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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Die Vielschichtigkeit des Deutschen <strong>in</strong> Südtirol<br />

Varianten als vollwertige Sprachen anerkennt, kommt man vielleicht zu e<strong>in</strong>er Lösung dieses<br />

Dilemmas.<br />

Ich denke dabei etwa an die Schweiz, wo sehr viele Immigranten lokale Varietäten sehr gut<br />

beherrschen.<br />

2. Die (mögliche) Wende<br />

Aus me<strong>in</strong>er Sicht bahnt sich derzeit bei uns e<strong>in</strong>e Wende an. Es gibt e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> Umdenken bei<br />

uns selbst und es kommt Unterstützung von außen, nicht zuletzt von der Sprachwissenschaft.<br />

Paradoxerweise ist es gerade die Wertschätzung, die der Dialekt <strong>in</strong> den allerletzten Jahren<br />

erfahren hat, die e<strong>in</strong> Umdenken möglich machen sollte. Innerhalb der letzten drei Jahre s<strong>in</strong>d<br />

mehr als e<strong>in</strong> halbes Dutzend Dialektwörterbücher geschaffen worden, die von der Bevölkerung<br />

mit großem Interesse aufgenommen werden. Hier geht es natürlich nicht um Dialektkompetenz,<br />

sondern darum, dass man das Eigene zu schätzen beg<strong>in</strong>nt. Diese Wertschätzung lässt sich<br />

übertragen. Und das Wichtigste: Hier entsteht Sprachbewusstheit, deren Mangel <strong>in</strong> Südtirol<br />

allenthalben beklagt wird. Wenn die Schule diese Bewusstheit aufgreift − was sie gelegentlich,<br />

aber noch allzu selten tut −, wird das den Sprachunterricht entscheidend verändern.<br />

Zwar ist der deutsche Standard <strong>in</strong> Südtirol immer von allen sehr hoch e<strong>in</strong>geschätzt worden,<br />

aber es war nicht der eigene. Seit sich die Auffassung durchgesetzt hat, dass alle Sprachen<br />

plurizentrisch s<strong>in</strong>d und dass es e<strong>in</strong>e Reihe von deutschen Standardvarianten gibt, hat auch<br />

hier e<strong>in</strong>e neue Wertschätzung des Regionalen e<strong>in</strong>gesetzt. Das Variantenwörterbuch (Ammon<br />

et alii 2004) verzeichnet über 350 E<strong>in</strong>träge als primäre oder sekundäre Südtirolismen und das<br />

Österreichische Wörterbuch (ÖWB 40) hat ebenfalls e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Südtiroler Lemmata<br />

aufgenommen. Damit ist zum ersten Mal das Südtiroler Deutsch als Standard kodifi ziert worden.<br />

E<strong>in</strong>e Dissertation (Abfalterer im Druck) zu dem gesamten Material der Südtirol-Datenbank wird<br />

demnächst ersche<strong>in</strong>en.<br />

Das sollte dazu führen, dass Südtiroler Spezifi ka nicht mehr nur als Interferenzen gesehen<br />

werden, wie das <strong>in</strong> der Vergangenheit häufi g der Fall war. Es sollte sich das Verständnis<br />

durchsetzen, dass es überall Variation gibt, dass im Sprachkontakt immer verstärkt mit<br />

Übernahmen zu rechnen ist, die zunächst Interferenzen darstellen, dann entweder e<strong>in</strong>verleibt<br />

oder ausgeschieden werden. Wenn man die E<strong>in</strong>träge <strong>in</strong> den Wörterbüchern genauer betrachtet,<br />

kommt man zum Schluss, dass es sich nicht nur um die Auswirkungen des Sprachkontakts, auch<br />

nicht nur um die aus Sprachnot zur Bewältigung von Lebenssituationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderssprachigen<br />

Staatsgebilde geschaffene Besonderheiten handelt, sondern um viel Eigenständiges und um<br />

völlig unterschiedliche Motivationsmuster für diese Ersche<strong>in</strong>ungen.<br />

Wenn dieses Verständnis e<strong>in</strong>es eigenen Standards sich <strong>in</strong> der Schule, bei den Politikern und<br />

schließlich bei der Bevölkerung durchsetzt, besteht die Hoffnung, dass wir zu e<strong>in</strong>em anderen<br />

sprachlichen Selbstverständnis kommen, das uns e<strong>in</strong>en angemessenen Umgang mit unseren<br />

Varietäten erlaubt.<br />

2.1 E<strong>in</strong> Varietätenvertrag<br />

Dietmar Larcher hat letzth<strong>in</strong> im Magaz<strong>in</strong> der <strong>EURAC</strong> (Hechenste<strong>in</strong>er 2006: 38ff.) beklagt, dass<br />

die Deutschsüdtiroler <strong>in</strong> der <strong>in</strong>terethnischen Kommunikation nicht auf ihre anderssprachigen<br />

Partner e<strong>in</strong>gehen, sondern stets <strong>in</strong> den Dialekt verfallen, wenn mehrere von ihnen beisammen<br />

s<strong>in</strong>d. Ich erlebe das nicht ganz so, auch wenn ich weiß, dass es häufi g vorkommt. (Ich erlebe<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 377 4-12-2006 12:28:59<br />

377

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