten wird (etwas finsterer in den Schattierungen als ihre vorhergehende Rolle in "Adam.." ) war bemerkenswert punkto Nüancierungen und feiner Balance zwischen Zutrauen und Terror. Nicht ertragen konnte Ingrid hingegen die bellende Grobheit von Regisseur W.S (Woody) Van Dyke, einem Zuchtmeister, der in Stiefeln und Breeches im Set herumstolzierte und seine Befehle herumbrüllte wie ein Drill Sergeant. Als Regisseur in 76 Filmen innerhalb von 20 Jahren war er zu jener Zeit sehr gefragt – allerdings nicht bei den Schauspielern, die ihm den Übernamen "One Shot Woody" gaben, weil er ihnen kaum je die Gelegenheit bot, eine Szene zu wiederholen. Er realisierte seine Filme unter dem Budget, wofür ihn Mogule wie Louis B. Mayer liebten – im Gegensatz zu seriösen Kollegen wie Ingrid. "Los vorwärts damit!" brüllte Van Dyke plötzlich, und "Bringt diesen Film endlich vom Boden!" im nächsten Moment. "Ich will die nächste Szene in fünf Minuten bereit haben!" Die Dreharbeiten zu "Rage In Heaven" waren für Ingrid eine Nachtmär an Unzivilisiertheit und Unprofessionalismus. Diese Art konnte sie ebensowenig mehr geduldig über sich ergehen lassen, wie des Regisseurs leichtfertige Gleichgültigkeit für die feineren Nuancen der Gestaltung eines Charakters. Van Dyke war als Ersatz für einen langsameren Regisseur eingestellt worden und sah seine Aufgabe einfach in der Beschleunigung der Produktion – den albernen Film auf eine Art und Weise fertigzustellen, die Mayer gefiel. Zum Teufel mit den Schauspielern. Ihre einzige Zuflucht in diesem November war Selznick. Was konnte sie gegen einen Mann wie Van Dyke tun? Ihre Leistung interessierte ihn nicht, und sie fürchtete, das Endresultat werde ein Film sein, der weder ihr noch Selznick etwas nützte, der ja weitere Projekte für sie suchte. Er aber mochte 147

Mit dem enttäuschenden Script konnte <strong>Ingrid</strong> letztlich<br />

leben, denn einmal mehr fand sie die richtige dramatische<br />

Gangart, um aus einem Papier-Cliché eine unwiderstehliche<br />

Persönlichkeit zu formen. Ihr Portrait von Stella Bergen, der<br />

Gesellschafterin einer älteren Dame, die Herrin des Guts und<br />

Gattin des Verrückten wird (etwas finsterer in den Schattierungen<br />

<strong>als</strong> ihre vorhergehende Rolle in "Adam.." ) war bemerkenswert<br />

punkto Nüancierungen und feiner Balance zwischen<br />

Zutrauen und Terror.<br />

Nicht ertragen konnte <strong>Ingrid</strong> hingegen die bellende<br />

Gr<strong>ob</strong>heit von Regisseur W.S (Woody) Van Dyke, einem Zuchtmeister,<br />

der in Stiefeln und Breeches im Set herumstolzierte<br />

und seine Befehle herumbrüllte wie ein Drill Sergeant. Als Regisseur<br />

in 76 Filmen innerhalb von 20 Jahren war er zu jener<br />

Zeit sehr gefragt – allerdings nicht bei den Schauspielern, die<br />

ihm den Übernamen "One Shot Woody" gaben, weil er ihnen<br />

kaum je die Gelegenheit bot, eine Szene zu wiederholen. Er<br />

realisierte seine Filme unter dem Budget, wofür ihn Mogule wie<br />

Louis B. Mayer liebten – im Gegensatz zu seriösen Kollegen<br />

wie <strong>Ingrid</strong>. "Los vorwärts damit!" brüllte Van Dyke plötzlich,<br />

und "Bringt diesen Film endlich vom Boden!" im nächsten Moment.<br />

"Ich will die nächste Szene in fünf Minuten bereit haben!"<br />

Die Dreharbeiten zu "Rage In Heaven" waren für <strong>Ingrid</strong><br />

eine Nachtmär an Unzivilisiertheit und Unprofessionalismus.<br />

Diese Art konnte sie ebensowenig mehr geduldig über sich<br />

ergehen lassen, wie des Regisseurs leichtfertige Gleichgültigkeit<br />

für die feineren Nuancen der Gestal<strong>tu</strong>ng eines Charakters.<br />

Van Dyke war <strong>als</strong> Ersatz für einen langsameren Regisseur eingestellt<br />

worden und sah seine Aufgabe einfach in der Beschleunigung<br />

der Produktion – den albernen Film auf eine Art<br />

und Weise fertigzustellen, die Mayer gefiel. Zum Teufel mit den<br />

Schauspielern.<br />

Ihre einzige Zuflucht in diesem November war Selznick.<br />

Was konnte sie gegen einen Mann wie Van Dyke <strong>tu</strong>n? Ihre<br />

Leis<strong>tu</strong>ng interessierte ihn nicht, und sie fürchtete, das Endresultat<br />

werde ein Film sein, der weder ihr noch Selznick etwas<br />

nützte, der ja weitere Projekte für sie suchte. Er aber mochte<br />

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