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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Oskar Putzer<br />

es gel<strong>in</strong>gt, uns von der – im gesamten <strong>Europa</strong> vom Ural bis zum Atlantik – politisch und kulturell<br />

noch stark verankerten Ideologie des Nationalismus zu befreien.<br />

Welche Voraussetzungen und Chancen bestehen dafür?<br />

Trotz des veränderten Umgangs mit M<strong>in</strong>derheiten dom<strong>in</strong>iert auch <strong>in</strong> Westeuropa als Grundkonzept<br />

für e<strong>in</strong>e staatliche Ordnung nach wie vor die Idee des Nationalstaates. Die Grundmerkmale und<br />

Symbole desselben werden weiterh<strong>in</strong> nicht nur für legitim, sondern auch für nicht verhandelbar<br />

und für unantastbar gehalten. Oder darf man heute gegenüber nationalen Symbolen<br />

ungestraft e<strong>in</strong>e kritische, ablehnende, missachtende Haltung e<strong>in</strong>nehmen? Es genügt ja schon,<br />

dass man Zweifel an der Glaubwürdigkeit nationaler Geschichtsmythen äußert, um sich im<br />

„eigenen Land“ unbeliebt zu machen. Noch vor wenigen Jahren ist die e<strong>in</strong>fache Feststellung,<br />

dass „auf dem Territorium der Republik Frankreich andere, nichtfranzösische Sprachen<br />

als Muttersprache gesprochen werden“ im Parlament und im Senat von Paris als skandalöse<br />

Provokation zurückgewiesen worden! (Zimmer 2002: 104) Von der Selbstverständlichkeit der<br />

nationalstaatlichen Ordnung, von der Überzeugung, dass der Nationalstaat als politisches<br />

Ordnungspr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> <strong>Europa</strong> unantastbar sei, und folglich auch von der Überzeugung, dass die<br />

aus Nationalismus resultierenden Handlungen legitim seien, haben sich viele Europäer noch<br />

nicht distanziert. Das Bewusstse<strong>in</strong>, dass das Konzept der Nation nur e<strong>in</strong>e von vielen möglichen<br />

und zudem historisch erst sehr spät auftretende Ordnungsvorstellung ist, dass es Alternativen<br />

zu e<strong>in</strong>er national begründeten „gesellschaftlichen Kohäsionskraft“ (Stukenbrock 2005: 33)<br />

gibt, ja die Kulturgeschichte genügend Beispiele dafür liefert, dass Kriterien und Symbole für<br />

Zugehörigkeit, Geme<strong>in</strong>schaft und kollektive Identität austauschbar s<strong>in</strong>d, dieses Bewusst se<strong>in</strong><br />

sche<strong>in</strong>t unter den Bürgern <strong>Europa</strong>s noch nicht sehr verbreitet zu se<strong>in</strong>.<br />

Auch die EU respektiert die Unantastbarkeit der national begründeten staatlichen Ordnung.<br />

Im Zentrum der EU-Sprachenpolitik steht zwar die Sprachenverbreitung. 16 Der europäischen<br />

Vielsprachigkeit kommt oberste Priorität zu. Die Idee der Viel sprachigkeit will aber ke<strong>in</strong>eswegs<br />

das Pr<strong>in</strong>zip der Nationalsprache als Ausdruck der nationalstaatlichen Souveränität <strong>in</strong> Frage<br />

stellen bzw. überw<strong>in</strong>den. Im Gegenteil, die Sprachverbreitungs politik soll ja dafür sorgen,<br />

dass Mobilität auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Europa</strong> möglich ist, <strong>in</strong> welchem auf verschiedenen Territorien<br />

unterschiedliche Sprachen gesprochen werden. Die Vielsprachigkeit des E<strong>in</strong>zelnen soll <strong>in</strong>sofern<br />

dazu beitragen, den nationalstaatlichen Anspruch auf E<strong>in</strong>sprachigkeit zu respektieren. Aus<br />

diesem Grund kann die EU auch nur symbolische M<strong>in</strong>derheitensprachpolitik betreiben.<br />

Die Politik der Sprachverbreitung ersche<strong>in</strong>t im ersten Moment <strong>in</strong>novativ, ja für manche<br />

europäische Nationalstaaten vielleicht sogar revolutionär. In Wirklichkeit ist aber die<br />

Sprachenpolitik der EU konservativ, <strong>in</strong>sofern als sie das Pr<strong>in</strong>zip der nationalsprachlichen<br />

Souveränität nicht antastet, und sie ist nicht kulturellen Zielen verpfl ichtet, sondern<br />

pragmatisch-zweckorientiert: Sie soll die Voraussetzungen für e<strong>in</strong>en gut funktionierenden<br />

B<strong>in</strong>nenmarkt schaffen, für den auch e<strong>in</strong>e erleichterte Mobilität zwischen den EU-Staaten<br />

dienlich se<strong>in</strong> kann. So bezieht sich die Bestimmung, dass K<strong>in</strong>dern mit Migrations h<strong>in</strong>tergrund<br />

16 „Sprachverbreitungspolitik ist e<strong>in</strong>er der wenigen sprachpolitischen Bereiche, <strong>in</strong> dem die EU de jure über e<strong>in</strong>deutige<br />

sprachenpolitische Kompetenzen verfügt. Die Rechtsgrundlage sollte fortan Art III-282 der Verfassungsgrundlage se<strong>in</strong>:<br />

Die Tätigkeit der Geme<strong>in</strong>schaft hat folgende Ziele: Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere durch Erlernen und Verbreitung der Sprachen der Mitglied staaten… Diese sprachenpolitische Kompetenz<br />

erhielt die EU – wie fast alle kulturpolitischen Kompetenzen – mit dem Vertrag von Maastricht 1992.“ (Schre<strong>in</strong>er 2006:<br />

81 f.)<br />

58<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 58 4-12-2006 12:25:15

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