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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Siegfried Baur<br />

1969: 212) Wie aktuell diese Aussage ist, der Krieg und der „Waffenstillstand” zwischen Israel<br />

und den Hizbollah im Libanon.<br />

4. E<strong>in</strong> Beispiel e<strong>in</strong>er pragmatischen Paradoxie<br />

Zusammenleben und „Heimatrecht”<br />

E<strong>in</strong>e Vielzahl paradoxer Aussagen fi nden sich gerade <strong>in</strong> diesem Bereich. Man könnte hier<br />

sogar von superparadoxen Botschaften sprechen, die dar<strong>in</strong> bestehen, „...die Defi nition e<strong>in</strong>er<br />

Beziehung zu verändern, die nie defi niert worden ist.” (Selv<strong>in</strong>i Palazzoli 1988: 42)<br />

Die Realisierung dieser Beziehung wird aber ständig als neu zu defi nierender Wert<br />

„verkündet” und abstrakt e<strong>in</strong>gefordert. Der e<strong>in</strong>zige Defi nitionsparameter wird allerd<strong>in</strong>gs<br />

nur durch das Attribut „friedlich” gesetzt und <strong>in</strong> dieser Verb<strong>in</strong>dung ist die Aussage<br />

„friedliches Zusammenleben - convivenza pacifi ca” wohl die häufi gste Aussage, die man <strong>in</strong><br />

Südtirol hört. Diese Aussage wird jedoch häufi g durch die adversative Konjunktion „aber”<br />

begrenzt und damit abgeschwächt, wenn nicht sogar entwertet. Tatsächlich ist es ja so, dass<br />

die grundlegende Qualität der Beziehung zwischen den Sprachgruppen nie defi niert worden ist.<br />

Die Beziehung könnte im S<strong>in</strong>ne von Demos, d. h. e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft von StaatsbürgerInnen, nur<br />

dar<strong>in</strong> bestehen, dass sie als e<strong>in</strong> Zusammenleben von „Gleichen” verstanden wird. Dass dieses<br />

Verständnis bisher nicht gegeben war - und zwar weder von deutscher noch von italienischer<br />

Seite aus - zeigt sich an der E<strong>in</strong>schätzung darüber, welchen Sprachgruppen <strong>in</strong> Südtirol e<strong>in</strong><br />

„Heimatrecht” zusteht.<br />

Wenn hier von „Zusammenleben” und „Heimatrecht” gesprochen wird, dann geht es<br />

um die Defi nition e<strong>in</strong>er Grundbeziehung, der Grundbeziehung, und dazu gehört auch der<br />

wesentliche Aspekt, der sich <strong>in</strong> der Frage äußert: Wem gehört das Land? und zwar faktisch<br />

und symbolisch. Das Beharren auf e<strong>in</strong>er mehr oder weniger weitreichenden Abschaffung der<br />

italienischen Toponomastik sche<strong>in</strong>t, auf diese Frage, die niemals e<strong>in</strong>vernehmlich beantwortet<br />

worden ist, e<strong>in</strong>e relativ deutliche Antwort zu geben. Die stark wahrnehmbare Tendenz zur<br />

„Rückverdeutschung” des Territoriums (vgl. Langer 1996: 203f.) stellt außerdem an und für sich<br />

schon das “Heimatrecht” der ItalienerInnen auch der dritten Generation <strong>in</strong> Abrede.<br />

Die Forderung nach e<strong>in</strong>em konstruktiven „Mite<strong>in</strong>ander” von „Ungleichen” (E<strong>in</strong>heimische<br />

auf der e<strong>in</strong>en und Gäste bzw. Geduldete auf der anderen Seite) ist e<strong>in</strong>e paradoxe Forderung.<br />

Sie schafft e<strong>in</strong>e unhaltbare Situation, e<strong>in</strong>e Doppelb<strong>in</strong>dung, aus der sich der E<strong>in</strong>zelne, oder<br />

auch die größere Geme<strong>in</strong>schaft, meist nur dadurch befreien kann, dass man erklärt, das<br />

Paradoxon durchschaut zu haben. Die Erkenntnis, die daraus entspr<strong>in</strong>gt, ist jedoch meist nicht<br />

die Realisierung e<strong>in</strong>er Kooperation zwischen „Gleichen”, sondern die „E<strong>in</strong>sicht” <strong>in</strong> die Gefahr<br />

der „Verbrüderung”.<br />

Es könnte nun der E<strong>in</strong>druck entstanden sei, dass das Thema „Über die Schwierigkeit, die<br />

Sprache des Nachbarn zu lernen” nicht behandelt worden ist. Dies ist aber nicht der Fall.<br />

Wie können die anderen als Nachbarn anerkannt werden, wenn die Frage des „Besitzes”<br />

dieses Landes nicht geklärt ist? Von der Beantwortung dieser Fragen hängt es ab, ob der andere<br />

als gern oder ungern gesehener Gast, als Usurpator, als E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>g, als Gegner, als Eroberer,<br />

Eroberter, als Geduldeter oder als Nachbar gesehen wird.<br />

340<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 340 4-12-2006 12:28:37

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