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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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<strong>Mehrsprachigkeit</strong> als europäische Aufgabe<br />

11.3 Extranationale Integrale<br />

Von diesen beiden Typen s<strong>in</strong>d als extranationale Integrale besonders die von Religionen<br />

determ<strong>in</strong>ierten zu unterscheiden. Drei von ihnen s<strong>in</strong>d zentral auch sprachlich bestimmt:<br />

das Christentum, der Islam und die „Mutter“ beider, das Judentum. Ihre Qualifi zierung als<br />

„Buchreligionen“ macht <strong>in</strong> sich schon deutlich, dass Sprache hier e<strong>in</strong>e zentrale Rolle spielt.<br />

Ähnliches gilt für den Buddhismus. (Die Situation etwa des Sh<strong>in</strong>toismus h<strong>in</strong>gegen ist e<strong>in</strong>e<br />

andere.)<br />

Die Schriften der extranationalen Integrale s<strong>in</strong>d zum Teil sozusagen monol<strong>in</strong>gual orientiert.<br />

Dies gilt etwa für die Rolle des Arabischen im Islam oder für lange Zeit die des Late<strong>in</strong>ischen<br />

<strong>in</strong> der römisch-katholischen Kirche. Zum Teil s<strong>in</strong>d sie aber auch durchaus für Multil<strong>in</strong>gualität<br />

offen (wie im bereits erwähnten Fall der östlichen Orthodoxie), oder diese ist für sie geradezu<br />

programmatisch (so bei den vorreformatorischen und reformatorischen Bewegungen).<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Übersetzungstätigkeit, die hier zu beobachten ist, und die Herstellung von<br />

„landessprachlichen“ (bzw. gleichsam „vor“-landessprachlichen) Varianten der religiösen<br />

Strukturen zeigen, dass <strong>Mehrsprachigkeit</strong> e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den letzten fünfhundert Jahren zur Realität<br />

gewordene Option extranationaler Integrale ist.<br />

11.4 Transnationale Integrale<br />

Von den bisher dargestellten E<strong>in</strong>heiten bzw. Integralen unterscheidet sich nun deutlich e<strong>in</strong><br />

vierter Typ. Ich nenne ihn „transnationale Integrale“. Sie s<strong>in</strong>d, wie ich hoffe gezeigt zu haben,<br />

ohne Beispiel und stellen von daher e<strong>in</strong>e Aufgabe dar, die weit über e<strong>in</strong>e bloß technokratische<br />

Adaptierung oder e<strong>in</strong>e bürokratische Verwaltung h<strong>in</strong>ausgeht. Sie stellen Anforderungen an uns<br />

und unser Denken, die, zugespitzt gesagt, von uns e<strong>in</strong>e Revolutionierung des Sprachdenkens<br />

verlangen, e<strong>in</strong>es Sprachdenkens, das bisher im Wesentlichen durch die nationale Konfi guration<br />

determ<strong>in</strong>iert ist. Prom<strong>in</strong>entestes Beispiel für transnationale Integrale ist die Europäische Union.<br />

Bisher fi nden sich für e<strong>in</strong> solches neues Sprachdenken <strong>in</strong> der EU freilich kaum Ansätze. Sehr<br />

lange aber wird diese Union nicht mehr warten können, bis sie unabweisbar vor dem Erfordernis<br />

steht, die gewohnten Denk- und Argumentationsraster zu verlassen.<br />

12. <strong>Europa</strong> vor der Vielfalt se<strong>in</strong>er Sprachen – ratlos<br />

Gegenwärtig freilich gebricht es an solcher Innovationsfreude r<strong>in</strong>gsum. Nach me<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>druck<br />

ist die europäische Politik viel eher durch die Devise charakterisiert „Augen zu und durch!“,<br />

die für die Sprachenfrage wohl eher „Ohren zu und durch!“ genannt werden müsste. Die<br />

europäische Politik sche<strong>in</strong>t nach der Maxime zu verfahren: Versuchen wir e<strong>in</strong>fach, die Frage,<br />

was aus den Sprachen <strong>in</strong> <strong>Europa</strong> wird, möglichst „nach unten zu hängen“ und uns von ihr<br />

nicht weiter tangieren zu lassen. Gleichzeitig wird die Zufl ucht zur Markt-Metapher genommen.<br />

Insbesondere die Brüsseler Realität e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>sten geme<strong>in</strong>samen sprachlichen Nenners soll dann<br />

für sich sprechen. Dies ist e<strong>in</strong> starker Reduktionismus <strong>in</strong> Bezug auf die <strong>in</strong> § 8. angesprochenen<br />

Funktionen von Sprache.<br />

Praktisch wird die ungelöste Sprachenfrage der Union dann auf das spezifi sch brüsselbürokratische<br />

Adm<strong>in</strong>istrationssystem und den Übersetzerdienst (mit se<strong>in</strong>en angeblich<br />

ungeheuren Kosten) reduziert (vgl. Kelz 2002).<br />

Was demgegenüber weith<strong>in</strong> schmerzlich vermisst wird, ist, dass die Herausforderung e<strong>in</strong>er<br />

mehrsprachigen europäischen Zukunft angenommen würde. Im Gegenteil: Sie wird bisher kaum<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 27 4-12-2006 12:24:58<br />

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