29.01.2013 Aufrufe

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Schulsprachenpolitik und E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Migrantensprachen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er deutsch-französischen Grenzregion<br />

Fremdsprache etablieren konnte. Was das Angebot von Türkisch als moderne Fremdsprache<br />

betrifft, so lassen sich zwischen Baden und dem Elsass grundlegende Unterschiede aufzeigen. In<br />

Baden-Württemberg wird Türkisch bisher nicht als moderne Fremdsprache angeboten, wogegen<br />

es im Elsass <strong>in</strong> mehreren Collèges und Lycées als zweite bzw. dritte Fremdsprache zur Wahl<br />

steht. Zudem kann es dort seit 1995 auch als Wahlpfl ichtfach für die Abiturprüfung gewählt<br />

werden. In Baden-Württemberg gibt es lediglich seit 2004 die Möglichkeit, sich Türkisch <strong>in</strong> der<br />

Hauptschul-Abschlussprüfung zertifi zieren zu lassen (Krüger 2006: 168-172).<br />

Der muttersprachliche Unterricht (von nun an MU abgekürzt) basiert bis heute auf bilateralen<br />

Abkommen zwischen Entsende- und Aufnahmeland. In Deutschland wird der Unterricht je nach<br />

Bundesland entweder von den Konsulaten, wie es <strong>in</strong> Baden-Württemberg der Fall ist, oder von<br />

den Ländern selbst unter Aufsicht der Schulbehörden angeboten. In Frankreich s<strong>in</strong>d es allgeme<strong>in</strong><br />

die Auslandsvertretungen, die den MU unter geme<strong>in</strong>samer Aufsicht mit den Schulbehörden<br />

ausrichten. Die nun folgenden Aussagen stützen sich nicht nur auf offi zielle Programme, sondern<br />

auch auf Gespräche, die die Autor<strong>in</strong> mit den Erziehungs-Attachés der jeweiligen Konsulate und<br />

mehreren MU-Lehrern führen konnte, sowie auf mehrfache Hospitanz im Unterricht.<br />

Die bildungspolitischen Zielsetzungen des MU s<strong>in</strong>d auf beiden Seiten des Rhe<strong>in</strong>s dieselben.<br />

Lange Zeit stand die Rückkehroption, also die Ermöglichung der Wiedere<strong>in</strong>gliederung <strong>in</strong> das<br />

Schulsystem des Herkunftslands, sowie die Bewahrung der sprachlichen und kulturellen Identität<br />

im Mittelpunkt. Doch als sich viele Migranten entschlossen, nicht <strong>in</strong> ihre Heimat zurück zu kehren,<br />

musste auch der MU e<strong>in</strong>e neue Ausrichtung erfahren, um se<strong>in</strong>e Existenzberechtigung nicht zu<br />

verlieren. Zweisprachigkeitsstudien, die die Bewahrung der Erstsprache für den Sprachlernprozess<br />

weiterer Sprachen hervorheben, rückten deswegen zunehmend <strong>in</strong> den Mittelpunkt und werden<br />

heute <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Motivation für den MU von Seiten der M<strong>in</strong>isterien, Konsulate und MU-<br />

Lehrer selbst angeführt. Allerd<strong>in</strong>gs wäre als Folge dessen e<strong>in</strong>e direkte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des MU <strong>in</strong><br />

das Schulcurriculum unabd<strong>in</strong>gbar, von der die heutigen Programme noch weit entfernt s<strong>in</strong>d.<br />

Vielmehr stößt der MU seit se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>führung auf Probleme, die auf beiden Seiten der Grenze<br />

fast dieselben s<strong>in</strong>d, wie bei dieser vergleichenden Untersuchung deutlich wurde:<br />

• Der MU ist nicht fächerübergreifend <strong>in</strong> Lern<strong>in</strong>halte der jeweiligen Klassenstufe <strong>in</strong>tegriert.<br />

• Die MU-Lehrer s<strong>in</strong>d häufi g schlecht <strong>in</strong> das Lehrerkollegium der e<strong>in</strong>zelnen Schulen <strong>in</strong>tegriert,<br />

da sie <strong>in</strong> mehreren Schulen für jeweils nur wenige Stunden gleichzeitig e<strong>in</strong>gesetzt werden;<br />

z.T. ist die isolierte Stellung auch auf mangelnde Sprachkenntnisse der MU-Lehrer <strong>in</strong> der<br />

Landessprache zurückzuführen.<br />

• Im Elsass mangelt es den Lehrern z.Z. noch an auf ihr Zielpublikum ausgerichtete<br />

Lehrbücher.<br />

• Da der Unterricht sich <strong>in</strong> der Regel auf 45 M<strong>in</strong>uten oder höchstens 90 M<strong>in</strong>uten pro<br />

Woche beschränkt, ke<strong>in</strong>e Hausaufgaben von den Schülern verlangt werden und die<br />

Unterrichtsteilnahme freiwillig ist, ist der Lernprozess entsprechend langsam bzw.<br />

unregelmäßig.<br />

• In weiterführenden Schulen fi ndet MU – wenn überhaupt – häufi g außerhalb des<br />

Regelunterrichts am Nachmittag statt.<br />

Man kann also feststellen, dass der MU auf beiden Seiten der Grenze e<strong>in</strong>e eher marg<strong>in</strong>ale<br />

Stellung e<strong>in</strong>nimmt, obwohl er mittlerweile seit mehr als 30 Jahren angeboten wird. Von e<strong>in</strong>er<br />

breiten Anerkennung von Türkisch als moderne Fremdsprache <strong>in</strong> den weiterführenden Schulen<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 143 4-12-2006 12:26:32<br />

143

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!