Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

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29.01.2013 Aufrufe

waren ein Teil unserer Familie, so erinnere ich mich an Ingrid und Pia in meiner Kinderzeit", sagte Kays Tochter Laurinda Barrett. "Woran ich mich am besten erinnere: Ice Cream – sie waren alle verrückt nach Ice Cream." Die erweiterte Familie erhielt anfangs Juni einen weiteren Zuzug, als sich Petter für einen Ferienaufenthalt zu ihnen gesellte. Ingrid liess Pia und das Mädchen für ein paar Tage bei den Barrett-Töchtern, holte ihn am Flughafen ab und brachte ihn ins Hotelzimmer, das sie - hoch oben - für ihn gebucht hatte und von dem man einen herrlichen Ausblick auf den Central Park genoss. "Sieh nur die prächtige Stadt", schwärmte Ingrid ihrem Gatten vor und machte ihn auf den Baumbestand, die Pferdefuhrwerke und die weit unten flanierenden Menschen aufmerksam, "das ist die aufregendste Stadt der Welt". Aber Petter konnte nur den Staub und den Schmutz der Stadt sehen. Nachdem er die Schuhe ausgezogen hatte, reklamierte er: "Schau dir den Teppich an – wie schmutzig er ist, meine Socken werden dreckig." Eher nach seinem Gusto war Amagansett, wo er, wie Laurinda Barrett berichtete, alle seine akrobatischen Kunststücke vollführen konnte. Auf den Händen schritt er im Rasen des Vorgartens die ganze Hausfront entlang und uns Kinder trug er auf dem Rücken umher. Ihre Schwester Kate erinnerte sich, dass Pia und die Mädchen in skandinavische Trachten gekleidet kleine schwedische Spielzeuge, die sie unter Ingrids Anleitung gebastelt hatten, an die Nachbarn verkauften. Nach drei Wochen in Amerika kehrte Petter nach Schweden zurück, um die definitive Umsiedlung der Familie nach Amerika vorzubereiten. Er wollte sie vom Konflikt in Europa möglichst weit entfernt halten und beabsichtigte, seinen medizinischen Doktortitel an einer renommierten amerikanischen Universität wie Harvard, Yale oder Columbia zu erwerben. Das kurze Zusammensein der Lindströms liess einmal mehr die Risse gleich unter dem Putz der Fassade erkennen. Mit ihren persönlichen Karrieren beschäftigt und im Tempera- 142

ment weiter von einander entfernt, als je zuvor, begegneten sich Petter und Ingrid als höfliche Freunde, deren einzige Gemeinsamkeit sich in der Freude an ihrer Tochter offenbarte. Ingrid liess sich ja nie über unerfreuliche Beziehungen aus und meinte nur, der Besuch sei "kein Erfolg" gewesen. Neben ihrer beruflichen Untätigkeit litt Ingrid diesen Sommer zusätzlich an einer inneren Einsamkeit. Ungeachtet ihrer grossartigen Fortschritte mit der amerikanischen Sprache, war Ingrid Bergman nach wie vor eine Aussenseiterin in einer Gesellschaft, die Ausländerinnen entweder als moralisch fragwürdige Exotinnen oder aber als potentielle Saboteure betrachtete. Das mag auch zum Teil erklären, warum Ingrid während ihrer New Yorker Zeit zwar viele berufliche Bewunderer hatte und als willkommene Ergänzung der Gästelisten an Parties gehandelt wurde, es ihr aber - obschon sie sich darum bemühte - nicht gelang, in dieser Zeit eine andere lebenslange Freundschaft zu gewinnen, als die zu Kay. INGRID WURDE DIESEN SOMMER FÜNFUNDZWANZIG und hatte eine sprühende gesellschaftliche Anmut, einen hellen Sinn für Humor, einen guten Geschmack für Gin Tonics, guten Wein und Scotch Whisky entwickelt; ausserdem wurde ihr zunehmend die offene erotische Aura bewusst, die sie umgab. Aber all das erfüllte sie mit der Sorge, es könnte ihre Karriere ein für allemal ruinieren. Sich selbst und ihre Verpflichtungen immer unter Kontrolle haltend, hatte sie doch verstanden, dass in gewissen Situationen diätetischer Ungehorsam etwas helfen konnte. "Ich nehme zu, weil ich mich bedaure", schrieb sie am 2. September an Ruth Roberts nach Kalifornien, "so muss ich ihr eben dann und wann etwas Ice Cream geben." Wie verschiedene andere Schauspielerinnen (u.a. Bette Davis, Marlene Dietrich, und Marilyn Monroe) referierte auch Ingrid über ihr berufliches Ich gerne in der dritten Person. "Ich betrachte mich immer von aussen her", sagte sie im darauffolgenden Jahr, "als würde ich eine Fremde beobachten, für die ich verantwortlich bin; so kann ich auch selbstkritisch sein." Sie unterschied 143

waren ein Teil unserer Familie, so erinnere ich mich an <strong>Ingrid</strong><br />

und Pia in meiner Kinderzeit", sagte Kays Tochter Laurinda<br />

Barrett. "Woran ich mich am besten erinnere: Ice Cream – sie<br />

waren alle verrückt nach Ice Cream."<br />

Die erweiterte Familie erhielt anfangs Juni einen weiteren<br />

Zuzug, <strong>als</strong> sich Petter für einen Ferienaufenthalt zu ihnen<br />

gesellte. <strong>Ingrid</strong> liess Pia und das Mädchen für ein paar Tage bei<br />

den Barrett-Töchtern, holte ihn am Flughafen ab und brachte<br />

ihn ins Hotelzimmer, das sie - hoch <strong>ob</strong>en - für ihn gebucht hatte<br />

und von dem man einen herrlichen Ausblick auf den Central<br />

Park genoss. "Sieh nur die prächtige Stadt", schwärmte <strong>Ingrid</strong><br />

ihrem Gatten vor und machte ihn auf den Baumbestand, die<br />

Pferdefuhrwerke und die weit unten flanierenden Menschen<br />

aufmerksam, "das ist die aufregendste Stadt der Welt". Aber<br />

Petter konnte nur den Staub und den Schmutz der Stadt sehen.<br />

Nachdem er die Schuhe ausgezogen hatte, reklamierte<br />

er: "Schau dir den Teppich an – wie schmutzig er ist, meine<br />

Socken werden dreckig." Eher nach seinem Gusto war Amagansett,<br />

wo er, wie Laurinda Barrett berichtete, alle seine akr<strong>ob</strong>atischen<br />

Kunststücke vollführen konnte. Auf den Händen<br />

schritt er im Rasen des Vorgartens die ganze Hausfront entlang<br />

und uns Kinder trug er auf dem Rücken umher. Ihre<br />

Schwester Kate erinnerte sich, dass Pia und die Mädchen in<br />

skandinavische Trachten gekleidet kleine schwedische Spielzeuge,<br />

die sie unter <strong>Ingrid</strong>s Anlei<strong>tu</strong>ng gebastelt hatten, an die<br />

Nachbarn verkauften.<br />

Nach drei Wochen in Amerika kehrte Petter nach<br />

Schweden zurück, um die definitive Umsiedlung der Familie<br />

nach Amerika vorzubereiten. Er wollte sie vom Konflikt in Europa<br />

möglichst weit entfernt halten und beabsichtigte, seinen<br />

medizinischen Doktortitel an einer renommierten amerikanischen<br />

Universität wie Harvard, Yale oder Columbia zu erwerben.<br />

Das kurze Zusammensein der Lindströms liess einmal<br />

mehr die Risse gleich unter dem Putz der Fassade erkennen.<br />

Mit ihren persönlichen Karrieren beschäftigt und im Tempera-<br />

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