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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Psychol<strong>in</strong>guistische Grundlagen e<strong>in</strong>er Rezeptiven Grammatik des Deutschen<br />

sprachlichen Prozesse, die beim Aufbauen des mentalen Modells e<strong>in</strong>e Rolle spielen, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Abb.<br />

1 durch Rechtecke wiedergegeben. Durchgezogene, aufsteigende Pfeile geben an, wie das Signal<br />

weitergeleitet wird, gestrichelte, absteigende Pfeile sollen andeuten, dass für alle Prozesse<br />

Rückkoppelungsmechanismen nachweisbar s<strong>in</strong>d – möglicherweise wären solche Rückkoppelungen<br />

sogar über die Stufen h<strong>in</strong>weg anzusetzen, was wir <strong>in</strong> Abb. 1 der Anschaulichkeit halber aber<br />

unterschlagen. Verstehen ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>krementeller Prozess, d.h. dass es mit dem Ankommen der<br />

ersten Signalteile bereits e<strong>in</strong>setzt und nicht wartet, bis beispielsweise e<strong>in</strong> Wort, e<strong>in</strong>e Phrase oder<br />

gar e<strong>in</strong> Satz fertig verarbeitet wurde. Das erzeugte mentale Modell ist nicht statisch, sondern<br />

dynamisch, es wird laufend ‚aufdatiert’ (angedeutet durch die Zeitachse und die verschiedenen<br />

‚Zeitschnitte’ <strong>in</strong> der Abbildung), abgeglichen mit dem ankommenden verarbeiteten Signal sowie<br />

mit diversen sprachlichen und nichtsprachlichen Wissensbeständen. Diese Wissensbestände s<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong> Abb. 1 als Kreise repräsentiert. Die sprachlichen Wissensbestände schließen die folgenden<br />

Kategorien e<strong>in</strong>: das mentale Lexikon, grammatisches Wissen, sprachliche Formschemata auf<br />

der Wort-, Satz- und Text-Ebene sowie sprachliche Strategien zum „Knacken“ und Analysieren<br />

von Mehrworte<strong>in</strong>heiten (Phrasen, Sätzen), aber auch zum Erschließen von un- oder halbbekannten<br />

Wörtern. Auch auf Textebene s<strong>in</strong>d wichtige Formschemata anzusetzen, etwa was<br />

die Struktur von bestimmten Textsorten (Brief, Tischrede etc.) angeht. Diese Wissensbestände<br />

ermöglichen zusammen mit nichtl<strong>in</strong>guistischen Wissensbeständen (Inhaltsschemata) wie<br />

Kontext, verarbeitetem Kotext und Weltwissen den Verstehensprozess, was <strong>in</strong> Abb. 1 mit den<br />

gebogenen Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ien zwischen Kreisen und Rechtecken angedeutet ist.<br />

Zu jedem der E<strong>in</strong>zelprozesse ließe sich natürlich vieles anführen und problematisieren,<br />

doch s<strong>in</strong>d dies Diskussionen, die hier nicht geführt werden können. Was hier dennoch kurz<br />

angesprochen werden muss, ist unsere Entscheidung, die syntaktische und semantische<br />

Verarbeitung nicht strikte zu trennen, sondern auf e<strong>in</strong>e Stufe zu setzen, wie aus Abb. 1 ersichtlich.<br />

In der Sprachverarbeitungsforschung gibt es bekanntlich verschiedene Auffassungen darüber, ob<br />

es e<strong>in</strong>e autonome syntaktische Verarbeitungsstufe überhaupt gibt, und wenn ja, ob diese vor<br />

oder nach der semantischen Verarbeitung anzusetzen ist (vgl. Harley 2001: 245ff. für e<strong>in</strong>en<br />

Überblick). In der Forschung zum muttersprachlichen Prozessieren wird zwischen verschiedenen<br />

Modellen unterschieden, die entweder von e<strong>in</strong>er Interaktion zwischen semantischem und<br />

syntaktischem Wissen ausgehen (z.B. das Competition-Modell von Bates/MacWh<strong>in</strong>ney 1989, vgl.<br />

zur Übersicht auch Ferreira et al. 2002: 11), oder aber von e<strong>in</strong>em Primat der Syntax (Frazier<br />

1987) oder gar der Semantik (Townsend/Bever 2001, Herrmann 2005). E<strong>in</strong>er strikten Trennung<br />

von Syntax und Semantik kann hier schon deshalb nicht das Wort geredet werden, weil unser<br />

Modell für mehrsprachige und <strong>in</strong>terkomprehensive Sprachverwendung angelegt se<strong>in</strong> soll.<br />

Gerade wenn e<strong>in</strong>e Fremdsprache auf niedrigem Niveau oder gar nicht beherrscht wird, spielen<br />

natürlich sämtliche verfügbaren nicht-sprachspezifi schen Wissensbestände e<strong>in</strong>e umso größere -<br />

und im Prozessverlauf möglichst frühe - Rolle beim <strong>in</strong>ferierenden, versuchsweisen Verstehen von<br />

Texten. Neben dem Welt- und Kontextwissen ist beim fremdsprachlichen Verstehen außerdem<br />

davon auszugehen, dass auch die (fremd-)sprachbezogenen Strategien des Inferierens, wie<br />

sie etwa zentrales Element <strong>in</strong> der <strong>Mehrsprachigkeit</strong>sdidaktik s<strong>in</strong>d (vgl. Bernhardt 1990), e<strong>in</strong>e<br />

entscheidende Rolle spielen.<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 311 4-12-2006 12:28:20<br />

311

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