29.01.2013 Aufrufe

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Mehrsprachigkeit</strong> im Recht: H<strong>in</strong>dernis oder Chance für <strong>Europa</strong>?<br />

Spezifi sche Folgen der <strong>Mehrsprachigkeit</strong> bei der Übersetzung von EU-Recht ergeben sich<br />

<strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> folgenden Problembereichen:<br />

4.1. Unbestimmtheit der EU-Rechtsterm<strong>in</strong>ologie<br />

Aus rechtlicher Sicht lässt die Notwendigkeit für e<strong>in</strong> <strong>in</strong> allen Mitgliedsstaaten e<strong>in</strong>heitlich<br />

geltendes <strong>Europa</strong>recht ke<strong>in</strong>en großen Platz für term<strong>in</strong>ologischen Spielraum (Tosi 2003:<br />

118). EU-Rechtsbegriffe s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ständiger Entwicklung und erhalten - anders als nationale<br />

Rechtsbegriffe - diverses Input von vielen verschiedenen Rechtsordnungen. Dies führt nicht<br />

selten zu Schwierigkeiten bei der Feststellung ihrer genauen Bedeutung.<br />

Der so genannte “Europäische Referenzrahmen” bee<strong>in</strong>fl usst die Wahl des Zielterm<strong>in</strong>us<br />

entscheidend, doch stellen sich <strong>in</strong> der Regel Probleme, wenn im Geme<strong>in</strong>schaftsrecht Begriffe<br />

verwendet werden, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nationalen Recht bereits ‘besetzt’ s<strong>in</strong>d (vgl. Burr/Gréciano<br />

2003: 77).<br />

Zur Unschärfe tragen weiters die Vielzahl politischer Formelkompromisse im Primärrecht<br />

bei sowie die Tatsache, dass die Redaktion häufi g unter starkem zeitlichen Druck erfolgt (Loehr<br />

1998: 11). Ist Vagheit e<strong>in</strong>e grundsätzliche Eigenschaft von Rechtsbegriffen (Pommer 2006-<br />

6), so resultiert die Unbestimmtheit von EU-Rechtsterm<strong>in</strong>ologie zum<strong>in</strong>dest zum Teil aus dem<br />

Zusammenkommen unterschiedlicher Rechtssysteme.<br />

4.2. Aufhebung der traditionellen Unterscheidung von Ausgangs- und Zieltext<br />

Bei EU-Rechtstexten ist die traditionelle Unterscheidung von Ausgangs- und Zieltext<br />

aufgehoben, da alle Sprachversionen im Grunde e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Rechts<strong>in</strong>strument darstellen. Da<br />

sämtliche Textversionen Orig<strong>in</strong>alfassungen s<strong>in</strong>d, ist somit auch der Zieltext Orig<strong>in</strong>altext und<br />

der Ausgangstext mehr als e<strong>in</strong>e bloße Textvorlage. Beide beziehen sich nämlich mit gleicher<br />

Gültigkeit auf EU-Recht. Anders als <strong>in</strong> traditionellen Übersetzungsverfahren entstehen<br />

hier im Translationsprozess nicht nur Zieltexte, sondern die „Übersetzung“ wirkt auch auf<br />

die Gestaltung des Ausgangstextes zurück (Burr/Gallas <strong>in</strong> Müller/Burr 2004: 201 und 225).<br />

Translatorische Entscheidungen müssen also ohne die Möglichkeit, Orig<strong>in</strong>al und Übersetzung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> hierarchisches Verhältnis zu setzen, getroffen werden (vgl. Burr/Gréciano 2003: 11).<br />

EU-Recht als Diskurs materialisiert sich <strong>in</strong> den unterschiedlichen Sprachfassungen als<br />

„Verweisungszusammenhang im S<strong>in</strong>ne Derridas.“ Die unterschiedlichen Sprachfassungen bilden<br />

geme<strong>in</strong>sam den so genannten „espace textuel multiple, der den rechtlichen Plausibilitätsraum<br />

konstituiert“ (Burr/Gallas <strong>in</strong> Müller/Burr 2004: 221 und 225).<br />

5. Potential der <strong>Mehrsprachigkeit</strong><br />

“Every language has its own mirror to see the world.“ (Burr/Gréciano 2003: 188) heißt es und<br />

nach Wittgenste<strong>in</strong> bed<strong>in</strong>gt die Sprache das Vorstellungsvermögen; die Rechtssprache bestimmt<br />

somit die Grenzen des juristischen Weltbildes. Den größten Nutzen der <strong>Mehrsprachigkeit</strong> sehen<br />

manche im Erkennen der Relativität der eigenen Sprachwelt (Ehlich 2002: 50). Das Mite<strong>in</strong>ander<br />

von verschiedenen Sprachen und Kulturen schafft neue Formen des Wahrnehmens und Denkens<br />

und “gewisse Ideen kommen eher <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>en als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Sprache“ (Tosi 2003: 13), was<br />

der rechtlichen Argumentation durchaus neue Anreize verleiht. <strong>Mehrsprachigkeit</strong> soll assoziative<br />

Kreativität und Flexibilität fördern, e<strong>in</strong>e erhöhte Problemlösungsfähgkeit sowie e<strong>in</strong>e größere<br />

Toleranz bei Unbestimmtheit bewirken (Manz 2002: 186-187), Mittel zur leichteren Erfassung des<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 519 4-12-2006 12:30:26<br />

519

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!