Different Roots – Common Routes - JFC Medienzentrum Köln
Different Roots – Common Routes - JFC Medienzentrum Köln
Different Roots – Common Routes - JFC Medienzentrum Köln
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Jugendkultur- und Medienarbeit für kulturelle Vielfalt
DVD<br />
Siehe DATA\SONGS<br />
und Musikvideo auf<br />
beiliegender DVD<br />
One Love (<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>)<br />
We introduce <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong> baby<br />
Wir haben nicht dieselben Wurzeln doch alle dieses eine Ziel<br />
Durch das Mic die Meinung sagen, guck wie ich mit Reimen spiel’<br />
Musica l’amore che c’i accompagna e connette<br />
È un amore che c’i da forza ed é con noi sempre<br />
Es una vida llena de amor, pero sin piedad,<br />
Hago lo que puedo de colonia hasta granaž<br />
Aqui represento Los Rockeros del Rap,<br />
Lo que llevo dentro es to realidad<br />
Hepimiz aynıyız hepimiz insanız<br />
Music and Love bizim hayatımız<br />
Wir sind gekommen um zu rocken und die Welt zu Retten (one love, one world, one aim)<br />
Wir bringen frischen Wind, weil jeder von uns anders klingt (one dream, one team, just we)<br />
Die Wurzeln sind verschieden, doch wir haben dieselben Ziele (one love, one world, one aim)<br />
Es gibt nur eine Welt, es gibt nur eine Liebe (one dream, one team, just we)<br />
On n’est pas du même pays on n’a pas les mêmes racines<br />
On vous parle de nos vies la musique nous réunit<br />
Und ich fühl die Melodie wie ’ne Stimme in meinem Kopf,<br />
One life, one love, one mic <strong>–</strong> unplug<br />
Dreaming of a world without guns and wars just freedom<br />
Try to achieve this aim by rapping singing all together<br />
Wanna show you love wanna put you into our life<br />
You will always be welcome in the world of open hearts<br />
We’ve come to show you what we got ’n to open up our heart (one love, one world, one aim)<br />
We a breath of fresh air yet we take your breath away (one dream, one team, just we)<br />
<strong>Different</strong> cultures, different roots, work the magic in the booth (one love, one world, one aim)<br />
We ain‘t all the same but we got one aim (one dream, one team, just we)<br />
Hepimiz aynıyız hepimiz insanız<br />
Music and Love bizim hayatımız<br />
Jeder kommt mit Seele und er weiß wo das Ziel ist<br />
One Love und das Fighten um Realness<br />
Wo der Hass in den Menschen für die meisten zu viel ist<br />
Bringen wir Hoffnung mit Cyphern in den Zeiten des Krieges<br />
When I was young, I was in trouble<br />
I didn‘t know my routes/roots<br />
But now I see it makes no difference<br />
And I know what to do<br />
Wir sind gekommen (one love, one world, one aim)<br />
Um Euch zu rocken (one dream, one team, just we)<br />
Minna isshoni (one love, one world, one aim)<br />
Gambarou (one dream, one team, just we)<br />
(Text & Musik: Maurice „Reez“ Moises, Piera Montenera, Falko Schönian,<br />
Tugba Yılmaz, Johannes „J-JD“ da Costa, Marc „Mavys“ Villareal,<br />
Olivia „Livi“ Sawano, Markus „Be“ Brachtendorf)<br />
© 2006 alle AutorInnen und <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong>
Grußwort<br />
Wir leben in einer Gesellschaft, die zunehmend durch<br />
Globalisierung und Multikulturalität geprägt ist. Das<br />
Miteinander unterschiedlichster Kulturen und die<br />
gesellschaftliche Vielfalt eröffnen Chancen für alle<br />
Menschen, die dieser Gemeinschaft angehören:<br />
Austausch von Erfahrungen, Einblicke und neue Perspektiven<br />
sowie ein gegenseitiges voneinander Lernen.<br />
Leider geht das Zusammenleben unterschiedlicher<br />
Kulturen nicht immer ohne Probleme, nicht immer<br />
friedlich vonstatten. Vorurteile gegenüber Menschen<br />
anderer Herkunft, Unkenntnis und gegenseitige<br />
Berührungsängste, die manchmal in Diskriminierung<br />
und fremdenfeindlicher Gewalt gipfeln, behindern die<br />
Integration. Für eine erfolgreiche Integration braucht es<br />
Offenheit, Annäherung und Verständigung. Kinder und<br />
Jugendliche als Mitgestalter unserer Gesellschaft nehmen<br />
hier eine wichtige Rolle ein.<br />
In diesem Sinne freue ich mich, Ihnen die Broschüre<br />
„<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>“ und das zugrundeliegende<br />
Projekt als Anregung und Arbeitshilfe für die<br />
Jugendarbeit vorstellen zu können. 26 Jugendliche aus<br />
15 Nationen haben im Rahmen des Workshops ihre<br />
Vorstellungen und Träume von einem multikulturellen<br />
Miteinander musikalisch umgesetzt, haben selbst Musik<br />
komponiert und ihre Gedanken multilingual in Worte<br />
gefasst. Musik ist in besonderer Weise geeignet, kulturelle<br />
Brücken zu schlagen und ein Zeichen zu setzen. Insofern<br />
sind die Musikprojekte, die Ihnen in der Broschüre<br />
vorgestellt werden nicht bloß musikalisches Experiment,<br />
sondern auch Teil der sozialen, kulturellen und<br />
politischen Jugendbildung.<br />
Die Begegnung von Jugendlichen im Rahmen von<br />
„<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>“ überzeugt als<br />
gelungenes Beispiel für interkulturelle Pädagogik, die<br />
Austausch und Annäherung ermöglicht, um Distanz<br />
und Diskriminierung zu überwinden. Das Zusammenleben<br />
in einer zunehmend vielfältigeren und globalen Welt<br />
braucht den Zusammenhalt in der eigenen Gesellschaft<br />
ebenso wie die Bereitschaft zur kulturellen Öffnung.<br />
Erst in der gegenseitigen Anerkennung entfaltet das<br />
Potenzial unserer vielfältigen Gesellschaft seine wirkliche<br />
Stärke. Die Projekte vermitteln diese Werte. Und vor<br />
allem werden neue Sichtweisen musikalisch unmittelbar<br />
umgesetzt. Jugendliche brauchen solche Erfahrungen.<br />
„Eine Liebe, eine Welt, ein Ziel“ <strong>–</strong> davon sind wir in der<br />
Realität weit entfernt. Desto mehr brauchen wir diese<br />
Träume einer Generation, die an der Schwelle zur eigenen<br />
Identitätsfindung und damit auch zur Mitgestaltung<br />
der Gesellschaft steht.<br />
Als Minister für Jugend und Integration begrüße und<br />
unterstütze ich diese kreative und innovative Aktion<br />
gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und wünsche<br />
Ihnen eine interessante Lektüre, die als gleichsam<br />
theoretische wie auch praktische Arbeitshilfe hoffentlich<br />
die Lust zur Nachahmung anregt.<br />
Meine Empfehlung: Lassen Sie sich einfach durch das<br />
beigefügte Hörbeispiel inspirieren.<br />
Armin Laschet<br />
Minister für Generationen, Familie,<br />
Frauen und Integration<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
Intro | 03
Einführung<br />
In den letzten Tagen des Jahres 2006 wurde in <strong>Köln</strong> unter der<br />
programmatischen Überschrift „<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>“<br />
ein Modellprojekt mit Musik-, Tanz- und Medienworkshops durchgeführt.<br />
Die beteiligten Jugendlichen mit „<strong>Roots</strong>“ in 15 Nationen<br />
erarbeiteten unter professioneller Anleitung in vier Tagen Songs,<br />
Choreographien, Videos und Live-Visuals. Die nun vorliegende<br />
Broschüre mit DVD vermittelt einen konkreten Eindruck aus dieser<br />
intensiven Arbeit. Zugleich und vor allem soll sie Anregung und<br />
konkrete Hilfestellung für die Realisierung eigener Angebote bieten.<br />
Jugendkultur ist lokal verwurzelt und global vermittelt. Jugendkultur<br />
ist gelebter Alltag, zum Ausdruck gebrachte Rebellion und<br />
häufig auch weltumspannendes Geschäft. Jugendkulturen stiften<br />
Identität. Jugendkulturen markieren Trennungslinien und führen<br />
zusammen. Die Vielfalt der Jugendkulturen entspricht der Vielfalt<br />
der Lebensstile <strong>–</strong> lokal und global. Moderne Jugendkulturen<br />
sind dabei ohne Medien nicht denkbar. Medien bieten Informationen<br />
und Orientierungsmuster, vermitteln kulturelle Ausdrucksformen<br />
aus aller Welt und eröffnen unzählige Gestaltungs- und<br />
Kommunikationsmöglichkeiten. Medienvorlieben, verbunden mit<br />
jugendkultureller Zuordnung und Gestaltung, sind ein wichtiger<br />
Sozialisationsfaktor.<br />
In der Großstadt mit ihren vielfältigen Ressourcen an Lebenswelten<br />
und Medienbildern erhält das bunte Kaleidoskop der<br />
Jugendszenen ganz besondere Intensität durch urbane Dichte und<br />
Vielfalt. In den Städten leben überproportional viele junge Menschen<br />
mit Migrationshintergrund. Und ihr Anteil steigt. Jugendliche mit<br />
Migrationshintergrund lernen im günstigen Fall, ihre vielfältigen<br />
Ressourcen als hilfreiche Optionen zu nutzen; leider noch zu oft<br />
erleben sie ihre Herkunft auch als Beschränkung. Das <strong>JFC</strong> Medien-<br />
zentrum möchte mit seinen Urban-Culture-Projekten und mit<br />
dieser Broschüre einen Beitrag zur Förderung von Anerkennung,<br />
Kommunikation, Integration und interkulturellem Miteinander<br />
leisten.<br />
Die vorliegende Broschüre hat drei Teile:<br />
1. Im Theorieteil wurden Hintergrundartikel zusammengestellt, die<br />
Urban Culture aus verschiedenen Blickrichtungen beleuchten und<br />
so Grundlagenwissen für Neulinge in der jugendkulturellen Projektarbeit<br />
liefern <strong>–</strong> und sicher die eine oder andere neue Perspektive<br />
auch für „alte Hasen“. Die Themen reichen von einer Einführung in<br />
die HipHop-Kultur über Urban Culture in Bildungsarbeit und anti-<br />
rassistischer Pädagogik bis hin zur Geschichte und Entwicklung<br />
von HipHop in den USA und in Deutschland.<br />
2. Im Best-Practice-Teil findet sich eine Sammlung von nordrheinwestfälischen<br />
und internationalen Urban-Culture-Projekten, die<br />
die Bandbreite möglicher Ansätze darstellen soll, die Chancen<br />
und Herausforderungen skizziert und Lust auf eigene Projekte im<br />
Bereich urbaner Jugendkulturen machen soll.<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong><br />
Hansaring 84-86, 50670 <strong>Köln</strong><br />
Fon: (0221) 130 56 15-0, Fax: (0221) 130 56 15-99<br />
www.jfc.info, info@jfc.info<br />
In Kooperation mit der Jugendförderung Solingen,<br />
www.solingen.de/jugend<br />
Redaktion: Sascha Düx, duex@jfc.info<br />
Umschlaggestaltung und Logo: Aileen Wessely<br />
Layout: Klaus Jettkant, Aileen Wessely und Dirk Unger<br />
DVD-Authoring: Dirk Unger<br />
04 | Einführung<br />
3. Die „How to dos“ für Aktivitäten im Praxisteil können die<br />
eigenen Überlegungen und Planungen unterstützen: Wie erreiche<br />
und fördere ich welche Jugendlichen, welche Kompetenzen und<br />
Ressourcen habe ich in meiner Einrichtung, welche Unterstützung<br />
muss ich mir von außen holen?<br />
Der Text wird multimedial ergänzt durch die beiliegende DVD:<br />
Die Videodokumentation des Modellprojekts mit zahlreichen<br />
Dozenteninterviews unterfüttert den Praxisteil mit Bild und Ton,<br />
und natürlich darf auch das Ergebnis-Musikvideo „One Love<br />
(<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>)“ nicht fehlen. Weitere Videodokumentationen<br />
und Musikvideos ebenso wie die Fotos und<br />
MP3-Songs im Datenteil der DVD ergänzen die Beschreibungen<br />
der Best-Practice-Projekte. Die komplette Broschüre liegt im<br />
Datenteil als PDF-Datei vor.<br />
Es ist unser Anliegen, mit Broschüre und DVD Ermutigung und<br />
(medien-)pädagogische Unterstützung zu bieten sowie vorbildliche<br />
Projekte und Akteure miteinander zu vernetzen. Dabei ist Urban<br />
Culture immer weniger nur auf Großstädte beschränkt: In Zeiten<br />
umfassender medialer Kommunikation und Information, mit<br />
Angeboten wie myspace.com, wikipedia.de und youtube.com, ist der<br />
ländliche Raum zunehmend und immer schneller an die kulturellen<br />
Prozesse in den Zentren angedockt. Viele der hier versammelten<br />
Projektideen und pädagogischen Ansätze lassen sich daher auch<br />
für strukturschwächere Regionen adaptieren.<br />
Nutzen wir als Pädagogen und Pädagoginnen also die Potenziale<br />
urbaner Jugendkulturen für die gezielte Förderung Jugendlicher<br />
und die Erschließung individueller Perspektiven. Und verstehen wir<br />
kulturelle Vielfalt in urbanen Strukturen als Ausgangspunkt und<br />
konkrete Chance für neue kulturelle Ausdrucksformen ebenso wie<br />
für (inter-)kulturellen Austausch und die Überwindung kommunikativer<br />
Schranken.<br />
Dr. Eva Bürgermeister<br />
<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong><br />
Lektorat: Anne Bott, Sebastian Menzel<br />
<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong> ist ein Projekt des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />
<strong>Köln</strong> in Kooperation mit der Jugendförderung Solingen und wird gefördert<br />
vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des<br />
Landes Nordrhein-Westfalen. Die Druckkosten für diese Broschüre wurden<br />
von der Stadt Solingen übernommen.<br />
gefördert vom:
Inhalt<br />
Intro<br />
Songtext „One Love“ .................................................................... 2<br />
Grußwort ...................................................................................... 3<br />
Einführung .................................................................................... 4<br />
Impressum .................................................................................... 4<br />
Theorie<br />
HipHop: Popkultur und Lebensstil<br />
Gabriele Klein ................................................................................. 8<br />
HipHop Intelligence<br />
Tim Weedon ................................................................................... 11<br />
Urban Culture und Pädagogik<br />
Sascha Düx ..................................................................................... 12<br />
Eine kurze Geschichte des HipHop in Deutschland<br />
Hubert Minkenberg ......................................................................... 15<br />
Best Practice<br />
Interkulturelle Medienarbeit im <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong><br />
Eva Bürgermeister ........................................................................... 18<br />
Urban-Culture-Projekte des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />
Von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> bis <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> — <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />
Sascha Düx und Andreas Kern ......................................................... 19<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> — Unterricht in Urban Culture<br />
Bart Suèr ....................................................................................... 23<br />
Trying Babylon — ein jugendkulturelles Musiktheater<br />
Jürgen Beu ..................................................................................... 26<br />
MittwochsMaler — das <strong>Köln</strong>er Graffiti-Jugendkunstprojekt<br />
Maurice Kusber ............................................................................. 28<br />
Mädchenprojekte der Offenen Jazz Haus Schule<br />
Rainer Linke und Gabi Deeg ........................................................... 30<br />
pop@rena — Musikvideos für’s WWW<br />
Lisette Reuter ................................................................................ 32<br />
Projektleitung Modellprojekt: Lisette Reuter und Sascha Düx<br />
Dozenten Modellprojekt: Markus „Be“ Brachtendorf, Xaver Fischer,<br />
Frank Jilly, Youngung Sebastian Kim (Jaekwon), Marcel Panne (VJ Sehvermögen),<br />
Olivia Sawano, Jörg Schürmann, Marc „Mavys“ Villareal<br />
Dokumentation Modellprojekt: Thomas Hartmann (Foto),<br />
Sebastian Menzel (Videoschnitt),<br />
Lisette Reuter, Tristan Sommer und Kerstin Venne (Video)<br />
Bildnachweis:<br />
dobromedia: S. 8 u., 12 o., 6<strong>–</strong>22, 33 o., 46 u., 50, 51 u., 52, 58, 59 o., 61<strong>–</strong>62, 64 u., 65 o.;<br />
HipHopMobil: S. 38, 39; <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong> (u.a. Thomas Hartmann,<br />
Daniela Rohlf, Sarah Ertelt, Katja Striethörster und Lisette Reuter): S. 6, 7 u.,<br />
8 o., 9<strong>–</strong>11, 12 u., 13<strong>–</strong>15, 32, 33 u., 34 u., 35 l., 42<strong>–</strong>45, 46 o., 47<strong>–</strong>49, 51 o., 53<strong>–</strong>57, 59 u.,<br />
60, 63, 64 o., 65 u., 66; Jugendförderung Solingen: 26<strong>–</strong>27;<br />
sCOOL HITs — Popmusik und Kreativität, die Schule macht<br />
Markus Brachtendorf ..................................................................... 34<br />
Von BandWatch und MusicWatch zu popUP NRW<br />
Renato Liermann ........................................................................... 36<br />
Das HipHopMobil — unterwegs für Respekt und Toleranz<br />
Uwe Ihlau ...................................................................................... 38<br />
Connect HipHop!<br />
Gabi Deeg .................................................................................... 40<br />
Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona: Das HipHop-Netzwerk Nippes<br />
Sascha Düx ................................................................................... 42<br />
How to do<br />
Organisation von Urban-Culture-Projekten<br />
Sascha Düx, Andreas Kern und Lisette Reuter ................................. 45<br />
Musikvideos selbstgedreht<br />
Lisette Reuter ................................................................................ 48<br />
Videodokumentation<br />
Lisette Reuter und Sascha Düx ......................................................... 51<br />
Bluescreen<br />
Kerstin Venne ................................................................................ 54<br />
VJing<br />
Marcel Panne ................................................................................. 55<br />
B-boying/Breakdance-Workshops<br />
Youngung Sebastian Kim (Jaekwon) ................................................. 56<br />
Breakdance- und Streetdanceworkshops<br />
Jannina Alexa Gall ......................................................................... 58<br />
Musikworkshops<br />
Sascha Düx ................................................................................... 60<br />
Equipment für die Musikproduktion<br />
Markus Brachtendorf ..................................................................... 66<br />
DVD<br />
DVD-Inhalt ................................................................................. 67<br />
Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration NRW: 3;<br />
Offene Jazz Haus Schule, transparent: S. 30<strong>–</strong>31, 40<strong>–</strong>41; Mittwochsmaler: S.<br />
28<strong>–</strong>29; MusicWatch/popUP NRW: S. 36<strong>–</strong>37;<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Niederlande: S. 23<strong>–</strong>25; sCOOL HITs: S. 34 o., 35 r.;<br />
Für Unterstützung danken wir der Stadt Solingen, der Rochus-Musikschule<br />
<strong>Köln</strong>-Bickendorf, dem Sommertheater Pusteblume, dem Musicstore <strong>Köln</strong>,<br />
der Akademie Deutsche POP <strong>Köln</strong>, der OT Luckys Haus und dem SKM <strong>Köln</strong>.<br />
Besonderer Dank gilt Salvatore Chianta, Angelika Ingendaay, Florian Mimm,<br />
Werner Reuter und allen AutorInnen dieser Arbeitshilfe.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />
von Redaktion und Herausgeber wieder.<br />
Erschienen in <strong>Köln</strong> im April 2007 (Eigenverlag).<br />
Intro | 05
HipHop:<br />
Popkultur und Lebensstil<br />
Gabriele Klein<br />
„Anders als alle<br />
Popkulturen zuvor<br />
hat HipHop Text,<br />
Musik, Tanz und<br />
Bild miteinander<br />
vereint“<br />
HipHop ist die wohl langlebigste Kultur in der Geschichte<br />
des Pop. Keine andere ästhetische Jugendkultur, ob<br />
Rock’n’Roll, Punk oder Techno, hat es bislang geschafft,<br />
über mehr als zwanzig Jahre wegweisend zu sein und in<br />
Musik und Tanz, Text und Bild ästhetische Innovationen<br />
hervorzubringen.<br />
HipHop ist eine Sammelbezeichnung für eine auf afrikanische<br />
Kulturtradition zurückgehende, in den schwarzen<br />
Ghettos der USA entstandene, mittlerweile globalisierte<br />
und weltweit vermarktete Jugend- und Popkultur. Sie ist<br />
eine hybride Kulturpraxis, die sich aus vier verschiedenen<br />
ästhetischen Medien zusammensetzt: Rap (Text), DJing<br />
(Musik), Breakdance (Tanz) und Graffiti (Bild). HipHop<br />
meint sowohl eine kulturelle Praxis als auch Lebensstile<br />
und Weltanschauungen, die sich um Rap, Breakdance,<br />
DJing und Graffiti gebildet haben. Ähnlich wie andere<br />
schwarze Kulturpraktiken (z.B. Capoeira), aber anders<br />
als alle Popkulturen zuvor hat HipHop Text, Musik,<br />
Tanz und Bild miteinander vereint.<br />
06 | HipHop: Popkultur und Lebensstil<br />
HipHop History<br />
Historischer Ausgangspunkt des HipHop sind die Urban<br />
Dance Parties der 1970er Jahre in New York City, bei denen DJs<br />
über ihre herkömmliche Rolle als Plattenaufleger hinauswachsen<br />
und selbst Musik produzieren, indem sie Platten<br />
manuell bewegen und mit Hilfe mehrerer Plattenspieler<br />
verschiedene Sounds ineinander mixen. Auf diese Weise<br />
gelingt es ihnen, die Musik zu verfremden, die instrumentalen<br />
Phasen der Stücke zu verlängern und der<br />
Musik die individuelle Note des DJ zu verleihen. Die neuen<br />
DJ-Techniken des scratching und mixing provozieren mit<br />
Breakdance einen spezifischen Tanzstil, der gekennzeichnet<br />
ist durch den permanenten Wechsel von simultanen<br />
und sukzessiven Bewegungen. Die Tanztechniken des<br />
Locking und Popping und die akrobatischen Power Moves<br />
machen den Tanz zu einem sportiven und rasanten<br />
Spiel mit Körperzentren und -achsen. Zu ihnen gesellt<br />
sich der MC (Master of Ceremony), der die Tänzer über<br />
Sprecheinlagen zum Weitermachen motiviert. Als Rap<br />
entwickelt sich diese Animationstechnik zu einer eigenständigen<br />
kulturellen Praxis.<br />
Das Rapping selbstgereimter Verse steht in der Tradition<br />
des für westafrikanische Kulturen charakteristischen<br />
Umgangs mit Rhythmen und Tonsprachen, die in den<br />
schwarzen Ghettos Nord-Amerikas eine eigene Grammatik<br />
gefunden haben und von der performanceorientierten<br />
Poesie des Black Arts Movement der 1960er<br />
und 1970er Jahre ästhetisiert worden sind. Rap ist ein<br />
Sprachspiel voller ironischer Übertreibungen, Wortspiele<br />
und Slang-Fragmente, bei dem nicht nur rhythmisch<br />
gesprochen, sondern auch mit Tempo, Tonhöhe und<br />
Klangfarbe gespielt wird. Rapping findet zunächst nur<br />
auf der Straße statt, wird dort aber bald akustisch<br />
verstärkt durch den tragbaren Kassettenrecorder, die<br />
Boombox. Zu diesen informellen, spontanen öffentlichen<br />
Darbietungen gesellt sich der Breakdancer, der das den<br />
Text zerlegende Sprachspiel des Rappers auf den Körper<br />
überträgt.<br />
Etwa zeitgleich mit den neuen Sprach-, Musik- und<br />
Tanztechniken entsteht, ebenfalls ausgehend von New<br />
York City, die Bildtechnik des Graffiti. Mit der illegalen<br />
Kulturpraxis beginnen die jugendlichen Writer, sich den
öffentlichen Raum symbolisch anzueignen. Aus der<br />
anfänglichen Beschriftung mit Namenszeichen (Tags)<br />
entwickeln sich dreidimensional gestaltete Schriftzüge<br />
und Bilder, die sogenannten Pieces, die Anfang der 1980er<br />
Jahre Eingang in den avantgardistischen Kunstdiskurs und<br />
mittlerweile auch als legitimierte Kunstpraxis in Museen<br />
gefunden haben. Für Jugendliche ist Graffiti als Maltechnik<br />
vor allem an nächtliche illegale Aktionen gebunden, in<br />
denen sie ihr Dasein sichtbar machen können innerhalb<br />
anonymisierter Stadtlandschaften. Sie verstehen Graffiti<br />
als szenespezifischen Sprachcode, der wie ein Kommuni-<br />
kationsnetz die Stadt durchzieht.<br />
Wie Graffiti in die bildende Kunst Eingang findet,<br />
etabliert sich derzeit Breakdance in der zeitgenössischen<br />
Tanzkunst. Breakdance führt die Tradition des afroamerikanischen<br />
Tanzes weiter und multipliziert dessen<br />
Elemente, Polyrhythmik und Polyzentrik. Indem er Achsen<br />
und Zentren überall im Körper vorstellbar macht, bricht<br />
er radikal mit der Tradition des europäischen Tanzes.<br />
Zugleich revolutioniert Breakdance den ebenfalls aus<br />
der afroamerikanischen Tanztradition stammenden<br />
Rock’n’Roll und dekontextualisiert den nur auf ein<br />
Zentrum aufbauenden Körperbegriff des populären<br />
Tanzes. Hatte schon Rock’n’Roll durch seine rasanten<br />
Rollfiguren die Vertikale im Körper überwunden und<br />
mit den drei Achsen des Körpers gespielt, so radikalisiert<br />
Breakdance diese Entwicklung <strong>–</strong> im Headspin dreht sich<br />
nicht nur der Tänzer auf dem Kopf, diese Figur ist auch<br />
eine Metapher für einen Paradigmenwechsel im Körperkonzept<br />
der westlichen Tanzmoderne. Indem der Breakdance<br />
überall im Körper Achsen und Zentren vorstellbar<br />
macht, eröffnet er ganz neue Spielräume für bis dahin<br />
unvorstellbare Körper-Figuren. Nicht nur deshalb arbeiten<br />
Choreographen wie der ‘Dekonstruktivist’ unter den<br />
modernen Ballett-Choreographen, William Forsythe,<br />
mit Breakdancern.<br />
HipHop zwischen Lokalität<br />
und Globalität<br />
Die Anfänge des HipHop liegen zu Beginn der 1970er<br />
Jahre in der New Yorker Bronx, als musikalische Vorläufer<br />
gelten Ska, Reggae, Gospel und Soul. HipHop verbreitete<br />
sich zunächst an der Ost- und Westküste US-Amerikas,<br />
fand aber seit Mitte der 1980er Jahre eine schnelle Verbreitung<br />
durch die Popmusikindustrie vor allem in Europa,<br />
Asien und Lateinamerika und konnte sich über diese<br />
Kommerzialisierung der Rap-Musik zu einer der stärksten<br />
und langlebigsten Popkulturen entwickeln. Trotz der<br />
weltweiten Vermarktung der Musik blieb Hip-Hop aber<br />
immer auch eine Subkultur, die sich in den Nischen urbaner<br />
Räume herausbildete.<br />
Mit seiner globalen Verbreitung seit den 1980er Jahren<br />
erfuhr HipHop eine Anzahl von Dekontextualisierungsschüben:<br />
der schwarze Hip-Hop US-Amerikas etablierte<br />
sich in Europa zunächst als Kopie US-amerikanischer<br />
Stile, verankerte sich aber auch hier zunächst vor allem<br />
in ethnischen Minderheitenkulturen (so bei algerischen<br />
Jugendlichen in Paris oder bei türkischen Jugendlichen<br />
in Berlin). Die Rap-Texte veränderten sich entsprechend<br />
der sozialen Situation und passten sich auch hinsichtlich<br />
des sprachlichen Gestus den jeweiligen kulturellen<br />
Kontexten an. Wurden beispielsweise in Deutschland<br />
zunächst US-amerikanische Rapstile kopiert und die<br />
Texte in englischer Sprache vorgetragen, so wird in<br />
Deutschland mittlerweile fast nur noch in deutscher<br />
oder auch in türkischer Sprache gerappt. Ähnlich<br />
veränderten sich im Zuge neuer kultureller Kontexte<br />
die Bildästhetik des Graffiti und die Tanzfiguren des<br />
Breakdance.<br />
Prof. Dr. Gabriele Klein<br />
Professorin für Soziologie mit den Schwerpunkten<br />
Bewegung, Sport und Tanz an der Universität<br />
Hamburg; Direktorin des Instituts für urbane<br />
Bewegungskulturen; Leitung des postgradualen<br />
Studiengangs Performance Studies. Buchveröffentlichungen<br />
(Auswahl): Is this real? Die Kultur<br />
des HipHop (2003; mit Malte Friedrich); Electronic<br />
Vibration. Pop Kultur Theorie (2004); Tanz<br />
Bild Medien (Hg. 2000); Bewegung. Sozial- und<br />
kulturwissenschaftliche Konzepte (Hg., 2004);<br />
Stadt. Szenen. Theoretische Positionen und<br />
künstlerische Produktionen (Hg., 2005).<br />
Kontakt:<br />
www1.uni-hamburg.de/gklein<br />
HipHop lässt sich heute als eine Jugend- und Popkultur<br />
charakterisieren, die sich im Spannungsfeld von Globalität<br />
und Lokalität entfaltet. Der durch Kulturindustrien<br />
bedingten Globalisierung und Kommerzialisierung von<br />
Popkultur steht die Bildung kleiner voneinander unterscheidbarer<br />
lokaler Einheiten und lokaler Identitäten<br />
gegenüber. Aber wie diese symbolisiert auch HipHop<br />
die für die Konstitution von Popkulturen seit den 1960er<br />
Jahren so typische Kommerzialisierung, die sich über<br />
eine Absorbierung schwarzer Musik- und Tanzstile durch<br />
kulturindustrielle Vermarktungsstrategien vollzieht. HipHop<br />
ist von daher auch ein Beispiel für eine hybride Kultur-<br />
praxis, bei der sich US-amerikanische und europäische<br />
Traditionen, Elemente von schwarzer und weißer<br />
Kultur vermischen und in verschiedenen lokalen<br />
Räumen eine sehr spezifische Ausformung gefunden<br />
haben.<br />
HipHop als urbane Kultur<br />
und Lebensstil<br />
HipHop ist eine urbane Kultur, die sich vor allem in den<br />
städtischen Metropolen herausgebildet hat. Die ästhetischen<br />
Impulse und die Arten der Körperverwendung<br />
sind eine Antwort auf die Erfahrungen urbanen Lebens in<br />
postindustriellen Gesellschaften. Zugleich thematisiert<br />
und inszeniert HipHop wie keine andere zeitgenössische<br />
„HipHop ist eine<br />
urbane Kultur,<br />
die sich vor allem<br />
in den städtischen<br />
Metropolen herausgebildet<br />
hat“<br />
Theorie | 07
„Live-Performances<br />
bei Jams und Battles<br />
sind die zentrale<br />
theatrale Inszenie-<br />
rungsform des<br />
HipHop“<br />
Jugendkultur Ethnizität als einen<br />
zentralen Bestandteil kultureller<br />
Praxis. HipHop ist vor allem<br />
eine Jugend- und Popkultur<br />
von MigrantInnen <strong>–</strong> und hierin<br />
unterscheidet sie sich wesentlich<br />
von der Techno-Szene.<br />
HipHop ist der Prototyp einer<br />
wertkonservativen, männlich<br />
strukturierten, traditionellen<br />
Vergemeinschaf tungsform.<br />
Respekt vor Tradition und<br />
Autoritäten, Leistung, Fairness<br />
und Männlichkeit prägen den<br />
Wertekanon des HipHop.<br />
HipHop ist eine theatrale Kultur,<br />
sie wird aufgeführt: Begrüßungen,<br />
Respektbekundungen, Interaktionsrituale<br />
bis hin zum<br />
Nichts-Tun werden inszeniert.<br />
In den Aufführungen aktualisiert sich die Weltsicht der<br />
Szenemitglieder, nach der ‘echter’ HipHop nicht kategorial<br />
beschrieben, sondern nur gefühlt werden könne. Die<br />
Aufführungen dienen der Essentialisierung des Lebensgefühls<br />
HipHop.<br />
Live-Performances bei Jams und Battles (Vortragen<br />
eines Rap-Stückes, eine Tanzeinlage oder das DJing)<br />
sind die zentrale theatrale Inszenierungsform des Hip-<br />
Hop: Sie bieten dem einzelnen HipHop-Aktivisten die<br />
Möglichkeit, sich selbst in Szene zu setzen; ist doch,<br />
anders als bei anderen Popkulturen, der soziale Status<br />
eines HipHop-Aktivisten das Ergebnis seiner szenespezifischen<br />
Aktivitäten und ‘Leistungen’. HipHop ist ‘real’,<br />
wenn er gelebt wird <strong>–</strong> und das heißt in der HipHop-Szene<br />
auch immer, etwas in den Feldern des HipHop (Graffiti,<br />
Breakdance, Rap, DJing) zu tun. In einem permanenten<br />
Wettbewerb gilt es, durch einen individuellen Stil („Style“)<br />
und ein hohes Niveau („Skills“) Anerkennung zu erhalten.<br />
Im Unterschied zur medialen Performance der Videoclips<br />
wird in der Life-Performance körperlich-sinnlich<br />
erfahrbar, was HipHop ist: Eine Kultur, die sich im<br />
Spannungsfeld von Globalisierung und Lokalisierung,<br />
von Kommerz und Subkultur, von Mainstream und<br />
Avantgarde erfolgreich immer wieder aktualisiert hat.<br />
Tim Weedon<br />
Jahrgang 1969, geboren in<br />
Washington, DC, wuchs in<br />
den 70er Jahren mit den<br />
Anfängen der HipHop-<br />
Kultur auf. Er studierte<br />
Business Administration<br />
an der American University<br />
Washington, arbeitete als<br />
A&R für Sony und als<br />
Manager für HipHop-<br />
Künstler in den USA und<br />
Schweden. In Stockholm<br />
gründete er die Modern<br />
Soul Academy. Seit 2006<br />
absolviert er ein Masterstudium<br />
der Erziehungs-<br />
wissenschaften in<br />
Manchester.<br />
Kontakt:<br />
www.soulacademy.com<br />
tim@soulacademy.com<br />
Literatur:<br />
Gabriele Klein/Malte Friedrich: Ist this real? Die Kultur des HipHop, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2003.<br />
08 | HipHop: Popkultur und Lebensstil
Missverständnisse:<br />
Was ist HipHop für Jugendliche heute?<br />
Der heutige HipHop ist in der öffentlichen Wahrnehmung<br />
vor allem durch ein mediales Negativ-Image präsent,<br />
das als gewalttätig, sexistisch und materialistisch<br />
charakterisiert werden kann. Dieses sehr eingeschränkte<br />
Bild von HipHop-Musik und -Kultur wird immer weiter<br />
fortgeschrieben von zahlreichen heutigen Rappern und<br />
Plattenfirmen, die soziale Verantwortung dem finanziellen<br />
Erfolg unterordnen. So entsteht <strong>–</strong> vermittelt durch die<br />
Massenmedien <strong>–</strong> ein falsches, illusionäres Bild von HipHop-<br />
Kultur. Medien- und Musikindustrie porträtieren,<br />
zelebrieren und glorifizieren gerade diejenigen Lebensaspekte,<br />
von denen die Pioniere des HipHop sich und ihre<br />
Communities befreien wollten.<br />
Gegenüber der medialen Dauerthematisierung negativer<br />
Aspekte der HipHop-Kultur finden ihre kreativen Potenziale<br />
und ursprünglichen Prinzipien von Unity, Respekt<br />
und Lehren/Lernen kaum Erwähnung. Massenmedialen<br />
Negativdarstellungen zum Trotz definieren Jugendliche,<br />
die in der Szene aktiv sind, HipHop mehrheitlich als<br />
Engagement in einer Gemeinschaft; als Kultur, in der<br />
Gefühle, Ideen und Überzeugungen ausgedrückt werden<br />
können, ohne Angst oder schulische Bewertung. Diese<br />
Faktoren von Offenheit und gleichberechtigter Teilhabe<br />
ungeachtet von Schulbildung, sozialem oder ökonomischem<br />
Hintergrund erklären die ungebrochene<br />
Anziehungskraft des HipHop: Jugendliche, die über die<br />
medialen Negativ-Schablonen hinausschauen können,<br />
finden Gemeinschaft und Sinngebung; HipHop kann<br />
so Veränderungen zum Positiven bewirken.<br />
Für Jugendliche ist die Gegenwartsgesellschaft komplex,<br />
schwierig und herausfordernd; Heranwachsende sind<br />
permanent konfrontiert mit verschiedenen Anforderungen<br />
und Belastungen. HipHop kann hier ein inspirierender<br />
Schonraum sein, der Jugendliche stärkt und auf Entwicklungsaufgaben<br />
in einer zunehmend unbarmherzigen<br />
Gesellschaft vorbereitet. Die Idee einer HipHop Community<br />
ist einladend für permanent drangsalierte Kinder<br />
und Jugendliche aus benachteiligten Kontexten, denn<br />
sie basiert auf universeller Inklusion, verbunden mit<br />
einer Vision und konkreten Zielen. Wo HipHop-Kultur ihren<br />
Grundprinzipien verbunden bleibt, erkennt sie die<br />
* Übersetzung aus dem Englischen: Sascha Düx<br />
HipHop Intelligence<br />
Tim Weedon*<br />
Fähigkeiten und Stärken jedes Einzelnen, stärkt so das<br />
Selbstbewusstsein und den Glaube daran, selbstgesetzte<br />
Ziele erreichen zu können. Jugendliche werden von HipHop-<br />
Kultur angezogen, weil sie soziale, kulturelle, ethnische<br />
und wirtschaftliche Grenzen überschreitet und es so<br />
Jugendlichen mit verschiedensten Backgrounds ermöglicht,<br />
sich gemeinsam durch HipHop auszudrücken.<br />
Die Ursprünge der HipHop-Kultur<br />
Das Fundament der HipHop-Bewegung bildeten zu<br />
Anfang die Pfeiler Respekt, individuelle Identität,<br />
Community und Lehren/Lernen (Wissen, Toleranz,<br />
Ethik). HipHop konnte über religiöse, bildungsbezogene,<br />
soziale und ethnische Schranken hinweg ein breites<br />
Publikum im lokalen Umfeld der Künstler erreichen.<br />
Ziel der HipHop-Protagonisten war das Schaffen einer<br />
unterstützenden, kreativen, experimentell-lernenden<br />
Community der Gleichheit. HipHop-Kultur begann<br />
nicht als Musikrichtung, sondern als offener Lebensstil<br />
und alternativer lokalpolitischer Diskurs, mit den vier<br />
zentralen Rollen des DJ, des MC, des B-Boys/B-Girls<br />
(Breakdancer) und des Graffiti-Writers.<br />
DJing war in den 70ern eine Hauptquelle der HipHop-<br />
„Jugendliche werden<br />
von HipHop-Kultur<br />
angezogen, weil sie<br />
soziale, kulturelle,<br />
ethnische und wirtschaftliche<br />
Grenzen<br />
überschreitet“<br />
Theorie | 09
„Der HipHop-DJ<br />
nutzt seine Plattenspieler<br />
wie ein<br />
Dirigent sein<br />
Orchester“<br />
10 | HipHop Intelligence<br />
Kultur. Die Masterminds unter den frühen HipHop-DJs<br />
nahmen das bis dahin vorherrschende Konzept vom DJ<br />
als „Plattenaufleger“ und erweiterten es zu einem bis<br />
heute einflussreichen popkulturellen Paradigma: Der<br />
HipHop-DJ nutzt seine Plattenspieler wie ein Dirigent<br />
sein Orchester, er kann durch gezielte Manipulation an<br />
Plattenspielern und Mischpult aus musikalischem Ausgangsmaterial<br />
völlig neue Stücke schaffen. Zu diesem<br />
„One-Man-Band“-Konzept des HipHop-DJs kam dann<br />
der MC („Master of Ceremony“) hinzu, der Rapper oder<br />
<strong>–</strong> seltener <strong>–</strong> die Rapperin.<br />
„Rappen“ heißt eigentlich sprechen: Kommunizieren in<br />
Form rhythmischer Reime, vorgetragen über die Beats<br />
des DJs. Die frühen RapperInnen nutzten spontane<br />
Poesie mit cleveren Reimen, um ihr Leben, Schmerz,<br />
Freude und Liebe zu beschreiben; und auch, um ihrer<br />
Community moralische, gesellschaftliche, politische<br />
Botschaften zu übermitteln.<br />
Im Umfeld von Rap und DJing entstanden auch andere<br />
Formen künstlerischer Kreativität; zentral waren hier<br />
Breakdance und Graffiti, die mit Rap und DJing zu den<br />
Four Elements der HipHop-Kultur gerechnet werden.<br />
Diese vier Elemente stehen als ineinander greifende<br />
kulturelle Praktiken an der Quelle von HipHop als<br />
Kultur und Lebensstil. In seiner Frühzeit definierte sich<br />
HipHop dabei über ein Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />
als gemeinsame Stimme gegen Gewalt, Verbrechen,<br />
Drogenmissbrauch und Mangel an Bildungsmöglichkeiten<br />
in den Wohnvierteln. Poetischer Rap, Breakdance<br />
und Graffiti waren eine Plattform für Jugendliche, um<br />
kreativ und intellektuell zu kommunizieren, um Freude<br />
wie Frustration auszudrücken.<br />
Dont push me, cause I’m close to the edge<br />
I’m trying not to loose my head<br />
It’s like a jungle sometimes, it makes me wonder<br />
How I keep from going under<br />
(Grandmaster Flash and the Furious Five)<br />
In den vergangenen 30 Jahren hat sich HipHop von einem<br />
kleinen Kollektiv mit gemeinsamen Wertvorstellungen zu<br />
einer globalen Kultur und einem mächtigen Industriezweig<br />
entwickelt. In den 70er Jahren definierten Pioniere<br />
des HipHop wie Afrika Bambaataa die Idee von Communities<br />
in urbanen, benachteiligten Stadtvierteln neu: HipHop<br />
wurde genutzt, um vormals kriminellen Gangs neue<br />
Gemeinschaftsformen zu eröffnen, um Hoffnung,<br />
Selbstvertrauen und Orientierung zu vermitteln. Mit<br />
der Entwicklung zu einem über das Lokale hinaus-<br />
reichenden kommerziellen Phänomen hat HipHop den<br />
engeren Bezug zu lokalen Communities verloren und<br />
konnte auch nicht in eine große HipHop-Bewegung mit<br />
gemeinsamen Zielen transformiert werden.
Gegenwärtig wird die junge HipHop-Generation für<br />
ihre negative, zerstörerische Haltung angeprangert;<br />
dabei untermauert gerade das massenmedial verstärkte<br />
Interesse an den gewalttätigen, kriminalitätsverherrlichenden<br />
Teilströmungen der HipHop-Kultur deren<br />
finanziellen Erfolg, so dass diese in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung oft fälschlicherweise als repräsentativ<br />
für HipHop insgesamt wahrgenommen werden. Was<br />
positiv für Gangster-Rap-Tonträgerverkäufe sein mag,<br />
bewirkt andererseits vielerorts eine Pauschalverurteilung<br />
jugendlicher HipHopper; auch derer, die die kreativen<br />
Potenziale der HipHop-Kultur in positiver Weise nutzen.<br />
Als PädagogInnen, EntscheiderInnen und Multiplikator-<br />
Innen sollten wir alles daran setzen, diese populäre<br />
kreative Kunstform zu unterstützen und ihre ursprünglichen<br />
Prinzipien von Respekt, Community, Bildung<br />
und Toleranz zu feiern.<br />
Hip Hop Education<br />
Das kreative, intellektuelle und kommunikative Potenzial<br />
der HipHop-Kultur inspiriert Jugendliche und motiviert<br />
zum Lernen. Die ursprünglichen HipHop-Communities<br />
mit ihren dialogisch ausgehandelten gemeinsamen<br />
Werten, Überzeugungen und Visionen können als Modell<br />
einer effektiven Lerngemeinschaft, einer alternativen<br />
Schule dienen. Viele benachteiligte Jugendliche, die im<br />
gegenwärtigen Bildungssystem scheitern, können wir<br />
nur erreichen, wenn neue Ansätze, neue Definitionen von<br />
Kultur und Bildung gewagt werden. Die ursprünglichen<br />
Prinzipien des HipHop zeigen hier mögliche Wege auf.<br />
Die Modern Soul Academy (MSA) arbeitet seit einigen<br />
Jahren erfolgreich in diesem Feld einer HipHop-Pädagogik<br />
zwischen Bildung und Entertainment. Seit 2003 wurden<br />
u. a. einige HipHop-Projekte gemeinsam mit dem <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong> durchgeführt, die die teilnehmenden<br />
Jugendlichen in ihrer persönlichen Entwicklung weiter-<br />
bringen und sie dabei unterstützen, ihren Fokus auf die<br />
HipHop-Prinzipien von Gemeinschaft und positiven<br />
Überzeugungen zu richten. Unser alternativer Bildungs-<br />
ansatz unterstützt die Teilnehmenden nicht nur in<br />
ihrer künstlerischen Weiterentwicklung, sondern vermittelt<br />
quasi nebenbei die Sinnhaftigkeit von Bildung<br />
und zielgerichteten Anstrengungen.<br />
Auf methodischer Ebene spielt das kooperative Lernen<br />
eine große Rolle: Lehrende und Lernende begegnen<br />
sich auf gleicher Augenhöhe. Das gemeinsame Ziel wird<br />
demokratisch von der Gruppe festgelegt. Um dieses<br />
Ziel zu erreichen, werden verschiedene Arbeitsformen<br />
und erprobende Ansätze genutzt, wie problemlösendes<br />
Lernen, Förderung emotionaler Intelligenz, Verbindung<br />
von diszipliniertem Arbeiten und kritischem Denken.<br />
Über die Jahre hinweg konnten wir Zeugen werden,<br />
wie positiv sich unsere verschiedenen Projekte und<br />
Programme in Schweden, Deutschland, Spanien und<br />
anderen Ländern langfristig auf die beteiligten Jugendlichen,<br />
ihre persönliche Entwicklung und ihre Laufbahn<br />
in Bildungssystem und Arbeitsmarkt auswirken.<br />
Viele benachteiligte Jugendliche, die heute noch zu häufig<br />
in den Institutionen des Bildungssystems scheitern,<br />
bräuchten alternative Bildungsangebote mit familiärem<br />
und verbindlichem Charakter und einem Schwerpunkt<br />
auf aktiv handelndem Lernen. Bildungsinstitutionen<br />
und EntscheidungsträgerInnen sollten das Potenzial<br />
der HipHop-Kultur für solche alternativen Lern-<br />
angebote erkennen und nutzen.<br />
Fazit<br />
Wenn wir auf die Ursprünge der HipHop-Kultur schauen,<br />
sehen wir, was HipHop war, ist und sein könnte. Wenn<br />
wir das mediale und musikindustriell vermarktete<br />
Image des heutigen HipHop betrachten, sehen wir, was<br />
HipHop nicht ist, nicht sein sollte. Richtig verstanden<br />
bietet die HipHop-Kultur uns eine perfekte Plattform,<br />
um Jugendliche mit einer Social Citizenship und den nötigen<br />
Kompetenzen auszustatten, die ihnen Chancen im<br />
Leben eröffnen. Daher dürfen wir nicht ruhen, intelligente<br />
und alternative entwicklungsfördernde HipHop-<br />
Projekte voranzubringen.<br />
Artikel<br />
�<br />
Siehe<br />
„Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona:<br />
Das HipHop-<br />
Netzwerk Nippes“<br />
(Seite 42)<br />
und<br />
„Urban-Culture-<br />
Projekte des <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong>s“<br />
Theorie | 11
12 | Urban Culture und Pädagogik<br />
Urban Culture<br />
und Pädagogik<br />
Sascha Düx<br />
Was ist eigentlich Urban Culture? Wikipedia.de hat im<br />
März 2007 noch keine Definition zu bieten, die englischsprachige<br />
Wikipedia immerhin einen Kurzeintrag,<br />
wonach Urban Culture einerseits „städtische Kultur“<br />
meine <strong>–</strong> definiert über Unterschiede zum ländlichen<br />
Raum, speziell bessere Verfügbarkeit kultureller<br />
Ressourcen <strong>–</strong> und andererseits ein gebräuchlicher<br />
Euphemismus zur Beschreibung der HipHop-Kultur sei. 1<br />
Was den Begriff für uns attraktiv macht, ist gewiß nicht<br />
eine euphemistische Vermeidung des Worts „HipHop“,<br />
sondern seine Offenheit: zu den kanonischen Four Elements<br />
des HipHop können Aspekte wie Medien, Mode<br />
und Theater dazukommen, außerdem eine stilistische<br />
Bandbreite von R’n’B über Dancehall bis hin zu African/<br />
Oriental Beats. Der Begriff kommt aus der Szene und<br />
ist breiter als die Fremdbeschreibung „Jugendkultur“<br />
<strong>–</strong> die meist eine Abwertung gegenüber „Erwachsenenkultur“<br />
impliziert.<br />
Urban Culture, so unsere Arbeitsdefinition, ist die<br />
(Jugend-)Kultur der Metropolen in einer globalisierten<br />
Welt: Tanz, Musik, Medien, Kunst und mehr, oft<br />
1 http://en.wikipedia.org/wiki/Urban_culture (Stand 02.03.2007)<br />
verankert in der Kultur US-amerikanischer Minderheiten,<br />
aber offen für diverse kulturelle Einflüsse und<br />
mit sehr spezifischen lokalen Formen. Urban Culture ist<br />
urbane Multikultur, und sie ist desto spannender, je<br />
offener sie für kulturelle Vielfalt ist.<br />
Urbanität, Kultur und Rassismus<br />
Schon 1996 hat Les BAck eine vergleichende Untersuchung<br />
der Urban Cultures zweier Londoner Stadtteile durchgeführt.<br />
Ausgangspunkt ist BAcks Unbehagen mit moralisch<br />
verkürzten Antirassismuskampagnen der 80er Jahre.<br />
BAck erlebte damals als Jugendarbeiter, dass ein<br />
‘Bekenntnis-Antirassismus’ den komplexen Formen<br />
von Rassismus im Leben junger Großstädter nicht<br />
gerecht wurde.<br />
Wenn in Zeiten globaler Migration homogene nationale<br />
Kulturen zunehmend zum Hirngespinst werden, könne<br />
interkulturelle Arbeit nicht mehr ein Verständnis „ausländischer“<br />
Kulturen anstreben; vielmehr müsse Ziel<br />
sein, ein Bewusstsein der weltweiten Geschichte der<br />
Migration zwischen Sklaverei, Arbeitsmigration und<br />
Kriegsflucht zu entwickeln, die alle westlichen Kulturen<br />
binnenmultikulturell gemacht habe. Besonders<br />
Urban Cultures seien hochgradig promiskuitiv in ihrem<br />
ständigen Bestreben, unterschiedlichste Traditionsstränge<br />
zusammenzuführen und für die Gegenwart neu<br />
zu erfinden.<br />
Der daraus resultierenden Vielfalt der sozialen und<br />
kulturellen Identitäten stehe aber eine Vielfalt alltäglicher<br />
Rassismus-Formen gegenüber, auch innerhalb urbaner<br />
Multikultur. In diesem Spannungsfeld von kultureller<br />
Vielfalt und vielfältigen Rassismen müssen sich Jugendliche<br />
heute zurechtfinden. Dazu kommt die Dimension<br />
der medienvermittelten Globalisierung: Neue Ethnizitäten<br />
entstehen laut BAck durch eine produktive Spannung<br />
zwischen globalen und lokalen Einflüssen.<br />
Die Idee der multikulturellen Gesellschaft ist, so BAck,<br />
nicht gescheitert; im Gegenteil ist die Multikulturalität<br />
der Städte eine unumkehrbare Realität. Gescheitert<br />
sind allenfalls naiv-idealistische Multikulturalismus-<br />
Entwürfe, die die Macht des Rassismus unterschätzen<br />
<strong>–</strong> und das schreibt BAck PädagogInnen ins Stammbuch:<br />
Stets wachsam zu sein, dass man nicht eigene romantische<br />
Wünsche auf Jugendkulturen projiziere.
Am Anfang war Rhythm’n’Blues<br />
Urbane jugendkulturelle Strömungen gehen zumeist<br />
auf afroamerikanische Quellen zurück. Paradigmatisch<br />
ist hier der Rhythm’n’Blues: Die als Kürzel R’n’B heute<br />
wieder aktuelle Genrebezeichnung wird während des<br />
II. Weltkriegs von kleinen Plattenlabels geprägt, die Musik<br />
für eine neue Käuferschicht auf den Markt bringen:<br />
Die seit den 1920er Jahren massenhaft aus den ländlichen<br />
Südstaaten in die Großstädte des US-Nordens<br />
migrierten Afroamerikaner. 1949 benennen die Billboard-<br />
Charts ihre vormals Race betitelte Sparte in Rhythm and Blues<br />
um <strong>–</strong> Musik vornehmlich „von Schwarzen für Schwarze“.<br />
Der Crossover in die weiße Mainstream-Kultur gelingt<br />
dem R’n’B erst unter wiederum neuer Flagge: Radio-DJ<br />
Alan Freed beginnt 1954, R’n’B als Rock’n’Roll zu verkaufen,<br />
„um den schwarzen Ursprung dieser Musik zu maskieren“. 2<br />
Rock’n’Roll ist Rhythm’n’Blues <strong>–</strong> ergänzt durch Country-<br />
Anleihen und eine Verschiebung von der Erwachsenen-<br />
zur Jugendmusik. Erst im Crossover von der Black Community<br />
auf den Markt der weißen Teenager wird R’n’B/<br />
R’n’R zu einer Jugendkultur; und damit zum Angstgegner<br />
einer Bewahrpädagogik, die sexualisierte Texte anprangert,<br />
in offen rassistischen Varianten die Moral der weißen<br />
US-Jugend durch den „animalischen Sexualtrieb<br />
der Schwarzen“ bedroht sieht. 3 Auch wenn rassistische<br />
Strukturen in den westlichen Gesellschaften seit den<br />
1950er Jahren weit subtiler geworden sind, finden sich<br />
doch einige der für den Rhythm’n’Blues beschriebenen<br />
Prozesse auch beim neueren Phänomen HipHop wieder.<br />
Rap steht in der poetischen Tradition des Blues. Musik-<br />
ethnologen wie David Evans und Alfons Dauer führen den<br />
Blues auf das musikalisch-poetische Feld der Epik zurück,<br />
wie es sich historisch mit orientalischem Einfluss in<br />
der kulturgeographischen Großlandschaft des Sudan<br />
konstituiert habe. Rhythm’n’Blues standardisierte die<br />
vielfältigen poetischen Formen der wandernden ländlichen<br />
Bluessänger zur urbanen Bandmusik, der Beat<br />
dominierte den Text; im HipHop gewinnen die Rapper<br />
über den am Plattenteller erzeugten Endlos-Beats der<br />
DJs Freiheiten zur poetischen Formgestaltung zurück<br />
und knüpfen als MCs (Masters of Ceremony) an<br />
die Tradition der afrikanischen Griots an. 4 Während<br />
Rhythm’n’Blues aber noch die Transformation ländlicher<br />
Formen in einen neuen urbanen Rahmen war, ist<br />
HipHop von Anfang an eine spezifisch großstädtische<br />
Kultur.<br />
HipHop, Multikultur und Rassismus<br />
in Deutschland<br />
Die HipHop-Szene in Deutschland wurde überwiegend<br />
von Migranten aufgebaut; in der Medienöffentlichkeit<br />
wurde aber bis weit in die 1990er-Jahre hinein nur<br />
der Deutschrap weißer Mittelschichten sichtbar: So<br />
beschreiben Loh und GünGör die HipHop-Szene in<br />
Deutschland, gespalten zwischen den Gegensätzen „Jugendhaus“<br />
und „Reihenhaus“. Diese Spaltungsthese mag<br />
überspitzt sein, doch Loh/GünGör legen überzeugend<br />
dar, wie Musikindustrie und Massenmedien eine Konstruktion<br />
von deutschem HipHop als weißer, mittelständischer<br />
Jugendkultur betrieben hätten, in der „kein<br />
Platz ist für Rap, der von sozialem Elend, alltäglichem<br />
Rassismus oder ökonomischer Ausbeutung redet“.<br />
Erst den Berliner Battle-Rappern um Kool Savas und<br />
Bushido sei es gelungen, die „starren Grenzen zwischen<br />
2 neLson GeorGe 1990, S. 88ff.<br />
3 ArnoLd shAw 1983, S. XXIX ff.<br />
4 vgl. hoffmAnn 1994<br />
‘Deutschrap’ und ‘Migrantenrap’ zu durchbrechen“<br />
<strong>–</strong> deren aggressive Texte seien in Jugendzentren wie<br />
bei Gymnasiasten gut angekommen, und: „Wirklich<br />
bemerkenswert ist, dass Kool Savas in den meisten Fällen von<br />
den Medien nicht auf seine Herkunft reduziert wird“. 6<br />
Erst da, wo Rap multikultureller Protagonisten sich<br />
nicht mehr als multikultureller Rap, sondern als ‘Neue<br />
Härte im Deutschen Battlerap’ präsentiert, wird er<br />
<strong>–</strong> wie zuvor der US-Gangsta-Rap <strong>–</strong> attraktiv für Mittel-<br />
schichtsjugendliche und damit zu einer medial und<br />
ökonomisch relevanten Größe.<br />
Battles sind Teil der HipHop-Kultur, derartige gewaltlose<br />
Wettstreite sind auch bei B-Boys, DJs und Writern<br />
üblich. Rap-Battles setzen alte afroamerikanische Traditionen<br />
des verbalen Wettstreits wie Playing the Dozens<br />
fort. Eine Verschiebung findet allerdings statt, wenn<br />
Battles von der Live-Disziplin, bei der in Echtzeit improviserte<br />
Reime gegeneinander in Stellung gebracht<br />
werden, zur marktdominierenden Form produzierter<br />
Rapmusik werden.<br />
Durch seine Herauslösung aus dem Kontext einer Kultur<br />
von Minderheiten und Migranten wird Rap, so Loh,<br />
auch für Rechtsradikale anschlussfähig. Wo im Battlerap<br />
Härte und Tabubruch Trumpf sind, finden sich<br />
zunehmend auch Nazimetaphern und rassistische<br />
Aussagen. Wenn auch noch keine organisierte rechtsradikale<br />
Rapszene existiere, so werde doch schon laut<br />
über ‘feindliche Übernahmen’ nachgedacht: „HipHop<br />
ist nicht wesentlich weniger undeutsch als Rock. Die<br />
gesamte Rock-, Pop- und Was-weiß-ich-Musik basiert<br />
doch auf schwarzem Rhythm&Blues [… und ist] nur dadurch<br />
‘rechts-kompatibel’ geworden, weil man sie ‘okkupiert’<br />
hat“, zitiert Loh aus einem nationalistischen<br />
Internetforum. 7<br />
HipHop alleine, das zeigt sich hier, garantiert nicht<br />
automatisch für multikulturelle Toleranz; das lei-<br />
5 Loh und GünGör 2002, S. 125<br />
6 Loh und GünGör 2002, S. 215f.<br />
7 Loh 2002<br />
„Battles sind Teil<br />
der HipHop-Kultur,<br />
derartige gewaltlose<br />
Wettsreite sind auch<br />
bei B-Boys, DJs und<br />
Writern üblich“<br />
Theorie | 13
14 | Urban Culture und Pädagogik<br />
Sascha Düx<br />
Jahrgang 1971, verheiratet, zwei Töchter. Studium<br />
(u. a. Musik und Ev. Religionslehre) in Bochum<br />
und <strong>Köln</strong>, 2000 Abschluss als Diplompädagoge.<br />
Spielte in verschieden Bands, in den 90ern Betreiber<br />
eines mobilen Tonstudios. Diverse Veröffentlichungen<br />
zu medienpädagogischen Themen, u. a.<br />
„Internet, Gesellschaft und Pädagogik“ (München<br />
2000). Seit Januar 2001 Bildungsreferent im <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong>. Schwerpunkte: internationale<br />
Jugendmedienarbeit, Urban-Culture-Medienprojekte,<br />
Multimedia und Video, Qualifizierung und Beratung<br />
für die aktiv-kreative medienpädagogische<br />
Praxis. Projektleitung u. a. Internationale HipHop-<br />
Camps, Urban Culture 2005 und <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />
Cologne.<br />
Kontakt:<br />
sd@jfc.info<br />
stet nur eine HipHop-Kultur, die sich ihrer Geschichte<br />
bewusst ist und die auch im Rahmen der Battlekultur<br />
klare Grenzlinien zu Nazi-Metaphorik und Rassismus zieht.<br />
Urban-Culture-Projekte in Jugendarbeit<br />
und Schule<br />
Urban Culture hat große Potenziale für pädagogische<br />
Projekte: Viele Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund<br />
sind hier aktiv und oft mit ganzem Herzen<br />
bei der Sache; es besteht ein Interesse an Weiterentwicklung<br />
der eigenen Fähigkeiten, an Produktion eigener<br />
Songs und Videos, an Auftritten. Urban Culture eignet<br />
sich ideal zur Vermittlung interkultureller Bildung und<br />
Literatur<br />
BAck, Les: New Ethnicities and Urban Culture. Racisms<br />
and multiculture in young lives. Routledge/UK 1996.<br />
GeorGe, neLson: Der Tod des Rhythm&Blues. Wien<br />
1990.<br />
GeorGe, neLson: XXX. Drei Jahrzehnte HipHop. Freiburg<br />
(orange-press) 2002.<br />
hoffmAnn, Bernd: Blues. In: finscher, LudwiG (Hg.): Die<br />
Musik in Geschichte und Gegenwart. Kassel [u. a.]<br />
1994.<br />
als Plattform für internationale Begegnungen. Dabei<br />
sollten einige Punkte beachtet werden:<br />
1. Wer als Pädagoge ein Urban-Culture-Projekt plant,<br />
begibt sich oft auf fremdes Terrain. Hier ist wie beim<br />
Besuch in einem fremden Land eigene interkulturelle<br />
Kompetenz gefragt; und es schadet nichts, vorher den<br />
Reiseführer in die Hand zu nehmen, sprich: sich über<br />
die entsprechenden Szenen und deren Geschichte zu<br />
informieren.<br />
2. Pädagogische Arbeit mit Urban Culture kann ein Balanceakt<br />
sein: Wie viel „Härte“ tolerieren? Wo die Diskussion<br />
suchen, wo die Notbremse ziehen? Rapcoach<br />
Tim weedon empfiehlt, Jugendliche erstmal mit ihren<br />
Tabubrüchen kommen zu lassen, „let them get it all<br />
out“, um von da aus eine gemeinsame Arbeitsebene zu<br />
finden.<br />
3. Urban-Culture-Projekte funktionieren nur mit guten<br />
Referenten, Idealprofil: kommt aus der Szene, ist künstlerisch,<br />
pädagogisch und interkulturell kompetent.<br />
Referenten, die aufgrund ihrer Skills von den Jugendlichen<br />
akzeptiert werden, gewinnen schnell Vorbildcharakter<br />
und lösen positive Reflexions- und Veränderungsprozesse<br />
aus.<br />
4. Urban-Culture-Projekte eignen sich zur Steigerung<br />
von Motivation zu zielgerichteter Arbeit, zur Vermittlung<br />
interkultureller und sozialer Kompetenzen und<br />
zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung <strong>–</strong> dabei<br />
sollte Urban Culture aber „jederzeit zugleich als Zweck,<br />
niemals bloß als Mittel“ genutzt werden.<br />
5. Antirassismus funktioniert nicht mit dem Holzhammer<br />
(z.B. als Projekt, das Jugendlichen ohne konkreten Anlass<br />
aufgedrückt wird). Ein gemeinsames Thema <strong>–</strong> als frucht-<br />
barer Katalysator im kreativen Prozess <strong>–</strong> sollte in der<br />
Gruppe entwickelt werden, und wenn „Rassismus“<br />
gewählt wird, sollte der an konkreten Erfahrungen festgemacht<br />
werden.<br />
6. Urban-Culture-Projekte werden spannend, wenn verschiedene<br />
Disziplinen kooperieren: Wenn z.B. die Graffiti-Gruppe<br />
das Bühnenbild für eine Liveshow mit Musik-,<br />
Tanz- und Theaterelementen gestaltet, wenn deren Entstehungsprozess<br />
von der Mediengruppe dokumentiert<br />
wird und diese dann noch ein Musikvideoclip mit allen<br />
Beteiligten dreht.<br />
7. Urban Culture vereint uralte, komplexe Kulturtraditionen.<br />
Man muss kein eingefleischter HipHop-Fan<br />
sein, um Urban-Culture-Projekte zu planen. Aber ein<br />
bisschen Begeisterungsfähigkeit und Achtung vor diesen<br />
Traditionen sind schon angebracht; gerade in der<br />
Arbeit mit Zielgruppen, die wenig über die Geschichte<br />
ihrer Jugendkulturen wissen.<br />
Loh, hAnnes: 1000 Jahre Deutscher HipHop. Nazimetaphern,<br />
Rassismus und Neue Härte im deutschen Battlerap.<br />
http://www.alhambra.de/zeitung/feb02/hiphop.<br />
htm (2002)<br />
Loh, hAnnes und murAT GünGör: Fear of a KanakPlanet.<br />
HipHop zwischen Weltkultur und Nazi-Rap. Planegg<br />
(Hannibal) 2002.<br />
shAw, ArnoLd: Die Geschichte des Rhythm und Blues.<br />
Frankfurt am Main 1983.
Eine kurze Geschichte des<br />
HipHop in Deutschland<br />
Hubert Minkenberg<br />
Ab 1984 verbreitet sich HipHop auf der ganzen Welt.<br />
Ebenso wie in den USA findet diese Kultur in Deutschland<br />
ihre Hauptresonanz auf der Straße, unter Jugendlichen,<br />
vor allem auch bei Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
Die Anfänge (German Old School)<br />
In Deutschland ist der Anfang der Old-School-Zeit durch<br />
Aufgreifen schon vorhandener Fragmente aus den USA<br />
gekennzeichnet, die erst im Lauf der Zeit von deutschen<br />
HipHoppern zu neuen Elementen zusammengefügt werden.<br />
Ausführlicher dazu sagen VerLAn und Loh (2000,<br />
90), dass die „erste Generation in Deutschland Old<br />
School genannt wird. Sie erfanden ihn zwar nicht, da er<br />
als schon entwickelt nach Deutschland kam, aber niemand<br />
zeigte ihnen, wie all diese Techniken funktionierten,<br />
sie mussten sich die Sachen alleine beibringen.“ Den<br />
Anfang machen die ersten Plattenveröffentlichungen<br />
aus den USA im Jahr 1981 in Deutschland, sie lassen die<br />
Jugend auf etwas ganz Neues neugierig werden.<br />
Exporte von der Sugarhill Gang, Grandmaster Flash<br />
und Afrika Bambaataa lassen jedoch noch nichts von<br />
einer dahinter stehenden Subkultur erkennen. Erst der<br />
Film „Wild Style“, der im Jahr 1983 deutschlandweit in<br />
den Kinos ausgestrahlt wird, macht die umfassende<br />
Bedeutung der HipHop-Kultur deutlich. Die in diesem<br />
Film gezeigten Diskussionen über einen Ausverkauf<br />
der Bronx, aber auch der Hoffnung, verdeutlichen zum<br />
ersten Mal für das überwiegend jungendliche deutsche<br />
Kinopublikum die Grundsätze von HipHop (vgl. VerLAn/<br />
Loh 2000, 93).<br />
Die individuelle Hinwendung von Jugendlichen zur HipHop-<br />
Kultur fußt auf der Faszination von Breakdance, Rap<br />
oder Graffiti. Ein bestimmtes Schlüsselerlebnis, die<br />
Auflehnung gegen die Eltern und die Gesellschaft, ein<br />
bestimmtes Lied oder einfach nur ein positives Gefühl<br />
für die Kultur kann der Auslöser sein (vgl. VerLAn/Loh<br />
2000, 88).<br />
Der Gangsterrap-Trend aus den USA stieß auch bei<br />
Deutschlands Jugendlichen auf großes Interesse. Viele<br />
der amerikanischen Rapper stehen auf dem Index,<br />
und so wird Rap nicht mehr nur von der Gesellschaft<br />
allgemein, sondern auch von Eltern verstärkt verurteilt.<br />
Zensur und Verbote steigern den Bekanntheits- und<br />
Beliebtheitsgrad dieser Musik immens und ihre Veröffentlichungen<br />
werden zu Sammelobjekten: „HipHop<br />
bringt ein wenig Abenteuerstimmung in das Leben gelangweilter<br />
Wohlstandskinder“ (fArin 1998, 57).<br />
Die dritte Einwanderergeneration<br />
Zu Beginn der Bewegung gibt es haufenweise Bands,<br />
die lange nur im heimischen Umfeld bekannt sind. Eine<br />
solche Band ist unter anderem die Fresh Familee aus<br />
Ratingen. Sie setzt sich aus Jugendlichen der zweiten<br />
Gastarbeitergeneration in Deutschland zusammen. Mit<br />
dem Lied „Ahmed Gündüz“ erlangen sie erstmals im<br />
Jahr 1991 auch nationale Beliebtheit. Es ist nicht nur die<br />
erste deutschsprachige Rap-Maxischallplatte, sondern<br />
greift weiter auch die Thematik des alltäglichen Rassismus<br />
gegenüber Gastarbeitern auf. Erzählt aus der Sicht<br />
eines Kindes, verleiht „Ahmed Gündüz“ erstmals öffentlich<br />
einer älteren Generation eine Stimme, welche der<br />
vorherrschenden Sprache nicht mächtig ist (vgl. VerLAn/<br />
Loh 2000, 138).<br />
Viele Einwandererkinder fühlen sich von HipHop in den<br />
Bann gezogen, da es ihnen ähnlich wie den Erfindern<br />
in den USA geht, auch sie gehören der weißen Mittelschicht<br />
nicht an und fühlen sich daher wie „Fremde<br />
„HipHop bringt<br />
ein wenig Abenteuerstimmung<br />
in das<br />
Leben gelangweilter<br />
Wohlstandskinder“<br />
Theorie | 15
„Einwanderer, die<br />
nicht auf deutsch<br />
rappen, fühlen<br />
sich verlassen von<br />
der bisherigen<br />
Gemeinschaft“<br />
im eigenen Land“. So spiegelt sich diese Zeit<br />
auch in den Texten der Rapper wieder. Sie<br />
nutzen die Musik, um ihre Wut auszudrücken<br />
und distanzieren sich durch Rap von Gewalt<br />
und Diskriminierung <strong>–</strong> gerade zu einer Zeit, in<br />
der in Deutschland viele Brandanschläge auf<br />
Flüchtlingsunterkünfte verübt werden. Die<br />
Medien vermarkten die Idee eines friedlichen<br />
Neben- und Miteinanders auf ihre Weise: Multikultur<br />
im deutschen HipHop. Eine Bezeichnung,<br />
die anderssprachigen Rap in Deutschland<br />
ausklammert und innerhalb der Szene zu<br />
Spaltungen führt. Einwanderer, die nicht auf<br />
deutsch rappen, fühlen sich verlassen von der<br />
bisherigen Gemeinschaft. So geht es auf einmal<br />
nicht mehr nur um Fähigkeit, sondern auch um<br />
Herkunft (vgl. VerLAn/Loh 2000, 144).<br />
„Seit Jahren beobachteten die meisten Kids<br />
der zweiten und dritten Einwanderergeneration<br />
den Deutschrap-Boom als Außenstehende.<br />
Sie fühlten sich von den Inhalten und dem<br />
Lebensgefühl weder angesprochen noch<br />
repräsentiert“ (VerLAn/Loh 2000, 157).<br />
Doch die Jugendlichen wissen sich selbst zu<br />
helfen, das Bündnis „Kanak Attack“ wird gegründet.<br />
Diese Bewegung versucht auf Grund des entstandenen<br />
Zwiespaltes Aufklärungsarbeit<br />
besonders bei den Themen Geschlechterrollen,<br />
Musik und Politik zu leisten (vgl. VerLAn/<br />
Loh 2000, 159f.).<br />
Die Jams<br />
Jugendzentren bieten der HipHop-Szene ein Forum für<br />
Jams, und im Jahr 1987 finden die ersten wirklich größeren<br />
Partys in den verschiedensten Städten Deutschlands<br />
statt; so auch in Dortmund. Konzept der Veranstaltung<br />
ist, dass alle Anwesenden sich aktiv an der Planung des<br />
Abends beteiligen. Mittels Demonstrationen ihrer vorhandenen<br />
Fähigkeiten im Graffiti, Rap und Breakdance<br />
können die Jugendlichen ihr Selbstbild bei Wettkämpfen<br />
mit anderen Gleichaltrigen überprüfen. Noch sehr unorganisiert<br />
legen die ersten Treffen dieser Art einen<br />
16 | Eine kurze Geschichte des HipHop in Deutschland<br />
Grundstein für weit reichende Bekanntschaften und<br />
Verabredungen unter Jugendlichen. Erstmals reisen für<br />
eine Party in diesem Rahmen Jugendliche aus dem gesamten<br />
Bundesgebiet an. Die reisebereite Jam-Generation<br />
wird bezeichnenderweise auch die „Tramperticket<br />
Generation“ genannt: Durch Nutzung eines Angebots<br />
der Deutschen Bahn AG wird ein deutschlandweiter<br />
Austausch möglich (vgl. VerLAn/Loh 2000, 103ff.).<br />
Auf den ersten Jams in Deutschland gibt es, auf Grund<br />
der US-amerikanischen Entstehungsgeschichte, nur<br />
englischsprachige Reime und Freestyles. Bahnbrechendes<br />
gelingt einem Jugendlichen namens Torch von<br />
der Rapgruppe Advanced Chemistry: Er legt im Jahr<br />
1987 den Grundstein in der weiteren Entwicklung des<br />
Sprechgesangs, indem er zum ersten Mal einen Reim<br />
auf deutscher Sprache improvisiert. Seine Motivation<br />
liegt dabei in der verbesserten Übermittlung inhaltlicher<br />
Botschaften, die er in vollständig deutschsprachigen<br />
Texten zum Ausdruck bringen möchte. Diese<br />
Erweiterung von improvisierten und kurzen Sätzen findet<br />
Anklang bei anderen Rappern und bringt Advanced<br />
Chemistry überregionale Achtung ein (vgl. VerLAn/Loh<br />
2000, 119). Mit der Zeit entsteht aus den Jams im In- und<br />
Ausland eine selbstorganisierte Subkultur.<br />
So ist zum Beispiel das „MZEE Frisch Projekt“ ein Konzept<br />
für die Durchführung von nationalen und internationalen<br />
Jams (vgl. VerLAn/Loh 2000, 110). Organisiert<br />
von Mitbegründer Akim Walta will das HipHop-Magazin<br />
und -Label MZEE Informationen über aktuelle<br />
Geschehnisse der Szene vermitteln. Mit Mitarbeitern<br />
aus der Szene greift MZEE kulturorientierte Anliegen<br />
auf und unterstützt die Szene zusätzlich durch ein unabhängiges<br />
Vertriebssystem (vgl. www.thing.de/neid/<br />
archiv/1/text/hiphop.htm).
HipHop in den neuen Bundesländern<br />
Während in den alten Bundesländern in Deutschland<br />
auf Jams schon internationale Kontakte geknüpft werden,<br />
finden in den Jahren 1988/89 erstmals zwei vergleichbare<br />
Großveranstaltungen in der damaligen DDR statt.<br />
Die erste Jam dort entsteht durch die Mitwirkung einer<br />
Berliner Radiosendung namens Vibrations. Diese ist speziell<br />
auf eine junge Hörerschaft zugeschnitten und bietet<br />
den Jugendlichen ein Forum, in dem sie selbst kreierte<br />
Demokassetten aus dem HipHop-Bereich einsenden<br />
können. Basierend darauf entsteht die Idee, einen Rap-<br />
Contest für interessierte Anhänger der Kultur zu organisieren.<br />
Über den Radiosender werden die Jugendlichen<br />
dazu aufgefordert, sich an der Durchführung der Party<br />
zu beteiligen. Als Organisator von Rap-Veranstaltungen<br />
in Radebeul, einem Dresdner Vorort, wird Alexander<br />
Morawitz in die Pläne eingespannt. Wegen seiner Erfahrungen<br />
als Breaker der Gruppe Quick Animation, seiner<br />
organisierten Scheunenpartys und wegen seines nationalen<br />
Erfolgs als Rapper der politisch-kritischen Gruppe<br />
Electric B ist es ihm möglich, viele andere Jugendliche zu<br />
erreichen (vgl. krekow/sTeiner 2000, 108f).<br />
Einen zusammenhängenden Einblick in die gesamten Inhalte<br />
der HipHop-Kultur liefert im Jahr 1985 der amerikanische<br />
Dokumentarfilm „Beat Street“. Die Regierung<br />
der ehemaligen DDR versteht den Film als eine Protestbewegung<br />
der amerikanischen Jugend gegen den Kapitalismus.<br />
Anlehnend an eigene Inhalte der Regierung<br />
kann HipHop als Ausdrucksmöglichkeit für Jugendliche<br />
geduldet werden. Als Vorsichtmaßnahme werden<br />
dennoch Sprühdosen aus den Supermarkt-Regalen verbannt.<br />
Dies verlangsamt vorerst die Entwicklung von<br />
Graffiti in der DDR. So konzentriert sich die Kreativität<br />
jugendlicher Künstler auf Rap und Breakdance. Inspiriert<br />
durch den Film „Beat Street“ bauen sie ihre ersten<br />
Schallplattenspieler selbst zusammen und Erlernen das<br />
Scratchen auf alten Hörspiel-Schallplatten. Breakdance<br />
wiederum wird von Jugendarbeitern zwecks kulturellen<br />
Austauschs in Workshops angeboten (vgl. VerLAn/Loh<br />
2000, 299f).<br />
MC Poise ist einer der wenigen, der sich durch Breakdance<br />
und MCing einen großen Namen in Ost-Berlin<br />
macht. Um die Kreativität der ostdeutschen Jugendlichen<br />
besser nachvollziehen zu können, muss hier<br />
erwähnt werden, dass ihnen zu dieser Zeit keine geeigneten<br />
Räumlichkeiten und auch kein Equipment<br />
zur Verfügung stehen. MC Poise zum Beispiel übt seine<br />
Tanzperformance auf dem Berliner Alexanderplatz<br />
oder in der örtlichen Kirche. Mit seinen wenigen Musik-<br />
exporten aus der BRD produziert der Vierzehnjährige so<br />
ideenreiche Beats, dass er kurz darauf mit seiner Crew<br />
„Downtown Lyriks“ in der gesamten ehemaligen DDR<br />
zu den Bekanntesten zählt (vgl. krekow/sTeiner 2000,<br />
78ff).<br />
Ein anderer Rapper, der heute noch bekannt ist und<br />
bei der Rap-Produktion in Dresden unterstützend mitwirkt,<br />
ist DynaMike. 1987 gründet er mit Freunden die<br />
Three M-Men Rapgruppe. Sie schaffen es, durch Eigenwerbung<br />
berühmt zu werden, noch bevor sie ihren ersten<br />
Reim in englischer Sprache verfassen (vgl. krekow/<br />
sTeiner 2000, 103). Seit dem Jahr 2000 gehört DynaMike<br />
der <strong>Köln</strong>er Gruppe Noisy Stylus an.<br />
Literatur<br />
fArin, kLAus: generation-kick.de. Jugendsubkulturen heute. München (Beck) 2001.<br />
krekow, seBAsTiAn, Jens sTeiner und mAThiAs TAupiTz: HipHop-Lexikon. Berlin (Lexikon Imprint) 1999.<br />
VerLAn, sAschA/Loh, hAnnes: 20 Jahre HipHop in Deutschland. Planegg (Hannibal) 2002.<br />
Prof. Dr. Hubert Minkenberg<br />
Jahrgang 1955, studierte in <strong>Köln</strong> und Berlin. Promotion<br />
in Musikwissenschaft, Instrumentalstudium<br />
mit den Fächern Saxophon und Klavier. Komponist<br />
und Musiker unter eigenem Namen und als Side-<br />
man (u.a. bei Eros Ramazzotti). 1989 bis 1991 Musik-<br />
redakteur beim WDR. 1991 bis 1999 Dozent für<br />
Musikwissenschaften an der Musikakademie<br />
Wiesbaden. 1999 Professur für Musikpädagogik<br />
unter besonderer Berücksichtigung Neuer Medien<br />
an die FH Düsseldorf als Professor berufen. 2000<br />
Gastdozent an der Universität Santiago de Chile.<br />
Mitglied des Vorstands der DGMB (Deutsche<br />
Gesellschaft für Musik bei Behinderten). Delegierter<br />
der GEMA für die Gruppe der angeschlossenen<br />
und ausserordentlichen Komponisten. Lehr- und<br />
Forschungsschwerpunkte: Didaktik und Methodik<br />
der Popularmusik und Einsatz Neuer Medien in<br />
der außerschulischen Musikpädagogik.<br />
Kontakt:<br />
www.minkmusik.de<br />
hubert.minkenberg@fh-duesseldorf.de<br />
Theorie | 17
Interkulturelle Medienarbeit<br />
im <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong><br />
Eva Bürgermeister<br />
„Leitmotiv für<br />
jede pädagogische<br />
Annäherung ist die<br />
Anerkennung der<br />
Jugendlichen mit<br />
ihrem individuellen<br />
Können, ihren Interessen,<br />
Wünschen<br />
und Perspektiven“<br />
Medien sind integraler Bestandteil von Jugendkultur;<br />
sie führen zusammen, vermitteln Information und Austausch.<br />
Medien bieten kreative Gestaltungsmöglichkeiten<br />
und szenetypische Plattformen. Diese Chancen<br />
jugendkultureller Kreativität gilt es zu nutzen <strong>–</strong> auch<br />
um sich als Pädagogen den Herausforderungen in der<br />
modernen Gesellschaft zu stellen.<br />
Jugendkulturen und Medien stehen daher ebenso wie<br />
die interkulturelle Arbeit seit vielen Jahren im Blickpunkt<br />
der Arbeit des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>. Leitmotiv für jede<br />
pädagogische Annäherung ist dabei die Anerkennung<br />
der Jugendlichen mit ihrem individuellen Können, ihren<br />
Interessen, Wünschen und Perspektiven <strong>–</strong> verbunden<br />
mit pädagogischer Neugier, individueller Unterstützung<br />
sowie kritischer Herausforderung und gemeinsamer<br />
Erarbeitung von Perspektiven.<br />
Zahlreiche Modellprojekte, Publikationen und Veranstaltungen<br />
markieren die medienpädagogische Annäherung<br />
an jugendkulturelle Szenen, an die Kultur- und<br />
Medienarbeit im Bereich Urban Culture, an spezifische<br />
Anforderungen für interkulturelles Lernen und internationale<br />
Verständigung. So erschien bereits 1994 eine erste<br />
Publikation zum Thema „Jugendkulturen“, die <strong>–</strong> sehr<br />
viel stärker in den Jugendszenen verortet <strong>–</strong> im Jahr 1997<br />
unter dem Titel „Jugendkulturen in den 90er Jahren:<br />
Innenansichten <strong>–</strong> Außenansichten“ eine Aktualisierung<br />
erfuhr. Weitere Highlights in den 90er Jahren waren die<br />
Beteiligung an der inhaltlichen Gestaltung des Specials<br />
„CultureMix“ auf dem Medienforum NRW, die Organisation<br />
des NRW-Auftritts während der „European<br />
Conference on Youth and Multimedia“ (Youthmedia)<br />
in Düsseldorf sowie die Herausgabe eines Medienpa-<br />
Dr. Eva Bürgermeister<br />
Jahrgang 1956, Studium der Kunstgeschichte,<br />
Pädagogik und Anglistik. Seit 1994 Geschäftsführerin<br />
des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s, Konzeption,<br />
Steuerung und Durchführung diverser medienpädagogischer<br />
Veranstaltungen und Projekte;<br />
Schwerpunkte sind interkulturelle und internationale<br />
Kinder- und Jugendmedienarbeit, Familie<br />
und Medien, Medienkritik und intergenerative<br />
Medienarbeit.<br />
18 | Interkulturelle Medienarbeit im <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong><br />
ketes unter dem Titel „Rolle Vorwärts <strong>–</strong> Medienprojekte<br />
gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“.<br />
Mit der Gründung des CrossCulture-Netzwerks für<br />
interkulturelle und internationale Jugendmedienarbeit<br />
im Jahr 2000 erfuhr dieser Bereich in Nordrhein Westfalen,<br />
auch finanziell zumeist durch das Land unterstützt,<br />
weitere strukturelle und inhaltliche Aufwertung.<br />
Im Jahr 2001 führte der <strong>JFC</strong> erstmals den bundesweiten<br />
interkulturellen Kinder- und Jugendmedienwettbewerb<br />
Mixed LINX durch. Es folgten zwei überregionale<br />
Modellprojekte: „Was glaubst Du denn?! <strong>–</strong> Jugend,<br />
Glaube, Religiosität“ sowie „Wo bleibst Du denn?! <strong>–</strong><br />
Lebensräume/Lebensträume“. In beiden Projekten wurde<br />
interkulturelle Bildung mit den medialen Möglichkeiten<br />
des Internet verknüpft, u. a. mit einer Live-Web-<br />
TV-Sendung aus drei Städten.<br />
Nicht zuletzt prägte der <strong>JFC</strong> auch weiterhin den Fachdiskurs<br />
über Handlungsfelder, Ziele und Fragen von<br />
Qualität medienpädagogischer und interkultureller Arbeit,<br />
so mit den Tagungen „CrossCulture <strong>–</strong> interkulturelle<br />
Medienarbeit für Europa: Konzepte und Qualitätskriterien<br />
interkultureller Jugendmedienarbeit“ (2002) und<br />
„Migranten und Medienberufe“ (2003), dem Medien-<br />
Concret Themenheft „MediaMixMondial <strong>–</strong> Ideen für die<br />
interkulturelle Medienarbeit“ (2002) sowie der inhaltlichen<br />
Mitarbeit an dem Special „Networking Young<br />
Europe“ beim Medienforum NRW 2002.<br />
Auch in internationaler Kooperation wurden Projekte<br />
entwickelt: nachdem der <strong>JFC</strong> bereits 1999 in dem europäischen<br />
Projekt „face2face“ involviert war, nimmt die<br />
Projektarbeit in internationalen Netzwerken seit 2003<br />
einen wichtigen Stellenwert ein; als Beispiel sei hier<br />
die Beteiligung am LEONARDO-geförderten Projekt<br />
„CREAM <strong>–</strong> Creative and active Media Education“ zur<br />
Unterstützung junger Migranten bei der Berufsorientierung<br />
im Medienbereich genannt (2003-2005). Unsere<br />
jüngsten Projekte im Schnittfeld von interkultureller<br />
Medienarbeit und Jugendkulturen <strong>–</strong> die internationalen<br />
HipHop-Camps, das Städteprojekt Urban Culture<br />
2005, das internationale Musikvideoprojekt pop@rena,<br />
die Projekte im internationalen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Netzwerk<br />
und nicht zuletzt das für dieses Heft namensgebende<br />
Modellprojekt <strong>–</strong> sollen im Folgenden vorgestellt werden;<br />
ebenso weitere spannende Urban-Culture-Projekte aus<br />
Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus.
Urban-Culture-Projekte<br />
des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />
Von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> bis <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> — <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />
Sascha Düx und Andreas Kern<br />
Im Mai 2007 wird das <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> Tanz-, Musik-<br />
und Mediencoaches aus zehn europäischen Ländern<br />
zu einem internationalen Seminar in die Akademie<br />
Remscheid einladen. Neben fachlichem Austausch und<br />
gemeinsamer praktischer Arbeit geht es hier um die<br />
Planung der im Sommer 2007 erstmals stattfindenden<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer Courses. Diese Summer Courses<br />
sind als Folgeangebot für die TeilnehmerInnen der bisherigen<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Projekte geplant <strong>–</strong> und sie sind<br />
das jüngste Projekt im internationalen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-<br />
Netzwerk, einem Netzwerk, dessen Anfänge in den<br />
Niederlanden liegen …<br />
Von Amsterdam nach Europa<br />
Das Projektformat <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> (R&R) wurde 2001<br />
von der Stiftung Miramedia (Utrecht) und weiteren<br />
Partnern entwickelt. Das Grundkonzept umfasst die<br />
folgenden Basiselemente:<br />
<strong>–</strong> Im Vorfeld eines größeren Festivals werden in Stadtteilen<br />
mit hohem Migrantenanteil Jugendliche mit<br />
Talent in einem der Bereiche Medien, Musik und Tanz<br />
‘gescoutet’.<br />
<strong>–</strong> Für diese Jugendlichen wird dann unmittelbar vor dem<br />
Festival eine intensive Block-Workshopphase angeboten.<br />
Hier werden die jungen Talente individuell in ihren Stärken<br />
gefördert und bei der Entwicklung ihrer künstlerischen<br />
Identität unterstützt.<br />
<strong>–</strong> Höhepunkte sind Masterclasses bei prominenten<br />
KünstlerInnen, die für das Festival in die Stadt kommen,<br />
sowie Auftritte auf dem Festival (bzw. deren mediale<br />
Dokumentation).<br />
<strong>–</strong> Im Anschluss an die Workshopphase wird weiteres individuelles<br />
Coaching angeboten.<br />
Nach mehreren erfolgreichen Projektphasen, angedockt<br />
u. a. an die Festivals Dunya in Rotterdam und Uitmarkt<br />
in Amsterdam und mit Masters wie Michael Franti, konnte<br />
2004 ein <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Auftritt bei der offiziellen<br />
Eröffnungsfeier zur niederländischen EU-Präsidentschaft<br />
„Europa op de Dam <strong>–</strong> Thinking Forward“ organisiert werden.<br />
Dazu wurden erstmals junge Talente aus mehreren europäischen<br />
Ländern als Gäste eingeladen <strong>–</strong> der Beginn des<br />
internationalen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Netzwerks. Das <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong> war hier noch nicht beteiligt. Als Ende<br />
2004 eine gemeinsame Antragstellung beim EU-Programm<br />
CULTURE 2000 anstand, wurden wir aufgrund<br />
unserer Vorerfahrungen im Bereich internationaler<br />
HipHop-Camps eingeladen, federführender Partner<br />
in Deutschland zu werden. So konnte mit Eingang<br />
der EU-Förderbewilligung im Mai 2005 das Projekt<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> International in Deutschland (<strong>Köln</strong>),<br />
Frankreich (Lille), Griechenland (Larissa und Athen),<br />
Italien (Florenz), den Niederlanden, Portugal (Lissabon),<br />
Spanien (Barcelona) und Ungarn (Budapest) starten.<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> <strong>–</strong> hier gibt’s was Gutes 1<br />
High Noon am Freitag, den 26. August 2005: Der Weltjugendtag<br />
ist vorbei, auf den <strong>Köln</strong>er Ringen sammeln sich<br />
die Massen fürs beginnende Ringfest, und im großen<br />
Saal des Bürgerzentrums Alte Feuerwache bereiten<br />
1 Die Abschnitte über <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2005 und 2006<br />
sind überarbeitete Fassungen unserer in der InterAktiv<br />
(12/2005 und 10/2006) erschienenen Artikel<br />
Artikel<br />
Artikel<br />
�<br />
Siehe<br />
„<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />
<strong>–</strong> Unterricht in Urban<br />
Culture“<br />
(Seite 23)<br />
�<br />
Siehe<br />
„Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona:<br />
Das HipHop-<br />
Netzwerk Nippes“<br />
(Seite 42)<br />
Best Practice | 19
sich gut 30 Jugendliche auf ihren ersten großen Auftritt<br />
vor. Nervös? „Ich bin auch schon so aufgeregt, gestern<br />
konnt’ ich kaum schlafen <strong>–</strong> aber, wir packen das schon,<br />
da glaub ich fest daran!“<br />
Rückblende: Der gleiche Saal, Anfang August.<br />
Gespanntes Warten auf den Gängen: Gleich wird die<br />
Jury verkünden, wer von über 40 jungen SängerInnen<br />
und RapperInnen bei <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Cologne 2005 dabei<br />
sein wird. 20 Plätze sind bei den Auditionen für junge<br />
Musik-Talente zu vergeben, dazu je 10 in den Bereichen<br />
Tanz und Medien.<br />
Es zeigt sich, dass durch die allgegenwärtigen Castings<br />
in den Medien schon ein recht festgefahrenes Bild von<br />
derartigen Auswahlverfahren in den Köpfen ist: Ein junger<br />
Mann begleitet seinen Bruder zur Audition. „Machst Du<br />
auch Musik?“, fragen wir. „Ja, albanische Volksmusik.<br />
Aber das passt nicht hierher“ <strong>–</strong> und trotz unserer Beteuerungen,<br />
das hier sei ein für alle Stilrichtungen offenes<br />
Projekt, können wir ihn nicht vom Gegenteil überzeugen.<br />
Die Zielgruppe <strong>–</strong> junge Talente insbesondere mit Migrationsbackgr<br />
ound, die schlechtere Zugangschancen zu<br />
Ausbildungsgängen in den Bereichen Musik, Tanz und<br />
Medien haben <strong>–</strong> wird dennoch durchweg erreicht: Drei<br />
Viertel der <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Talente 2005 kommen aus<br />
Familien mit Migrationshintergrund, und der ist breit<br />
20 | Urban-Culture-Projekte des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />
gestreut: Von der Ukraine bis Marokko, vom Kosovo bis<br />
Syrien.<br />
39 TeilnehmerInnen finden sich in der Woche vorm Ringfest<br />
zu einer intensiven mehrtägigen Workshopphase im<br />
<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong> und in den kooperierenden<br />
Jugendzentren OT Luckys Haus und OT Werkstattstraße<br />
ein. Professionelle ReferentInnen coachen die 16- bis<br />
25jährigen zur Bühnenreife. Anders als bei Bohlen &<br />
Co. werden hier nicht potenzielle Superstars auf Linie<br />
getrimmt, sondern junge Urban-Culture-KünstlerInnen<br />
dabei unterstützt, ihren eigenen Stil zu finden und sich<br />
langsam aber stetig in Richtung Professionalität zu entwickeln.<br />
So werden alle Songtexte und Gesangsmelodien<br />
von den Jugendlichen selbst geschrieben. Rap-Teilnehmer<br />
A. Kapuya: „Wir haben uns erstmal kennen gelernt und<br />
Sprach- und Gesangsübungen gemacht. Und Atemübungen.<br />
Das war komisch, weil wir so was zum ersten<br />
Mal gemacht haben, aber es hat sich nachher rausgestellt,<br />
dass es sehr hilfreich ist.“<br />
Ein Highlight der Workshopwoche sind dann die Master-<br />
classes: HipHop-Star Afrob aus Stuttgart und der afrobelgische<br />
Tänzer T. Love geben ihre Erfahrungen an die<br />
nachfolgende Generation weiter <strong>–</strong> und die Mediengruppe<br />
dokumentiert das Ganze mit Fotos und Video. Als dann<br />
am Sonntagabend der letzte von vier Ringfestauftritten<br />
erfolgreich über die große Generation-M-Bühne gegangen<br />
ist, wissen die TeilnehmerInnen: Das ist nicht das Ende,<br />
es werden ein Nachtreffen mit Präsentation der Video-<br />
DVD und dann weitere Projekte, Auftritte und Coaching-<br />
angebote folgen. Mit Afrobs Worten: „Kurzes Fazit bei<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> <strong>–</strong> hier gibt’s was Gutes!“<br />
Urban Culture 2005<br />
Im Herbst 2005 folgte dann das aus dem Programm<br />
ENTIMON des Bundesjugendministeriums geförderte<br />
Städteprojekt Urban Culture 2005: In <strong>Köln</strong>, Bonn und<br />
Solingen fanden vom 30. September bis zum 03. Oktober<br />
gleichzeitig verschiedene Workshops statt, die<br />
sich kreativ (Tanz, Musikproduktion, Musikvideodreh,<br />
Graffiti) und journalistisch-medial (Videodokumentation,<br />
Radio, Webmagazin) mit Fragen des Zusammenlebens<br />
im städtischen Raum und der (jugend-)kulturellen Ausdrucksformen<br />
in der Stadt beschäftigten.<br />
93 Teilnehmer/-innen <strong>–</strong> 44 in <strong>Köln</strong>, 17 in Solingen und<br />
32 in Bonn <strong>–</strong> produzierten in den vier Workshoptagen
57 Webmagazin-Artikel, 12 Videoclips, 8 Webradio-<br />
Beiträge und 4 selbstgetextete und -komponierte Songs.<br />
Dabei ging es um Themen wie die eigene<br />
kulturelle Verortung zwischen kulturellen Wurzeln im<br />
Elternhaus und Jugendkultur, um Jugendszenen in der<br />
eigenen Stadt, um Freundschaft und Liebe, Freizeitbeschäftigungen<br />
von Lesen bis Shoppen, um Tanz und<br />
Musik, Mode und Sport, um Graffiti zwischen Kunst<br />
und Kriminalisierung, um Angebote für Jugendliche in<br />
der eigenen Stadt und Aktivitäten gegen Rassismus.<br />
Die Beiträge wurden meist am selben Tag auf<br />
die gemeinsame, verbindende Internetplattform<br />
www.u-culture.de hochgeladen. Hier traf man sich<br />
auch, um sich im Videochat städteübergreifend<br />
kennenzulernen. Neben den vier bis acht Workshops<br />
pro Stadt wurden auch Exkursionen veranstaltet, z.B.<br />
zu einer legalen Graffiti-Wand in <strong>Köln</strong>. Die Jugendlichen<br />
in <strong>Köln</strong> und Solingen <strong>–</strong> die zum Teil bereits im Sommer<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Erfahrungen gesammelt hatten <strong>–</strong> bekamen<br />
die Chance, in professionellen Tonstudios ihre während<br />
des Projekts selbst geschriebenen Lieder aufzunehmen.<br />
Bei der Akademie der Deutschen POP gab es zusätzlich<br />
eine Einführung in die digitale Musikproduktion.<br />
Das Modellprojekt endete mit einer ca. 48-minütigen Live-<br />
Web-TV-Sendung: Übers Internet wurden Video-Live-<br />
schaltungen von <strong>Köln</strong> nach Bonn und Solingen realisiert,<br />
in allen Städten gab es Abschlussevents mit Livemusik.<br />
Europa in <strong>Köln</strong><br />
Die gigantische Festivalbühne ist sonst Reggae-Größen<br />
wie Damian Marley oder Jimmy Cliff vorbehalten.<br />
Am 14. Juli 2006 um 14:20 Uhr wird sie ein Podium für<br />
fünfundfünfzig Jugendliche aus ganz Europa: Mit Tanz<br />
und Livemusik ziehen sie das Publikum in ihren Bann,<br />
aus anfänglich knapp 300 Zuschauern werden binnen<br />
Minuten über 3000. Und die Kameras der Mediengruppe<br />
halten alles für die Projekt-DVD fest.<br />
Nach den Erfolgen von 2005 war klar: <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />
Cologne 2006 musste noch einen Schritt weitergehen.<br />
Wie im Vorjahr wurden bei Talentsichtungen aus diesmal<br />
über 80 interessierten Jugendlichen 30 TeilnehmerInnen<br />
für die <strong>Köln</strong>er Workshopphase ausgewählt.<br />
Neben den Disziplinen Tanz, Kamera/Moderation und Rap/<br />
Gesang wurde auch eine komplette Liveband zusammen-<br />
gestellt. Ermöglicht durch zusätzliche ENTIMON-Förderung<br />
konnten 25 weitere junge Talente aus sieben europäischen<br />
Partnerländern eingeladen werden, dazu fünf<br />
internationale ReferentInnen.<br />
Am 7. Juli treffen die Gäste aus Frankreich, Griechenland,<br />
Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Schweden<br />
und Ungarn ein. Man feiert gemeinsam die Endphase<br />
der WM und startet in eine intensive Workshopwoche,<br />
in deren Verlauf fünf Songs zwischen HipHop, Reggae<br />
und R‘n‘B geschrieben, eingeübt und im Studio aufgenommen<br />
werden; eine siebenminütige Choreographie<br />
mit Elementen diverser urbaner Tanzstile kreiert und<br />
eintrainiert wird; und drei Video-Kurzdokumentationen<br />
gefilmt und geschnitten werden. Bauarbeiten in<br />
der Unterkunft, mäßiges Catering und lange Reisezeiten<br />
zwischen Jugendgästehaus und Workshoporten sorgen<br />
bei einigen der internationalen Gäste für Missstimmungen,<br />
andere sind mit Feuer und Flamme bei der Sache. Dann<br />
der erste Höhepunkt: Martin Jondo, Deutschlands frischester<br />
Reggae-Star, kommt für eine Masterclass vorbei,<br />
steht der Mediengruppe für Interviews zur Verfügung<br />
und gibt den Musikgruppen Tipps für ihren Auftritt und<br />
ihre weitere künstlerische Entwicklung.<br />
Am 14. Juli geht es dann um 14:20 auf die Red Stage<br />
des Summerjam-Festivals. Zu diesem Zeitpunkt ist das<br />
Publikum mit ca. 300 Personen noch eher dünn<br />
besetzt. Mittels einer spontanen Eröffnungs-Einlage<br />
gelingt es den bühnenerfahrenen internationalen ReferentInnen,<br />
binnen weniger Minuten 3000 der aufs Gelände<br />
strömenden BesucherInnen vor die Red Stage zu bewegen.<br />
Der folgende Auftritt vor großem Publikum ist<br />
für alle Beteiligten ein beeindruckendes Erlebnis, zumal<br />
die erarbeiteten Stücke viel Applaus ernten. Leider<br />
fehlen am Ende die eingangs durch die Eröffnungs-<br />
Einlage verbrauchten Minuten Bühnenzeit, und so kann<br />
<strong>–</strong> das Bühnenmanagement ist, wie bei Festivals dieser<br />
Größenordnung üblich, sehr strikt <strong>–</strong> die letzte<br />
Vokalistengruppe nicht mehr auftreten. Das trifft die<br />
gesamte Gruppe, die Stimmung kippt binnen Minuten<br />
von Euphorie in Depression und Wut. Durch pädagogischen<br />
Einsatz des Teams können die Wogen geglättet<br />
werden; alle TN haben Tageskarten für das Festival und<br />
bleiben größtenteils bis zum späten Abend vor Ort.<br />
In den letzten Tagen tragen dann zwei Musikvideo-Drehs<br />
und ein gemeinsames Abschiedsbarbeque dazu bei,<br />
dass <strong>–</strong> wie die abschließende Evaluation zeigt <strong>–</strong> fast alle<br />
TeilnehmerInnen mit einem guten Gefühl nach Hause<br />
fahren.<br />
DVD<br />
Siehe Dokumentation<br />
„<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006“<br />
auf beiliegender DVD<br />
DVD<br />
Siehe Musikvideos<br />
„Alegria“ und „Summertime<br />
<strong>Roots</strong>“ auf<br />
beiliegender DVD<br />
Best Practice | 21
8<br />
Artikel<br />
Siehe<br />
„<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />
<strong>–</strong> Unterricht in Urban<br />
Culture“<br />
(Seite 23)<br />
DVD<br />
Siehe Dokumentation<br />
„<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>“<br />
auf beiliegender DVD<br />
Die internationale Zusammen-<br />
arbeit klappt wie schon bei den<br />
Vorläuferprojekten sehr gut:<br />
Die TeilnehmerInnen haben<br />
gemeinsame kulturelle Interessen,<br />
wollen zusammen etwas auf<br />
die Beine stellen <strong>–</strong> und wenn jemand<br />
großartige Flash-Animationen<br />
oder Ragga-Strophen<br />
beisteuern kann, wird es relativ<br />
unwichtig, wie gut er Englisch<br />
spricht. Beeindruckend ist<br />
auch, wie viel die Jugendlichen<br />
sich gegenseitig beibringen:<br />
Ob Gesangstechniken oder<br />
Kameraperspektiven, ob Tanzmoves<br />
oder Videoschnitt-<br />
Kniffe am PC <strong>–</strong> und das oft mitten in der Nacht.<br />
Für die Jugendlichen in Deutschland geht das Projekt<br />
nach Abreise der Gäste noch weiter: Beim Cologne Open<br />
Culture Festival gibt es Auftritte der <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Tanz-<br />
und Musikgruppen, und die Mediengruppe filmt das<br />
ganze Festival. Am 8. September haben beim Nachtreffen<br />
in der OT Luckys Haus die Projekt-CD und DVD Premiere;<br />
weitere Auftritte der <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Gruppe finden bei<br />
der Medienpädagogischen Börse <strong>Köln</strong> am 20. Oktober<br />
und beim Symposium „MIX IT! <strong>–</strong> Kinder und Jugendliche<br />
mit Migrationshintergrund in Musikprojekten“ des<br />
Europäischen Musikrates und der Deutschen Welle am<br />
4. November 2007 in Bonn statt<br />
<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />
Mit Förderung des Ministeriums für Generationen,<br />
Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-<br />
Westfalen konnte zum Ende des Jahres 2006 das Modellprojekt<br />
<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong> realisiert werden:<br />
Für 26 Jugendliche mit <strong>Roots</strong> in 15 Nationen <strong>–</strong> etwas<br />
mehr als die Hälfte davon <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Teilnehmer-<br />
Innen vom Sommer <strong>–</strong> wurden vom 27. bis 30. Dezember<br />
Tanz-, Musik- und Medienworkshops in den Räumen<br />
der Rochus-Musikschule <strong>Köln</strong>-Bickendorf angeboten.<br />
Prominente Dozenten wie Jörg Schürmann (Kameramann<br />
bei Brainpool), Xaver Fischer (spielte u. a. bei<br />
Sasha und in Anke Engelkes TV-Band Keyboards),<br />
VJ Sehvermögen, Jaekwon (Breakdance-Profi), Mavys<br />
Villareal (Hamburger Rapcoach) und Markus „Be“<br />
Brachtendorf (Frontmann von „Lecker Sachen“ und<br />
„Rakete Mutter“) arbeiteten intensiv mit den jungen<br />
Talenten, geben Tipps zur individuellen Weiterentwicklung<br />
und auch Einblicke in die Welt der Kultur- und Medienberufe.<br />
Alle Workshops wurden ausführlich dokumentiert;<br />
diese Dokumentation bildet den Grundstock<br />
für Teil 3 dieser Arbeitshilfe und die beiliegende DVD.<br />
Andreas Kern<br />
Jahrgang 1978, seit 1997 DJ und Veranstalter<br />
elektronischer Musikveranstaltungen<br />
(www.beatboutique.info). Schloss 2005 sein Studium<br />
der angewandten Sozialwissenschaften an der<br />
Fachhochschule <strong>Köln</strong> ab. Seit Mai 2005 arbeitet<br />
er als Projektkoordinator (u.a. für das Projekt<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>) im <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong>.<br />
Schwerpunkte sind die Konzeption und Koordination<br />
jugendkultureller Medienprojekte.<br />
Kontakt:<br />
kern@jfc.info<br />
22 | Urban-Culture-Projekte des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />
Perspektiven<br />
2007 wird nicht nur die dritte (und vorerst letzte CULTURE<br />
2000-geförderte) <strong>Köln</strong>er Projektphase im Rahmen des<br />
Projekts <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> International stattfinden; geplant<br />
sind darüber hinaus verschiedene internationale Aktivitäten,<br />
und das neue Projekt <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer<br />
Courses geht an den Start.<br />
Die Idee der Summer Courses: Für talentierte Jugendliche,<br />
die an einer <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Festivalwoche oder ähnlichen<br />
Urban-Culture-Workshops teilgenommen haben, wird<br />
eine 3-4wöchige Blockphase mit intensivem Coaching<br />
mit berufsorientierenden Elementen angeboten: Verschiedene<br />
Berufsbilder und Ausbildungswege in der<br />
Kultur- und Medienbranche werden genauso thema-<br />
tisiert wie Chancen und Risiken einer Karriere als<br />
professionelle/-r KünstlerIn.<br />
Nachdem 2006 bereits ein Summer Course als Pilot-<br />
projekt in den Niederlanden stattfand (das <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong> entsendete eine <strong>Köln</strong>er Teilnehmerin)<br />
und in Deutschland wertvolle Vorerfahrungen im Rahmen<br />
des <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong> Modellprojekts<br />
gesammelt werden konnten, werden <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />
Summer Courses mit Förderung des EU-Programms<br />
LEONARDO jeweils 2007 und 2008 in Finnland,<br />
Großbritannien, Deutschland, Frankreich und den<br />
Niederlanden realisiert werden. Die Aktivitäten in<br />
Deutschland werden in das Aktion-Mensch-geförderte<br />
Projekt „Urban Culture - für Integration in Gesellschaft,<br />
Bildung und Arbeitswelt“ eingebettet.<br />
Jugendliche TeilnehmerInnen der verschiedenen Projekte<br />
von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> bis <strong>Different</strong> Rootes <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />
werden außerdem die Chance haben, an verschiedenen<br />
internationalen Urban-Culture-Projekten teilzunehmen:<br />
Eine Gruppe junger BreakdancerInnen wird im Sommer<br />
2007 für drei Wochen am Brouhaha International Straßen-<br />
festival in Liverpool teilnehmen, Thema ist das<br />
200jährige Jubiläum der Abschaffung der Sklaverei in<br />
England. Im Herbst wird ein großes internationales<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Festival mit Workshops und Masterclasses<br />
für Jugendliche aus allen Ländern des Netzwerks<br />
in Rotterdam stattfinden, und im Sommer 2008 wird je<br />
ein Jugendlicher aus <strong>Köln</strong> zu den vier Summer Courses<br />
der Partnerländer entsandt werden <strong>–</strong> und umgekehrt.<br />
Insgesamt hat sich das internationale <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-<br />
Netzwerk als ein sehr fruchtbarer Zusammenschluss<br />
engagierter Partner erwiesen, aus dem sich <strong>–</strong> da sind wir<br />
zuversichtlich <strong>–</strong> noch weitere spannende Projekte entwickeln<br />
werden.
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> — Unterricht in Urban Culture<br />
Bart Suèr*<br />
Seit 2001 bemüht sich <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> in den Niederlanden,<br />
die talentiertesten jungen Angehörigen kultureller Minderheiten<br />
aufzuspüren: Jugendliche und junge Erwachsene,<br />
die in Street Cultures in den Bereichen Musik, Tanz und<br />
visuelle Medien aktiv sind, und die häufig nicht den Weg<br />
auf etablierte Bühnen, in Medienberufe und in künstlerische<br />
Ausbildungen finden. <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> unterstützt<br />
sie dabei, ihre künstlerischen und sozialen Kompetenzen<br />
weiterzuentwickeln und in Kontakt mit der etablierten<br />
Kultur- und Medienszene zu kommen.<br />
Um ihre Zugangschancen zu einer professionellen Karriere<br />
zu verbessern, brauchen diese Street Talents eine praktische<br />
und komplexe Lernumgebung, die ihre vorhandenen<br />
Kompetenzen festigt und erweitert, die sie befähigt,<br />
Probleme zu lösen und ihre eigenen Skills weiterzuentwickeln.<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> (R&R) erreicht seine Zielgruppe durch die<br />
Website, durch Flyer und Mund-zu-Mund-Propaganda.<br />
In Kooperation mit vorhandenen Strukturen der<br />
Jugendarbeit organisiert R&R Auditionen, bei denen<br />
die talentiertesten Jugendlichen ausgewählt werden. In<br />
den großen niederländischen Städten gibt es mehrere<br />
Organisationen, die sich der Kompetenzförderung im<br />
Bereich der Kultur- und Medienindustrie verschrieben<br />
haben. R&R arbeitet mit diesen Organisationen zusammen,<br />
nutzt ihre Netzwerke und Zielgruppenkontakte<br />
und baut auf den Ergebnissen ihrer Arbeit auf.<br />
Den ausgewählten Jugendlichen wird als erster Schritt<br />
die Teilnahme an einem Take One Workshop angeboten:<br />
Einem mehrtägigen intensiven Tanz-, Musik- oder<br />
Medienworkshop, der in der Regel mit einem öffentlichen<br />
Auftritt abschließt. Nach dem Take One schätzt<br />
das R&R-Team die Fortschritte der TeilnehmerInnen ein<br />
mit dem Ziel, die motiviertesten und talentiertesten für<br />
Folgeaktivitäten auszuwählen: Die mehrwöchigen R&R<br />
Summer Courses und neuerdings die vierjährige R&R<br />
Berufsausbildung „MBO Producer/Musician“ am<br />
Albeda College in Rotterdam (eingebettet ins niederländischen<br />
System der „middelbaar Beroepsonderwijs“,<br />
kurz MBO).<br />
R&R nimmt die meist außerhalb des Bildungssystems<br />
erworbenen Kompetenzen der Teilnehmenden als Ausgangspunkt<br />
und bietet von dort ausgehend eine Reihe<br />
* Übersetzung aus dem Englischen: Sascha Düx<br />
von Aktivitäten und Lernmöglichkeiten an:<br />
<strong>–</strong> Take One: rund einwöchige Blockworkshops und<br />
Masterclasses, die auf einen größeren Auftritt hinarbeiten<br />
<strong>–</strong> Summer Courses (auch Summerschools genannt): drei- und<br />
mehrwöchige vertiefende Block-Unterrichtseinheiten<br />
<strong>–</strong> Individuelles Coaching: Beratung, Feedback, Unterstützung<br />
bei Produktion, Promotion und Verbesserung<br />
der individuellen Skills<br />
Die Lernbedürfnisse und -erfordernisse der Gruppe<br />
steuern dabei den Bildungsprozess. Ein wichtiges Kriterium<br />
heißt stets: „Ist das nützlich und sinnvoll für mich?“<br />
<strong>–</strong> Die <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-WorkshopleiterInnen und -Tutor-<br />
Innen arbeiten dabei wie Coaches, die neue Möglichkeiten<br />
anbieten und so ihre SchülerInnen ermutigen,<br />
weiter zu suchen und mehr zu lernen. Die Tutoren<br />
bewerten die Ergebnisse ebenso wie den Lernprozess.<br />
Das Erfahrungslernen wird durch eine Reflexionsschleife<br />
ergänzt: Was beim „machen“ implizit gelernt wird, wird<br />
anschließend explizit thematisiert. Das große Ziel ist<br />
dabei stets, die Kompetenzen der Teilnehmenden auf<br />
ein Niveau zu heben, wie es im Business und/oder an<br />
den spezialisierten Ausbildungsstätten erwartet wird.<br />
Nachdem jemand den Take One erfolgreich abgeschlossen<br />
Best Practice | 23
hat, entwickelt R&R einen persönlichen Entwicklungsplan<br />
für diesen Schüler/diese Schülerin. Im Gespräch<br />
mit dem jeweiligen Coach wird ausgearbeitet, welche<br />
Übungen und Aktivitäten nötig sind, um jeweils nötige<br />
Kompetenzen zu erwerben.<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer Courses<br />
2006 wurde in Kooperation mit der Rotterdamer<br />
Codarts Hochschule für die darstellenden Künste der<br />
erste <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer Course angeboten. Für die<br />
Codarts Hochschule war es wichtig, ihre Pop Academy<br />
stärker mit interkulturellen Zielgruppen zu verknüpfen<br />
und diejenigen Jugendlichen zu erreichen, die im Bereich<br />
Urban Music aktiv sind. Da R&R eine große Anziehungskraft<br />
für diese Zielgruppe unter Beweis gestellt hatte,<br />
lud die Codarts Hochschule R&R zur gemeinsamen<br />
Entwicklung eines neuen Ansatzes ein: der dreiwöchigen<br />
Summer Courses.<br />
Fortgeschrittene Musik- und Tanztalente <strong>–</strong> darunter<br />
einzelne Gastteilnehmer aus den sieben R&R-Partnerländern<br />
<strong>–</strong> arbeiteten 3 Wochen lang auf zwei Showcases<br />
hin. Unterstützt wurden sie dabei von einem kulturell<br />
breit gestreuten und hochprofessionellen Ensemble<br />
24 | <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> — Unterricht in Urban Culture<br />
professioneller KünstlerInnen und Coaches: u. a. den<br />
Krump Kings (aus dem Dokumentarfilm Rize bekannte<br />
Tanzcrew), dem Choreographen Dumsile Mqadi, Joe<br />
Ambrosia (spielte mit James Brown, Ike & Tina Turner<br />
etc.), Sandra St. Victor (Family Stand, Chaka Khan),<br />
Stefan Schmid (Produzent von Zuco 103) und Luc Vergier<br />
(Marketing und A&R Executive für Lauryn Hill, Fugees,<br />
Youssou N’Dour). Die künstlerische Leitung lag bei John<br />
Wooter (Tanz) und mir (Musik).<br />
Der Summer Course begann am 26. Juni; die TänzerInnen<br />
wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, die MusikerInnen in<br />
zwei Livebands und eine Studioband. Die Mediengruppe<br />
arbeitete parallel, dokumentierte die Workshops und<br />
machte Interviews. Schwerpunkte der ersten Woche<br />
waren ein African Dance Workshop, Gesang und Songwriting<br />
sowie die Geschichte des HipHop. Die zweite<br />
Woche hindurch wurde auf einen Probeauftritt am<br />
Wochenende hingearbeitet, dazu kamen Masterclasses<br />
mit den Krump Kings und Joe Ambrosia. DJ Git Hyper<br />
lud die Musik-Teilnehmer in seinen Plattenladen ein<br />
und nahm sie mit auf eine Reise durch die Popmusik-<br />
geschichte, von alten Jazz-, Soul-, Funk- und Discoplatten<br />
bis hin zu aktueller Musik. Der abschließende<br />
Probeauftritt zeigte auf, welche Aspekte noch verbesserungsfähig<br />
waren und gab damit die Richtung für die<br />
letzte Woche vor. In dieser arbeiteten die Teilnehmer-<br />
Innen hart und kontinuierlich an ihren Abschlusskonzerten;<br />
abgerundet wurde das Programm durch einen<br />
Musikbusiness-Workshop mit Gordon Williams und<br />
Luc Vergier, bei dem Booking, Promotion und Verträge<br />
thematisiert wurden.<br />
Die Ergebnisse von drei Wochen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer<br />
Course wurden am Freitag, den 14. und Samstag, den<br />
15. Juli 2006 öffentlich vor einem begeisterten, knapp<br />
200köpfigen Publikum aufgeführt. Das Programm<br />
entsprach den vielfältigen <strong>Roots</strong> der TeilnehmerInnen:<br />
Die Tanzgruppe kombinierte klassisches Ballett, afrikanischen<br />
Tanz, Boogie, Breakdance, Popping und<br />
Locking, die Musikgruppen mixten Soul und tanzbaren<br />
Jazz, Funk, Dub und Reggae.<br />
Nach Abschluss des Summer Courses fand eine individuelle<br />
Evaluation der Leistungen der Teilnehmenden<br />
statt; dabei wurden auch die individuellen Chancen<br />
eingeschätzt, den eigenen Lernweg auf „MBO“-Level<br />
(Niederländische Berufsschule) oder auf „HBO“-Level<br />
(Bachelor-Studium) fortzusetzen.<br />
Ausbildung „MBO Producer/Musician“<br />
Der „MBO Musikproduzent/Musiker“ ist eine vierjährige<br />
Ausbildung, die mindestens einen Sekundarschul-<br />
Abschluss voraussetzt. Das minimale Zugangsalter<br />
beträgt 16, das maximale 30 Jahre. Da diese Form<br />
musikalischer Berufsausbildung neu ist <strong>–</strong> die Berufsschulen<br />
im niederländischen „MBO“-System haben bislang keine<br />
Musikkurse angeboten <strong>–</strong> bekam <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> die Chance,<br />
für diese Ausbildung ein Curriculum zu entwickeln, das<br />
sowohl bei den Lerninhalten als auch bei den Lehr- und<br />
Lernmethoden neue Wege einschlägt.<br />
Das Motto der Ausbildung lautet: „Der erste Tag in diesem<br />
Kurs ist der erste Tag Deiner professionellen Karriere.“<br />
Im Lauf des vierjährigen Kurses durchlaufen die Schüler-<br />
Innen ein Spiralcurriculum: Sie machen drei „Alben“,<br />
durchlaufen dreimal einen Zyklus, der wiederum aus<br />
drei Phasen besteht:<br />
1. Komposition / Kreation<br />
2. Aufnahme / Produktion<br />
3. Veröffentlichung / Promotion / Performance<br />
Parallel zu diesen drei Phasen liegt eine vierte Phase,<br />
in der die Teilnehmenden ihre persönliche Situation als
MusikerInnen ausarbeiten. Diese vier Phasen entsprechen<br />
der Arbeit der meisten professionellen MusikerInnen.<br />
Wenn ein Teilnehmer diesen vierphasigen Zyklus dreimal<br />
durchlaufen hat und dabei das angestrebten Niveau<br />
an musikalischen Fertigkeiten und Musikproduktions-<br />
Know-how erworben hat, ist er fertig <strong>–</strong> und hat sich<br />
eine gute Basis für seine individuelle Karriere erarbeitet:<br />
Er wird dann zahlreiche eigene Songs geschrieben haben,<br />
mehrere Aufnahmen produziert haben und häufig<br />
öffentlich aufgetreten sein. Für Teilnehmende, die keinen<br />
großen Wert auf Auftritte legen (da sie sich auf Musikproduktion<br />
konzentrieren möchten), wird ein alternativer<br />
Lernweg mit Schwerpunkt auf Komposition, Arrangement<br />
und Studioaufnahmen angeboten; ähnlich wird es<br />
für Instrumentalisten, die keinen Fokus auf eigene Kompositionen<br />
setzen möchten, eine Schwerpunktsetzung<br />
auf Studioaufnahmen und Liveperformance geben.<br />
Gelehrt wird von einem Stamm an <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-<br />
TutorInnen, ergänzt durch freie professionelle Produzent-<br />
Innen und MusikerInnen aus dem Musikbusiness.<br />
Kompetenzen<br />
R&R entwickelt gegenwärtig gemeinsam mit Kunst-,<br />
Tanz- und Musikakademien in Gronigen, Arnheim<br />
und Rotterdam „Kompetenzsets“ für professionelle<br />
Musiker, Tänzer und Videomacher. In grober Übersicht<br />
könnte ein Kompetenzset für Musiker so aussehen:<br />
Allgemeine Kompetenzen:<br />
<strong>–</strong> Lesen und Schreiben in Niederländischer<br />
und Englischer Sprache<br />
<strong>–</strong> Praktisch-mathematische Grundlagen<br />
<strong>–</strong> Zeitmanagement<br />
<strong>–</strong> Teamarbeit<br />
<strong>–</strong> Informationen recherchieren und bewerten<br />
<strong>–</strong> Problemlösendes, methodisches, systematisches<br />
Denken und Reflexion<br />
<strong>–</strong> Planung und Organisation<br />
<strong>–</strong> Soziale und Kommunikative Kompetenzen<br />
<strong>–</strong> Innovatives und kreatives Denken<br />
<strong>–</strong> Verantwortlichkeiten Übernehmen<br />
<strong>–</strong> Unternehmerisches Handeln<br />
Spezielle Kompetenzen für Musiker:<br />
<strong>–</strong> Stimmliche bzw. Instrumentale Fertigkeiten<br />
<strong>–</strong> Kommunikation durch und über Musik<br />
<strong>–</strong> Performance (Auftreten vor Publikum)<br />
<strong>–</strong> Musiktheoretisches Wissen und Können<br />
<strong>–</strong> Musiktechnologisches Wissen und Können<br />
<strong>–</strong> Musikproduktion<br />
<strong>–</strong> Unternehmerisches Handeln im kulturellen Bereich<br />
Am Ende des R&R-Prozesses stehen für jeden Teilnehmenden<br />
ein persönliches Zertifikat und ein Portfolio, in<br />
denen die erworbenen Skills und das erreichte Kompetenzniveau<br />
belegen. Zusätzlich wird ggf. eine Empfehlung<br />
gegeben, ob jemand sich an einem künstlerischen College<br />
(Ziel Bachelor-Abschluss) bewerben oder direkt eine<br />
professionelle Karriere starten sollte.<br />
Bart Suèr<br />
Jahrgang 1965, studierte in der Jazzabteilung des<br />
Konservatoriums Hilversum Saxophon. Nach<br />
erfolgreichem Abschluss 1992 absolvierte er Master-<br />
classes u. a. bei Lee Konitz in New York.<br />
Von 1991 bis 2007 veröffentlichte er 13 Alben.<br />
Neben Lehrtätigkeiten u. a. an den Konservatorien<br />
von Amsterdam, Rotterdam und Arnheim leitet er<br />
die Bigband des Konservatoriums Alkmaar, das<br />
Label Dox Records, das Dox Orchestra, initiierte<br />
das TV-Format „Red Bull Soundclash“ und ist<br />
musikalischer Direktor von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> in den<br />
Niederlanden.<br />
Kontakt:<br />
www.doxrecords.com<br />
bart@doxrecords.com<br />
Best Practice | 25
Trying Babylon<br />
— ein jugendkulturelles Musiktheater<br />
Jürgen Beu<br />
Hintergrund<br />
Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lebensstilen<br />
und Jugendkulturen unterstützt Entwicklungs-<br />
und Identitätsprozesse junger Menschen. Es gibt in<br />
Solingen viele verschiedene Jugendkulturen, die oft<br />
nur nebeneinander existieren. Um eine Vernetzung dieser<br />
Gruppen möglich zu machen ist es notwendig, sie<br />
zunächst an einem gemeinsamen Projekt zu beteiligen.<br />
Die jungen Erwachsenen bekommen die Möglichkeit,<br />
ihre Lebenswelten darzustellen <strong>–</strong> mit den Methoden,<br />
die sie täglich umgeben. Durch gezielt eingeplante Diskussionsphasen<br />
setzen sie sich mit ihren persönlichen<br />
Erfahrungen zur Gestaltung auseinander. Umbruch<br />
und Wandel von Jugendkulturen und ihren gesellschaftlichen<br />
Herausforderungen kommen hierbei zur Sprache.<br />
Durch die Umsetzung ihrer Vorstellungen treten sie aus<br />
der Konsumentenrolle heraus und lernen stattdessen,<br />
selbst Präsentationen für ihre Belange einzusetzen.<br />
Jugendliche lassen sich von zeitgemäßen Konzepten ansprechen<br />
und begeistern. Neben den vielfältigen Anreizen,<br />
die Kunst und Kultur gerade für junge Menschen haben,<br />
gibt es einen weiteren Grund, Tanz, Musik, Theater,<br />
26 | Trying Babylon — ein jugendkulturelles Musiktheater<br />
Literatur, Kunst oder Medien in die Angebote von Jugendarbeit<br />
und Schule zu integrieren <strong>–</strong> das ist die mögliche<br />
Ansprache von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.<br />
Gerade deren Partizipation ist eine<br />
gesellschaftliche Herausforderung an eine erfolgreiche<br />
Jugendarbeit <strong>–</strong> und gleichzeitig eine große Bereicherung.<br />
Denn Kinder und Jugendliche mit ihren Erfahrungen<br />
und ihrem kulturellen Background prägen auch die<br />
kulturellen Programme und Angebote.<br />
Die Geschichte<br />
Die biblische Erzählung des Turmbaus zu Babylon ist<br />
die Geschichte eines Desasters: Von Hochmut und<br />
Selbstüberschätzung geblendet, bauen die Menschen<br />
einen Turm, dessen gigantische Höhe bis zu Gott in<br />
den Himmel reichen soll. Durch ihre bloße, diesseitige<br />
Menschenkraft, so glauben die alttestamentarischen<br />
Bauherren, könnten sie sich ihrem Schöpfer ähnlich<br />
machen. Doch Gottes zornige Reaktion auf Anmaßung<br />
und Hybris verändert die Welt: Es ist die Sprichwort<br />
gewordene „babylonische Sprachverwirrung“, mit der<br />
er die Arbeit auf einen Schlag zum Erliegen bringt. Die<br />
Bauarbeiter des Turms verstehen sich nicht mehr und<br />
jeder weitere Versuch, Stein auf Stein zu setzen, versinkt<br />
im Chaos der tausend Zungen. Was bleibt ist eine Bauruine,<br />
das Mahnmal menschlichen Hochmuts <strong>–</strong> und<br />
zugleich die biblische Erklärung für die Vielsprachigkeit<br />
der Menschen in aller Welt.<br />
Eine folgenschwere Strafe, die zugleich Aufgabe ist: Was<br />
die in alle Teile der Welt zersprengten Babylonier trotz<br />
unterschiedlicher Sprachen eint, ist die Möglichkeit,<br />
aufeinander zuzugehen: sich einzulassen, zu akzeptieren,<br />
fremde Sprachen zu verstehen <strong>–</strong> und den Reichtum<br />
der Vielfalt zu entdecken.<br />
Kulturpädagogischer Ansatz<br />
Vor dem Hintergrund der biblischen Geschichte des<br />
„Turmbaus zu Babel“ hat das Jugendmusical BABYLON<br />
die verschiedenen Kulturen der Solinger Jugendlichen<br />
in einem Gesamtkunstwerk zusammengeführt: Die<br />
kulturellen „Sprachen“ der Jugendlichen (Musik, Tanz,<br />
Theater, Medien etc.) als Äquivalent zu den Sprachen
der gescheiterten Babylonier bildeten die Basis der<br />
Produktion. Die Situation der vielfältig kulturell<br />
interessierten und tätigen Jugendlichen, die sich facetten-<br />
reich in verschiedensten Kunstformen ausdrücken,<br />
sich jedoch auch voneinander abgrenzen und dabei<br />
bestenfalls tolerieren, wird also auf die babylonische<br />
Folie projiziert. Dabei sollen die Kulturformen einander<br />
befruchten, miteinander verschmelzen, sich gegenseitig<br />
bereichern und ein homogenes, ungewöhnliches Ganzes<br />
erzeugen <strong>–</strong> und nicht eine „Nummernrevue“ nacheinander<br />
auf die Bühne gebetener Acts.<br />
Die Jugendlichen waren sehr begeistert und haben<br />
stark von der Produktion profitiert. Es war wichtig,<br />
dass sie zunächst durch Bezugspersonen zu den Proben<br />
gebracht wurden. Später, wenn Bezüge zu den anderen<br />
Jugendlichen hergestellt worden sind, entsteht eine<br />
Eigendynamik, ein verstärktes Eigeninteresse; die Gruppe<br />
wächst zusammen, es entstehen über den Projektrahmen<br />
hinauswirkende Zusammenschlüsse. Ein Beispiel hierfür<br />
war die Mädchenrapcombo „Die rappende Rasse“,<br />
die inzwischen schon mehrere Auftritte außerhalb des<br />
Projektrahmens hatte.<br />
Insgesamt standen 32 Jugendliche auf der Bühne, über<br />
100 Teilnehmer haben mitgemacht, haben sich miteinander<br />
vernetzt, verknüpft, geschnuppert; es ist ein<br />
Teamgeist entstanden, Kompetenzen und höhere Verbindlichkeiten<br />
wurden entwickelt. Eigene Ideen von<br />
Jugendlichen konnten verwirklicht werden. Auf dem<br />
Nachtreffen wurde klar: Alle wollen weiterarbeiten.<br />
Auch 2007 wird es also ein Musiktheaterprojekt geben,<br />
vielleicht in veränderter Form; die Planungen und Überlegungen<br />
laufen zur Zeit.<br />
Träger<br />
Die Cobra Kultur e.V. (Mitglied in der LAG Soziokultur<br />
NRW) ist Träger des soziokulturellen Zentrums COBRA<br />
in Solingen, das als kulturpädagogische Facheinrichtung<br />
konzipiert ist. Der Verein organisiert in der COBRA<br />
Projekte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene: soziokulturelle<br />
Projekte, Weiterbildung, Veranstaltungen,<br />
sowie diverse Serviceleistungen im Bereich kultureller<br />
Bildung.<br />
Ziel war und ist es, den kreativen, verantwortungsvollen<br />
und selbständigen Umgang mit Musik, Kunst, Theater<br />
und Medien zu unterstützen. Die Förderung der<br />
Gesamtpersönlichkeit, die Auseinandersetzung mit aktuellen<br />
künstlerischen und gesellschaftlichen Entwicklungen,<br />
die Arbeit mit Mädchen und Jungen sowie die<br />
Integration ethnischer, religiöser und sozialer Gruppen<br />
charakterisieren die Arbeit. Der Verein „Cobra Kultur<br />
e.V.“ ist gemeinnützig und als freier Träger der Jugendarbeit<br />
anerkannt.<br />
Das Projekt Babylon wird in Kooperation mit dem<br />
Kinder- und Jugendtheater Wuppertal, der Jugend-förderung<br />
Solingen, den Hauptschulen Central und Krahenhöhe<br />
sowie dem Kulturbüro Solingen realisiert. Die<br />
Projektberatung führt das Sozialressort der Stadt Solingen,<br />
Ressortkoordination Ressort V, Jürgen Beu durch.<br />
Jürgen Beu<br />
Jahrgang 1955, Diplom-Sozialarbeiter, Mitarbeiter<br />
der Stadt Solingen im Sozialressort, Fachbereich<br />
Politische Jugendbildung. Jürgen Beu veranstaltet<br />
seit 25 Jahren Projekte im multinationalen<br />
Jugendaustausch und produziert Film-, Theater-,<br />
Multimedia- und Jugendkulturevents von und<br />
mit Jugendlichen im Spannungsfeld von Politik<br />
und Kultur. Seit 6 Jahren kooperiert er eng mit<br />
dem <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> in verschiedenen<br />
Projekten. (u. a. <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>, Städteprojekte<br />
„Was glaubst Du denn?!“ und „Wahlkanal“)<br />
Kontakt:<br />
Stadt Solingen<br />
Jürgen Beu<br />
Fon: 0212/290-2214<br />
www.solingen.de<br />
j.beu@solingen.de<br />
Best Practice | 27
8<br />
MittwochsMaler<br />
— das <strong>Köln</strong>er Graffiti-Jugendkunstprojekt<br />
Maurice Kusber<br />
Artikel<br />
Siehe „Von <strong>Köln</strong><br />
bis Barcelona: Das<br />
HipHop-Netzwerk<br />
Nippes“<br />
(Seite 42)<br />
Projektidee<br />
Das Jugendkunstprojekt MittwochsMaler entstand im<br />
November 2005 im Rahmen des HipHop-Netzwerkes<br />
für Toleranz und Integration <strong>Köln</strong>-Nippes. Anfänglich<br />
als einrichtungsübergreifendes Element für die Jugendlichen<br />
aus den beteiligten Institutionen gedacht, wurde<br />
es weiterentwickelt mit dem Wunsch, auch jugendliche<br />
Sprayer aus der kölnweiten Szene zu gewinnen. Diese<br />
Idee basiert auf meiner Diplomarbeit aus dem Jahr 2004,<br />
„Graffiti als Ausdrucksform bei Kindern und Jugendlichen“,<br />
in der zum einen der Umgang der Stadt <strong>Köln</strong><br />
mit der Graffiti-Szene und zum anderen notwendige<br />
präventive Möglichkeiten beschrieben werden.<br />
In <strong>Köln</strong> wird seit einigen Jahren ein restriktiver Kurs in<br />
der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Graffiti<br />
gefahren. Dabei wird Graffiti in erster Linie im Kontext<br />
einer Beeinträchtigung des subjektiven Lebens- und<br />
Sicherheitsgefühls der Bürger gesehen. Ferner wird angeführt,<br />
dass Graffiti dem Standort <strong>Köln</strong> schade. Beide<br />
Argumentationsstränge lehnen sich letztlich an die<br />
„Broken Windows Theorie“ an: Da, wo Graffiti ist, sei<br />
Armut, Schmutz und Gefahr auch nicht weit entfernt.<br />
Als Konsequenz wird dann eine Strategie der Kriminalisierung<br />
von Graffiti-Sprayern verfolgt.<br />
Betrachtet man die aktuelle Anti-Graffiti Politik in verschiedenen<br />
deutschen Großstädten wie z.B. <strong>Köln</strong>, Berlin,<br />
Kiel, Hamburg und Bielefeld, bemerkt man einen Wandel<br />
der Perspektiven. Wurde Graffiti früher als Ausdruck<br />
eines urbanen Niedergangs und der Auflösung öffentlicher<br />
Ordnung angesehen, wird Graffiti mittlerweile als<br />
deren Ursache und Symbol betrachtet. Ordnungspartnerschaften<br />
wie die <strong>Köln</strong>er Anti-Spray-Aktion „KASA“,<br />
28 | MittwochsMaler — das <strong>Köln</strong>er Graffiti-Jugendkunstprojekt<br />
die Berliner „Nofitti“ und die Kieler Aktion „Klar Schiff“<br />
versuchen, den Kampf gegen „Farbschmierereien“ und<br />
„Farbsprühterroristen“ bürgernah aufzunehmen und<br />
so einen als sauber und sicher erlebbaren Raum zu<br />
erzeugen und zu legitimieren. Die Anti-Graffiti-Aktionen<br />
stehen inzwischen für den Kampf um städtisches<br />
Territorium und dessen Nutzung <strong>–</strong> Graffiti-Sonderkommissionen<br />
der Polizei gegen die Szenen, für die Graffiti<br />
als letztes großes Großstadtabenteuer fungiert, wobei<br />
oftmals die Konsequenzen und die Gefahren ignoriert<br />
werden: „Sprayer und Streetart Aktivisten wollen auffallen<br />
und Zeichen setzen, Kommunikation über Provokation<br />
erzeugen, den öffentlichen Raum erobern, oder<br />
Spaß haben. Besitzverhältnisse werden ausgeblendet<br />
und vorrangig öffentliches Eigentum benutzt“ (Barbara<br />
UDU Uduwerella von HipHop-Hamburg e.V., auf<br />
www.pro-graffiti.tk).<br />
Für die sprayenden Jugendlichen sind die zivil- und strafrechtlichen<br />
Konsequenzen ihres illegalen Sprühens oft<br />
nicht in vollem Umfang absehbar, so dass sie gefährdet<br />
sind, mit erheblichen Schuldenlasten aus Sachbeschädigungsverfahren<br />
herauszugehen und sich so die eigene<br />
Zukunft nachhaltig zu verbauen.<br />
Das Projekt<br />
Die MittwochsMaler verstehen sich als Mal- und Kreativprojekt<br />
sowie als Anlauf- und Beratungsstelle für<br />
gefährdete Jugendliche aus der Graffiti-Szene. Unter<br />
Anleitung einer Honorarkraft, begleitet von einem<br />
hauptamtlichen Mitarbeiter aus der OT Luckys Haus,<br />
nutzen die Jugendlichen die Möglichkeit, sich alternative<br />
künstlerische und musikalische Ausdrucksmöglichkeiten<br />
anzueignen. Dieses stadtweit einzigartige Projekt<br />
steht für einen neuen Ansatz in <strong>Köln</strong>, nämlich eine<br />
konstruktiv-präventive Arbeit mit den Graffiti-Sprayern,<br />
sinnvollerweise integriert in die offene Kinder- und<br />
Jugendarbeit.<br />
Zielgruppe<br />
Jeden Mittwoch treffen sich in der Zeit von 18 bis 21 Uhr<br />
Jungen und Mädchen ab 14 Jahren in der OT Luckys<br />
Haus. Die Gruppe besteht aus ca. 17-30 Personen, die<br />
regelmäßig erscheinen; dazu zeigt sich ein wachsendes<br />
Interesse der ganzen <strong>Köln</strong>er Szene. Rund 70% der TeilnehmerInnen<br />
sind seit dem ersten Treffen dabei, die<br />
anderen 30% setzen sich aus Bekannten der Teilnehmer-
Innen und Interessierten, die unregelmäßig vorbeischauen,<br />
zusammen. Die Kernzielgruppe <strong>–</strong> in der Szene<br />
aktive jugendliche Graffiti-Sprayer <strong>–</strong> hat das Projekt<br />
sehr positiv angenommen, sie macht ca. 85% der<br />
Gesamtgruppe aus; der Rest sind künstlerisch interessierte<br />
Jugendliche.<br />
In der Arbeit mit der Graffiti-Szene hat sich klar ein<br />
hoher Bedarf nach einem verlässlichen Treffpunkt für<br />
Gespräche und Beratung herauskristallisiert. Zentrale<br />
Themen sind Prävention durch kreative Aktionen,<br />
Beratung bei Verstößen gegen die §§303 und 304 StGB<br />
(Sachbeschädigung) sowie Anfragen zur Durchführung<br />
von Sozialstunden in der OT Luckys Haus.<br />
In Gesprächen mit den Jugendlichen wurden die Probleme<br />
deutlich, die ein exzessives illegales Sprayen mit sich bringt:<br />
delinquentes Verhalten, negativer Lebensrhythmus,<br />
oftmals Schulabbruch, Probleme und Unsicherheit<br />
bei der Ausbildungssuche, zivilrechtliche Belastungen/<br />
Schadensersatzforderungen und ein dadurch ent-<br />
stehender schlechter Start in das Berufs- und Erwachsenen-<br />
leben.<br />
Diesem erhöhten Jugendhilfebedarf versuchen wir in der<br />
knappen Workshopzeit Rechnung zu tragen. Hier wird<br />
u. a. auf die Möglichkeiten eines Täter-Opfer Ausgleichs<br />
hingewiesen, um schon im Vorfeld einer Verhandlung die<br />
Schäden in Absprache mit dem Kläger zu beseitigen.<br />
Integration durch HipHop<br />
Die HipHop-Kultur soll in diesem Projekt als Bindeglied<br />
zwischen der gesellschaftlichen Kultur und der indivi-<br />
duellen Lebenswelt der Jugendlichen dienen. Die darauf<br />
aufbauende Jugendarbeit soll für die kreativen Aktivitäten<br />
Raum bieten und unterstützend Hilfe leisten.<br />
Diese Möglichkeiten sind in der OT Luckys Haus gegeben:<br />
Bereits seit mehreren Jahren ist das Haus als aktiver<br />
Partner in das HipHop-Netzwerk für Toleranz und<br />
Integration im <strong>Köln</strong>er Stadtbezirk Nippes eingebunden.<br />
Die verschiedenen Workshops und die öffentlichen Veranstaltungen<br />
dieses Netzwerkes haben zusätzlich dazu<br />
beigetragen, die Graffiti-Szene in das Projekt mit einzubeziehen<br />
und ihr eine Präsentationsplattform in einem<br />
legalen Rahmen zu geben.<br />
Links<br />
MittwochsMaler Homepage: www.mittwochs-maler.de<br />
Fotolog der MittwochsMaler: www.fotolog.com/mittwochsmaler<br />
Homepage des HipHop-Projekts Nippes: www.hiphop-projekt.de<br />
Maurice Kusber<br />
Jahrgang 1974, Diplom-Sozialpädagoge,<br />
arbeitet seit 2005 in der OT Luckys Haus/<br />
<strong>Köln</strong>-Bilderstöckchen. Schwerpunkte seiner<br />
Tätigkeit sind die Leitung der Übermittags-<br />
betreuung, die Offene Kinder- und Jugendarbeit,<br />
Jugendkulturarbeit sowie Szene-<br />
spezifische Jugendarbeit. Projektleitung<br />
„MittwochsMaler“. Seine Diplomarbeit<br />
schrieb er 2004 zum Thema: „Graffiti als<br />
Ausdrucksform bei Kindern und Jugendlichen<br />
und Ausgangspunkt für Szene-<br />
spezifische Jugendarbeit“.<br />
Kontakt:<br />
k.mau@gmx.de<br />
Methoden und Arbeitsweisen<br />
Die Teilnehmer erlernen in der Projektarbeit bestimmte<br />
grundlegende Kompetenzen: Kontinuität, Verlässlichkeit,<br />
Frustrationstoleranz, Regeln befolgen, Absprachen<br />
treffen und einhalten. Unter kulturpädagogischem Einsatz<br />
der Prinzipien des HipHop werden Multikulturalität,<br />
Toleranz und gegenseitiger Respekt gefördert. Ein<br />
weiteres Kernprinzip der Arbeit ist Partizipation: Beteiligung<br />
der Jugendlichen an allen wichtigen Entscheidungen,<br />
erlernen demokratischer Prinzipien.<br />
Auf künstlerischer Ebene werden den Jugendlichen neue<br />
alternative Techniken beigebracht. Schwerpunkte der<br />
einzelnen Einheiten sind Buchstaben und Figuren, Airbrush,<br />
Kalligraphie, Ölmalerei, Siebdruck, Linoleumdruck,<br />
Erstellen von Schablonen sowie die Herstellung<br />
von Leinwänden und Staffeleien. Das Fotolabor kann<br />
genutzt werden, ebenso digitale Photo- und Videobearbeitung.<br />
Des Weiteren bieten wir die Möglichkeit, in<br />
unseren eigenen kleinen „Hall of Fame“ (Graffiti-Wand)<br />
in Ruhe und in einem legalen Rahmen zu malen. Diese<br />
„Hall“ wurde teilweise zusammen mit den Jugendlichen<br />
gebaut und erweitert.<br />
Anfragen privater und gemeinnütziger Auftraggeber für<br />
Gestaltung von Wänden und Aktivitäten auf HipHop-<br />
Jams der anderen Netzwerkeinrichtungen ermöglichen<br />
es den jugendlichen Graffitimalern, sich und ihre<br />
Fähigkeiten weiterhin in einem legalen Rahmen zu<br />
verwirklichen und Verantwortung für sich und andere<br />
zu übernehmen.<br />
Best Practice | 29
Mädchenprojekte der Offenen Jazz Haus Schule<br />
Rainer Linke und Gabi Deeg<br />
„Ziel unserer Mädchenarbeit<br />
ist es, die<br />
Teilnehmerinnen in<br />
ihrer Gesamtpersönlichkeit<br />
zu fördern“<br />
Die Tradition der Mädchenarbeit reicht an der Offenen<br />
Jazz Haus Schule bis in die 80er Jahre zurück. Die Entscheidung,<br />
sich parteiisch für Mädchen einzusetzen,<br />
folgte der Beobachtung, dass in unseren musikalischen<br />
Früherziehungsgruppen die Zahl der Mädchen und Jungen<br />
ausgewogen war, wohingegen in den angebotenen Teen-<br />
Bands Mädchen nur noch vereinzelt anzutreffen waren.<br />
Damals begannen wir gezielt nach Musikerinnen zu<br />
suchen, die unsere Instrumental- und Bandarbeit<br />
betreuen könnten. Mit Freude konnten wir beobachten,<br />
dass der Mädchenanteil in den von Dozentinnen geleiteten<br />
Gruppen stark zunahm und sich vereinzelt sogar reine<br />
Mädchengruppen bildeten.<br />
Seit den 90er Jahren gehen wir in unseren soziokulturellen<br />
Mädchenprojekten einen Schritt weiter und<br />
wenden uns unter integrativer Zielsetzung spezifisch an<br />
Mädchen und junge Frauen aus sozial schwachem Umfeld.<br />
Ziel unserer Mädchenarbeit ist es, die Teilnehmer-<br />
Innen in ihrer Gesamtpersönlichkeit zu fördern. Wir<br />
unterstützen sie in der Entwicklung ihres Wahrnehmungs-<br />
und Ausdrucksvermögens, ihrer kommunikativen,<br />
künstlerischen und sozialen Kompetenzen, ihrer Werte<br />
und Einstellungen, ihres Selbstbewusstseins und ihrer<br />
Identität.<br />
30 | Mädchenprojekte der Offenen Jazz Haus Schule<br />
Die jährlichen Highlights unserer Mädchenarbeit sind<br />
von den Teilnehmerinnen selbst entwickelte Musik-<br />
Tanz-Theaterstücke bzw. HipHop-Musicals. Wir<br />
erreichen die Mädchen über unsere Kooperationspartner<br />
in den Stadtteilen: Schulen, Jugendeinrichtungen,<br />
Mädchenhäuser usw. Nach Ankündigung über Flyer,<br />
Presse und Mund-zu-Mund-Propaganda treffen sich<br />
alle Interessentinnen zu einem Casting und bewerben<br />
sich für einen der angebotenen Workshops, z.B. Band,<br />
Songwriting, Rap, Theater, Schreibwerkstatt, HipHop-<br />
Dance, Breakdance, DJing, Video, Foto oder auch Graffiti.<br />
An einem Musicalprojekt nehmen zwischen 40 und<br />
80 Mädchen teil. Der Zulauf zu den Castings, über die<br />
wir dem Trend der Zeit folgend seit einigen Jahren den<br />
Zugang regeln, ist sehr rege. Wir hatten schon bis zu<br />
200 Bewerberinnen für ein Projekt. Die Auswahl wird<br />
von den Dozentinnen getroffen.<br />
Gearbeitet wird niederschwellig und mit kulturpädagogischen<br />
Methoden. Dabei bringen die Mädchen ganz<br />
unterschiedliche Vorerfahrung ein, so dass in einem<br />
Projekt absolute „Neuankömmlinge“ neben „Alteingesessenen“<br />
mit bereits hochentwickelter künstlerischer<br />
Kompetenz auf der Bühne stehen. Die Teilnehmerinnen<br />
treffen sich über drei bis vier Monate wöchentlich in<br />
ihren jeweiligen Workshops und entwickeln in einem<br />
künstlerisch-kreativen Prozess unterstützt von professionellen<br />
Künstlerinnen Aussagen und Inhalte ihres Musicals.<br />
Die Ergebnisse der zunächst parallel laufenden<br />
Workshoparbeit werden in der Schlussphase des Projekts<br />
unter der Regie der Theaterdozentin zu einem<br />
Gesamtablauf zusammengeführt und schließlich an<br />
einem zentralen kulturellen Ort in <strong>Köln</strong> uraufgeführt.<br />
Die Projekte sind verlaufs- und ergebnisorientiert. Im<br />
künstlerischen Prozess reflektieren die Teilnehmerinnen<br />
ihre Lebenswelt unter thematischen Vorgaben, sie<br />
diskutieren Lösungsansätze, entwickeln eigene Texte,<br />
Songs, Choreographien und Theaterszenen, feilen an der<br />
Ausführung und künstlerischen Umsetzung ihrer Ideen,<br />
schärfen dabei ihre Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit,<br />
lernen eigene Möglichkeiten und Grenzen<br />
kennen, artikulieren ihre Standpunkte, Hoffnungen und<br />
Ängste. Dabei werden die eingangs aufgelisteten Ziele<br />
im Verlauf des künstlerischen Gestaltungsprozesses oft<br />
quasi nebenbei erreicht. Im Ergebnis werden die Teilnehmerinnen<br />
zum Anwalt ihrer eigenen Sache, werden<br />
selbst aktiver Teil der freien kulturellen Szene, werden
selbst zu Künstlerinnen; d.h. sie beziehen Standpunkte<br />
und schaffen mit ihren künstlerischen Aussagen in einem<br />
kreativen Prozess Symbole, die ihnen selbst, aber auch<br />
ihren FreundInnen und Familien sowie dem Publikum<br />
Hilfestellung und Orientierung zur Lebensbewältigung<br />
bieten. Dies alles in einem geschützten Raum, unterstützt<br />
von Dozentinnen, die ihnen als direktes Vorbild<br />
Rückhalt und Mut geben, neue Wege zu beschreiten.<br />
Abschließend sei erwähnt, dass die Mädchen vom<br />
Publikum stets begeistert gefeiert wurden und damit<br />
über die künstlerische Arbeit Bestätigung und Anerkennung<br />
finden. Dafür sind sie bereit, freiwillig über mehrere<br />
Monate intensiv zu arbeiten. Alle Erfahrungen, Erlebnisse,<br />
Lernprozesse und gewonnenen Wertepositionen<br />
führen zu Eindrücken, die langfristig <strong>–</strong> vielleicht ein<br />
Leben lang <strong>–</strong> nachwirken.<br />
Nachfolgend noch einige konkrete Beispiele von<br />
Mädchenprojekten der letzten Jahre:<br />
• Bereits 1999 thematisierten junge Musliminnen im<br />
Projekt „BasTuch <strong>–</strong> das Kopftuch“ ihre lebensweltlichen<br />
Erfahrungen und präsentierten die Ergebnisse in der<br />
Alten Feuerwache <strong>Köln</strong> einem begeisterten Publikum.<br />
• Wie falsch Jungen mit ihrer Einschätzung des weiblichen<br />
Geschlechts liegen können, zeigte sich im<br />
Laufe des Projektes „Schäl Sick Sistaz <strong>–</strong> Say no!“ (2001).<br />
Den Worten eines Mitschülers, als er erfuhr, dass die<br />
Workshops nur Mädchen offen standen <strong>–</strong> „Das können<br />
Mädchen doch gar nicht! Das wollen die auch nicht!“<br />
<strong>–</strong> setzten 40 Teilnehmerinnen nach drei Monaten eine<br />
mitreißende Tanz-Theater-Musik-Performance zum<br />
Thema Abgrenzung und Selbstbehauptung entgegen.<br />
• Das Nachfolgeprojekt „Schäl Sick Sistaz <strong>–</strong> Raus hier!“<br />
(2003) wurde auf Anregung einer Teilnehmerin konzipiert<br />
und beschäftigte sich mit der Ablösung aus dem<br />
Elternhaus. Teil des am Ende des Projektes aufgeführten<br />
Bühnenstückes war eine eindringliche authentische<br />
Film-Dokumentation, in der eine Teilnehmerin mit<br />
bewegender Offenheit über ihre Gewalterfahrungen,<br />
Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch sprach.<br />
Das Projekt erhielt das Jurylob des Jugendkulturpreises<br />
NRW 2004.<br />
• Mit dem Thema des Projektes „Hexen, Zicken, Biester“<br />
(2004) traf die Offene Jazz Haus Schule bei den beteilig-ten<br />
Mädchen offensichtlich einen Nerv <strong>–</strong> hier wurden starke<br />
Frauen und die Repressionen, denen sie sich ausgesetzt<br />
sehen, beleuchtet. Erstmalig startete ein Mädchen-<br />
projekt mit einem Casting, zu dem sich fast 100<br />
Bewerberinnen einfanden. 50 von ihnen entwickelten ein<br />
Bühnenstück, das einen Bogen vom Aufgreifen historischer<br />
Hexenverbrennung bis hin zu Situationen aus<br />
dem direkten und persönlichen Lebensumfeld der<br />
Mädchen schlug.<br />
• Beim Casting zum Mädchenprojekt 2005 <strong>–</strong><br />
„Dann gehörst du dazu!“ <strong>–</strong> hatte sich die Zahl der<br />
Bewerberinnen fast verdoppelt. Von ca. 200 Mädchen<br />
und jungen Frauen wurden über 60 in die Workshoparbeit<br />
eingebunden. Sie entwickelten ein Stück zum<br />
Themenfeld Gruppendruck, Mobbing und gesellschaftliche<br />
Zwänge. Herausragend an diesem Projekt war das<br />
Zusammenspiel der verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen.<br />
So trug beispielsweise ein Mädchen zur<br />
live von der Band gespielten Musik einen selbstgeschriebenen<br />
Text über eine Mutprobe vor, der gleichzeitig mittels<br />
ausdrucksstarken Tanztheaters in Bewegungsbilder<br />
übertragen wurde.<br />
Gabi Deeg<br />
Jahrgang 1969, Magisterabschluss in Sprach-<br />
und Kulturwissenschaften an der Universität zu<br />
<strong>Köln</strong>, seit 2001 Leiterin des Projektbereiches der<br />
Offenen Jazz Haus Schule. Verantwortlich für die<br />
Durchführung verschiedenster soziokultureller<br />
Projekte: HipHop-Musicals, Competitions, mobile<br />
Workshopangebote an Schulen und Jugendzentren<br />
regional und überregional. In ihrer Freizeit<br />
spielt sie Perkussion in der Mittelalterband<br />
„Alavia“ und steht mit ihrem Improvisations-<br />
theater-Ensemble „Taubenhaucher“ auf der Bühne.<br />
Kontakt:<br />
www.jazzhausschule.de<br />
projekte@jazzhausschule.de<br />
Rainer Linke<br />
Jahrgang 1950, Initiator und Leiter der Offenen<br />
Jazz Haus Schule <strong>Köln</strong>. Studierte an der Musikhochschule<br />
<strong>Köln</strong> Schulmusik und Instrumentalpädagogik<br />
Kontrabass. Internationale Konzerttätigkeit<br />
als freischaffender Musiker im Bereich<br />
Jazz und Improvisierte Musik; zahlreiche Platten<br />
und CD-Veröffentlichungen; Dozent an der Musikhochschule<br />
<strong>Köln</strong>, 1979-1994 für Jazzkontrabass<br />
und seit 2006 für Musikpädagogik. Seit 1980 konzeptionelle<br />
pädagogische Tätigkeit mit Kindern,<br />
Jugendlichen und Erwachsenen.<br />
Kontakt:<br />
www.jazzhausschule.de<br />
Best Practice | 31
„Jugendliche aus<br />
verschiedenen Orten<br />
und jugendkulturellen<br />
Szenen<br />
erwerben spielerisch-gestalterisch<br />
Medienkompetenz“<br />
pop@rena — Musikvideos für’s WWW<br />
Lisette Reuter<br />
Jugendliche aus verschiedenen Orten und jugendkulturellen<br />
Szenen erwerben spielerisch-gestalterisch<br />
Medienkompetenz bei der Produktion von Videoclips<br />
zu Musikstücken von lokalen jungen MusikerInnen und<br />
Bands. Zum Abschluss gibt es ein gemeinsames Konzert<br />
mit Videoscreening. Das Projekt ist eingebettet in ein<br />
internationales Online-Musikvideo-Netzwerk.<br />
Von Finnland lernen heißt filmen lernen<br />
In den Projekten des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s seit den 90er<br />
Jahren hat sich die Kombination von Jugendkultur und<br />
Medienarbeit als fruchtbar erwiesen, um Jugendliche für<br />
Medien zu begeistern und so Medienbildung zu vermitteln.<br />
Musikvideos sind dafür besonders geeignet: Das<br />
Format ist allgemein bekannt, bietet große Freiräume<br />
im Visuellen, lässt sich in begrenzter Zeit gut umsetzen<br />
(auch Profiproduktionen werden oft binnen zwei Tagen<br />
<strong>–</strong> Dreh plus Postproduktion <strong>–</strong> fertig gestellt), verknüpft<br />
eng mediale und jugendkulturelle Aspekte und ist auch<br />
für den internationalen Austausch gut geeignet, da<br />
die sprachliche Komponente hier nur eine Nebenrolle<br />
spielt.<br />
In der <strong>Köln</strong>er Partnerstadt Turku wird seit einiger Zeit<br />
eine sehr aktive Medienarbeit im Musikvideobereich<br />
betrieben, vor allem mit Bands aus dem Punk-, Rock-<br />
und Heavy-Bereich. Das Jugendamt der finnischen<br />
Stadt nahm über die Fachstelle für internationale Jugendarbeit<br />
des <strong>Köln</strong>er Jugendamts 2005 Kontakt zum<br />
<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> auf, um eine Kooperation in diesem<br />
Bereich anzuregen. Die Kollegen aus Turku beantragten<br />
dann 2006 eine Förderung für ein kleines internationales<br />
Netzwerk-Projekt beim EU-Aktionsprogramm<br />
JUGEND <strong>–</strong> mit dabei auch die Stadt Łód´z (Polen) und die<br />
Modern Soul Academy Stockholm. Mit Unterstützung<br />
des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen<br />
und Integration NRW konnte das Projekt hier in recht<br />
umfangreicher Form realisiert werden.Die Hauptziele<br />
des Musikvideo-Medienkompetenz-Modellprojekts<br />
Pop@rena: Musikvideos fürs WWW, dass der <strong>JFC</strong> im zweiten<br />
Halbjahr 2006 durchführte, sind:<br />
<strong>–</strong> Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren mit und ohne<br />
Migrationshintergrund für aktive Medienarbeit gewinnen<br />
<strong>–</strong> Musikvideoproduktionen in mindestens 6 verschiedenen<br />
Jugendeinrichtungen NRW-weit<br />
<strong>–</strong> Vermittlung gestalterischer Medienkompetenzen auf<br />
professionellem Level an jugendliche TeilnehmerInnen<br />
32 | pop@rena — Musikvideos für‘s WWW<br />
<strong>–</strong> Internationaler und interkultureller Austausch über<br />
die internationale Musikvideo-Plattform www.poparena.net<br />
<strong>–</strong> Einrichtungen und Netzwerke mit den Schwerpunkten<br />
Jugendkultur/Musik einerseits und Medienarbeit<br />
andererseits zusammenbringen<br />
<strong>–</strong> Das öffentliche Bild von der Zielgruppe positiv korrigieren<br />
Von Bilderstöckchen bis Bielefeld<br />
In der Startphase des Pop@rena-Projekts im September<br />
2006 werden zunächst lokale Kooperationspartner gesucht,<br />
die erstens mit passenden Zielgruppen arbeiten<br />
und die zweitens intensiv jugendkulturelle Musikarbeit<br />
betreiben bzw. Kontakte zu einschlägigen Einrichtungen<br />
haben. Gefunden werden sieben Partner: der<br />
Offene Kanal Bielefeld (Kanal21), das Music-Office<br />
Hagen (in Trägerschaft der eSw), die HipHop-Highschool<br />
Solingen, das Jugendkulturzentrum „Die Volksschule“<br />
Moers, das Jugendzentrum „Kontakt Erfttal“ Neuss,<br />
die Rockstation im Bürgerzentrum <strong>Köln</strong>-Vingst und die<br />
OT Luckys Haus in <strong>Köln</strong>-Bilderstöckchen.<br />
Drei der Einrichtungen sind völlig neue Partner für den<br />
<strong>JFC</strong>, nichtsdestotrotz funktioniert die Kooperation<br />
überall gut.
Vor Ort finden zunächst Vorgespräche statt, dann in der<br />
Regel ein oder zwei Drehtage <strong>–</strong> jeweils mit einer Band<br />
oder Crew und einer ad-hoc-Mediengruppe aus der Einrichtung,<br />
die begleitet von zwei <strong>JFC</strong>-ReferentInnen Kamera<br />
und Licht übernimmt. Anschließend gibt es noch<br />
ein oder zwei Postproduktionstage nur mit der Medien-<br />
gruppe. Für interessierte und talentierte Teilnehmer<br />
werden verschiedene Folgeaktivitäten angeboten,<br />
von der Mitarbeit als „Pate“ bei den Projekttagen<br />
in anderen Einrichtungen bis hin zur Teilnahme an weiteren<br />
Projekten (z.B. bei <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong><br />
<strong>Routes</strong>).<br />
Stilistisch ist die Bandbreite groß: In Bielefeld entsteht<br />
ein klassisches Pop-Rock-Bandvideo, in Bilderstöckchen<br />
ein in Sepia-Tönen gehaltenes düsteres Rapvideo mit<br />
schwarzen BMWs und Graffiti-besprühten ehemaligen<br />
Fabrikgeländen. Die Moerser setzen ihren Polit-Ska-Punk-<br />
Song auf Bauwagenplätzen und Weihnachtsmärkten<br />
in Szene, aus Solingen kommt eine Rap-Soul-Ballade,<br />
die im Video vorwiegend mit erzählenden Bildern umgesetzt<br />
wird. Die Neusser Deutschrocker zeigen sich<br />
im Niederrheinischen Flachland, aber auch in Musik-<br />
geschäften, Fitnessstudios und live auf der Bühne; dagegen<br />
setzen die Hagener HipHopper betont urbane<br />
Akzente, mit Breakdance und Feuerspucken in der<br />
Unterführung. Aus <strong>Köln</strong>-Vingst kommt die erst kürzlich<br />
gegründete Crossover-Band V-Attakk, die Rap mit<br />
harten Bandklängen mischt und das Rheinufer als<br />
Kulisse für ihren Anti-Kriegs-Song nutzt, aber auch in<br />
Ruinen und auf dem Dach einer Litfasssäule musiziert.<br />
pop@rena live!<br />
Am 10. Dezember ist es dann soweit: Alle Videos sind<br />
geschnitten, und alle ProjektteilnehmerInnen werden<br />
zu einem der technisch aufwändigsten Projekte in der<br />
Geschichte des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> eingeladen: Im<br />
Foyer des <strong>Köln</strong>er Filmhauses treten alle sieben Bands<br />
und Crews aus dem Projekt live auf, werden dabei mit<br />
mehreren Kameras gefilmt und als Livestream auf www.<br />
poparena.net übertragen. So zumindest die Planung<br />
<strong>–</strong> aufgrund technischer Schwierigkeiten kriegen die<br />
Internet-Zuschauer alle Auftritte mit einer guten hal-<br />
ben Stunde Verspätung zu sehen. Zwischen den Live-<br />
Performances werden in zwei Blöcken die sieben<br />
Musikvideos auf der großen Leinwand des Filmhaus-<br />
Kinos präsentiert.<br />
Trotz technischer Probleme wird der Event zu einem<br />
vollen Erfolg: Die Jugendlichen aus den unterschiedlichen<br />
jugendkulturellen Szenen haben meistenteils Spaß<br />
miteinander, und wenn jemand eine Musikrichtung gar<br />
nicht ertragen kann, verlässt er halt solange den Saal.<br />
Spät am Abend leert sich dann der Saal; zum Abschluss<br />
der Projektphase wird noch eine Doppel-DVD mit allen<br />
Musikvideos und dem kompletten pop@rena-Livekonzert<br />
produziert und an alle TeilnehmerInnen verteilt.<br />
Aufbauend aus den Erfahrungen aus diesem Projekt<br />
und den vorangegangenen Städteprojekten Wo bleibst<br />
Du Denn?!, Wahlkanal und Urban Culture 2005 wird im<br />
<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> gegenwärtig ein Konzept für ein größeres<br />
Web-TV-Projekt unter dem Namen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> TV<br />
entwickelt: Jugendredaktionen in verschiedenen Städten<br />
Nordrhein-Westfalens, ggf. auch international, stellen<br />
in regelmäßigen Web-TV-Magazinsendungen jugendkulturelle<br />
Aktivitäten in ihrer Stadt vor; dazu kommen<br />
Ferienaktionen mit Musikvideoproduktionen.<br />
Lisette Reuter<br />
Jahrgang 1979, seit 1998 Mitarbeiterin des Arbeitskreises<br />
Öffentlichkeitsarbeit und verschiedene<br />
Referententätigkeiten beim Sommertheater Puste-<br />
blume. Seit 2005 freie Mitarbeiterin und Projekt-<br />
mitarbeiterin des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong><br />
im Bereich Video- und Multimediaarbeit sowie<br />
internationale Jugendmedienarbeit. Projektleitung<br />
„pop@rena - Musikvideos fürs WWW“. Studium<br />
des Lehramtes für Sonderpädagogik Sek. I sowie<br />
Studium der Diplompädagogik mit Schwerpunkt<br />
Sozialpädagogik in <strong>Köln</strong> abgeschlossen.<br />
Kontakt:<br />
lisette@jfc.info<br />
DVD<br />
Siehe Musikvideos<br />
von Free Kings, 3<br />
Wege Soundsystem<br />
und V-Attakk auf<br />
beiliegender DVD<br />
Best Practice | 33
sCOOL-HITs — Popmusik und Kreativität,<br />
die Schule macht<br />
Markus Brachtendorf<br />
„Die Welt ist hart, doch jeder geht seinen Weg, jeder<br />
hat seinen Part. Die Welt ist hart, ich geb dir einen Rat,<br />
komm mit ihr klar auf deine eigene Art“, so resümiert die<br />
USG Crew in ihrem gleichnamigen HipHop-Track über<br />
den Alltag und das Sich-zurecht-finden in ihrer (Förderschul-)Realität.<br />
Diese und andere Botschaften sind<br />
nachzuhören auf der CD sCOOL-HITs Nr. 5 und nicht das<br />
erste Statement, welches die fünf Jungs aus Leverkusen-Opladen<br />
auf die regionale Öffentlichkeit abfeuern.<br />
(www.myspace.com/usgcrew)<br />
sCOOL-HITs in Leverkusen<br />
Schon seit 2000 schreiben und produzieren an zwei<br />
Leverkusener Förderschulen jährlich gut 50-60 Schüler<br />
mit Unterstützung kompetenter Musikpädagogen ihre<br />
eigenen Songs. So entstanden bis heute bereits sechs<br />
sCOOL-HITs-Compilations.<br />
sCOOL-HITs ist aber nicht nur der Name einer CD-Reihe.<br />
Es ist auch Synonym für die kreative Songwriting-Arbeit<br />
mit Kindern und Jugendlichen, die mein Kollege Thorsten<br />
Neubert und ich, beide studierte Sonderpädagogen<br />
und aktive Musiker und Produzenten, zunächst aus der<br />
Arbeit im Rahmen einer musiktherapeutischen Förder-<br />
34 | sCOOL-HITs — Popmusik und Kreativität, die Schule macht<br />
maßnahme heraus seit Ende der Neunziger Jahre stetig<br />
weiterentwickeln. Aus dem Wunsch und dem Anspruch<br />
heraus, „die Schüler abzuholen wo sie sind“, begannen<br />
wir nach Versuchen mit eher herkömmlichen Spielarten<br />
des Musikunterrichts damit, uns gemeinsam mit den<br />
Schülern eigene Popsongs auszudenken. Wichtige Themen,<br />
die die Schüler betreffen und die ihnen quasi unter<br />
den Nägeln brennen, gibt’s zur genüge. Dauerbrenner<br />
sind z.B. Liebe, Drogen, Gewalt; aber auch ganz Persönliches<br />
und manchmal Probleme oder Ängste der Schüler<br />
finden den Weg in die Songs.<br />
Wir machen uns dabei die Tatsache zunutze, dass die<br />
Lebenswelt der Jugendlichen mit ihrer Wahrnehmung<br />
und ihrer Weltsicht ganz automatisch tief in der Popkultur<br />
und deren Ästhetik verwurzelt sind. Die Rahmenbedingungen<br />
für Popmusik-Songwriting sind also ideal,<br />
weil sie direkt mit dem Leben der meisten Kids verbunden<br />
sind. Sie alle hören Popmusik, warum also nicht einfach<br />
mal selber machen? Außerdem können wir so unsere<br />
eigene Leidenschaft für das Musikmachen mit unseren<br />
Schülern teilen. Dabei entstehen Synergien, und das<br />
schafft Authentizität.<br />
Der gesamte Prozess und die Songs, die im Rahmen der<br />
sCOOL-HITs-Arbeit entstehen, geben den Schülern die<br />
Möglichkeit, sich durch Musik auszudrücken. So schaffen<br />
wir auch gerade bei den Förderschülern, die oft aus<br />
sozial benachteiligten Umfeldern oder aus problematischen<br />
Familienverhältnissen stammen, Möglichkeiten,<br />
sich neue kreative Ventile für alles zwischen „Hop oder<br />
Top“ zu erarbeiten. Ganz nebenbei schärfen wir mit der<br />
Arbeit ihren Blick auf die Popkultur und werden zunehmend<br />
Zeuge davon, wie sich ihre Rezeption ihrer Realität<br />
und der Musik, deren Botschaften sie täglich konsumieren,<br />
weiterentwickelt und differenziert.<br />
Wichtiger als künstlerische Gesichtspunkte ist dabei<br />
die Erfahrung, dass sCOOL-HITs vor allem mittel- und<br />
langfristig spürbar positiven Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung<br />
und das Selbstwertgefühl vieler<br />
Schüler nimmt. Die Identifikation mit den selbst<br />
geschriebenen Tracks und deren Inhalten, zusammen<br />
mit der Möglichkeit, diese bei Konzerten und auf CDs<br />
der Öffentlichkeit zu präsentieren, verlangt zunächst<br />
viel Überwindung, verschafft aber anschließend auch<br />
viel Anerkennung und Genugtuung.<br />
Das gesamte Projekt, vom regelmäßigen Songwriting
über Proben und Auftritte bis hin zur CD-Produktion<br />
und deren Veröffentlichung im regionalen Rahmen,<br />
schafft Raum für Kommunikation und Kooperation<br />
zwischen Schülern, Lehrern und Eltern und hat im<br />
Laufe der vergangenen Jahre dazu beigetragen, dass<br />
Klima an den beteiligten Schulen spürbar positiv zu<br />
beeinflussen.<br />
sCOOL HITs aktuell<br />
Im Jahr 2007 kann das Projekt in Kooperation mit der<br />
Musikschule Leverkusen mit Landesmitteln auf drei von<br />
vier Hauptschulen der Stadt ausgedehnt werden. Auch<br />
an diesen Schulen wird bis Ende des Jahres Songwriting<br />
und Musikproduktion <strong>–</strong> und damit auch ein bisschen<br />
kreative Selbstverwirklichung der Schüler <strong>–</strong> mit drei<br />
Wochenstunden zum Unterrichtsinhalt. Gipfeln werden<br />
diese Aktivitäten einerseits in Aufnahmetagen im<br />
professionellen Tonstudio und andererseits in der<br />
Produktion der CD und deren Präsentationskonzert im<br />
renommierten Leverkusener Forum (Ort der Leverkusener<br />
Jazztage) am Ende des Jahres.<br />
Die Leverkusener sCOOL-HITs in Zahlen: 2007 arbeiten<br />
derzeit zwei Dozenten mit gut 100 Haupt- und Förderschülern<br />
in knapp 20 Bands an ca. 40 selbstgeschrieben<br />
Songs, die im Laufe des Jahres auf zwei professionell<br />
produzierten CDs und diversen Konzerten der regionalen<br />
Öffentlichkeit präsentiert werden können.<br />
Abseits dieser langfristigen Perspektiven freuen wir<br />
uns seit 2001 zunehmend über die Möglichkeit, vielen<br />
Kindern und Jugendlichen sCOOL-HITs und damit Popmusik<br />
und Kreativität auch im Rahmen von Projektwochen<br />
oder Workshops unterschiedlichster Schattierungen<br />
zugänglich machen zu können. So konnten wir<br />
neben Dozenten für Tanz, Eventmanagement, Medien<br />
und Moderation als Musikproduzenten im Team der<br />
SchoolTour der Deutschen Phonoakademie bereits an<br />
vielen Schulen quer durch die Republik kreativ werden,<br />
darunter auch die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln.<br />
Markus „Be“ Brachtendorf<br />
Jahrgang 1972, Sonderpädagoge, Musiker und<br />
Produzent. Seit 2000 Musikschullehrer der<br />
Musikschule Leverkusen, daneben Inhaber des<br />
„Tonstudio Be“ (<strong>Köln</strong>-Deutz, tonstudiobe.de),<br />
des angeschlossenen Labels „Jigit! Records“<br />
und des „Be Publishing“ Musikverlages.<br />
Als Musiker und Künstler zahlreiche CD-<br />
Veröffentlichungen und gut 500 Konzerte im<br />
In- und Ausland in den vergangenen 15 Jahren.<br />
Als Pädagoge Konzeption und Durchführung<br />
zahlreicher Popmusikprojekte und -workshops<br />
unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung an<br />
sämtlichen Schulformen bis hin zur Lehrerfortbildung.<br />
Kontakt:<br />
m.brachtendorf@scool-hits.de<br />
Häufig gibt es auch thematisch ausgerichtete Songwritingprojekte,<br />
z.B. im Kontext von Kulturbegegnung<br />
und Migration (so die Projekte ORIENTierung,<br />
www.orientierung2005.de, und Sesam öffne Dich im<br />
Rahmen der Kinder und Jugendbuchmesse Oldenburg).<br />
Außerdem haben wir mittlerweile andere Medien wie<br />
Video und Internet in die Arbeit integriert und können<br />
so z.B. gemeinsam mit den Schülern Videoclips zu ihren<br />
eigenen Songs produzieren.<br />
Im Zentrum von sCOOL-HITs stehen aber immer die<br />
Meinungen und Themen der Schüler und der kreative<br />
Umgang damit mit Hilfe des Mediums Musik: Kreativität,<br />
die Schule macht und Schule kreativ macht; somit<br />
ein kleiner Baustein, der vielen Schülern positive Erfahrungen<br />
und Impulse für die „Bühne des Lebens“ und die<br />
Zukunft mit auf den Weg gibt.<br />
Links<br />
„sCOOLe“ Beispielmusik und Videos gibt’s unter www.scool-hits.de, www.myspace.com/scoolhits oder aber auch<br />
käuflich auf den sCOOL-HITs CDs im Netz unter www.KaDeBe.com.<br />
„Im Zentrum von<br />
sCOOL-HITs stehen<br />
immer die Meinungen<br />
und Themen der<br />
Schüler und der<br />
kreative Umgang<br />
damit“<br />
Best Practice | 35
Von BandWatch und MusicWatch<br />
zu popUP NRW<br />
Renato Liermann<br />
Junge Bands fördern und fordern, das heißt für unsere<br />
Zielgruppe:<br />
<strong>–</strong> Stärken und Schwächen, die eigene Position im Musik-<br />
und Medienbusiness, Konzepte und Ziele für die Band<br />
klären;<br />
<strong>–</strong> mit einem guten Gefühl und Neugier nach MusicWatch/<br />
popUP NRW wieder in den Proberaum und auf<br />
Tournee gehen;<br />
<strong>–</strong> Netzwerke unter den Bands, mit Musikinitiativen,<br />
Veranstaltern, Musik- und Medienwirtschaft bilden;<br />
<strong>–</strong> endlich vom Publikum, den Medien und einem<br />
Majorlabel mit Begeisterung wahrgenommen werden,<br />
die Musik vielleicht zum Beruf machen können;<br />
<strong>–</strong> und sich wie in den letzten Jahren z.B. Tapesh, Lecker<br />
Sachen, Tengu oder Uncle Ho nach vorne zu bringen.<br />
In diesem Sinne realisiert die eSw (Evangelische Schülerinnen-<br />
und Schülerarbeit in Westfalen e.V.) seit 1992<br />
zusammen mit der jetzigen Arbeitsgemeinschaft<br />
MusicWatch umfangreiche Förderprojekte für Nachwuchsgruppen<br />
sämtlicher Stilrichtungen in NRW. Über<br />
1500 junge Rock-, Pop- und HipHop-MusikerInnen wurden<br />
seitdem in Workshops, bei Konzerten und in Beratungsprozessen<br />
gefördert und gefordert und z. T. auch im<br />
Rahmen internationaler Musikprojekte auf Tournee vor<br />
allem in Osteuropa geschickt.<br />
36 | Von BandWatch und MusicWatch zu popUP NRW<br />
Die Besonderheit dieses Projektes, das ausdifferenzierte<br />
und mittlerweile ganzjährige Qualifizierungs-<br />
und Auftrittsprogramm, prägt zudem ein landesweites<br />
Netzwerk mit kommunalen und verbandlichen Partnern<br />
wie der Stadt Bochum und der eSw, zahlreichen<br />
Musikinitiativen wie Ruhrklang oder Triggerfish und<br />
Jugendkulturhäusern wie dem Kultopia in Hagen. Junge<br />
MusikerInnen bestimmen hier gemeinsam mit Profis<br />
aus Bildungsarbeit und Musikbusiness, wo es langgehen<br />
soll. Das Konzept dient seit Jahren als Vorbild für<br />
zahlreiche kleinere Projekte.<br />
BandWatch und HipHopWatch …<br />
… konzentrierten sich seit 1992 bzw. 1998 auf die Förderung<br />
von Rock- bzw. HipHop-Crews <strong>–</strong> mit Einstiegskonzerten,<br />
Workshops in der Jugendbildungsstätte Berchum der<br />
eSw, Konzerten in namhaften Clubs im Ruhrgebiet wie<br />
der Zeche Bochum oder dem Globe/Kultopia in Hagen<br />
und deren Auswertung mittels Videomitschnitten.<br />
Angeboten wurden darüber hinaus ergänzende Konzerte<br />
und einige Beratungen, ab Ende der 1990er Jahre auch<br />
ein Coaching für 1-2 Bands im Anschluss an die Projektwochenenden<br />
durch das Music Office Hagen (in<br />
Trägerschaft der eSw) für Rock- oder durch die Guru<br />
Music School Bochum für HipHop-Gruppen.<br />
MusicWatch …<br />
… weitete diese Konzeption 2004 schließlich durch umfangreiches<br />
Bandtraining/Coaching erstmals zu einem<br />
ganzjährigen Qualifizierungsprozess bis hin zum Finalkonzert<br />
im Bahnhof Langendreer/Bochum aus. Nach<br />
der Ausschreibungsphase und der Vorbereitung der von<br />
der Jury ausgewählten Ban ds startete MusicWatch mit<br />
den Projektwochenenden BandWatch, HipHopWatch und<br />
BeatWatch im Laufe des Frühjahrs 2004. Mit BeatWatch<br />
wurden erstmals auch elektronische Musikprojekte<br />
gezielt gefördert.<br />
Die Projektwochenenden in der Jugendbildungsstätte<br />
Berchum starteten Freitagabends mit Gigs und<br />
Interviews aller Gruppen, dann folgten Workshops zu<br />
Themen wie Arrangement, Songwriting/Lyrics, Vocals,<br />
Management/Marketing/e-Commerce, PR/Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Produktion/Recording, Performance und<br />
VJing.<br />
Die Konzerte an den Samstagabenden wurden jeweils<br />
auf Video mitgeschnitten und bildeten die Grundlage
für eine umfangreiche Beratung am Sonntag. Die späten<br />
Abende prägten Session- und Open-Space-Angebote und<br />
vor allem das Nachtcafe in der JuBi Berchum: Chancen,<br />
Profis aus dem Musikbiz und die anderen Bands kennen<br />
zu lernen, Diskussionen oft bis in den frühen<br />
Morgen, immer wieder Kontakte für die nächsten<br />
Jahre. Aus diesen Wochenenden gingen dann die<br />
MasterClass-Bands hervor, die an einem mehrmonatigen<br />
Bandtraining teilnahmen und sich abschließend dem<br />
NRW-Publikum präsentierten.<br />
2005 wurde erstmals in das Projekt MusicWatch die Ausbildung<br />
von MusicScouts integriert. Damit wurde nach<br />
vielen Jahren Aufbauarbeit ein Höhepunkt in der Populärmusikförderung<br />
in NRW erreicht, obwohl aufgrund<br />
der geringeren Förderung BeatWatch leider entfallen<br />
musste. Erstmals qualifizierten sich nicht nur Musiker-<br />
Innen, sondern auch Bandmanager der Nachwuchsbands,<br />
junge Veranstalter und Musikbegeisterte aus<br />
Musikinitiativen für ihre Arbeit in einem ganzjährigen<br />
Projekt weiter. Als innovatives und ergänzendes Projekt<br />
realisierten die MusicScouts eigenständig den Wett-<br />
bewerb Beatvision mit ergänzenden Workshops und<br />
Gigs in Hagen.<br />
Die Ausbildung der MusicScouts wurde im Rahmen des<br />
Kompetenznachweises Kultur der Bundesvereinigung<br />
Kulturelle Jugendbildung zertifiziert. Die MusicScout-<br />
Ausbildung umfasste Workshopeinheiten mit Praxis-<br />
und Theorieteil zu Themen wie Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Management, Marketing, Finanzierung, Umsetzung von<br />
Workshop-, Projekt-, Konzert- und Bandberatungskonzepten,<br />
Grundzüge der Musik- und Medienwirtschaft,<br />
Recht sowie Durchführung von Großveranstaltungen<br />
wie „Bochum Total“.<br />
Die MasterClass-Phase bildet seit 2004 das Kernstück<br />
der Qualifizierungsarbeit. Jeweils zwei Bands werden<br />
hier von einem Bandtrainer gecoacht. Ausgehend von<br />
den Ergebnissen des Projektwochenendes werden dabei<br />
anhand ausgiebiger Stärken- und Schwächenanalysen<br />
Pläne für die Arbeit bis Ende des Jahres aufgestellt.<br />
Thematisiert werden an ca. 6 Arbeitstagen mit jeder<br />
Band spieltechnisch-musikalische Fragen, Arrangement<br />
und Songwritingaspekte, Auftritts- und Konzert-<br />
konzepte, die Öffentlichkeitsarbeit der Bands bis hin<br />
zur Klärung des Bandkonzepts und weiterer Arbeitsziele<br />
<strong>–</strong> eine harte Zeit, verbunden mit „Hausaufgaben“ und<br />
Auftritten in ganz NRW. Manche Band steht das nicht<br />
durch, formiert sich im Laufe dieses Prozesses neu;<br />
andere laufen zu Hochform auf, verhandeln schließlich<br />
<strong>–</strong> vermittelt durch das Dozententeam <strong>–</strong> mit Labels und<br />
bringen ihre ersten Fernsehauftritte hinter sich.<br />
Förderer waren 2005 die Staatskanzlei und das Ministerium<br />
für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des<br />
Landes Nordrhein-Westfalen, die eSw mit ihrem Projekt<br />
Music Office Hagen, das Kulturbüro der Stadt Bochum,<br />
das Kulturamt und Jugendamt der Stadt Hagen sowie<br />
die Evangelische Kirche von Westfalen.<br />
Als DozentInnen konnten in den letzten Jahren z.B.<br />
Stephan Laack (Musikchef 1Live), Markus Balk und<br />
Frank Kühl (Majorlabel), Pamela Falcon (Leadsängering<br />
Starlight Express) und Bernd Aufermann (Gitarrist u. a.<br />
bei Running Wild und Angel Dust) gewonnen werden.<br />
popUP NRW …<br />
… ist seit 2006 das ganzjährige Förderprogramm in<br />
Nachfolge von Triebwerk und MusicWatch. Träger ist das<br />
NRW-KULTURsekretariat in Wuppertal. Wie MusicWatch<br />
verbindet popUP NRW Gigs, Workshops und Beratungen<br />
an 2 Projektwochenenden. Eine mehrmonatige Master-<br />
Class und ein NRW-weites Auftrittsnetzwerk mit zahl-<br />
reichen Regionalpartnern, Auftritte bei Bochum Total,<br />
bei den großen Festivals in <strong>Köln</strong> und Bonn kommen hinzu.<br />
popUP NRW wurde 2005 gemeinsam mit dem Kulturbüro<br />
der Stadt Bochum, dem Kulturamt der Stadt Hagen,<br />
der eSw Hagen sowie dem Rock’n’Popmuseum Gronau<br />
als landesweites Rock’n’Pop Förderprojekt für junge<br />
Bands und Musiker entwickelt. Als Pate des Projekts<br />
konnte Henning Rümenapp, Gitarrist der Erfolgsband<br />
Guano Apes, gewonnen werden. Persönlichkeiten wie<br />
Dieter Gorny, Peter James oder Björn Gralla prägten die<br />
Jury.<br />
Teilnehmen können heute Bands mit einem Durchschnittsalter<br />
von max. 27 Jahren, dem Wohn- bzw. Arbeitssitz<br />
in NRW sowie Auftrittserfahrungen, der Begeisterung,<br />
dazu lernen zu wollen, und den Ressourcen, ggf. das<br />
ganzjährige Projekt durchstehen zu können.<br />
Renato Liermann<br />
Jahrgang 1956, ist Leiter der Pädagogischen<br />
Abteilung der eSw und stellvertretender Hausleiter<br />
der Jugendbildungsstätte Berchum. Studium<br />
der Bildenden Kunst/2. Staatsexamen Lehramt<br />
Sek II, Kompaktstudium Betriebswirtschaft, seit<br />
1986 zahlreiche Kulturprojekte für Verbände,<br />
Museen, Kommunen in NRW, seit 1989 für die<br />
eSw Projekt- und Tagungsarbeit in den Bereichen<br />
Jugendbildung, Kultur- und Musikarbeit, schul-<br />
und jugendarbeitsbezogene Tagungs- und Fortbildungsarbeit<br />
und internationale Projekte. Mitglied<br />
der AG MusicWatch und Mitveranstalter popUP<br />
NRW.<br />
Kontakt: Kontakt popUP NRW:<br />
Fon: 02334/9610-0 NRW KULTURsekretariat<br />
www.esw-berchum.de Barbara Sydow<br />
www.musicoffice-hagen.de Fon: 0202/563 68 03<br />
liermann@esw-berchum.de www.popup-nrw.de<br />
sydow@popup-nrw.de<br />
Best Practice | 37
Das HipHopMobil<br />
unterwegs für Respekt und Toleranz<br />
Uwe Ihlau<br />
„Im Mittelpunkt<br />
der textlichen Arbeit<br />
standen die Themen<br />
Respekt und Toleranz“<br />
Das Jugendkulturprojekt HipHopMobil der Evangelischen<br />
Jugend Dortmund und Lünen hat im Großraum Dortmund<br />
über 5 Jahre mehrere hundert Jugendliche erreicht.<br />
Von 2001 bis 2005 war es auf öffentlichen Plätzen und<br />
jugendspezifischen Orten präsent. Im Laufe der Jahre<br />
sind mehrere Produktionen entstanden. Diese gelungene<br />
Mischung von niederschwelligen Angeboten und produktorientiertem,<br />
künstlerischem Arbeiten wurde mit mehreren<br />
Preisen belohnt.<br />
Die Idee<br />
Das HipHopMobil war ein mit mobiler Tontechnik ausgestatteter<br />
Bulli, der für jeweils einen Nachmittag oder<br />
Abend Station auf unterschiedlichen öffentlichen Plätzen,<br />
bei Jugendeinrichtungen oder in Schulen machte. Ein<br />
Musiker bot, unterstützt von einem Pädagogen, offene<br />
Rapworkshops an, die Jugendliche zum Mitmachen<br />
beim „Freestyle“ und zum Texte schreiben animierten.<br />
Ein Forum für Breakdancer rundete das Projekt ab.<br />
Die Ziele<br />
Die Angebote des HipHopMobils waren so gestaltet,<br />
dass die Hemmschwellen sich einzubringen möglichst<br />
niedrig waren. Damit sollte sichergestellt werden, dass<br />
möglichst viele Jungendliche mit diesem Angebot erreicht<br />
werden konnten. Die Jugendlichen erhielten die Möglichkeit,<br />
sich spontan oder mit vorbereiteten Texten zu äußern<br />
und so ihrem Lebensgefühl und den sie beschäftigenden<br />
Themen Ausdruck zu verleihen. Im Mittelpunkt der textlichen<br />
Arbeit standen die Themen „Respekt“ und „Toleranz“.<br />
Die teilnehmenden Jugendlichen lernten ihre kreativen<br />
Möglichkeiten an den Plattentellern, am Mikrofon, beim<br />
Breakdance oder ggf. beim legalen Sprayen eines Graffitis<br />
kennen. Sie erlernten so neue Ausdrucksformen oder<br />
vertieften ihre bestehenden Fertigkeiten.<br />
Die Erfahrungen<br />
Eine wichtige Grundbedingung zum Gelingen des Projektes<br />
war, dass der Musiker (der künstlerische Leiter) und die<br />
beiden Pädagogen (die Projektleiter) gut miteinander<br />
harmonierten. Dies bedeutet einerseits, dass der Musiker<br />
hinter den Zielen und dem Leitbild der Einrichtung, in<br />
diesem Fall der Evangelischen Jugend, stehen sollte.<br />
Andererseits müssen sich die Pädagogen auch auf die<br />
pädagogische Fähigkeiten des Musikers verlassen können.<br />
Die Arbeitsteilung in Projektleitung und künstlerische<br />
38 | Das HipHopMobil - unterwegs für Respekt und Toleranz<br />
Leitung hat sich bewährt. Wenn das Klima zwischen<br />
den beteiligten Partnern stimmt, führt diese Arbeitsteilung<br />
zu einem sehr effizienten Projektmanagement:<br />
Jeder macht das, was er am Besten kann. Der Musiker<br />
hat die künstlerischen Ideen, der Pädagoge hat die Umsetzung<br />
und die Rahmenbedingungen im Griff. Er kümmert sich<br />
beispielsweise um die Mittelbeschaffung für das nächste<br />
Projekt, um die Abrechnungen und die Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Eine Herausforderung, insbesondere für den Musiker,<br />
bestand in der Bereitschaft, immer wieder von vorne<br />
anzufangen. Gegen Ende des Projektes wurde deutlich,<br />
dass sich der Musiker während der Jahre auch künstlerisch<br />
weiterentwickelt hatte. Es fiel ihm zusehends schwerer,<br />
sich immer wieder neu auf unerfahrene Jugendliche einzulassen<br />
und alles wieder und wieder neu zu erklären.<br />
Es deutete sich an, dass ein Wechsel in dieser Rolle des<br />
„Animators“ und „Geburtshelfers“ nach fünf Jahren<br />
sinnvoll gewesen wäre.<br />
Ein weiterer wichtiger Aspekt war das Bemühen, den<br />
Jungendlichen, die wir durch die niederschwelligen Angebote<br />
in den Workshops neu erreicht hatten, stets eine Perspektive<br />
anbieten zu können, sich innerhalb des Projektrahmens<br />
HipHopMobil musikalisch zu verwirklichen. Dazu war<br />
es von Seiten der Projektleitung nötig, immer wieder
neue Geldquellen für neue Produktionen zu erschließen<br />
und viele Projektanträge auf unterschiedlichen<br />
Ebenen zu stellen. Die kreativen Ideen, welche neuen<br />
Produktionen dies seine konnten, kamen oft von Seiten<br />
des Musikers. So entstanden nach dem Vinyl-Sampler<br />
„HipHopMobil <strong>–</strong> Volume 1“ eine CD mit dem Titel „Stop<br />
the Violence“ und ein HipHop-Hörspielprojekt, das die<br />
Lebensgefühle von jugendlichen HipHoppern schildert.<br />
Außerdem traten viele Jugendliche mit ihren Songs live<br />
auf einer Reihe von Veranstaltungen auf.<br />
Die Einbindung etablierter Künstler in das Jugendkulturprojekt<br />
war ein zusätzlicher wichtiger Erfolgsfaktor.<br />
Für den ersten Sampler konnten z. B. Too Strong aus<br />
Dortmund gewonnen werden. Sie steuerten einen Song<br />
zu der Platte bei und motivierten die Jugendlichen so<br />
zusätzlich.<br />
Highlights waren sicherlich die Würdigung des Projektes<br />
durch die Landesarbeitsgemeinschaft Kulturpädagogischer<br />
Dienste im Rahmen der Preisvergabe des<br />
Jugendkulturpreises NRW und die Preisverleihung des<br />
Landesverbandes der Evangelischen Jugend von Westfalen<br />
beim Jugendkulturpreis der aej-nrw. Diese Preise<br />
waren besonders gegenüber dem eigenen Träger wichtig,<br />
um die Priorität dieses Projektes bei der internen<br />
Mittelvergabe zu unterstreichen.<br />
Der geschlechtsspezifische Blick<br />
Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in der<br />
Nutzung der Angebote des HipHopMobils wurden auf<br />
mehreren Ebenen deutlich. Bei den offenen HipHop<br />
Workshops in Jugendzentren dominierten häufig<br />
Jungen die Szene. Sie zeigten im Durchschnitt deutlich<br />
weniger Hemmungen ins Mikrofon zu rappen oder mit<br />
den Turntables zu scratchen. Auch beim Breaken waren<br />
sie schneller bereit, ihr Können zu zeigen. Bei der Arbeit<br />
an neuen Texten bzw. Reimen zeigten sich Mädchen<br />
dann ebenso kreativ wie die Jungen. Dies wurde insbesondere<br />
im Rahmen von Workshops an Schulen schnell<br />
deutlich. In diesen eher „geordneten“ Strukturen der<br />
Schulklasse schien es für die Mädchen schneller möglich<br />
zu sein, einen gleichberechtigten Platz einzunehmen.<br />
Rückblickend bleibt selbstkritisch zu sagen, dass wir<br />
zu Beginn des Projektes den Geschlechter-Blick nicht<br />
genügend berücksichtigt hatten. Wir waren einfach<br />
nur froh, in relativ kurzer Zeit genügend engagierte und<br />
motivierte Jugendliche zu finden, die sich an unserem<br />
ersten Sampler-Projekt beteiligen wollten. Durch die<br />
„Genderbrille“ betrachtet gelang es uns nicht, frühzeitig<br />
Uwe Ihlau<br />
Jahrgang 1964, ist Diplom Sozialpädagoge<br />
(Schwerpunkt Kulturpädagogik), Spiel- und Theater-<br />
pädagoge (ags), Medienberater (Akademie<br />
Remscheid), Deeskalationstrainer und Lehrtrainer<br />
(Gewaltakademie Villigst). Seit 2005 arbeitet er<br />
bei der FUMA Fachstelle Gender NRW mit den<br />
Schwerpunkten Fachberatung zur Jungenarbeit<br />
und zum Gender Mainstreaming. Seine berufliche<br />
Laufbahn begann beim Amt für Jugend-<br />
arbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen im<br />
Referat Kulturarbeit. Als Jugendbildungsreferent<br />
hat er 12 Jahre bei der Evangelischen Kirche in<br />
Dortmund und Lünen mit den Schwerpunkten<br />
Bildungsarbeit, Fachberatung, Öffentlichkeitsarbeit<br />
und Projektentwicklung gearbeitet.<br />
Kontakt:<br />
Uwe Ihlau<br />
Referent für Jungenarbeit und Gender Mainstreaming<br />
FUMA Fachstelle Gender NRW<br />
Fon: 0201/1820550<br />
www.gender<strong>–</strong>nrw.de<br />
uwe.ihlau@gender-nrw.de<br />
auch Mädchen für diese Produktion zu gewinnen. So<br />
finden sich auf diesem für die Weiterentwicklung des<br />
Projektes sehr wichtigem Produkt „nur“ Jungen und<br />
Männer.<br />
Sicherlich spielte die Tatsache, dass im Team des<br />
HipHopMobils keine Frau vertreten war, eine wichtige<br />
Rolle. Diese ungleiche Geschlechterverteilung konnte<br />
leider in den 5 Jahren nicht verändert werden, da es nicht<br />
gelang, Frauen bzw. Mädchen mit in die Anleiterrolle zu<br />
bekommen. Um den Anteil der Mädchen an den aktiven<br />
Musikern deutlich zu erhöhen entstand dann die Idee,<br />
einen eigenen Mädchensampler zu produzieren. Diese<br />
Idee konnte allerdings leider nicht mehr realisiert werden.<br />
Ärgerlich war eine Erfahrung, die wir unter dem Gendergesichtspunkt<br />
mit einem WDR-Filmteam sammeln<br />
konnten. Für einen Beitrag über das Projekt trafen wir<br />
uns mit einer Gruppe von 6 Jungen und einem (sehr<br />
selbstbewussten und fitten) Mädchen in einem Jugendhaus.<br />
Neben Interviews zeichnete das Filmteam auch<br />
live gerappte Szenen auf. Im später gesendeten Beitrag<br />
waren dann Jungs zu sehen, die voller Elan sangen. Die<br />
Sequenz, bei der das Mädchen rappte, zeigte die Ausschnitte,<br />
in denen sie ihren Text vergaß und von vorne<br />
begann. Als dies dann so geschnitten über den Sender<br />
ging, ärgerte mich die Botschaft <strong>–</strong> „Mädchen können<br />
nicht rappen, Jungs aber wohl“ <strong>–</strong> sehr. Diese öffentliche<br />
Darstellung konterkarierte unsere Bemühungen, mehr<br />
Mädchen anzusprechen, nachhaltig.<br />
Die gezielte Ansprache von Mädchen für ein HipHop<br />
Projekt und die Einrichtung „Jungsfreier Zonen“ zum<br />
Ausprobieren und zum Hereinfinden ins Scratchen,<br />
Breaken oder Rappen sind zwei wichtige Aspekte,<br />
um mehr Mädchen für die aktive Teilnahme an dieser<br />
Jugendkultur gewinnen zu können. Eine Grundidee des<br />
HipHop, sich zu trauen, respektvoll und tolerant mit<br />
einander umzugehen, lässt sich sehr gut auch auf den<br />
Umgang der Geschlechter miteinander übertragen.<br />
Aufgrund von personellen Wechseln und Sparmaßnahmen<br />
wurde das Projekt HipHopMobil 2006 eingestellt.<br />
„Die gezielte<br />
Ansprache von<br />
Mädchen und die<br />
Einrichtung ‘Jungsfreie<br />
Zone‘ sind<br />
wichtige Aspekte,<br />
um mehr Mädchen<br />
für die aktive Teilnahme<br />
gewinnen<br />
zu können“<br />
Best Practice | 39
40 | Connect HipHop!<br />
Connect HipHop!<br />
Gabi Deeg<br />
Seit ihrer Entstehung in den 70er Jahren bilden die vier<br />
Elemente der HipHop-Kultur <strong>–</strong> Rap, DJing, Graffiti und<br />
Breakdance <strong>–</strong> zentrale und einflussreiche Säulen urbaner<br />
Jugendkultur. Bereits 1994 begann die Offene Jazz<br />
Haus Schule, in diesem Bereich Projekte für Kinder und<br />
Jugendliche aller Altersstufen anzubieten. Nicht zuletzt<br />
mit dieser jahrelangen Basisarbeit für Anfänger und<br />
Fortgeschrittene etablierte sich die Offene Jazz Haus<br />
Schule in <strong>Köln</strong> als eine zentrale kulturpädagogische<br />
Einrichtung im Bereich der aktuellen Jugendkultur. Das<br />
im Rahmen dieser Projektarbeit entstandenen HipHop<br />
Musical „Coloured Children“ wurde 1998 mit dem<br />
Jugendkulturpreis des Landes NRW ausgezeichnet.<br />
Parallel zur fortlaufenden Breitenarbeit ging die Offene<br />
Jazz Haus Schule im Jahr 2004 einen Schritt weiter. Mit<br />
„Connect HipHop“ wurde ein Projekt für junge Künstler<br />
der HipHop-Kultur, die im Übergang von der Schule<br />
zum Berufsleben stehen, gestartet. In NRW ist mittlerweile<br />
eine lebendige Szene junger Rap-Künstler, Tänzer<br />
und DJs herangewachsen, deren kreatives Potential es<br />
wahrzunehmen und zu fördern gilt. Die künstlerische<br />
Kraft dieser jungen HipHop-Aktivisten entwickelt sich<br />
weitgehend außerhalb unserer traditionellen Bildungs-<br />
und Kultureinrichtungen.<br />
Ziel ist, jungen, ambitionierten HipHop-Künstlern<br />
Möglichkeiten und Wege aufzuzeigen, sich weiterzuentwickeln<br />
und ihre Fähigkeiten für sich selbst und für die<br />
Gesellschaft nutzbar zu machen <strong>–</strong> sei es, dass sie neue<br />
Akzente in der Musik- und Tanz-Szene setzen oder dass<br />
sie als Pädagogen arbeiten, die durch die authentische<br />
Vermittlung der aktuellen Jugendkultur einen direkten<br />
Zugang zu Kindern und Jugendlichen haben. Um die Hip-<br />
Hop-Szene zu erreichen und optimal zu fördern, basierte<br />
das „Connect HipHop“-Konzept auf den vier Säulen:<br />
Competition, Coaching, Concert und Connection.<br />
Competition: Landesweit werden junge Künstler aufgefordert,<br />
sich für einen Contest zu bewerben und sich<br />
dem Urteil einer fachkundigen Jury <strong>–</strong> bestehend aus<br />
renommierten Künstlern aus der HipHop Szene <strong>–</strong> zu<br />
stellen. Den Jugendlichen wird Gelegenheit gegeben,<br />
sich mit gleichaltrigen Musikern, Tänzern, Künstlern ihrer<br />
Sparte zu messen und sich im Wettbewerb zu beweisen.<br />
Coaching: Die TeilnehmerInnen erhalten Gelegenheit, in<br />
Workshops mit künstlerischen Vorbildern und Größen
aus der Szene ihre kreativen Fähigkeiten zu entwickeln.<br />
In Seminaren und kurzen Informationseinheiten können<br />
sie Fachleuten ihre Fragen zu übergreifenden Themen<br />
der Musik-, Tanz- und Kultur-Szene stellen.<br />
Concert: An einem zentralen Ort kulturellen Lebens in<br />
<strong>Köln</strong> werden die Ergebnisse der Workshops präsentiert.<br />
Die Sieger der Competition erhalten somit Gelegenheit<br />
zu zeigen, mit welchen Einsendungen oder Darbietungen<br />
sie die Jury überzeugt haben.<br />
Connection: Es wird ein dichtes Netzwerk auf- und ausgebaut.<br />
Nicht nur die Szene untereinander knüpft neue<br />
oder festigt bestehende Kontakte; es entstehen auch<br />
Berührung und Austausch mit etablierten Bildungsinstitutionen<br />
und weiteren Kooperationspartnern wie<br />
Schulen und Jugendzentren, Agenturen, Veranstaltern,<br />
freien Künstlern usw. Für die hohe Qualität der<br />
Projekte der Reihe „Connect HipHop“ zeichnete nicht<br />
zuletzt die gute Zusammenarbeit mit der Musikhochschule<br />
und der Sporthochschule verantwortlich.<br />
„Connect HipHop“ startete 2004 mit einem Rap-Contest,<br />
in dessen Verlauf fast 50 Rap-Crews und Solokünstler<br />
sich mit der Einsendung von über 150 eigenen Tracks<br />
dem kritischen Urteil einer fachkräftigen Jury stellten.<br />
Die 10 Gewinner der Competition produzierten einen<br />
Sampler und präsentierten ihre Songs in Zusammenarbeit<br />
mit Studierenden der Musikhochschule <strong>Köln</strong> in<br />
einem Live-Konzert im Stadtgarten vor begeistertem<br />
Publikum. Im Rahmen der „Cologne HipHop Days“<br />
nutzen die Teilnehmer die Gelegenheit, sich in Fachseminaren<br />
bei Profis der Szene über Themen wie Musikbusiness,<br />
Selbstmanagement, Marketing und Presse-<br />
arbeit oder Pädagogik zu informieren.<br />
Im darauf folgenden Jahr wurde das erfolgreiche Konzept<br />
auf einen weiteren Ausdrucksbereich der HipHop Kultur<br />
übertragen <strong>–</strong> diesmal waren es im Rahmen des Projektes<br />
„Cologne Battle“ junge Tänzerinnen und Tänzer, die in<br />
den Räumlichkeiten der Sporthochschule eine Woche<br />
lang die verschiedensten Workshops wahrnahmen.<br />
HipHop TänzerInnen und BreakerInnen lernten nicht<br />
nur die neuesten Moves bei renommierten und internationalen<br />
Dozenten, sie informierten sich auch in kurzen<br />
kompakten Seminareinheiten beispielsweise über<br />
Ausbildungsmöglichkeiten an der Sporthochschule,<br />
die Wirklichkeit des Tanzbusiness oder die Möglichkeiten<br />
einer Verletzungsprävention. Seinen Höhepunkt<br />
fand das Projekt in einem großen Battle im <strong>Köln</strong>er<br />
Stadtgarten, zu dem Crews aus ganz NRW anreisten <strong>–</strong><br />
100 begabte und engagierte Tänzer kämpften vor einem<br />
begeisterten 200-köpfigen Publikum um den Sieg, den<br />
am Ende die Oberhausener Crew TNT davontrug.<br />
Im Jahr 2006 schloss sich der Kreis vorläufig mit einem<br />
erneuten Rap-Contest, bei dem die im Laufe der Jahre<br />
gesetzten Impulse wieder aufgegriffen wurden. Es war<br />
zu spüren, dass sich in der HipHop-Szene im Laufe<br />
des Projektes durch die zahlreichen Aktivitäten ein<br />
Bewusstsein dafür entwickelt hat, welches Potenzial ein<br />
gemeinsames Engagement birgt. Der Aufforderung, sich<br />
für das Projekt „Rapnetz“ mit einem eigenen Song zu<br />
bewerben, kamen bereits über 80 Crews und Solo-<br />
artisten nach und schickten ihre Tracks ein. Das Coaching-<br />
Wochenende war diesmal gefüllt mit vertiefenden<br />
Themen wie etwa GEMA oder Vertragsgestaltung. Die<br />
Seminare wurden ebenso wie das Präsentationscoaching<br />
des international bekannten Künstlers Adé Bantu<br />
(Brothers Keepers) begeistert angenommen. Auch<br />
dieses Projekt gipfelte in einem CD-Sampler und einem<br />
Auftritt im exponierten <strong>Köln</strong>er Veranstaltungsort Stadtgarten.<br />
Beide CD-Sampler können bei der Offenen<br />
Jazz Haus Schule bestellt werden.<br />
Der Erfolg beweist die Tragfähigkeit des Konzeptes <strong>–</strong><br />
internationale Größen wie Lamine Diouf von den<br />
Vagabonds oder Adé Bantu von Brothers Keepers und<br />
Profis der <strong>Köln</strong>er HipHop-Szene sorgten für eine hochkarätige<br />
Qualität der Workshops und Weiterbildungsseminare,<br />
setzten nachhaltige Impulse und förderten<br />
eine Vernetzung der lokalen Szene. In der Kooperation<br />
mit etablierten Bildungseinrichtungen wurden auf beiden<br />
Seiten spürbare und spannende Akzente gesetzt.<br />
Durch die Veröffentlichung von Samplern und DVDs,<br />
durch Wettbewerbe, Konzerte, Battles ist die kreative<br />
Kraft der hiesigen HipHop Szene über mehrere Jahre<br />
hinweg einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht<br />
worden. Die hohe Qualität und das große Potential der<br />
jungen Künstlerinnen und Künstler rechtfertigen weitere<br />
Anstrengungen, diese kreativen Kräfte zu fördern, ihnen<br />
Raum zur Entfaltung zu geben und ihnen jene Anerkennung<br />
zukommen zu lassen, die ihnen gebührt.<br />
DVD<br />
Siehe Songs von<br />
„Connect HipHop!“<br />
in DATA\SONGS auf<br />
beiliegender DVD<br />
Best Practice | 41
Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona:<br />
Das HipHop-Netzwerk Nippes<br />
Sascha Düx<br />
DVD<br />
Siehe Musikvideo<br />
„Bonita Señorita“<br />
auf beiliegender DVD<br />
Die Kamera schwenkt über das Panorama von Caldes<br />
d’Estrac am Mittelmeer, zeigt Häuser und Pflanzen,<br />
dann eine junge Spanierin im weißen Kleid in der Brandung.<br />
Dazu ein Song, der klingt, als hätte sich Michael Jackson<br />
mit einem Latin-Produzententeam und einem deutschen<br />
Rapper zur Sommerhit-Produktion zusammengetan.<br />
„Bonita Señorita“ heißt die schwedisch-deutschenglisch-spanische<br />
Koproduktion, die auf dem internationalen<br />
HipHopCamp The Flow of Victory <strong>–</strong> Part III<br />
2005 in Barcelona entstand. Um zu verstehen, wie es<br />
dazu kam, müssen wir das Rad der Zeit erst einmal um<br />
vier Jahre zurückdrehen.<br />
Die Anfänge<br />
Im Sommer 2001 kam es im Stadtbezirk <strong>Köln</strong>-Nippes<br />
auf Initiative der Bezirksjugendpflege zur Gründung<br />
eines HipHop-Netzwerks für Toleranz und Integration. Im<br />
Bezirk gab es seinerzeit im Jugendzentrum OT Werkstattstraße<br />
eine gut angenommene HipHop-Arbeit mit<br />
regelmäßigen Jams, die OT Luckys Haus begann gerade,<br />
den ehemaligen Kraftsportraum in ein professionelles<br />
Tonstudio umzurüsten, und im Kinder- und Jugendhaus<br />
Boltensternstraße wurden Graffitis gesprayt.<br />
42 | Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona: Das HipHop-Netzwerk Nippes<br />
Zusammen mit weiteren Jugendzentren und der Förderschule<br />
Auguststraße begann man, eine gemeinsame Projektphase<br />
zu planen.<br />
Nach den Herbstferien ging es los: Mit Unterstützung<br />
der Offenen Jazz Haus Schule <strong>Köln</strong> wurden geeignete<br />
ReferentInnen gefunden, die in den verschiedenen<br />
Einrichtungen Rap-, Tanz- und Graffiti-Workshops anboten.<br />
Das <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> unterstützte den Projektfilm,<br />
der als ein verbindendes Element alle Workshops<br />
dokumentierte, und richtete die Projektwebsite<br />
www.hiphop-projekt.de ein: Auf die können alle Partner<br />
mit einem kleinen unkomplizierten Redaktionssystem<br />
Termine, Newstexte und Projektergebnisse mit Bild und<br />
Ton hochladen.<br />
Bis Ende Januar 2002 liefen die Workshops, dann gab<br />
es in der Turnhalle der Schule Auguststraße einen großen<br />
Abschlussevent mit Vorführungen aller Gruppen. Die<br />
Halle war mit einem Publikum von gut 300 FreundInnen,<br />
Eltern und PädagogInnen prall gefüllt. Natürlich wurde<br />
auch der Projektfilm gezeigt <strong>–</strong> für die meisten Beteiligten<br />
die erste Chance, einen Überblick über das gesamte Projektgeschehen<br />
zu kriegen.<br />
Alle Jahre wieder …<br />
Seitdem hat es fünf weitere derartige Herbst-/Winterprojektphasen<br />
gegeben, das Netzwerk hat sich um einige<br />
Jugendzentren und eine zweite Förderschule erweitert,<br />
aber das Grundprinzip ist das gleiche geblieben: Workshopangebote<br />
mehrheitlich für Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
und benachteiligte Jugendliche, und eine<br />
gemeinsame Abschlusspräsentation.<br />
Vernetzung ist dabei mehr als nur ein Schlagwort:<br />
Jugendliche werden überall ermutigt, auch Angebote<br />
der anderen Einrichtungen wahrzunehmen. Workshoptermine<br />
werden mündlich und über die Website weitergegeben,<br />
die Schulturnhalle auch schulexternen TänzerInnen<br />
zum Training zur Verfügung gestellt, und das Tonstudio<br />
in der OT Luckys Haus wird zur Anlaufstelle für zahlreiche<br />
Jugendliche aus dem ganzen Stadtbezirk; das <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong> unterstützt verschiedene Aktivitäten<br />
mit Medientechnik.<br />
Natürlich läuft nicht immer alles glatt: Rivalitäten und<br />
Fehden zwischen jungen HipHoppern aus verschiedenen<br />
Stadtteilen kommen immer wieder vor, manchmal bis<br />
hin zu Schlägereien. Aber durch die Netzwerkstrukturen<br />
können solche Konflikte gut aufgefangen werden.
Als die Bezirksjugendpflege aufgrund zusätzlicher Aufgaben<br />
vorübergehend die Leitung abgeben musste, funktionierte<br />
das Netzwerk weiter <strong>–</strong> der SKM <strong>Köln</strong> übernahm die<br />
Koordination, die inhaltliche Arbeit wurde dezentral<br />
getragen und im gemeinsamen Arbeitskreis abgestimmt.<br />
Zum Abschlussevent tragen alle Partner ihren Teil bei:<br />
So wurde am 27. Januar 2007 über eine aus Technik der<br />
Schule Auguststraße und des <strong>JFC</strong> zusammengestellte<br />
Anlage die Halle beschallt, Tonstudiotechnik von Luckys<br />
Haus war für einen Mehrspurmitschnitt aufgebaut,<br />
Kameras von <strong>JFC</strong> und OT Werkstattstraße filmten den<br />
Event, der SKM <strong>Köln</strong> stellte Stühle und Stellwände, verschiedene<br />
Einrichtungen sorgten für die Sicherheit und<br />
die Hauswirtschafts-AG der Schule versorgte alle Aktiven<br />
mit leckerem Essen.<br />
Let’s party like we did in Adenau! 1<br />
Anfang 2003 wurde die Modern Soul Academy über die<br />
Projektwebsite auf das Netzwerk aufmerksam: Man<br />
mache in Stockholm ähnliche Projekte und suche Partner<br />
für internationale Begegnungen. Im <strong>Köln</strong>er Netzwerk<br />
war schnell klar: Ja, ein internationales HipHop-Camp<br />
wäre für unsere Jugendlichen eine tolle Chance. Das<br />
<strong>Köln</strong>er Jugendamt unterstützte die Idee mit Tipps und<br />
Fördermitteln und stellte den Kontakt zu weiteren Partnern<br />
in Barcelona her. So konnte das <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> erfolgreich<br />
die trilaterale Jugendbegegnung „The Flow of<br />
Victory“ beim EU-Aktionsprogramm JUGEND beantragen.<br />
Adenau liegt einen Katzensprung vom Nürburgring entfernt.<br />
An schönen Sommertagen donnern Biker durch<br />
die Hauptstraße, sonst ist hier nicht viel los. Am 10. August<br />
2003 wird das Eifeldorf allerdings kurzfristig zur HipHop-<br />
Metropole: Rund 30 spanische, schwedische und deutsche<br />
Jugendliche nebst 14-köpfigem Team treffen zur Intensiv-<br />
Workshopphase in der (mittlerweile leider geschlossenen)<br />
Jugendbildungsstätte der Stadt <strong>Köln</strong> ein.<br />
Los geht es mit einem Open Space: Alle Türen stehen offen,<br />
jeder kann sich umsehen, ausprobieren und dann entscheiden:<br />
Will ich nun tanzen oder doch lieber ein eigenes Video drehen?<br />
Ein Gruppenraum wird zum Tonstudio umgebaut, eine<br />
wattstarke Anlage beschallt die Tänzer in der Turnhalle,<br />
und die Kapelle ist zum Camp-<strong>Medienzentrum</strong> geworden:<br />
Hier werden Digitalfotos gesichtet und Videos geschnitten.<br />
Ein Highlight ist die Graffiti-Wand <strong>–</strong> die Bildungsstätte<br />
hat eine große Außenmauer freigegeben, die SprayerInnen<br />
sind begeistert.<br />
Vier volle Workshoptage folgen, mit Arbeitsphasen<br />
vor- und nachmittags, im Abendprogramm dann z.B.<br />
Filme über die Anfänge der HipHop-Kultur. Die Motivation<br />
aller Beteiligten steigt von Tag zu Tag. Der Sommer 2003<br />
bricht Temperaturrekorde, die Turnhalle ähnelt einer<br />
Großraumsauna, doch das mindert nicht die Tanz-<br />
begeisterung. In den Mittagspausen arbeiten viele freiwillig<br />
weiter, einige lassen sogar den Freibadbesuch ausfallen.<br />
Zeiten außerhalb des offiziellen Programms werden<br />
genutzt, um andere Bereiche neben dem eigenen Workshop<br />
kennen zu lernen: Die Rapperin sprayt, der Tänzer<br />
filmt.<br />
Beim Musikvideodreh kommt dann alles zusammen:<br />
Die Jugendlichen aus dem Rapworkshop haben ihre<br />
Verse zu selbstproduzierten Beats aufgenommen.<br />
Die vom Graffiti-Workshop gestaltete Wand ist die<br />
Kulisse, vor der die Breakdancer ihre Moves machen, der<br />
DJ seine Platten dreht und die VokalistInnen ihren Song<br />
performen, während der Medienworkshop alles filmt.<br />
Trotz kleineren Sachbeschädigungen und Konflikten<br />
um das Tragen von Messern funktioniert das Miteinander<br />
insgesamt gut. Tim Weedon von der Modern Soul Academy<br />
hat gleich zu Beginn erklärt: „Wir sollten nicht vergessen,<br />
dass es bei HipHop um Tanz, Musik und Kunst geht,<br />
um eine Verbesserung unserer Lebensbedingungen und<br />
Artikulation unserer Wünsche. Dafür sind wir hier, nicht<br />
um uns zu betrinken.“ Und wenn ein gestandener HipHopper<br />
so etwas sagt, dann hat das Gewicht. Und so wird zwar<br />
nicht wenig Bier getrunken, Bierleichen aber bleiben aus.<br />
Wie funktioniert eine internationale Begegnung, wenn<br />
etliche TeilnehmerInnen von Förderschulen kommen<br />
und angeblich kaum Englisch sprechen? Überraschend<br />
unproblematisch, wie sich zeigt. In den Workshops wird<br />
vorgemacht, gezeigt, zugehört … Musik, Tanz und visuelle<br />
Kommunikation können sich als universelle Sprachformen<br />
beweisen. Und alle deutschen TeilnehmerInnen<br />
1 Dieser Abschnitt ist ein gekürzter und überarbeiteter Ausschnitt aus meinem Artikel „Eritrea, España, Eifel <strong>–</strong> Hip-<br />
Hop international!“ (merz 2004, Heft 03, S. 59-62)<br />
DVD<br />
Siehe Musikvideo<br />
„Cross (Around the<br />
World)“ auf beiliegender<br />
DVD<br />
Best Practice | 43
DVD<br />
Siehe „HipHop-<br />
Camp 2005“ Doku<br />
auf beiliegender DVD<br />
8<br />
Artikel<br />
Siehe „Urban-Culture-Projekte<br />
des <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong>s“<br />
(Seite 19)<br />
8<br />
Artikel<br />
Siehe „Mittwochs-<br />
Maler <strong>–</strong> das <strong>Köln</strong>er<br />
Graffiti-Jugendkunstprojekt“<br />
(Seite 28)<br />
beginnen früher oder später, sich in gebrochenem Englisch<br />
zu unterhalten.<br />
Interkultureller Austausch ist während des Camps gelebter<br />
Alltag. In Raptexten und Bildern des Graffiti-Workshops<br />
wird den anderen Teilnehmern die eigene Lebenswelt ein<br />
Stück näher gebracht. HipHop als globale Kultur weckt<br />
Neugier: Wie klingt Rap auf Spanisch? Wie unterscheiden<br />
sich die Graffiti-Styles von <strong>Köln</strong>ern und Stockholmern?<br />
Und weiß jemand, was hiphopmäßig in Japan los ist?<br />
Dann geht es zurück nach <strong>Köln</strong> <strong>–</strong> mit 12 neuen HipHop-<br />
Songs, drei kurzen Videofilmen, etlichen Graffitis und<br />
Choreographien im Gepäck, dazu die Camp-Website.<br />
In der OT Werkstattstraße werden die Ergebnisse<br />
präsentiert, mit Video-Premieren und Liveauftritten.<br />
Von Stockholm nach Caldes d’Estrac<br />
Das Adenau-Camp überzeugt nicht nur die Netd@ys-Jury<br />
(Preis des ZDF Kinder- und Jugendprogramms) und<br />
die Deutsche EU-Agentur, die es in ihre Best-Practice-<br />
Datenbank aufnimmt; auch bei den schwedischen<br />
Jugendlichen wird „Let’s party like we did in Adenau“<br />
zum geflügelten Wort, und so ist es kein Wunder, dass<br />
am 6. August 2004 in Botkyrka bei Stockholm das<br />
Camp The Flow of Victory reloaded mit doppelter Gruppenstärke<br />
beginnt.<br />
Anders als im Vorjahr wird 2004 ein gemeinsames Thema<br />
ausgewählt. Das Votum der Gruppe fällt eindeutig aus:<br />
Peace <strong>–</strong> Paz <strong>–</strong> Friede <strong>–</strong> Fred wird das Motto der Bühnenshow,<br />
die nach sechs Workshoptagen dreimal aufgeführt wird.<br />
Höhepunkt für alle ist der Auftritt vor großem Publikum im<br />
Mondo im Zentrum von Stockholm. Friedlich entwickelt<br />
sich nach anfänglichen Rangeleien auch das internationale<br />
Zusammenleben. Spätestens nach den ersten<br />
gemeinsamen Aufnahmen im eigens aufgebauten Tonstudio<br />
sind vorangegangene Streitigkeiten vergessen. Durch<br />
zahlreiche MigrantInnen in der Gruppe stehen als<br />
verbindende Sprachen neben dem Englischen auch<br />
Arabisch, Spanisch, Französisch und Türkisch zur Verfügung.<br />
2005 geht es dann nach Caldes d’Estrac bei Barcelona:<br />
Wieder sind gut 75 Personen dabei, erstmals auch Partner<br />
aus Liverpool. Die Rahmenbedingungen sind ungünstig:<br />
Das bewährte Team in Spanien hat im Streit mit dem<br />
neuen Chef die Partnerorganisation verlassen, der<br />
ersatzweise eingesetzte Campleiter spricht kein Englisch<br />
und ist mit seiner Aufgabe überfordert. Der Camp-Ort<br />
ist eigentlich ein Sportcamp für jüngere Jugendliche, es<br />
gibt kaum Workshopräume und 0:00 ist Nachtruhe <strong>–</strong><br />
44 | Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona: Das HipHop-Netzwerk Nippes<br />
für unsere überwiegend volljährige Gruppe viel zu früh...<br />
Trotz widriger Umstände wird auch dieses Camp zu<br />
einem Erfolg. In multinationaler und multilingualer<br />
Kooperation entstehen zehn Songs und vier Musik-<br />
videos; auch das Abschlusskonzert in St. Feliu de<br />
Codines am letzten Abend ist für alle Beteiligten ein großes<br />
Erlebnis. Durch Fehlplanungen des Campleiters gibt es<br />
dann allerdings vor 5 Uhr morgens keine Möglichkeit der<br />
Rückkehr zum Camp, und um 7 geht dort bereits der<br />
Bus zum Flughafen. Völlig übermüdet fliegen alle nach<br />
Hause <strong>–</strong> im Ohr immer noch die Klänge von „Bonita<br />
Señorita“.<br />
HipHop don’t stop<br />
2006 gibt es keine Fortsetzung der internationalen<br />
HipHop-Camps, stattdessen eine internationale<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Projektphase in <strong>Köln</strong> <strong>–</strong> und erstmals<br />
das aus dem HipHop-Netzwerk entstandene Stadtrandcamp<br />
„Beats vom Hof“. Im Jugendzentrum Krebelshof<br />
mit seinem großen Außengelände können Jugendliche<br />
im Alter von 13 bis 17 Jahren erste Schritte in Sachen<br />
Urban Culture machen, neben Tanz, Musik, Medien und<br />
Graffiti werden auch Sport- und Wellness-Workshops<br />
angeboten, übernachtet wird in Zelten. 41 Jugendliche<br />
nehmen an dem von der Stadt <strong>Köln</strong> und dem Programm<br />
ENTIMON des Bundesjugendministeriums geförderten<br />
Camp Teil.<br />
Und das Netzwerk wächst weiter: Mit den Mittwochs-<br />
Malern gibt es seit November 2005 in der OT Luckys<br />
Haus ein regelmäßiges Graffiti-Angebot für Jugendliche<br />
aus ganz <strong>Köln</strong>. Im Rahmen des ENTIMON-geförderten<br />
Projekts Lifejam der Offenen Jazz Haus Schule <strong>Köln</strong><br />
werden in der Zeit von Oktober bis Dezember 2006<br />
Workshops im Rahmen des Nippesser Netzwerks und<br />
darüber hinaus in ganz <strong>Köln</strong> veranstaltet, am 15. Dezember<br />
gibt es einen großen gemeinsamen Abschlussevent im<br />
Stadtgarten <strong>Köln</strong>. 2<br />
Für den 1. September 2007 ist nun im Bürgerzentrum<br />
Nippes erstmals ein Live-Event geplant, der alle größeren<br />
<strong>Köln</strong>er HipHop- und Urban-Culture-Projekte zusammenführt:<br />
Das Netzwerk Nippes trifft auf das HipHop-Projekt<br />
der JUGZ (Jugendzentren <strong>Köln</strong> gGmbH), das Rapnetz/<br />
Connect HipHop-Projekt der Offenen JazzHausSchule<br />
und das <strong>JFC</strong>-Projekt <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Cologne.<br />
2 www.lifejam.de/koeln
Organisation von Urban-Culture-Projekten<br />
Sascha Düx, Andreas Kern und Lisette Reuter<br />
Wer nach so vielen theoretischen Hintergrundgedanken<br />
und inspirierenden Projektbeschreibungen nun Lust bekommen<br />
hat, selbst ein Urban-Culture-Projekt zu organisieren,<br />
der findet im dritten Teil dieses Hefts zahlreiche<br />
Tipps und Informationen. Was er oder sie hier<br />
nicht finden wird, sind Schritt-für-Schritt-Anleitungen<br />
vom Typ „Wie lerne ich in 10 Minuten einen Breakdance-<br />
oder Rapworkshop zu leiten“. Das würde erstens den<br />
Rahmen dieser Broschüre sprengen, zweitens braucht<br />
man dafür jahrelange Übung. Wir richten uns also eher<br />
an pädagogische Profis in Jugendarbeit und Schule, die<br />
sich für ein entsprechendes Projekt andere Profis mit<br />
den entsprechenden Skills dazuholen werden.<br />
Vorüberlegungen<br />
Urban-Culture-Projekte können in den verschiedensten<br />
Dimensionen durchgeführt werden <strong>–</strong> vom eintägigen<br />
Jugendzentrums-Rap-Aktionstag mit fünf Teilnehmern<br />
Kalkulation von Urban-Culture-Projekten<br />
Hier eine Checkliste möglicher Kostenarten, die bei Urban-Culture-<br />
Projekten anfallen können:<br />
» Personalkosten für Projektleitung<br />
» Honorare für ReferentInnen und BetreuerInnen<br />
» Honorare und Gagen für etablierte Urban-Culture-KünstlerInnen<br />
(z.B. für eine Masterclass oder als Headliner für ein großes HipHop-<br />
Konzert), BühnenmoderatorInnen und ggf. JurorInnen (bei Auswahlverfahren)<br />
» Honorare für Öffentlichkeitsarbeit und Ergebnisaufbereitung<br />
(Gestaltung von Flyern, T-Shirts, Projektwebsites; Schnitt einer<br />
Projekt-Videodokumentation, DVD Authoring etc.)<br />
» Honorare für TechnikerInnen (Tontechnik, Bühnentechnik etc.)<br />
» Honorare für Sicherheitskräfte, ggf. Reinigungskräfte, Sanitäter<br />
» Technik-Kosten: Investitionen, kleinere Anschaffungen, Mieten,<br />
Wartung/Reparaturen<br />
» Mietkosten für Räumlichkeiten<br />
» Verbrauchsmaterialien (Datenträger, Farben für Graffiti etc.)<br />
» Publikationskosten (Druckkosten, Vervielfältigung von CDs/DVDs)<br />
» Internetkosten (Webspace- und Domainmieten, Internetzugang)<br />
» GEMA-Kosten<br />
» Unterkunft- und Verpflegungskosten (von Getränken für einen<br />
Tanzworkshop bis zur internationalen Begegnung mit Vollpension in<br />
einer Jugendbildungsstätte)<br />
» Reisekosten (ÖPNV lokal bis Flüge international, Team und TN)<br />
»<br />
Handlungskosten (Büro- und Verwaltungskosten, Porto, Telekom)<br />
bis hin zum vernetzten mehrjährigen Großprojekt<br />
mit den Disziplinen Tanz, Kunst, Musik, Theater und<br />
Medien, verteilt über mehrere Einrichtungen, Städte oder<br />
gar Länder. Nach unseren Erfahrungen sind mehrtägige<br />
Blockphasen effektiver als allwöchentliche Kursangebote,<br />
aber auch letztere haben je nach Projektkonzeption<br />
ihre Berechtigung.<br />
Die ersten Schritte bei der Planung eines solchen Projekts<br />
werden entsprechend darin liegen, sich über den groben<br />
Rahmen und die Größenordnung klar zu werden, mit<br />
möglichen Partnern ins Gespräch zu kommen, Kosten<br />
abzuschätzen und Ideen zur Finanzierung zu entwickeln.<br />
Hier sollten auch die klassischen pädagogischen Überlegungen<br />
zu pädagogischen Zielen und Zielgruppen<br />
(mit interkulturellen und Gender-Aspekten) angestellt<br />
werden. Da die Förderverfahren vieler Stiftungen und<br />
How to do | 45
„Wichtig sind stets<br />
Skills und Vermittlungskompetenz<br />
im<br />
Kontext der jeweiligen<br />
Zielgruppe“<br />
öffentlicher Geldgeber einen langen Vorlauf haben,<br />
sollten die Überlegungen rechtzeitig (6-18 Monate vor<br />
geplantem Projektbeginn) zur Antragsreife gebracht<br />
werden. Und wenn dann die Bewilligung ins Haus flattert,<br />
geht der Spaß erst richtig los :-)<br />
ReferentInnen, Ressourcen und<br />
regionale Netze<br />
Nun geht es an die Konkretisierung der Planung. Das<br />
Wichtigste: Gute ReferentInnen müssen her! Das kann<br />
der professionelle Rapper und Musikproduzent mit<br />
einem pädagogischen Händchen sein oder die Kunststudentin<br />
mit Graffiti-Szeneerfahrung, der selbstständige<br />
studierte Medienpädagoge oder auch der<br />
jugendliche Breakdancer, der gut und gerne Jüngeren<br />
etwas beibringt <strong>–</strong> wichtig sind stets Skills und Vermittlungskompetenz<br />
im Kontext der jeweiligen Zielgruppe.<br />
Bei interkulturellen/internationalen Projekten sollte<br />
auch das Team interkulturell/international zusammen-<br />
gesetzt sein. DozentInnen sollten Werte wie gegen-<br />
seitige Wertschätzung, Toleranz und Zuverlässigkeit<br />
vorleben können. Wie gut ein/-e ReferentIn wirklich ist,<br />
zeigt sich immer erst in der Praxis <strong>–</strong> hier liegt ein Vorteil<br />
von Netzwerken: Man kann sich gegenseitig geeignete<br />
Leute empfehlen.<br />
Eine Liste der wünschenswerten und der dringend<br />
notwendigen Ressourcen kann man dann am besten<br />
gemeinsam mit den jeweiligen ReferentInnen erstellen:<br />
Die Rapdozentin wünscht sich vielleicht Plattenspieler<br />
nebst DJ-Mixer, Mikrofone und eine Beschallungsanlage,<br />
dem Choreograph ist an einer großen Spiegelwand<br />
gelegen, der Graffitidozent möchte im Workshop Leinwände<br />
und Staffeleien bauen lassen und die Kamerafrau<br />
kommt gleich mit einer ganzen Technikliste …<br />
Spätestens hier zeigt sich: Größere Projekte lassen sich<br />
am besten gemeinsam mit Partnern stemmen. Vielleicht<br />
hat ein nahegelegenes Jugendzentrum bereits eine<br />
Spiegelwand und ist an einer Kooperation interessiert,<br />
oder vielleicht ist der benachbarte Baumarkt zu Sachspenden<br />
bereit. Ton- und Medientechnik kann man sich<br />
gut gegenseitig ausleihen <strong>–</strong> die Geräte sollten natürlich<br />
pfleglich behandelt werden, dafür sollten auch die<br />
zuständigen ReferentInnen in die Mitverantwortung<br />
genommen werden.<br />
Auch Teilnehmerwerbung funktioniert im Netzwerk<br />
besser: Jugendliche in verschiedenen Einrichtungen<br />
46 | Organisation von Urban-Culture-Projekten<br />
können angesprochen werden und lassen sich<br />
mit sanftem Druck bewegen, mal ein spannendes<br />
Projekt in einer anderen Einrichtung zu besuchen.<br />
Nichts ist so traurig wie ein mit Liebe geplantes gutes<br />
Projekt, zu dem kaum TeilnehmerInnen erscheinen. Flyer,<br />
Plakate und Pressearbeit können genutzt werden, um<br />
das Projekt bei der Zielgruppe bekannt zu machen <strong>–</strong><br />
unserer Erfahrung nach funktioniert aber persönliche<br />
Ansprache immer noch am besten, ob unmittelbar<br />
durchs Projektteam oder durch Partner in anderen Einrichtungen.<br />
Präsenz bei für die Zielgruppe interessanten<br />
Veranstaltungen (z.B. HipHop-Festivals) und persönliche<br />
Vorstellung des Projekts in Schulklassen sind hier<br />
erfolgversprechende Wege.<br />
Die Durchführung<br />
Es geht los! Je nachdem ob sich die Gruppe schon kennt<br />
oder ob eine neue Konstellation von Leuten zusammenkommt,<br />
sind Kennenlernaktionen angesagt <strong>–</strong> das muss<br />
nicht das klassische Kennenlernspiel sein, sondern<br />
kann z.B. auch ein Freestyle-Cypher sein: Man steht<br />
im Kreis, jemand macht „Beatboxing“ (Imitation eines<br />
Rapbeats mit Mund- und Körpereinsatz), und dann<br />
rappen alle reihum, wer sie sind und wo sie herkommen.<br />
Die Akzeptanz für spielerische und kreative Methoden<br />
ist meist höher, wenn diese von ReferentInnen aus der<br />
Urban-Culture-Szene angeleitet werden. Bei längeren<br />
Projekten mit „unbekannten“ TeilnehmerInnen macht<br />
es Sinn, Vorerfahrungen und Erwartungen zu eruieren.<br />
Dann geht es in die Workshops, die meist ihrer eigenen<br />
Dynamik und Zeiteinteilung folgen. Die Projektleitung<br />
hat dann die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es überall<br />
läuft, dass Konflikte gelöst und nötige Ressourcen<br />
beschafft werden <strong>–</strong> dabei muss man auch delegieren
können. Es sollte immer mal wieder gemeinsame Punkte<br />
in der Gesamtgruppe geben <strong>–</strong> eine Party, ein Freestyle-<br />
Abend, wo MusikerInnen und TänzerInnen ihre Skills<br />
zeigen können, eine gemeinsame Fragestunde mit einem<br />
prominenteren lokalen Urban Culture Künstler <strong>–</strong> damit<br />
ein gemeinsames Gruppengefühl entsteht.<br />
Wichtig sind auch Querverbindungen zwischen den<br />
Workshops: Die Tanzcrew kann zu Tracks aus dem<br />
Musikworkshop tanzen, dafür müssen die aber rechtzeitig<br />
zur Verfügung gestellt werden. Die Mediengruppe<br />
kann die Aktivitäten der anderen Workshops dokumentieren<br />
oder Tanz- und Musikvideoclips drehen; das<br />
erfordert aber eine gute Gesamtkoordination. Statt<br />
paralleler Tanz- und Musikworkshops kann auch die<br />
gleiche Gruppe nacheinander bzw. abwechselnd Tanz-,<br />
Theater- und Gesangs-/Rapcoaching erhalten und so<br />
eine Musical-artige Bühnenperformance entwickeln.<br />
Je nach Projektdauer kann zur Halbzeit eine Zwischenauswertung<br />
in der Gruppe angesetzt werden: Was<br />
haben wir erreicht, wo wollen wir hin, wo hakt es<br />
noch? Auch die Pressearbeit sollte nicht vernachlässigt<br />
werden; wenn alle Workshops gut laufen und die<br />
Abschlusspräsentation in Sichtweite ist, ist ein guter<br />
Zeitpunkt für eine Pressekonferenz gekommen; eine<br />
weitere kann unmittelbar vor der Abschlusspräsentation<br />
angesetzt werden.<br />
Gegen Ende des Projektes sollten die Teilnehmenden<br />
dann die Chance bekommen, öffentlich zu zeigen, was<br />
sie gemeinsam erarbeitet haben. Ob vor Freunden und<br />
Eltern in der Jugendzentrumsdisko oder auf einer größeren<br />
Bühne vor breiterem Publikum: Ein Auftritt stärkt<br />
das Gruppen- und Selbstwertgefühl aller Beteiligten<br />
und schafft positive Öffentlichkeit für die Zielgruppe.<br />
Wichtig ist hier, dass das Feeling und der Rahmen<br />
stimmen. Besonders auftrittsunerfahrene Jugendliche<br />
sind oft nervös und wollen plötzlich doch nicht mehr<br />
auf die Bühne <strong>–</strong> hier ist pädagogisches Fingerspitzen-<br />
gefühl gefragt, aber auch Gruppenmanagement: Die<br />
TeilnehmerInnen müssen sich gegenseitig tragen, dürfen<br />
sich nicht gegenseitig herunterziehen. Dafür sind eine<br />
funktionierende Saaltechnik und ein erfahrenes, kompetentes<br />
und freundliches Technikteam entscheidend.<br />
Wichtig sind auch ein vernünftiges Catering (Essen und<br />
Getränke für alle Auftretenden) und eine gute Bühnen-<br />
moderation, sowie bei größeren Veranstaltungen<br />
Sicherheitskräfte und Sanitäter.<br />
Nacharbeiten<br />
Wenn das eigentliche Projekt vorbei ist, gibt es meist<br />
noch genug zu tun: Vom Aufräumen der Workshopräume<br />
und auseinandersortieren der Technik über die Aufarbeitung<br />
der Projektergebnisse zu Webseiten, CDs, DVDs<br />
oder Broschüren bis hin zu Verwendungsnachweisen<br />
und Sachberichten. Bei größeren Projekten kann ein<br />
Nachtreffen angesetzt werden: Hier kriegt dann jede/-r<br />
TeilnehmerIn die fertige Projekt-CD in die Hand gedrückt,<br />
die Projekt-Videodokumentation hat Premiere,<br />
und wenn in der Projektphase die Zeit fehlte, können<br />
hier zielgruppengerecht formulierte Evaluationsbögen<br />
die Runde machen.<br />
Auf jeden Fall sollte man sich die Zeit für eine ausführliche<br />
Reflexionsrunde im Team nehmen und wichtige<br />
Punkte <strong>–</strong> was war gut, was geht noch besser <strong>–</strong> so notieren,<br />
dass sie für Folgeprojekte nutzbar sind.<br />
Und wenn es Spaß gemacht hat und die selbstgesteckten<br />
Ziele weitgehend erreicht wurden, heißt es dann: Nach<br />
dem Projekt ist vor dem Projekt!<br />
„Wichtig ist, dass<br />
das Feeling und der<br />
Rahmen stimmene“<br />
How to do | 47
Grundlagen<br />
Die klassische Filmarbeit wird gegenwärtig durch die<br />
digitalen Möglichkeiten perfektioniert und professionalisiert:<br />
Durch die Verwendung des Computers als bilderzeugendes<br />
und gestaltendes Werkzeug verwischen<br />
die Grenzen zwischen Video- und Multimediaarbeit zunehmend.<br />
Für die Jugendarbeit sind die preisgünstigen<br />
digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten eine Chance, mit<br />
der Sprache der bewegten Bilder zukünftig noch mehr<br />
experimentieren zu können. Im Alltag von Jugendlichen<br />
sind bewegte Bilder wie Film, Video, Fernsehen nicht<br />
mehr weg zu denken und sind mit die bedeutsamsten<br />
Kommunikationsmittel der Gegenwart. Es ist eine<br />
Herausforderung an die Pädagogik, dass Jugendliche<br />
diese Medien nicht nur passiv konsumieren, sondern<br />
auch lernen, aktiv mit ihnen umzugehen.<br />
Eine gute Möglichkeit für die aktive Medienarbeit bietet<br />
die Produktion eines Musikvideoclips. Sie schafft neue<br />
Gelegenheiten des Selbstausdrucks, der Kreativität<br />
und kann verschiedene Urban-Culture-Sparten wie<br />
Klappe, die erste!<br />
Ein wichtiges Hilfsmittel bei der Filmproduktion ist die Klappe. Die<br />
einfachste Lösung für eine Klappe ist, zwei Holzklötze im Blickfeld<br />
der Kameras aufeinander zu schlagen. Für eine etwas professionellere<br />
Lösung montiert man zwei breitere Latten mit einem Scharnier dergestalt<br />
aneinander, dass sie knallend zusammengeschlagen werden<br />
können. An der oberen Latte befestigt man eine kleine Tafel (Pressspanplatte<br />
mit Schultafel-Beschichtung), auf der mit Kreide der Name<br />
der Szene und der „Take“ (=der wie vielte Durchgang einer Szene) eingezeichnet<br />
werden kann. Fertige Filmklappen kann man auch günstig<br />
kaufen, einfach mal „Filmklappe“ auf Google eingeben.<br />
Mittels der Klappe ist es möglich, den genauen Zeitpunkt des Zusammenschlagens<br />
mit dem „Klack“ der Holzklötze auf der Tonspur zu<br />
hören (und auch zu sehen, wenn das Schnittprogramm die Tonspur<br />
als Wellenform darstellen kann) und den Schlag auf der Bildspur zu<br />
sehen. Diese Methode erleichtert insbesondere bei der Aufnahme mit<br />
mehreren Kameras die Synchronisation von Szenen.<br />
48 | Musikvideos selbstgedreht<br />
Musikvideos selbstgedreht<br />
Lisette Reuter<br />
Musik, Tanz und VJing in ein gemeinsames Endprodukt<br />
zusammenbringen. Musikvideoclips vereinen präsentative<br />
Ausdrucksformen wie Bilder, Körpersprache, Musik und<br />
Tanz, und kommen dadurch auch Jugendlichen entgegen,<br />
die Schwierigkeiten mit der deutschen Schriftsprache<br />
haben. Da die Produktion eines Musikvideoclips<br />
nur im Team zu bewerkstelligen ist, können sich die<br />
Jugendlichen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten<br />
auf vielfältige Weise einbringen: Angefangen von den<br />
Musikern, deren Song im Mittelpunkt des Clips steht,<br />
über die Entwicklung einer Geschichte für den Clip, die<br />
Ausgestaltung der Szenen, die Maske, Erstellung der<br />
Requisiten, Kameraarbeit, Regie und Licht bis hin zum<br />
finalen Schnitt auf die Musik. Wenn es der Projektleitung<br />
gelingt, gute Rahmenbedingungen für die Verknüpfung<br />
dieser Bereiche zu schaffen, geschieht soziales Lernen<br />
und Kooperation wird trainiert.<br />
Musikvideoclips sind Kurzfilme, die ein bestimmtes<br />
Lied bildlich untermalen. Musikvideos zeichnen sich<br />
meist durch markante Bilder und schnelle Schnitte aus.<br />
Kategorien von Musikvideoclips:<br />
<strong>–</strong> Schwerpunkt auf der Darstellung der MusikerInnen,<br />
z.B. durch Integration von Konzertaufnahmen oder<br />
Bildern aus dem Tonstudio<br />
<strong>–</strong> Schwerpunkt liegt bei der Darstellung einer Geschichte,<br />
die sich meist am Text des Liedes orientiert<br />
<strong>–</strong> Mischformen der beiden genannten Punkte<br />
<strong>–</strong> Weitere spezielle Formen wie zum Beispiel Animationen<br />
oder abstrakte Bilder zur Musik<br />
Das Genre „Musikvideoclip“ lässt mehr Freiräume als<br />
viele andere Genres. Es kann interessant und wirkungsvoll<br />
sein, ungewöhnliche Kameraperspektiven, Lichteinstellungen<br />
und Spezialeffekte auszuprobieren.<br />
Planung und Durchführung eines<br />
Musikvideoprojekts<br />
Eine gute Planung ist die Vorraussetzung für ein erfolgreiches<br />
Musikvideoclip-Projekt. Vor der Realisierung<br />
eines Videoclips sollte die zu vermittelnde Information,<br />
die Botschaft, klar definiert werden. Zur Hilfestellung<br />
kann man sich mit dem gesamten Produktionsteam
zum Beispiel die folgenden Fragen stellen:<br />
<strong>–</strong> Wo wird der Musikvideoclip gezeigt, wer ist das Ziel-<br />
publikum?<br />
<strong>–</strong> Was oder wen wollen wir präsentieren?<br />
<strong>–</strong> Was soll unsere Message sein, was wollen wir<br />
vermitteln?<br />
<strong>–</strong> Welche Szenen sollen an welchen Orten spielen?<br />
<strong>–</strong> Wie viel Zeit wird ca. an den einzelnen Drehorten<br />
benötigt?<br />
<strong>–</strong> Wie sind die Lichtverhältnisse an den Drehorten?<br />
<strong>–</strong> Was brauchen wir für Requisiten und Statisten?<br />
Die exakte Vorbereitung eines Musikvideoclips entscheidet<br />
bereits über den Erfolg des Projekts. Es ist hilfreich, sich<br />
an eine bestimmte Reihenfolge der Abläufe zu halten.<br />
Hauptschritte bei der Planung und Durchführung sind:<br />
1. Tonaufnahme<br />
Es ist besonders wichtig, dass vor Beginn der eigentlichen<br />
Videoclipproduktion der zugrunde liegende Song<br />
in einer guten Qualität vorliegt. Alle Gesangsspuren<br />
müssen fertig eingesungen sein, sonst können die<br />
Mundbewegungen der SängerInnen und RapperInnen<br />
im Video nicht lippensynchron werden. Alle, die an der<br />
Produktion beteiligt sind, sollten den Song gut kennen.<br />
2. Treatment<br />
So nennt man die ersten Ideen zu einer Film- oder Video-<br />
clipproduktion. Beim Treatment sollte man die Handlung,<br />
die beteiligten Personen und die Drehorte grob<br />
skizzieren.<br />
3. Storyboard<br />
Im Storyboard wird die Handlung näher ausgearbeitet.<br />
Darsteller werden z.B. genauer charakterisiert, Handlungsorte<br />
festgelegt; das Produktionsteam wird zusammengestellt.<br />
4. Drehbuch<br />
Im Drehbuch werden die Einstellungen festgelegt und<br />
mit Perspektive, Bildausschnitt, Bewegung der Kamera,<br />
Bewegung der Darsteller beschrieben. Es empfiehlt<br />
sich, für jede Einstellung eine Skizze zu zeichnen, die<br />
den Kameraausschnitt und die handelnden Personen<br />
zeugt. Anhand des Drehbuches wird dann ein Drehplan<br />
erstellt, der festlegt, was an welchem Ort und in<br />
welcher Zeit abgedreht werden sollte.<br />
5. Der Dreh<br />
Für die Aufnahmen wird ein lautstarkes Wiedergabegerät<br />
(z.B. großer „Ghettoblaster“) benötigt, damit die Darsteller<br />
sich selbst gut hören und sauber lippensynchron<br />
zum Playback singen können. Eine gute Playback-<br />
Performance ist sehr wichtig, alle singenden/rappenden<br />
DarstellerInnen sollten ausführlich geübt haben und<br />
Texte präzise in der gleichen Rhythmik wie auf der<br />
Aufnahme singen/rappen können. Ansonsten hat man<br />
beim Schnitt große Schwierigkeiten bei der Synchronisation<br />
und es wirkt am Ende unprofessionell.<br />
Es ist oft günstig, jede Szene in kompletter Länge des<br />
Songs aufzunehmen; dadurch kriegt man visuelles Füllmaterial,<br />
und man muss pro Kamera nur einmal das eingespielte<br />
Material zur Musik synchron „schieben“. Jede<br />
einzelne Szene sollte aus unterschiedlichen Kamera-<br />
perspektiven aufgenommen werden. Wichtig ist eine<br />
Totale bis maximal halbnahe Einstellung und eine Nah-<br />
bis Detailaufnahme. Es ist empfehlenswert, mehrere<br />
Aufnahmen von einer Szene zu machen, so dass man<br />
später beim Schnitt die Besten auswählen kann.<br />
Generell beim Filmen <strong>–</strong> und damit natürlich auch bei<br />
Musikvideos <strong>–</strong> gilt: Man setze die Kamera im Normalfall<br />
wie eine Fotokamera ein, man wähle einen Bildausschnitt<br />
und behalte diesen bei. Schwenk, Zoom und<br />
Kamerafahrten sollten dezent und stets mit klarem Ziel<br />
(Ende des Schwenks/Zooms) eingesetzt werden, da sie<br />
nicht unserer physiologischen Wahrnehmung entsprechen.<br />
How to do | 49
50 | Musikvideos selbstgedreht<br />
6. Die Postproduktion<br />
Der eigentliche Musikvideoclip entsteht in der Post-<br />
produktionsphase, also beim Schnitt. Nachdem man das<br />
gesamte Material gesichtet hat, spielt man die besten<br />
Aufnahmen mit dem Schnittprogramm auf die Festplatte.<br />
Auch der Originalsong (fertig gemischte, am besten<br />
gemasterte Aufnahme) wird in das Schnittprogramm<br />
importiert. Dann legt man die einzelnen Aufnahmen im<br />
Schnittprogramm auf übereinanderliegende Spuren (bei<br />
Bedarf erzeugt man zusätzliche Spuren <strong>–</strong> die meisten<br />
Videoschnittsoftwares unterstützen das). Wichtig ist,<br />
dass man jetzt jede einzelne Spur mit dem Playback<br />
(Originalsong) synchronisiert. Dabei kommt es auf<br />
kleinste Verschiebungen an: ein „Frame“ (Einzelbild =<br />
kleinste Zeiteinheit; i.d.R. 1/25-tel Sekunde) zu weit nach<br />
links oder rechts, und die Synchronität des Bilds mit<br />
dem Playback ist dahin. Wenn eine Szene mit mehreren<br />
Kameras und Klappe aufgenommen wurde, können<br />
zunächst die Spuren dieser Szene an Hand der Klappe<br />
untereinander synchronisiert werden, und dann können<br />
diese Spuren als Gruppe mit der Tonspur synchronisiert<br />
werden (Klappensynchronisation ist einfacher als<br />
Synchronisierung nur nach Audiosignal).<br />
Wenn alle Videospuren zum Playback synchronisiert<br />
sind, können die O-Töne der Videospuren in der Regel<br />
gelöscht werden <strong>–</strong> man braucht sie meist nicht mehr,<br />
außer vielleicht für eine lustige Anfangs- oder Endszene.<br />
Anschließend werden die Bildsequenzen zum Song ausgewählt<br />
und der Rest wird weggeschnitten <strong>–</strong> man wählt die<br />
passenden Perspektiven, Einstellungen, Szenen usw. aus.<br />
Wichtig hierbei ist, dass man sich beim Bildschnitt dem<br />
Rhythmus des Songs anpasst. Am Ende kommt der kreative<br />
Part, visuelle Effekte können zum Clip hinzugefügt<br />
werden <strong>–</strong> dabei gilt: Effekte sind wie Gewürze, zu viele<br />
Effekte können das Video verderben.<br />
7. Die Präsentation<br />
Die Präsentation der Musikvideos ist ein wichtiger Faktor<br />
für die TeilnehmerInnen; eine öffentliche Präsentation<br />
in einem angemessenen Rahmen kann Motivation und<br />
Selbstwertgefühl der jungen Filmemacher enorm fördern.<br />
Wenn Jugendliche erfahren, dass es um sie selbst geht<br />
und dass sie nachher ein Produkt in den Händen halten,<br />
das sie vorzeigen können und auf das sie stolz sein<br />
können, dann ist der Grundstein gelegt für eine aktive<br />
gemeinschaftliche Teilnahme. Musikvideos können<br />
mittlerweile ohne großen Aufwand ins Internet gestellt<br />
werden, im Jugendzentrum kann das fertige Video im<br />
Rahmen eines Präsentationsabends mit einem eigenen<br />
oder geliehenen Beamer gezeigt werden.<br />
Literatur<br />
AnfAnG, G.: Videoarbeit. In: Hüther, J. und B. Schorb (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik. München 42005, S.<br />
401-414.<br />
Birke, Tom: Videoclips selbermachen. Praxis-Tips zum Erfolg; Ideen und Motive, Drehen, Schneiden und Präsentieren.<br />
Augsburg (Augustus-Verlag) 1996.<br />
neumAnn-BrAun, kLAus und LoThAr mikos: Videoclips und Musikfernsehen. Eine problemorientierte Kommentierung<br />
der aktuellen Forschungsliteratur. Schriftenreihe Medienforschung der LfM, Band 52, Berlin (Vistas) 2006.<br />
VieLmuTh, uLrich: Sieben goldene Grundregeln beim Filmen. Filmthemen, Kameraführung, Bilgestaltung. In: Ratgeber<br />
für Videofilmer. Tipps und Tricks vom Profi. <strong>Köln</strong> (Dumont Buchverlag) 1998, S. 86-137.<br />
www.lfm-nrw.de/downloads/summary-videoclips.pdf
Eine Videodokumentation sollte spannend, kurz und<br />
knapp, informativ und unterhaltsam sein. Gerade bei<br />
größeren Projekten mit Aktivitäten in mehreren Workshops<br />
bzw. an mehreren Orten sind Videodokumentationen<br />
ein wichtiges Element, da sie Schnittstellen zwischen<br />
allen angebotenen Aktivitäten bilden können, in denen<br />
sich jede/-r TeilnehmerIn wieder findet. Es macht großen<br />
Spaß, sich nach einem abgeschlossenen Projekt noch<br />
einmal eine Zusammenschau der Aktivitäten angucken<br />
zu können und sich selbst in Aktion zu sehen. Darüber<br />
hinaus bieten Videodokumentationen auch die Chance,<br />
Außenstehende in einer ansprechenden Art und Weise<br />
über das Projekt zu informieren und für Folgeprojekte<br />
zu werben.<br />
Grundlage einer guten Dokumentation ist eine strukturierte<br />
gemeinsame Planung. In Form eines Brainstormings<br />
können die Teilnehmenden überlegen, welche<br />
Themen und Aktivitäten filmisch abgedeckt werden sollen.<br />
Alle Elemente und Inhalte, die zum Thema passen,<br />
sollten aufgeschrieben werden. Man möchte dem<br />
Zuschauer eine Dramaturgie vermitteln, Zusammenhänge<br />
und Entwicklungen müssen deutlich werden,<br />
Überraschungen müssen für den Beobachter erkennbar<br />
sein.<br />
Es kann in der Praxis sinnvoll sein, verschiedene Gruppen<br />
zu bilden, die für die einzelnen zu dokumentierenden<br />
Gebiete zuständig sind. Zum Beispiel könnten die<br />
verschiedenen Workshops, das Gruppenleben, die<br />
Aufführung usw. in mehreren einzelnen Dokumentationen<br />
festgehalten werden.<br />
Bevor man anfängt, für die Dokumentation zu filmen,<br />
sollten alle TeilnehmerInnen mit dem Handling der<br />
Kamera vertraut sein und die Grundregeln der Filmsprache<br />
wie Einstellungsgrößen, Aufnahmeperspektiven und<br />
Licht/Beleuchtung erarbeitet und geübt haben.<br />
Der O-Ton<br />
Der Ton ist ein oft unterschätzter Faktor beim Filmen.<br />
Gerade Anfänger neigen dazu, den Ton zu vernachlässigen<br />
und den Fokus auf die Bildgestaltung zu legen.<br />
Doch eine gute Tonspur ist entscheidend dafür, wie die<br />
Qualität eines Films wahrgenommen wird; besonders<br />
Videodokumentation<br />
Lisette Reuter und Sascha Düx<br />
in Dokumentationen, wo oft wichtige Informationen<br />
über Sprache vermittelt werden. Auch die Atmosphäre<br />
im Film wird durch den Ton emotional unterstrichen.<br />
Deswegen ist es wichtig, O-Töne stets optimal aufzuzeichnen<br />
und den Ton immer wachsam zu kontrollieren.<br />
Hierzu sollte ein Mitglied des Filmteams stets mit<br />
geschlossenen Kopfhörern den Ton verfolgen und bei<br />
Störgeräuschen ggf. die Aufnahme abbrechen und<br />
wiederholen lassen.<br />
Wenn man Interviews aufnimmt, ist es besonders<br />
wichtig, dass man an einem ruhigen ungestörten Ort,<br />
ohne starke Hintergrundgeräusche (wie Verkehrslärm,<br />
Glocken, Schritte) dreht.<br />
Wichtig ist auch der Tonaufnahmemodus: Mini-DV-<br />
Camcorder haben in der Regel zwei verschiedene Modi:<br />
16bit und 12bit (32 kHz). Im 16bit-Modus wird nur eine<br />
Stereospur aufgezeichnet, im 12bit-Modus in der Regel<br />
zwei: Angeschlossene externe Mikros auf der ersten, das<br />
eingebaute Mikro der Kamera auf der zweiten. Hier muss<br />
man ggf. beim Einspielen der Bänder in den Schnitt-<br />
PC beachten, dass die richtige Tonspur überspielt<br />
wird (also z.B. das in der Hand gehaltene Interviewmikrofon<br />
How to do | 51
8<br />
Artikel<br />
Siehe<br />
„Weche Software für<br />
den Videoschnitt?“<br />
(Seite 54)<br />
52 | Videodokumentation<br />
und nicht das weit vom Interviewten entfernte<br />
Kameramikro).<br />
Falls man trotzdem qualitativ unzureichende O-Töne<br />
aufgenommen hat, kann man versuchen, diese mit Tonbearbeitungsprogrammen<br />
zu korrigieren. Dennoch gilt,<br />
wie auch bei Bildaufnahmen: Schlechtes Rohmaterial<br />
wird auch durch „Schönheitsoperationen an digitalen<br />
Konsolen“ nie an die Qualität guten Rohmaterials<br />
herankommen.<br />
Die Postproduktion<br />
Die Gestaltungsmöglichkeiten sind in der Produktion<br />
von Dokumentationen unerschöpflich: Grafiken,<br />
Animationen (z.B. Flash), Fotos, Texteinblendungen,<br />
Effekte, Tonbearbeitung können in der Postproduktion<br />
mit eingebunden werden. Hierbei sind Kreativität und<br />
originelle Einfälle gefragt, aber auch ein maßvoller<br />
Einsatz der digitalen Mittel. Je nach Kompetenzniveau,<br />
Motivation und Zeitbudget der Teilnehmenden sowie<br />
Ansprüchen an bzw. Verwendungsplänen für den fertigen<br />
Film muss entschieden werden, ob die Dokumentation<br />
von Jugendlichen unter Anleitung geschnitten werden<br />
soll oder ob ein Profi diese Aufgabe alleine übernimmt.<br />
In Zusammenhang damit sollte eine passende<br />
Schnittsoftware gewählt werden.<br />
Sinnvoll ist es, zuerst das gesamte Material genau zu<br />
sichten und danach einen Grobschnitt anzufertigen,<br />
also den filmischen chronologischen Verlauf und die<br />
geplanten Einstellungen in der richtigen Reihenfolge im<br />
Schnittfenster anzulegen. Erst wenn der Grobschnitt<br />
steht und die beabsichtigten Informationen vermittelt<br />
werden, sollte man sich der freieren Phase der Postproduktion<br />
zuwenden, in der die oben genannten<br />
Gestaltungsmöglichkeiten ihre Anwendung finden.<br />
Dabei gilt: Der harte Schnitt sollte die Regel sein, spezielle<br />
Überblendungen (weiches Überblenden etc.) sollten<br />
nur beim Szenenwechsel oder in speziellen Sequenzen<br />
als Effekt eingesetzt werden.<br />
Interessant können Splitscreen-Effekte sein (der Bildschirm<br />
wird in mehrere Regionen aufgeteilt, man sieht<br />
z.B. mehrere Aspekte einer Tanzchoreographie gleichzeitig),<br />
hierbei sollte man beachten, dass die Proportionen<br />
jedes Bildes erhalten bleiben (schon ein geringfügiges<br />
Strecken oder „quetschen“ in der Breite oder<br />
in der Höhe wirkt optisch befremdlich) und etwaige<br />
Abstände (z.B. schwarze Trennlinien) zwischen den einzelnen<br />
Bildregionen stets die gleiche Breite haben.<br />
Zum Abschluss sollte ein Titel und ein Abspann generiert<br />
werden. Im Abspann sollten alle Mitwirkenden vor und<br />
hinter der Kamera sowie alle Geldgeber genannt werden.<br />
Nachvertonung<br />
Ein wichtiger Aspekt der Postproduktion ist die Ton-<br />
bearbeitung. O-Töne können mit Effekten bearbeitet<br />
werden (z.B. kann eine verbesserte Sprachverständlichkeit<br />
durch maßvolle Absenkung der Bässe und<br />
Anhebung der Höhen erzielt werden). Wichtiger ist aber<br />
eine gute Abstimmung der Lautstärkepegel. Gute Videoschnittprogramme<br />
ermöglichen es, „Lautstärkekurven“<br />
einzuzeichnen und so z.B. leise Interviewpassagen<br />
gezielt anzuheben. Beachten sollte man auch, das<br />
Interviews, die in der Regel mit einem Mono-Mikrofon<br />
aufgezeichnet werden, in der Mitte des Stereobilds und<br />
nicht hart links oder hart rechts liegen.<br />
Eine zentrale Rolle bei der Vertonung spielt auch die<br />
Filmmusik, sie unterstreicht die gewünschte emotionale<br />
Wirkung und peppt die Dokumentation auf. Wenn die<br />
Dokumentation auf DVD oder im Internet veröffentlicht<br />
werden soll oder in offiziellem Rahmen öffentlich aufgeführt<br />
werden soll, empfiehlt es sich, mit GEMA-freier<br />
bzw. selbstproduzierter Musik zu arbeiten. Bei Musik<br />
„von CD“ entstehen Lizenz- und Rechtsfragen, es<br />
können hohe Kosten anfallen, sobald die Dokumentation<br />
veröffentlicht wird. 1<br />
Bei Dokumentationen wird man häufig mit einem<br />
nachträglich eingesprochenen Kommentar arbeiten,<br />
der die Bildinformationen ergänzt und unterstützt. Der<br />
Kommentartext kann Hintergründe und Zusammenhänge<br />
beschreiben und verdichtet somit die Informationen<br />
für den Zuschauer. Auch hier gilt: Weniger ist oft mehr.<br />
Außerdem sind gute SprecherInnen selten <strong>–</strong> gute Rapper-<br />
Innen oder SängerInnen haben häufig gute Sprechstimmen,<br />
können aber nicht unbedingt gut fremde Texte vorlesen.<br />
Wenn kein guter Sprecher gefunden werden kann, sollte<br />
man erwägen, ohne Off-Kommentar zu arbeiten und<br />
stattdessen vielleicht eher Kommentartexte (Untertitel/<br />
Zwischentitel) einblenden.<br />
Bei der Nachvertonung kann man bei Bedarf auch auf<br />
Geräusch-CDs zurückgreifen, die im Handel für wenig<br />
Geld erhältlich sind; unter www.musikarchiv-online.de<br />
gibt es Geräusche zum kostenlosen Dowload.
Export und DVD-Authoring<br />
Wenn der Film im Computer fertiggestellt worden ist,<br />
sollte er zunächst auf ein <strong>–</strong> vorzugsweise unbenutztes <strong>–</strong><br />
(Mini-)DV-Band ausgespielt werden, bei dem anschließend<br />
der Schreibschutz aktiviert wird. Dieses Masterband<br />
eignet sich auch für Vorführungen. Man sollte jedoch<br />
beachten, dass Mini-DV ein Format mit Tücken ist <strong>–</strong> es<br />
kommt gelegentlich zu Drop-Outs (kurzen „Aussetzern“<br />
auf einem Band, die Bild- oder Tonausfälle bewirken).<br />
Filme können darüber hinaus in verschiedenen<br />
Formaten als Datei exportiert werden; einige eignen sich<br />
speziell fürs Internet, andere zur Weiterverarbeitung<br />
auf DVD oder zur Archivierung und Präsentation auf<br />
dem eigenen PC. 2<br />
Eine Dokumentation kann, wenn sie rechtzeitig fertig<br />
ist, zu Projektende aufgeführt werden; oft wird die<br />
Postproduktionsphase aber länger dauern, so dass es<br />
z.B. erst beim Projekt-Nachtreffen zur Premiere kommt.<br />
Wenn das Budget es zulässt, kann für jede/-n Teil-<br />
nehmerIn eine DVD mit allen Videos aus dem Projekt<br />
kopiert werden. Es gibt mittlerweile recht preisgünstige<br />
Tintenstrahldrucker, mit denen spezielle Rohlinge<br />
bedruckt werden können. So können auch mit kleinem<br />
Budget professionell aussehende DVDs erstellt werden.<br />
Weitere Informationen<br />
BücheLe, fridheLm: Digitales Filmen. Einfach gute Videofilme<br />
drehen und nachbearbeiten. Bonn (Galileo Press)<br />
22005.<br />
roGGe, AxeL: Die Videoschnitt-Schule. Tipps und Tricks<br />
für spannendere und überzeugendere Filme. Bonn (Galileo<br />
Press) 2 2006.<br />
Slashcam Übungs-DVD: Digitales Filmen lernen per<br />
Punkte, die beim Filmen zu beachten sind<br />
» Weißabgleich (White Balance): regelt die Farbechtheit der Aufnahmen.<br />
Immer zu Beginn der Kameraaufnahmen und wenn sich die Lichtverhältnisse<br />
ändern, sollte ein Weißabgleich durchgeführt werden<br />
(die Kamera wird auf ein möglichst weißes Objekt, z.B. ein Blatt<br />
Papier, gerichtet und der White-Balance-Knopf gedrückt).<br />
» Stativ verwenden: Vor allem bei Tele-Aufnahmen kann niemand die<br />
Kamera wackelfrei halten. Handkamera wirkt oft unruhig und sollte<br />
nur wohldosiert eingesetzt werden.<br />
» Nicht zuviel schwenken: Das menschliche Auge „schwenkt“ in der<br />
Regel auch nicht, sondern es „springt“ von einem Betrachtungsschwerpunkt<br />
zum nächsten.<br />
» Nicht zuviel zoomen: Der Zoom an einer Kamera dient in erster Linie<br />
dazu, die Einstellungsgröße (den Bildausschnitt) zu wählen, sollte<br />
also schwerpunktmäßig vor dem eigentlichen Filmen und nur selten<br />
gezielt als Effekt beim Filmen eingesetzt werden.<br />
» Kamerafahrten: sind besser als das Zoomen, denn die Kamerafahrt<br />
entspricht unserem natürlichen Sehen. Man kann Skateboards,<br />
Rollstühle und Rollwagen dafür verwenden, sollte aber so vorsichtig<br />
vorgehen, dass weder Kamera noch Kameramann/-frau zu Schaden<br />
kommen.<br />
» Man sollte sich bemühen, dass man schon in der Planung eine<br />
Auswahl an Szenen, Momenten, Gestaltungselementen trifft, da<br />
zuviel Material zu Stress in der Postproduktionsphase (Schnitt)<br />
führt. Auch zuwenig Material kann Probleme verursachen <strong>–</strong> nichts ist<br />
ärgerlicher, als beim Schnitt festzustellen „hier fehlt noch etwas, da<br />
könnten wir dringend eine Aufnahme von XY gebrauchen“, und dann<br />
nicht nachdrehen zu können, weil z.B. das dokumentierte Projekt<br />
längst abgeschlossen ist. Das Verhältnis zwischen dem aufgenommenen<br />
Rohmaterial und der angestrebten Dauer des fertigen Films<br />
sollte sich im Bereich von 10:1 bis maximal 50:1 bewegen.<br />
» Zwischenbilder / Zwischenschnitte: Beim Schnitt braucht man oft<br />
Füllmaterial, um die Dokumentation interessant und spannend zu<br />
gestalten. Bei einem Interview können das z.B. Aufnahmen sein, die<br />
den Inhalt des Interviews visualisieren, oder Nahaufnahmen des<br />
zuhörenden Interviewers (wenn dieser gezeigt wird). Man sollte daher<br />
schon beim Filmen stets darauf achten, dass viele Details, athmosphärische<br />
Bilder etc. aufgenommen werden. Auch Aufnahmen des<br />
Orts der Handlung in der Totale sind oft hilfreich, um den Zuschauer<br />
ins Geschehen einzuführen.<br />
» Interviews: Es ist sinnvoll, die Interviewsituation wenn möglich zuvor<br />
„trocken“ mit allen Beteiligten zu üben, damit man beim eigentlichen<br />
Dreh sicherer vor und hinter der Kamera agieren kann. Man<br />
muss entscheiden, ob der Interviewer mit im Bild sein oder aus dem<br />
Off agieren soll. Der Interviewer sollte stets offene Fragen stellen, die<br />
zu interessanten Antworten einladen. Wenn man mit Off-Interviewer<br />
arbeitet und beabsichtigt, die Fragen nachher herauszuschneiden,<br />
sollte der Interviewte angewiesen werden, seine Antworten so zu<br />
formulieren, dass sie auch ohne die Frage verständlich sind. Dem<br />
Interviewten sollte eine Blickrichtung vorgeschlagen werden.<br />
» Wenn ein Videoband voll ist bzw. die Aufnahmen abgeschlossen sind,<br />
sollte der Schreibschutz aktiviert werden, damit nicht versehentlich<br />
jemand die Aufnahmen überspielt. Außerdem sollte jedes Band dringend<br />
eindeutig beschriftet werden, sonst kommt man beim Schnitt in<br />
Teufels Küche. Nach den Aufnahmen sollten alle Bänder gemeinsam<br />
an einem sicheren Ort gelagert werden.<br />
DVD: Kameraführung, Technik, Bildausschnitt, Licht,<br />
Ton. Bonn (Galileo Press) 2004.<br />
www.slashcam.de und www.wikipedia.de<br />
1 Informationen hierzu gibt es unter www.gema.de<br />
2 siehe Artikel „Im Dschungel der Formate“ auf der beiliegenden<br />
DVD<br />
How to do | 53
Welche Software für den Videoschnitt?<br />
Es gibt inzwischen eine unüberschaubare Anzahl an Videoschnittsoftware.<br />
Hier ein Überblick über einige der wichtigsten Programme<br />
mit Preisen (Stand März 2007):<br />
» Windows Movie Maker: Einfaches kostenfreies Einsteiger-Schnittprogramm,<br />
das den meisten Windows-Versionen beiliegt. Export nur<br />
im WMV-Format, kann keine DVDs erstellen. Eine Videospur, daher<br />
für Musikvideos ziemlich ungeeignet.<br />
» iMovie HD 6: Das Apple-Gegenstück zum Windows Movie Maker:<br />
besseres Design, einfacher bedienbar, HD-fähig, kostenfrei, nur für<br />
Mac. Nur eine Videospur. Gute Audiofunktionen (z.B. Audiokommentare<br />
zum Bild aufnehmen).<br />
» AVID Free DV: kostenfreie Version der führenden professionellen<br />
Videoschnittsoftware AVID. Schwierig zu lernen, aber praktisch für<br />
Jugendliche mit Profi-Ambitionen im Videobereich. Import von<br />
Videos nur über DV-Eingang, Export auf DV-Band oder als Quicktime-Datei.<br />
Läuft auf PC und Mac. Free DV-Projekte können nicht<br />
in den AVID-Profiversionen weiterbearbeitet werden. Kein HD,<br />
nur 2 Videospuren.<br />
» Pinnacle Studio 10.7: Sehr einfach bedienbares Schnittprogramm<br />
für Windows-PCs. Effekte wie Chroma Key (Bluescreen), HD-fähig,<br />
DVD Erstellung, MPEG2- und Realmedia-Export möglich. Gutes<br />
preisgünstiges Einsteigerprogramm (ca. 40 Euro), für Dokus und<br />
Spielfilme geeignet, für Musikvideos weniger (nur 2 Videospuren).<br />
» MAGIX Video deluxe 2007: Fast alle MAGIX-Produkte (Music Maker<br />
etc.) haben auch Videoschnittfunktionen; speziell für Videoschnitt<br />
ausgelegt ist Video deluxe (ca. 50 Euro, Plus-Version 100 Euro). Ideale<br />
Einsteiger-Software für Musikvideoproduktion dank vieler Videospuren,<br />
zahlreicher Effekte (auch Splitscreen) und guter Audiointegration.<br />
HD-tauglich, Import/Export zahlreicher Formate<br />
(u.a. Realmedia), DVD-Erstellung<br />
» Adobe Premiere Pro 2.0: Eins der führenden PC-Profiprogramme.<br />
Nicht ganz leicht zu erlernen. Unterstützt zahlreiche Formate<br />
(HD, Real und MPEG Export). Kostet gut 1000 Euro, mit etwas<br />
Glück kann man aber für ca. 500 Euro eine ältere Version und das<br />
Update auf Premiere Pro 2.0 erwerben. Das abgespeckte Einsteigerprogramm<br />
Adobe Premiere Elements 3.0 kostet gut 100 Euro, kann<br />
DVDs erstellen, unterstützt HD und bietet bis zu 99 Videospuren,<br />
aber keinen Realmedia-Export. Alle Videos im Projekt <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />
Cologne 2005/2006 wurden mit Premiere Pro geschnitten.<br />
» Sony Vegas 7.0: Ernst zu nehmender Konkurrent für Adobe Premiere<br />
Pro. Preisgünstiger und leichter zu bedienen bei vergleichbarer Funktionalität.<br />
Für ca. 600 Euro (Schulversion 450 Euro) bekommt man<br />
das „Vegas+DVD“ Paket, das die professionelle DVD-Authoringsoftware<br />
„DVD Architect“ enthält.<br />
» Adobe After Effects: Compositing-Programm, dass in erster Linie für<br />
die Produktion von Animationen und Trailern konzipiert ist. Eignet<br />
sich auch gut zur Erstellung von Videoloops, die beim VJing verwendet<br />
werden. Die Standardversion kostet gut 900 Euro, die Pro-<br />
Version rund 1500 Euro, als Schulversion ca. 600 Euro.<br />
» Final Cut: Die Mac-Profisoftware. Die abgespeckte Version Final Cut<br />
Express HD (knapp 300 Euro) bietet bereits 99 Videospuren, HD und<br />
eine professionelle Effektpalette, aber keine eingebaute DVD-<br />
Erstellung (Export nur auf DV-Band oder als Quicktime). Die Vollversion<br />
Final Cut Pro 5 gibt es nur gebündelt im Final Cut Studio<br />
Paket (enthält auch DVD Studio Pro 4), das kaum Wünsche offen<br />
lässt, aber auch satte 1300 Euro kostet.<br />
» AVID Xpress Pro HD 5.6: Das Universalgenie <strong>–</strong> läuft auf Mac und PC,<br />
kann fast alles (außer Einsteigern das Leben zu erleichtern), unterstützt<br />
zahlreiche Formate (DVD-Erstellung nur auf PC) und ist<br />
kompatibel mit den großen AVID-Composer-Systemen, die in Profistudios<br />
sehr verbreitet sind. Kostet ca. 1800 Euro, die Schulversion<br />
ist aber mit rund 250 Euro sehr günstig.<br />
54 | Bluescreen | VJing<br />
Bluescreen<br />
Kerstin Venne<br />
Die Bluescreen-Technik ist ein Verfahren, das im Film-<br />
und Fernsehbereich genutzt wird, um Personen nachträglich<br />
mit einem Hintergrundbild <strong>–</strong> z.B. einer realen<br />
Videoaufnahme oder einer Computergrafik <strong>–</strong> zu kombinieren.<br />
Für die Jugendmedienarbeit bietet das Bluescreen-<br />
Verfahren einen großen Handlungsspielraum. Mit Hilfe<br />
einfacher Mittel können beeindruckende Ergebnisse<br />
erzielt werden. So ist es mit entsprechendem Videomaterial<br />
möglich, Menschen fliegen zu lassen oder sie in<br />
die verrücktesten Umgebungen zu setzen. Insbesondere<br />
im Bereich der Musikvideoproduktion können Jugendliche<br />
ihren Phantasien freien Lauf lassen. Selbst kreierte<br />
Grafiken oder Videoeffekte lassen sich ebenso als Hintergrund<br />
verwenden wie eigene Videoaufnahmen.<br />
So funktionierts: Personen oder Gegenstände werden<br />
vor einem einfarbigen <strong>–</strong> in der Regel blauen oder grünen<br />
<strong>–</strong> Hintergrund aufgenommen. Durch einen bestimmten<br />
Effekt, genannt „Keying“ bzw. „Chroma Key“, kann in<br />
der Nachbearbeitung der einfarbige Hintergrund durch<br />
andere Video- oder Grafiksequenzen ersetzt werden.<br />
Die meisten aktuellen Videoschnittsoftwares der Preisklasse<br />
ab 100 Euro haben eine „Keying“-Funktion.<br />
Für die Umsetzung des Bluescreen-Verfahrens braucht<br />
man eine Videokamera, einen möglichst gleichmäßig<br />
einfarbigen Hintergrund (keine Schatten oder Falten)<br />
und zwei Lampen, um den Hintergrund gleichmäßig<br />
auszuleuchten. Und natürlich eine Schnittsoftware.<br />
Es ist also kein teures Profiequipment erforderlich.<br />
Der Hintergrund muss nicht unbedingt blau oder grün<br />
sein. Diese Farben haben sich aber als besonders geeignet<br />
herausgestellt, da sie einen guten Kontrast zur Hautfarbe<br />
bilden. Um ein gutes Ergebnis zu erzielen, darf es keine<br />
farblichen Überschneidungen zwischen dem Vordergrundobjekt<br />
und dem Hintergrund geben: Bei blauem<br />
Hintergrund sind blaue T-Shirts tabu!
VJing<br />
Marcel Panne<br />
Der Begriff VJ<br />
(Video Jockey) ist abgeleitet worden vom DJ (Disk Jockey):<br />
Während der DJ Platten ineinander mischt, generiert<br />
ein VJ live zur Musik Videos. Wenn man sich die Arbeitsweise<br />
und das Equipment eines VJ anschaut, wird<br />
man schnell feststellen, das die Arbeit eines VJs eher mit<br />
der eines Live-Elektronik-Musikers als mit der eines DJs<br />
zu vergleichen ist. VJing ist sehr vielschichtig, man muss<br />
sich mit Computer/Software, Hardware (Mischpulte,<br />
Effektgeräte), Raumgestaltung und vor allem dem Produzieren<br />
von Inhalten beschäftigen.<br />
Kerstin Venne<br />
Jahrgang 1979, studiert<br />
Erziehungswissenschaften<br />
mit den Schwerpunkten<br />
Medienpädagogik, interkulturelle<br />
Bildung und Kulturarbeit<br />
an der Universität<br />
Bielefeld. Im Rahmen ihres<br />
Studiums absolvierte sie verschiedene<br />
Praktika im medienpädagogischen<br />
Bereich<br />
und ist als Honorarkraft in<br />
unterschiedliche Kinder-<br />
und Jugendmedienprojekte<br />
eingebunden, u. a. im <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong>. Darüber<br />
hinaus kann sie auf einen<br />
umfangreichen Erfahrungsschatz<br />
aus ihrer abgeschlossenen<br />
Berufsausbildung zur<br />
Mediengestalterin Bild und<br />
Ton zurückgreifen.<br />
Kontakt:<br />
kerstin.venne@t-online.de<br />
Marcel Panne<br />
a.k.a. VJ Sehvermögen<br />
Jahrgang 1973, kommt ursprünglich aus der<br />
Foto-grafie, hat sich längere Zeit mit Theater,<br />
Film und Fernsehen beschäftigt, bis er dann vor<br />
ca. 10 Jahren als einer der ersten VJs den Schritt<br />
in die Selbständigkeit gewagt hat. Seitdem hat er<br />
unzählige Veranstaltungen bestritten, von der<br />
offiziellen Party zur Euro-Einführung bis zum<br />
Global Leadership Treffen von Siemens, aber auch<br />
als VJ bei Lesungen der Lit.Cologne, bei Theaterstücken<br />
und natürlich auf Partys. Sein Style ist<br />
geprägt von Film, der mit Texten und Grafiken<br />
überlagert wird, seine VJ-Sets sind narrativ und<br />
nehmen häufig Bezug zu aktuellem Geschehen,<br />
sei es der Konflikt in Nahost oder die Fussballweltmeisterschaft.<br />
Er produziert seine Inhalte mit<br />
Programmen wie Premiere, Photoshop, Flash und<br />
After Effects, aber auch analog mit dem Fairlight<br />
CVI Videosynthesizer.<br />
Kontakt:<br />
Fon: 0221/2824226<br />
www.sehvermoegen.de<br />
info@sehvermoegen.de<br />
Inhalte<br />
Die Inhalte können je nach Interesse verschieden ausfallen:<br />
So ist es möglich mit Foto, Video, Grafik, 3D,<br />
Text/Typo, computergenerierten Effekten zu arbeiten,<br />
und all diese Elemente lassen sich natürlich auch<br />
untereinander mischen. Wichtig ist stets, dass die<br />
Inhalte zum Anlass passen <strong>–</strong> und Anlässe gibt es inzwischen<br />
sehr verschiedene. VJs sind längst nicht mehr nur im<br />
Club zu finden, sondern auf fast jedem Event vertreten:<br />
Messen, Präsentationen, Konzerte, Mode, Kultur und<br />
Theaterveranstaltungen werden durch VJs visuell mitgestaltet.<br />
Um einen VJ-Workshop erfolgreich durchzuführen,<br />
braucht man leistungsstarke Computer mit den entsprechenden<br />
Programmen: erstens zum Vorproduzieren<br />
der Inhalte, zweitens für das visuelle Mischen in Echtzeit.<br />
Dazu digitale Foto-/Videokameras und natürlich<br />
mindestens einen Video-Projektor (Beamer).<br />
Spannender als nur am Computer zu mischen wird es mit<br />
Video-Mischpulten und -Effektgeräten; dann können<br />
auch Video-DVDs als Bildquellen eingebunden werden.<br />
Es ist ratsam, in Gruppen an einem konkreten Projekt<br />
zu arbeiten, damit sich die Teilnehmer gegenseitig<br />
helfen können und gemeinsam Ideen entwickeln, aber<br />
auch jeder Einzelne seine Stärken mit einbringen kann.<br />
VJ Equipment<br />
Software zur Erstellung von Inhalten (Rohmaterial):<br />
Adobe Premiere, Adobe After Effects, Adobe Photoshop,<br />
Flash, Swift 3d, Cinema 4d.<br />
Software für Präsentation/Live Mixing:<br />
<strong>–</strong> Mac: Modul8 2.5, Vidvox VDMX5, Flomotion 2.5.<br />
<strong>–</strong> PC: Resolume, ArKaos, Flomotion 2.5, Motion Dive.<br />
Hardware: Videomischpult (Edirol V4), Effektgerät (Korg<br />
Kaoss Pad Entrancer), DVD-Player, DV-Camcorder,<br />
Digitale Fotokamera<br />
How to do | 55
Ressourcen<br />
Um einen Breakdance-Workshop durchführen zu können,<br />
braucht man hauptsächlich einen geeigneten Boden,<br />
genügend Platz für alle Teilnehmer und eine Musikanlage <strong>–</strong><br />
das sind die wichtigsten Komponenten.<br />
Der Boden sollte eben und glatt sein, um die akrobatischen<br />
Elemente gut ausführen zu können. Gut geeignet<br />
dafür sind z.B. PVC, Linoleum oder Gummiböden<br />
wie in Turnhallen. Diese Böden sind nicht zu hart und<br />
in der Regel auch für Rutschbewegungen geeignet. Auf<br />
diesen Böden lassen sich alle Bewegungen durchführen.<br />
Damit man diverse akrobatische Elemente mit möglichst<br />
geringem Verletzungsrisiko erlernen kann sind<br />
Hilfsmittel wie z.B. Judomatten sehr von Vorteil. Diese<br />
Matten dämpfen gut und haben genügend Dicke, sind<br />
aber nicht zu weich und lassen auch Rutschbewegungen<br />
zu. Turnermatten sind zwar für die Erlernung von Überschlägen<br />
und Saltos geeignet, lassen aber kaum Breakdance-typische<br />
Bewegungen zu, da sie dafür zu weich<br />
und nicht rutschig genug sind. Yoga- und Gymnastikmatten<br />
sind zu dünn, um wirklich etwas abhalten zu<br />
können.<br />
56 | B-boying/Breakdance-Workshops<br />
B-boying/Breakdance-Workshops<br />
Youngung Sebastian Kim (Jaekwon)<br />
Um choreographische, tänzerische Elemente gut einstudieren<br />
zu können, braucht man eine ausreichend große<br />
Spiegelwand. Für diverse Freeze-Figuren ist es auch von<br />
Vorteil, wenn man eine spiegelfreie feste Wand zum<br />
Erlernen mit einbeziehen kann, an der die Schüler z.B.im<br />
Handstand auch die Füße an der Wand absetzen dürfen.<br />
Teilnehmer<br />
Für die Kleidung der Teilnehmer gibt es keine zwingenden<br />
Vorschriften. Die Hauptsache ist, dass die<br />
Teilnehmer sich wohl fühlen und frei bewegen können.<br />
Legere Freizeit-Kleidung bzw. Sportkleidung und Turnschuhe<br />
eignen sich am besten dazu. Um blaue Flecken<br />
weitestgehend zu vermeiden, kann man Knie- und<br />
Ellbogenschoner (z.B. Volleyballschoner) benutzen; das<br />
ist aber nicht unbedingt notwendig. Auch eine Baumwollmütze<br />
oder Schweißbänder kann man mitbringen,<br />
wenn man Kopfstand-Elemente oder andere Rutschfiguren<br />
erlernen will. Aber auch das ist optional und für<br />
Anfänger meist eher irrelevant.<br />
Da die Bewegungen im Breakdance komplex sind und ein<br />
hohes Maß an Koordination, Gleichgewicht, Kraft und<br />
Beweglichkeit erfordern, ist das Lerntempo der Teilnehmer<br />
sehr unterschiedlich und erfordert zwischendurch<br />
immer wieder auch individuelle Betreuung seitens des<br />
Dozenten. Daher ist es von Vorteil, wenn man die Gruppen<br />
auf ca. 10 Teilnehmer pro Dozent beschränkt, um einen<br />
möglichst großen Lernerfolg zu haben. Natürlich ist<br />
es auch möglich, größere Gruppen zu unterrichten,<br />
jedoch sinken damit die individuelle Betreuungsmöglichkeit<br />
und das Lerntempo der Gruppe. Eine möglichst<br />
lernhomogene Gruppe erleichtert den Unterricht.<br />
Unterricht<br />
Die Unterrichtsstruktur hängt von der Zielsetzung des<br />
Unterrichts und dem Leistungsstand der Teilnehmer<br />
ab.<br />
Am Anfang des Unterrichts sollte der Dozent ein Aufwärmprogramm<br />
mit den Teilnehmern durchführen.<br />
Dies kann durch Vermittlung einer Toprock-Choreographie<br />
geschehen, mit der die Teilnehmer sich warm<br />
tanzen, durch Lockerungsübungen oder Spiele.
Anschließend sollten sich die Teilnehmer allerdings<br />
unbedingt dehnen, nicht nur zur Aufwärmung, sondern<br />
auch zur Verletzungsprävention. Zudem erfordern viele<br />
Bewegungen eine gewisse Grunddehnung, von daher ist<br />
Stretching im B-Boying unverzichtbar.<br />
Geht es um einen Anfängerkurs, so ist die Vermittlung<br />
von einem möglichst breiten Spektrum des Breakdance<br />
mit Basisbewegungen aus den verschiedenen Sparten<br />
anzustreben:<br />
<strong>–</strong> Toprock/Uprock: Tanz im Stand,<br />
<strong>–</strong> Downrock/Footwork: Schritte am Boden,<br />
<strong>–</strong> Powermoves: Akrobatik,<br />
<strong>–</strong> und Freezes: Figuren.<br />
Werden Fortgeschrittene unterrichtet, so haben die<br />
Teilnehmer meist schon gewisse Präferenzen bzw.<br />
Bewegungen, an welchen sie gerade arbeiten. Es gibt in<br />
der Regel auch Unterschiede im Move-Repertoire der<br />
Teilnehmer. Die Techniken werden komplexer. In diesem<br />
Fall ist eine individuellere Betreuung angesagt.<br />
Ist der Unterrichtet zeitlich befristet, etwa wie bei<br />
einem Workshop (im Gegensatz zu einem unbefristeten<br />
bzw. über einen längeren Zeitraum laufenden Kurs), ist<br />
es eine gute Möglichkeit der Vermittlung, erst einzelne<br />
Elemente aus den jeweiligen Sparten vorzustellen und<br />
diese dann zu einer Choreographie zu verbinden. So<br />
haben die Teilnehmer nicht nur unverbundene Elemente,<br />
sondern eine komplette Sequenz, mit der sie auch<br />
etwas anfangen können; sie lernen somit möglichst viel<br />
in kurzer Zeit.<br />
Über die einzelnen Techniken hinaus sollte der Dozent<br />
den Teilnehmern auch die Terminologie (korrekte<br />
Bezeichnung der unterrichteten Moves) sowie Auszüge<br />
aus der Geschichte des B-Boying vermitteln. Besonders<br />
betonen sollte der Dozent den Umstand, dass Breakdance<br />
nicht nur aus spektakulärer Akrobatik besteht,<br />
sondern eine Kombination aus Akrobatik und Tanz<br />
ist. Der tänzerische Aspekt sollte also nicht zu kurz<br />
kommen. Ziel ist es, die erlernten Bewegungen später<br />
im Takt der Musik ausführen zu können.<br />
Wenn genügend Zeit vorhanden ist und mehr Elemente<br />
unterrichtet werden konnten, kann der Dozent die<br />
Teilnehmer aus den vermittelten Elementen eine jeweils<br />
eigene Choreografie erstellen lassen; denn im B-Boying<br />
geht es nicht zuletzt auch darum, einen möglichst individuellen<br />
und originellen eigenen Stil zu finden.<br />
Am Ende des Unterrichts kann der Dozent die Teilnehmer<br />
im Kreis versammeln und den Inhalt der Stunde wieder-<br />
holen. Da die komplexeren Bewegungen nicht an einem<br />
Tag erlernt werden können, ist es wichtig, den Teilnehmern<br />
Vorübungen und Hilfestellungen mitzugeben, damit sie<br />
in der Lage sind, selbstständig weiter zu üben. Sind die<br />
Teilnehmer schon etwas fortgeschrittener, haben sie<br />
sich ein gewisses Repertoire angeeignet und sind sie<br />
sicherer in ihren Bewegungen, kann man als Abschluss<br />
auch einen Kreis bilden, in dem jeder Teilnehmer die vom<br />
Dozenten erlernte oder eigens kreierte Choreografie vor<br />
den anderen vortanzt. Anschließend kann der Dozent<br />
noch Dehnübungen mit der Gruppe durchführen, um<br />
den Unterricht ausklingen zu lassen und möglichem<br />
Muskelkater vorzubeugen.<br />
Youngung Sebastian Kim<br />
a.k.a. Jaekwon<br />
Jahrgang 1983, studiert an der Sporthochschule<br />
<strong>Köln</strong>. Seit 2003 gibt er Tanzunterricht sowie<br />
Akrobatik-Workshops, 2006 war er Fachdozent<br />
auf der INTAKO (weltweit größter Tanzlehrer-<br />
Kongress). Durch erfolgreiche Teilnahme an<br />
Breakdance-Wettbewerben wie dem Battle of the<br />
Year (Deutscher Vizemeister 2004 und 2006), IDO<br />
Dutch Open (Sieger 2005 und 2006), TAF Europa-<br />
meisterschaft in Österreich (Sieger 2005) und<br />
der ADTV Weltmeisterschaft Bremen (3. Platz<br />
2005) etablierte er sich als B-boy „Jaekwon“. Er ist<br />
Mitorganisator der Veranstaltung „Break de<br />
Cologne“.<br />
Kontakt:<br />
Youngung Sebastian Kim / Jaekwon<br />
jkfresh83@gmx.de<br />
How to do | 57
Breakdance- und Streetdanceworkshops<br />
Jannina Alexa Gall<br />
Tanz löst bei vielen Kindern und Jugendlichen Begeisterung<br />
aus; mit Tanzstilen wie Breakdance, Streetdance<br />
und Pop identifizieren sie sich aufgrund ihrer Interessen<br />
und jugendkulturellen Einbindung oft stärker als mit<br />
klassischen Stilen. Worauf sollte man bei der Wahl der<br />
Workshops und der Trainer achten?<br />
Zunächst sollten Tanzstil und Zielgruppe definiert werden.<br />
Breakdance, das tänzerische Element der HipHop-<br />
Kultur, ist mit seinen akrobatischen Formen am Boden<br />
besonders bei männlichen Jugendlichen sehr beliebt.<br />
Da die Bewegungen sehr komplex und akrobatisch,<br />
58 | Breakdance- und Streetdanceworkshops<br />
aber zugleich auch rhythmisch sind, dauert es einige<br />
Zeit, bis man gute Ergebnisse erzielen kann. Der Tanzstil<br />
ist sehr wettkampfbetont, bei „Battles“ (Tanzwettstreit<br />
ohne Körperkontakt) treten die Tänzer gegeneinander<br />
an. Kleine Verletzungen wie blaue Flecken oder Schrammen<br />
kommen beim Training schon mal vor. Weibliche<br />
Jugendliche sind oftmals zurückhaltender und werden<br />
vom Wettkampfcharakter dieses Tanzstils eher abgeschreckt.<br />
Trotzdem sollte man nicht dazu übergehen,<br />
Breakdance nur noch für Jungen anzubieten, denn es<br />
tauchen doch immer wieder Mädchen auf, die viel Spaß<br />
am Breakdance entwickeln.<br />
Im Gegensatz zum Breakdance gibt es noch einige<br />
urbane Tanzstile, die „auf den Beinen“ getanzt werden,<br />
z.B. Streetdance, Videoclipdance und Pop. Diese Tanzstile<br />
werden oft fälschlicherweise zusammenfassend als<br />
„HipHop Dance“ bezeichnet (HipHop ist eine Straßenkultur,<br />
nicht ein Tanzstil). Bei diesen Tanzstilen werden<br />
Tanzschritte zu Choreographien zusammengefügt und<br />
zu entsprechender Musik getanzt. Da diese Stile akrobatisch<br />
nicht so fordernd und schneller zu erlernen sind,<br />
sieht man schon nach kurzer Zeit tolle Ergebnisse. Diese<br />
Tanzstile wiederum begeistern mehrheitlich weibliche<br />
Jugendliche, doch auch mehr und mehr Jungen finden<br />
Gefallen an dieser Art von Tanz.<br />
Für alle genannten Tanzstile braucht man einen ebenen<br />
Boden, Schwungboden oder geschliffenes Parkett ohne<br />
Splitter sind ideal. Ungeeignet wegen Verletzungsgefahr<br />
sind Teppiche und Ballett-Teppichbelag. Ausreichend<br />
Raum <strong>–</strong> ca. 2-3 qm pro Person <strong>–</strong> sind zu empfehlen. Für die<br />
choreographischen Stile wie Streetdance und Pop etc.<br />
ist eine Spiegelwand sehr nützlich, aber nicht zwingend.
Eine Musikanlage und die passende Musik sind natürlich<br />
unverzichtbar!<br />
Da es in den Bereichen Breakdance und Streetdance<br />
bis heute keine offizielle Ausbildung gibt, sollte bei der<br />
Wahl von TrainerInnen in diesen Stilen eine tanzpädagogische<br />
Ausbildung kein vorrangiges Kriterium sein.<br />
Qualität und Stilechtheit findet man bei TänzerInnen<br />
aus Jugendzentren, Schulen oder Tanzschulen. Wobei<br />
hier auch gilt: Ein super Tänzer ist nicht immer ein guter<br />
Lehrer.<br />
Man sollte darauf achten, dass TrainerInnen gut vermitteln<br />
können sowie geduldig, freundlich, motivierend<br />
und zuverlässig sind. Auch sollten TrainerInnen in angemessener<br />
Kleidung auftreten: Enge Leggins und Ballettschläppchen<br />
deuten im Breakdance- und Streetdance-<br />
Bereich auf unqualifizierte Trainer hin, Turnschuhe und<br />
eher locker sitzende Kleidung (auch in Jeans wird oft<br />
getanzt) sind angebracht.<br />
Der Unterricht sollte eine gewisse Routine beinhalten.<br />
Beim Breakdance sollte es eine kurze Aufwärmphase<br />
geben, auf die dann verschiedene Phasen folgen, in denen<br />
verschiedene Bewegungen und Elemente erlernt werden.<br />
Nach den ersten Stunden trainieren die einzelnen Schüler<br />
dann unabhängig voneinander in individuellen Abläufen<br />
und Phasen. Der Trainer sollte in dieser Zeit für Fragen<br />
offen sein. Man sollte darauf achten, dass der Trainer<br />
sich in der Kurszeit voll auf die Schüler konzentriert und<br />
die Zeit nicht zum eigenen Training nutzt.<br />
Auch beim Streetdance sollte eine kurze Aufwärm- oder<br />
Lockerungsphase am Anfang stehen. Dann sollte eine<br />
vorbereitete Choreographie Schritt für Schritt einstudiert<br />
werden und immer wieder systematisch zur Musik<br />
geübt werden. Jede Stunde sollte etwas Neues dazukommen<br />
<strong>–</strong> wenn vier Wochen lang immer die gleichen acht<br />
Takte getanzt werden, dann ist das zu wenig. Schüler-<br />
Innen sollten die Chance bekommen, eigene Ideen<br />
einzubauen oder ein Stück selbst zu gestalten. Hier ist<br />
Unterstützung und ggf. Bearbeitung der Choreographie<br />
seitens des Trainers wichtig.<br />
Generell gilt: Kein Schüler sollte innerhalb einer Unterrichtstunde<br />
lange aussetzen müssen, möglichst häufig<br />
sollten alle Schüler miteinbezogen werden.<br />
Egal welcher Tanzstil, am Ende eines Kurses oder einer<br />
Workshop-Phase sollte es eine Aufführung geben. Auch<br />
bei Festen und Feiern bieten sich Aufführungen an. Die<br />
meisten SchülerInnen wollen zeigen, was sie gelernt haben.<br />
Ich wünsche allen viel Spaß!<br />
Jannina Alexa Gall<br />
Jahrgang 1976, arbeitet seit 2002 als Dozentin und<br />
Choreographin für Breakdance, Locking und verwandte<br />
Tanzstile (Streetdance, Reggaeton, Pop,<br />
House). Als Dozentin arbeitete sie u. a. im Hochschulsport<br />
der Uni <strong>Köln</strong> sowie in Kinder- und<br />
Jugendprojekten der Offenen Jazz Haus Schule<br />
<strong>Köln</strong> und des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s. Ihr Leben ist<br />
von HipHop geprägt, Vermittlung der Grundsätze<br />
des HipHop ist ihr stets ein Anliegen. Seit 2005<br />
lebt und arbeitet sie in Kolumbien, wo sie Mitglied<br />
in der Breakdance-Crew Bélicos ist. In Medellín<br />
leistet sie Pionierarbeit im Bereich Streetdance<br />
und bildet Profibreakdancer zu Dozenten aus.<br />
How to do | 59
8<br />
Artikel<br />
Siehe<br />
„Urban-Culture-<br />
Projekte des <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong>s“<br />
(Seite 19)<br />
60 | Musikworkshops<br />
Musikworkshops<br />
Sascha Düx<br />
Musikworkshops in Urban-Culture-Projekten können<br />
sich an verschiedene „Musikertypen“ wenden: Sänger,<br />
Rapperinnen, Instrumentalisten, DJs, Produzentinnen<br />
<strong>–</strong> auch wenn es häufig Überschneidungen gibt (z.B. Rapper,<br />
die auch eigene Beats produzieren), brauchen diese „Typen“<br />
je verschiedene Formen von Coaching. Bei der Projektplanung<br />
muss daher entschieden werden, wen ein Projekt<br />
ansprechen soll: Wird es ein reines Rap-Projekt, oder<br />
soll es auch Coaching für Sänger geben? Wird mit mitgebrachten<br />
Instrumentals (Beats) gearbeitet oder sollen<br />
die im Projekt selbst entstehen? Soll es einzelne Instrumente<br />
geben, die live zu programmierten Beats spielen, oder<br />
gar eine ganze Band?<br />
Ausgehend von diesen Entscheidungen sind dann die<br />
Workshops zu planen, die Ressourcen zu organisieren<br />
und die Referenten auszuwählen. Wenn es z.B. eine Band<br />
geben soll, braucht man genug junge Instrumentalisten<br />
(die sind je nach Zielgruppe nicht unbedingt leicht zu<br />
finden), die entsprechenden Instrumente (nicht jeder<br />
junge Schlagzeuger hat ein eigenes Drumset), einen<br />
Proberaum ohne lärmempfindliche Nachbarn und natürlich<br />
einen Bandcoach; wenn die Band auch Studioaufnahmen<br />
machen soll, stellt das deutlich höhere Anforderungen an<br />
Studioräume und -technik sowie an die Kompetenzen<br />
des „Toningenieurs“ als reine Gesangsaufnahmen.<br />
Von der Idee zur CD<br />
Als Projektleitung sollte man gemeinsam mit den<br />
Referenten und wenn möglich mit einigen potenziellen<br />
Teilnehmern einen „Reiseplan“ für den Workshop entwickeln:<br />
Wie sehen die Stationen der einzelnen TeilnehmerInnen<br />
aus, und wie passen sie ins Gesamtbild? Das Beispiel<br />
im Infokasten <strong>–</strong> angelehnt an unsere internationalen<br />
HipHop-Camps und <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Projektphasen <strong>–</strong><br />
zeigt einen möglichen Plan für eine sechstägige Ferien-<br />
Blockphase mit 15 bis 30 Teilnehmenden.<br />
Je nach Motivation, Reife und Lerntyp der Teilnehmenden<br />
kann mit eher offenen Formen gearbeitet werden<br />
<strong>–</strong> z.B. „es gibt verschiedene Räume mit verschiedenen<br />
Coaching-Angeboten im Haus, Kleingruppen arbeiten<br />
eigenverantwortlich an ihren Songs und nutzen diese<br />
Angebote“ <strong>–</strong> oder es kann nötig sein, detaillierte Stundenpläne<br />
zu erstellen: Gruppe A übt von 11-12 Uhr in Raum<br />
3, dann geht’s 12-13 Uhr zum Performancecoaching in
Raum 5, und nach dem Mittagessen ab ins Studio.<br />
Studiozeit ist ein chronisch knappes Gut <strong>–</strong> Aufnahmen<br />
dauern oft länger als erwartet, und gefühlte Ungerechtig-<br />
keiten bei der Studiozeit-Aufteilung führen schnell zu<br />
Missstimmungen in der Gruppe. Entlastung bringen<br />
hier mehrere Studios <strong>–</strong> wenn dafür genug Räume und<br />
Equipment vorhanden sind. Wichtig ist auch, dass der<br />
Referent im Studio nicht die Zeit aus dem Auge verliert,<br />
und lieber entscheidet: „Deine Strophe sitzt noch nicht<br />
<strong>–</strong> geh noch mal raus zum Üben“, als mit einem Sänger<br />
zig unbefriedigende Takes aufzunehmen.<br />
Musik hat viele Facetten, und so können auch Musikworkshops<br />
eine Vielzahl von Aspekten und Schwerpunkten<br />
haben. Einige der für Urban-Culture-Projekte<br />
wichtigsten sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.<br />
Warming-ups<br />
Gute Warming-ups aktivieren die Gruppe und erleichtern<br />
den Start in die Workshoparbeit. Es gibt hier eine große<br />
Bandbreite von musikalischen und außermusikalischen<br />
Methoden: Von Dehn- und Streckübungen über rhythmische<br />
Spiele (z.B. Rhythmen vor- und nachklatschen), von<br />
theaterpädagogischen Übungen (z.B. jeder stellt mit einer<br />
pantomimischen Geste dar, wie er sich gerade fühlt)<br />
bis hin zu tänzerischen Aktivitäten (z.B. „Soultrain“:<br />
Die Gruppe steht in zwei Reihen und macht einen Beat,<br />
nacheinander tanzen alle durch den Mittelgang). Wichtig<br />
ist, dass das Team über ein Methodenrepertoire verfügt<br />
und je nach Situation und Gruppe eine passende Methode<br />
auswählt; die AnleiterInnen sollten die Methode gut<br />
kennen und sie überzeugend vorstellen können. Es kann<br />
Sinn machen, mit Warming-ups in mehreren Phasen zu<br />
beginnen: Erst gemeinsame Übungen, dann machen die<br />
SängerInnen und die RapperInnen in getrennten Gruppen<br />
mit spezifischen Übungen weiter.<br />
Vocal- und Rapcoaching<br />
SängerInnen und RapperInnen arbeiten beide mit ihrer<br />
Stimme und mit Mikrofonen; es gibt daher viele<br />
Übungen, die mit beiden gemeinsam durchgeführt<br />
werden können: Atemtechnik, Aussprache/Sprach-<br />
verständlichkeit, Mikrofonhandling etc. <strong>–</strong> solche Übungen<br />
können Teil eines Warming-ups der Gruppe zu Beginn<br />
einer Arbeitsphase sein, oder auch je nach Bedarf<br />
individuell durchgeführt werden. Viele MCs haben keine<br />
Erfahrung mit Stimmbildung und können, wenn sie sich<br />
darauf einlassen, ihre stimmlichen Fähigkeiten stark<br />
verbessern (z.B. längere Bühnenauftritte durchhalten,<br />
ohne sich heiser zu brüllen).<br />
Es gibt auch etliche spezifische Übungen: So müssen<br />
SängerInnen ihre Intonation trainieren (also lernen, Töne<br />
präzise zu treffen <strong>–</strong> auch unter Bühnenbedingungen, wo<br />
man sich oft selbst schlecht hören kann), ihren Stimm-<br />
umfang ausloten und ggf. erweitern und ggf. mehrstimmig<br />
singen lernen. Vocal Coaches und Chorleiter aus dem<br />
Jazz/Popbereich haben meist ein großes Repertoire an<br />
entsprechenden Übungen.<br />
Während Gesangsunterricht eine uralte Tradition hat,<br />
gibt es noch kaum formalisierte Ausbildungen im Rapbereich.<br />
Übungen werden hier meist mündlich tradiert.<br />
Ein Beispiel von Rapcoach Nicola Hayden (Liverpool):<br />
Alle MCs bilden einen Cypher (Kreis). Einer beginnt und<br />
sagt eine Textzeile, der rechte Nachbar muss möglichst<br />
schnell eine Zeile improvisieren, die sich darauf reimt,<br />
Beispiel für einen Musikworkshop-Ablaufplan<br />
Tag 1:<br />
» Kennenlernen, Warming-up<br />
» Musikproduktionsworkshop entwickelt Beats, gleichzeitig Rap- und<br />
Vocalcoaching<br />
» Später parallel Fotosession mit allen: Gute Porträts für Projektwebsite<br />
& MySpace<br />
Tag 2:<br />
» Warming up; in kreativ-methodischem Prozess wird ein gemeinsames<br />
Thema gefunden<br />
» Rapper und Sänger bilden Kleingruppen; Musikproduktionsworkshop<br />
stellt Rohversionen der Beats vor; die Kleingruppen wählen je 2<br />
Beats aus<br />
» Kleingruppen entwickeln zum gemeinsamen Thema und zu den<br />
jeweils ausgewählten Beats eigene Texte und Melodien; Musikproduktionsworkshop<br />
perfektioniert die Beats<br />
Tag 3:<br />
» Warming up<br />
» Kleingruppen schreiben ihre Songs fertig; in Abstimmung mit den<br />
Musikproduzenten werden die Beats an die Songstrukturen<br />
angepasst<br />
» Kleingruppen üben ihre Songs; alle Texte müssen fehlerfrei auswendig<br />
sitzen; Rap- und Vocalcoaching (Sprachverständlichkeit, Intonation,<br />
Koordination mehrstimmiger Passagen); Musikproduzenten machen<br />
gut abgemischte Playback-CDs für alle<br />
» Beginn Studioaufnahmen; wer seine Songs am besten beherrscht<br />
fängt an<br />
Tag 4:<br />
» Studioaufnahmen mit allen Gruppen<br />
» Parallel drei weitere Stationen: Üben <strong>–</strong> Performancecoaching<br />
(Bühnenpräsenz) <strong>–</strong> Rap- und Vocalcoaching<br />
Tag 5:<br />
» Abschließende Studioaufnahmen<br />
» Generalprobe mit Feedback/Verbesserungsvorschlägen<br />
» Musikvideodreh<br />
Tag 6:<br />
» Warming up/Gemeinsame Einstimmung<br />
» Abschlusspräsentation/Auftritt<br />
» After Show Party<br />
DVD<br />
Einen guten Einblick<br />
in die verschiedenen<br />
Aspekte von Musikworkshops<br />
bieten<br />
die drei Projektdokumentationen<br />
auf<br />
beiliegender DVD<br />
How to do | 61
Software für Musikproduktion und Recording<br />
Aus der Fülle von Programmen seien hier einige vorgestellt:<br />
» eJay: Sehr preiswerte Programme für Anfänger <strong>–</strong> man baut aus vorgefertigten<br />
Loops (ein- oder mehrtaktige Musikhappen) ein Instrumental<br />
zusammen, dazu gibt’s rudimentäre Aufnahmefunktionen.<br />
(www.ejay.com)<br />
» MAGIX Musix Maker: Ähnlich wie eJay; in der Basisausstattung gibt es<br />
weniger Loops, dafür sind Aufnahme-Funktionen und Audio-Effekte<br />
viel ausgereifter <strong>–</strong> MAGIX hat die Profi-Software Samplitude aufgekauft<br />
und viele Profi-Funktionen in den preiswerten Music Maker<br />
integriert. Kostet ca. 50 Euro, die Deluxe-Version 100. (www.magix.de)<br />
» Reason: Virtueller Nachbau eines Musikproduktionsstudios: Synthesizer,<br />
Sampler, Rhythmusmaschine, Sequenzer, Mischpult <strong>–</strong> alles ist<br />
da. Recht intuitiv zu bedienen. Nur zum Produzieren von Beats<br />
geeignet, keine eigene Aufnahmefunktion; kann aber gut mit<br />
Programmen wie Cubase, Logic oder Live! kombiniert werden.<br />
Reason 3.0 ist ab 300 Euro erhältlich. (www.propellerheads.se)<br />
» Orion: Ähnlich wie Reason, kann aber in der Platinum-Version auch<br />
aufnehmen. Läuft nur auf PC. Orion Platinum 7 kostet ca. 200 Euro.<br />
(www.synapse-audio.com)<br />
» Logic: Eine der beiden großen, lange etablierten Profi-Musiksoftwares.<br />
Wird seit 2002 nur noch für Mac weiterentwickelt, es gibt für<br />
PC also nur veraltete Versionen. Sehr vielseitig (Produktion von Beats<br />
ist genauso möglich wie Aufnahme und Abmischung einer ganzen<br />
Band), hoher Preis (Logic Pro 7.2 kostet über 1000 Euro) und Lernaufwand.<br />
(www.apple.com/de/logic)<br />
» Cubase: Die andere große, etablierte Profi-Musiksoftware. Features<br />
und Lernaufwand sind mit Logic vergleichbar, der Preis etwas<br />
günstiger (knapp 800 Euro für Cubase 4, Schulversion ca. 400 Euro;<br />
knapp 400 Euro für die kleinere Version Cubase Studio 4, Schulversion<br />
gut 200 Euro). Läuft auf PC und Mac. Die Musik unserer internationalen<br />
HipHop-Camps wurde komplett mit Cubase und Reason<br />
produziert. (www.steinberg.de)<br />
» Samplitude: Ebenso wie Logic und Cubase ein Allround-Programm;<br />
im Bereich Musikproduktion schwächer als die Konkurrenz, beim<br />
Recording und Abmischen aber ganz vorne: Ideal für Band-Aufnahmen.<br />
Samplitude 9 Classic kostet gut 500, die Professional-Version<br />
gut 1000 Euro. Nur für PC. (www.samplitude.de)<br />
» Ableton Live!: Eine echte Alternative <strong>–</strong> kombiniert das spontane,<br />
intuitive Produzieren mit Loops mit ausgefuchsten Bearbeitungsund<br />
Recordingfunktionen. Die Tonqualität fast auf dem Niveau<br />
von Samplitude, Cubase und Logic. Hat die schönste und klarste<br />
Benutzeroberfläche der hier vorgestellten Programme. Läuft auf PC<br />
und Mac. (www.ableton.de)<br />
62 | Musikworkshops<br />
und so geht es reihum weiter. Wenn einem kein Reim<br />
einfällt, muss der eine neue Zeile ins Rennen schicken.<br />
Wichtigste Ressource für Vocal- und Rapcoaching ist ein<br />
freundlicher Raum mit einer guten Akustik. Manche Vocal<br />
Coaches arbeiten gerne mit Klavier oder Keyboard;<br />
Rap Coaches brauchen häufig eine Musikanlage/CD-<br />
Player. Wenn Mikrofontechnik geübt werden soll, muss<br />
natürlich eine Gesangsanlage mit Mikros her.<br />
DJ-Workshops<br />
Die klassische HipHop-Gruppe besteht aus „Two Turntables<br />
and a Microphone“: Einem DJ mit Plattenspielern<br />
und DJ-Mixer sowie einem oder mehreren MCs an den<br />
Mikrofonen. Wenn auch zunehmend MCs nur noch mit<br />
Playbacks auf die Bühne gehen, bleibt der DJ doch ein<br />
Grundpfeiler der HipHop-Kultur. DJing-Workshops können<br />
sich auf Skills an Decks (DJ-Platten- und CD-Spielern)<br />
und DJ-Mixer beschränken, oder sie können mit Musik-<br />
produktion an Computer und/oder Rhythmus-<br />
maschine kombiniert werden.<br />
DJ- und Rapworkshops können eng zusammenarbeiten:<br />
Solange noch keine eigenen Beats aus dem Musik-<br />
produktionsworkshop vorliegen, können MCs zu den<br />
Beats der DJs ihre Reime schreiben und üben. DJs können<br />
bei Auftritten die Playbacks starten und Scratches<br />
beisteuern.<br />
Nicht alle Plattenspieler sind DJ-tauglich; insbesondere<br />
zum Scratchen werden spezielle DJ-Plattenspieler wie<br />
der Technics 1210 mit speziellen Nadeln benötigt. Außerdem<br />
braucht man natürlich Platten, am besten welche<br />
mit Rap-Instrumentals und spezielle Scratch-Platten.<br />
Coaching für Instrumentalisten<br />
Eine Band besteht meist aus MusikerInnen, die ganz<br />
unterschiedliche Instrumente spielen <strong>–</strong> ausgiebiges individuelles<br />
Coaching z.B. an Bass, Schlagzeug, Keyboard,<br />
Gitarre und Blasinstrumenten lässt sich daher eigentlich<br />
nur bei Großprojekten realisieren, wo es mehrere Bands<br />
gibt und dann z.B. alle SchlagzeugerInnen und PercussionistInnen<br />
gemeinsam unterrichtet werden können.
Ein guter Bandcoach wird freilich mehrere Instrumente<br />
spielen und allen InstrumentalistInnen ein paar Tipps<br />
geben können.<br />
Bandcoaching<br />
Der Job eines Bandcoachs unterscheidet sich je nachdem,<br />
ob im jeweiligen Projekt bestehende Bands ihr<br />
Zusammenspiel verbessern und ihr Repertoire erweitern<br />
können, oder ob ganz neue Bands zusammenkommen,<br />
die ein neues Repertoire erarbeiten müssen. Es<br />
gibt viele spannende Coachingprojekte für bestehende<br />
Bands. Bei unseren Projekten arbeiten wir meist mit<br />
neu zusammengestellten Bands <strong>–</strong> das hat den Vorteil<br />
interessanter neuer Kombinationen und den Nachteil,<br />
dass die Einzelmusiker nur wenig Zeit haben, um zu<br />
einer tight spielenden Band zu werden. Hauptaufgabe<br />
des Bandcoachs ist die Förderung des Zusammenspiels:<br />
Aufeinander hören, gemeinsam in den Groove kommen,<br />
den anderen Raum lassen. Er unterstützt die Band<br />
bei der Entwicklung von Instrumentals, gibt Tipps zu<br />
verschiedenen Stilistiken („Wie spielt man einen Dancehall-Groove?“)<br />
und koordiniert das Zusammenspiel von<br />
Band und Vokalisten: Bei textlastigen Rap-Passagen<br />
müssen Band-Arrangements oft stark ausgedünnt werden,<br />
damit der Rap verständlich bleibt.<br />
Es gibt verschiedene Modelle, wie Band und Vokalisten<br />
verbunden werden können: In den niederländischen<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Projekten werden mehrere feste Gruppen<br />
(Bands mit Vokalisten) gegründet, die dann gemeinsam<br />
Songs entwickeln. Bei <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Cologne 2006<br />
gab es nur eine Band, die fünf verschiedene Vokalisten-Crews<br />
(meist 2 SängerInnen und 2-3 Rapper-<br />
Innen) begleitete. Diese Band entwickelte erstens eigene<br />
Instrumentals, die sie dann an die Bedürfnisse und<br />
Songstrukturen der Vocal Crews anpasste („Alegria“);<br />
zweitens setzte sie einen am PC entwickelten Beat eines<br />
jungen Musikproduzenten als Bandarrangement um<br />
(„Positive Vibes“); drittens nahmen einzelne Bandmitglieder<br />
mit Musikproduzenten im Studio einen Beat auf<br />
(„Right Away“), der anschließend mit der Gesamtband<br />
umgesetzt wurde („Right Away <strong>–</strong> Band version“).<br />
Musikproduktion<br />
Digitale Musikproduktion hat einige logistische Vorteile<br />
gegenüber der Bandarbeit: Der zeitliche und technische<br />
Aufwand ist geringer, man muss nicht mühsam eine Band<br />
zusammenstellen, Produktion am PC lässt sich schneller<br />
erlernen als ein Instrument. Der Nachteil: Live wirkt eine<br />
gute Band meist kraftvoller und lebendiger als ein Playback.<br />
Es gibt Ressentiments in beide Richtungen: Von<br />
den gestandenen Rockfans unter den Pädagogen wird<br />
oft handgemachte Musik idealisiert, programmierte<br />
Beats seien „doch keine richtige Musik“ <strong>–</strong> eine recht<br />
naive Position, betrachtet man den enormen kreativen<br />
Einfluss von Elektronik und HipHop auf die (auch<br />
handgespielte) Musik der letzten Jahrzehnte. HipHopper<br />
andererseits finden Livebands oft zu aufwändig,<br />
beklagen den Verlust von Studiozeit durch stundenlanges<br />
Mikrofonieren eines Schlagzeugs oder die Schwierigkeit,<br />
sich stimmlich gegen zu dicht und laut spielende Bands<br />
durchzusetzen <strong>–</strong> und wenn die Band dann noch auf der<br />
Bühne vor Aufregung zu schnell spielt, kann das Rappen<br />
zur atemlosen Qual werden.<br />
Wir haben dennoch die Erfahrung gemacht, dass viele<br />
MCs die Arbeit mit einer Liveband als Bereicherung<br />
und Horizonterweiterung erleben. Wir finden, beide<br />
Formen haben ihren spezifischen Charme und ihre<br />
eigene Berechtigung <strong>–</strong> und auch Kombinationen können<br />
spannend sein: Bei „Bonita Señorita“ z.B. wurden<br />
programmierte Beats durch live eingespielte Percussion<br />
und Gitarren ergänzt.<br />
Viele HipHop-Produzenten schwören auf Rhythmusmaschinen-Sampler-Kombinationen<br />
(Grooveboxen) wie<br />
die Akai MPC2000: Hiermit lasse sich intuitiver arbeiten<br />
als mit Computern und die Ergebnise klängen besser.<br />
In Jugendarbeit und Schule wird aber wohl häufiger die<br />
Kombination von PCs oder MACs mit guten Soundkarten<br />
und entsprechender Software zum Einsatz kommen<br />
<strong>–</strong> erstens sind die Computer meist schon vorhanden, die<br />
Anschaffungskosten sind also geringer, zweitens lassen<br />
sich am PC nicht nur Beats bauen, sondern auch Studio-<br />
aufnahmen machen und abmischen.<br />
Einige geeignete Softwares werden im benachbarten<br />
Infokasten vorgestellt, ein erprobter und praktikabler<br />
Vorschlag für ein Basis-Equipment zur Musik-<br />
produktion findet sich weiter hinten in diesem Heft.<br />
Songwriting<br />
Beim klassischen Pop-Songwriting wird meist zunächst<br />
der komplette Song mit Melodie und Text an der Gitarre<br />
oder am Piano geschrieben und anschließend mit der<br />
Band arrangiert. Im HipHop läuft der Weg andersherum:<br />
Zuerst entsteht ein durcharrangierter Beat, auf<br />
dessen Grundlage dann Vokalisten ihre Gesangslinien<br />
entwickeln.<br />
Ein gemeinsames Motto oder Rahmenthema kann der<br />
Kreativität auf die Sprünge helfen; auch Schreibwerkstatt-Methoden<br />
können fruchtbar eingesetzt werden<br />
(z.B. „jeder schreibt fünf Worte auf kleine Zettel; alle<br />
Zettel werden gemischt, jeder zieht fünf Worte und<br />
konstruiert einen Text um diese Worte herum“).<br />
Rapcoach Tim weedon legt den jungen MCs meist nahe,<br />
sich ihre aktuelle Situation zu vergegenwärtigen und<br />
darüber zu schreiben: Was fühle ich gerade, was mache<br />
ich gerade, was habe ich heute erlebt?<br />
Zum Texteschreiben sollten genügend Blöcke und Stifte<br />
vorhanden sein. Einige MCs und SängerInnen schreiben<br />
lieber alleine im stillen Kämmerlein oder auf der Wiese,<br />
die meisten bevorzugen es, wenn der zugrunde liegende<br />
Beat immer wieder laut abläuft und man dazu schreiben<br />
kann. Gesangsmelodien können mit Unterstützung<br />
des Vocal Coaches entwickelt werden, oft werden die<br />
Melodien bei den Studioaufnahmen noch perfektioniert.<br />
DVD<br />
Siehe Musikvideo<br />
„Bonita Señorita“<br />
auf beiliegender DVD<br />
Artikel �<br />
Siehe „Von<br />
BandWatch und<br />
MusicWatch zu popUP<br />
NRW“ (Seite 36)<br />
Artikel<br />
Siehe „Equipment für<br />
die Musikproduktion“<br />
(Seite 66)<br />
Artikel<br />
�<br />
Siehe „<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />
<strong>–</strong> Unterricht in Urban<br />
Culture“ (Seite 23)<br />
und „Urban Culture<br />
Projekte des <strong>JFC</strong><br />
<strong>Medienzentrum</strong>s“<br />
(Seite 19)<br />
DVD<br />
�<br />
Alle Songs sind unter<br />
DATA\SONGS auf<br />
beiliegender DVD zu<br />
finden<br />
How to do | 63
64 | Musikworkshops<br />
Üben<br />
Wenn die Songs einmal fertig geschrieben sind, wollen<br />
sie geübt werden <strong>–</strong> und zwar ausgiebig. Unter Livebedingungen<br />
ist das Risiko groß, dass man Texte und Song-<br />
abläufe vergisst oder andere Fehler macht <strong>–</strong> darum sollten<br />
z.B. alle MCs ihre Texte 200%ig auswendig können,<br />
und die Band sollte einen Song lieber einmal zu viel als<br />
zu wenig von Anfang bis Ende durchspielen. Und dabei<br />
immer mit dem Herzen bei der Sache bleiben, sonst<br />
bringt es nichts.<br />
Für die Übungsphasen müssen genügend Räume zur Verfügung<br />
stehen, wohin sich die einzelnen Kleingruppen<br />
zurückziehen können. Alle Beats <strong>–</strong> auch Band-Instrumentals<br />
<strong>–</strong> sollten zumindest als Rohversionen auf CD<br />
oder MP3-Player vorliegen. In den Übungsräumen<br />
sollte es eine Möglichkeit geben, diese Playbacks in hin-<br />
reichender Lautstärke zu hören.<br />
Studioaufnahmen<br />
Während ein Musikproduktionsworkshop schon zu<br />
Projektbeginn in Studioumgebungen arbeiten wird, ist<br />
für Vokalisten die Zeit zum Aufnehmen erst gekommen,<br />
wenn die eigenen Strophen und Refrains fertig geschrieben<br />
und ausführlich geübt worden sind.<br />
Hier ist dann der Musikproduzent im klassischen Sinne<br />
gefragt: Bevor man Musik programmieren konnte, hatte<br />
der Produzent vor allem die Funktion, bei Aufnahmen<br />
zuzuhören und dann mit den Sängern oder Bands zu<br />
kommunizieren: Dies oder jenes geht noch besser, diese<br />
Strophe nehmen wir noch mal auf, der Refrain kann<br />
bleiben, der war schon perfekt. Der Produzent in diesem<br />
Sinne muss immer auch Psychologe und Musikpädagoge<br />
sein, denn Studioaufnahmen können Stresssituationen<br />
sein. Vor dem Mikrofon zu stehen kann Leistungsdruck<br />
bedeuten, insbesondere in der Arbeit mit Vokalisten ist<br />
Fingerspitzengefühl gefragt <strong>–</strong> die Stimme ist ein intimer<br />
Teil des Körpers. Die Rolle des Produzenten bei Band-<br />
und Gesangsaufnahmen wird daher häufig bei professionellen<br />
Dozenten liegen, aber auch entsprechend<br />
begabte Jugendliche können gute Vocal-Produzenten<br />
sein.<br />
Gute Vocal Producer wie Lajo Mounkassa von der<br />
Modern Soul Academy Stockholm schaffen es mit fast<br />
ausschließlich positivem Feedback und konstruktiven<br />
Tipps, dass Vokalisten sich im Studio wohl fühlen, aufblühen<br />
und über ihr bisheriges Niveau hinausgehen.<br />
Der Produzent kann gleichzeitig die Tontechnik<br />
bedienen, es ist aber oft eine Entlastung, wenn dies<br />
eine zweite Personen übernimmt. Kernaufgaben des<br />
Tontechnikers bei der Aufnahme sind die Platzierung<br />
der Mikrofone, die richtige Aussteuerung der Pegel,<br />
das Starten der Aufnahme an der richtigen Position<br />
(in der Regel einige Takte vor dem Einsatz des Vokalisten)<br />
und das übersichtliche Benennen und Ordnen<br />
der aufgenommenen Takes. Raps und R’n’B-Gesänge<br />
werden häufig gedoppelt: Vokalisten singen alle Parts<br />
mehrfach ein, bei der Abmischung werden dann häufig<br />
drei oder vier Takes übereinander gelegt, damit die<br />
Stimme kräftiger klingt. Dazu können Takes kommen,<br />
bei denen nur einzelne Wörter (häufig die Reimwörter)<br />
gedoppelt werden, sowie frei improvisierte Adlibs. Bei<br />
einem Song mit mehreren Vokalisten können da schnell<br />
über 40 Gesangsspuren zusammenkommen <strong>–</strong> hier ist<br />
Strukturierung wichtig.<br />
Livebands im Studio<br />
Wenn im Studio eine Liveband aufgenommen werden<br />
soll, steigen die technischen Anforderungen erheblich,<br />
besonders wenn mehrere Instrumentalisten gleichzeitig<br />
(und nicht nacheinander) spielen. Man braucht<br />
akustisch möglichst gut getrennte Aufnahme- und<br />
Regieräume und Sprechverbindungen in beide Richtungen.<br />
Ein Audiointerface mit mindestens 8 Mikrofoneingängen<br />
muss her; allein für ein Schlagzeug braucht<br />
man je nach Raum und gewünschtem Klangbild 4 bis 10<br />
spezielle Mikrofone.<br />
Es muss entschieden werden, ob der Drummer einen<br />
Click (Metronom) auf seinen Kopfhörer kriegen soll<br />
oder nicht. Ein Click hat den Vorteil, dass die Band im<br />
gleichen Tempo bleibt, dass sich die Aufnahmen leichter<br />
schneiden lassen (im Taktraster der Aufnahmesoftware)<br />
und dass es leichter ist, zusätzliche Spuren aufzunehmen.<br />
Dazu muss der Drummer aber das Spielen<br />
zum Click beherrschen, gerade bei Anfängern wirkt sich<br />
ein Click oft negativ auf die Lebendigkeit des Spiels aus.<br />
Aufnahmen ohne Click funktionieren nur gut, wenn die<br />
gesamte Rhythmusgruppe gemeinsam aufgenommen<br />
wird.<br />
Gemeinsame Aufnahmen mehrerer Instrumente bergen<br />
einige Herausforderungen: Das so genannte Übersprechen<br />
(wenn man z.B. den Bass über die Schlagzeugmikrofone<br />
hört) kann eine saubere, druckvolle Abmischung<br />
sehr erschweren. Deshalb wird man elektrische Instrumente<br />
wie Bass und Keyboard im Aufnahmeraum nicht
verstärken, die MusikerInnen hören sich nur über Kopfhörer;<br />
dafür braucht man genügend geschlossene Kopfhörer<br />
und einen Kopfhörerverstärker.<br />
Doch auch im Jugendzentrum lassen sich mit etwas<br />
Mühe und geliehenen Mikrofonen gute Bandauf-<br />
nahmen machen <strong>–</strong> einen direkten Qualitätsvergleich<br />
bieten die Aufnahmen von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006, wo<br />
die gleiche Band bei „5th Element“ im Jugendzentrum,<br />
bei allen anderen Songs (u.a. „Alegria“) im pro-<br />
fessionellen Studio der Deutschen POP Akademie aufgenommen<br />
wurde.<br />
Performance-Coaching<br />
Positive Studioerlebnisse und ein starker eigener Song<br />
auf CD sind nicht zu unterschätzende Faktoren für die<br />
individuelle Entwicklung; noch wichtiger ist es aber, die<br />
eigenen Stücke live vor Publikum zu spielen. Performance<br />
Coaching unterstützt dabei eine gute Bühnenpräsenz:<br />
Vom Einsatz des eigenen Körpers über das gemeinsame<br />
Agieren als Gruppe auf der Bühne bis hin zur Kommunikation<br />
mit dem Publikum. Junge MusikerInnen müssen<br />
lernen, sich durch Fehler und Aussetzer nicht aus der<br />
Bahn werfen zu lassen, kein „Fehlergesicht“ zu machen,<br />
sich auf der Bühne gegenseitig zu unterstützen, sich bei<br />
Ansagen nicht gegenseitig ins Wort zu fallen und die<br />
Bühne in ihrer ganzen Größe zu nutzen.<br />
Beim Performance Coaching sollte auch auf den Soundcheck<br />
und die Kommunikation mit den TontechnikerInnen<br />
an den Mischpulten eingegangen werden, ebenso<br />
wie auf die Auftrittslogistik: Wer geht wann und wo<br />
auf die Bühne und nimmt welches Mikrofon? Wie sieht<br />
das Finale aus? Der anstehende Auftritt sollte vorher<br />
ausführlich durchgesprochen und bei einer Generalprobe<br />
geübt werden. Wenn es ein Zeitlimit für den Auftritt<br />
gibt, sollte bei der Generalprobe mindestens ein<br />
Durchlauf durchs gesamte Programm mit Ansagen etc.<br />
gemacht werden, bei dem die Zeit gestoppt wird. Wenn<br />
die Generalprobe auf Video mitgeschnitten wird, können<br />
anhand der Aufnahmen Verbesserungspotenziale<br />
besprochen werden.<br />
Performance Coaching wird in der Regel Aufgabe der<br />
Rap-, Vocal- und Bandcoaches im Projekt sein <strong>–</strong> wobei<br />
die Coaches selbst über viel Bühnenerfahrung verfügen<br />
sollten. Auch ChoreographInnen und RegisseurInnen sind<br />
oft gute Performance Coaches und werden besonders<br />
bei Musical-Projekten auch als solche zum Einsatz kommen.<br />
Der Liveauftritt<br />
Beim Auftritt selbst ist der Stresspegel oft hoch. Wichtig<br />
ist hier sowohl eine gute Planung des Rahmens<br />
(Getränke und Verpflegung, gemeinsame Anreise zu<br />
auswärtigen Auftritten, funktionierende Saaltechnik,<br />
zur Sicherheit mehrere Datenträger mit den Playbacks<br />
mitnehmen etc.), als auch ein konzertierter Einsatz des<br />
gesamten Teams im Dienste einer positiven Gruppenstimmung.<br />
Dazu gehört eine gemeinsame Einstimmung<br />
in den Auftritt, eine möglichst gute Laune des Teams<br />
trotz erwartbarer Stressfaktoren und individuelle<br />
Kommunikation mit den Teilnehmenden, à la: „Wenn<br />
ein Tontechniker unfreundlich zu Dir ist, kontere mit<br />
Freundlichkeit! Alles andere kann dazu führen, dass Du<br />
nachher schlecht abgemischt wirst, viel wichtiger aber:<br />
es schlägt auf Deine Stimmung und kann Dir den Spaß<br />
an Deinem Auftritt versauen. Das ist es nicht wert!“<br />
Und dann endet der Einflussbereich aller Coaches und<br />
Pädagogen, der Countdown ist bei „Zero <strong>–</strong> Go!“ angekommen,<br />
der Vorhang geht auf und die Bühne gehört<br />
den jungen KünstlerInnen.<br />
DVD<br />
Alle Songs sind unter<br />
DATA\SONGS auf<br />
beiliegender DVD zu<br />
finden<br />
How to do | 65
Equipment für die Musikproduktion<br />
Markus Brachtendorf<br />
66 | Musikworkshops<br />
Eigene Songs schreiben und Beats produzieren mit<br />
Kindern und Jugendlichen? <strong>–</strong> Zugegeben, das ist zwar<br />
nicht gerade mit links realisiert, aber im Medienzeitalter<br />
unkomplizierter möglich denn je zuvor. Die Zugangsvoraussetzungen:<br />
Neugier, Interesse und ein überschaubares<br />
Maß an Equipment. Kommen wir zu Letzterem.<br />
Je nach persönlichem Geschmack gibt es sicherlich nach<br />
oben keine Grenzen was den Bedarf an Equipment für<br />
Musikproduktion angeht, eine Minimal-Ausstattung<br />
lässt sich jedoch einfach beschreiben. Benötigt wird:<br />
Ein Mikrofon, ein Keyboard, ein sog. Audiointerface,<br />
ein Computer und entsprechende Software. (Punkt.)<br />
Um zu große Verwirrung bei der Vielzahl von Angeboten<br />
zu vermeiden, beschreibe ich einfach kurz ein<br />
wirklich korrektes Equipment-Paket, mit dem ich selbst<br />
meistens arbeite und welches sich in den vergangenen<br />
sieben sCOOL-HITs-Jahren als das praktischste herausgestellt<br />
hat.<br />
Fangen wir zuerst am Ende der Kette an, beim Computer:<br />
Im Grunde tut’s jeder einigermaßen aktuelle Rechner<br />
mit USB-Port. Von Nutzen ist ein Laptop und ich würde<br />
derzeit ein MacBook (oder besser noch, gebrauchtes<br />
Powerbook) empfehlen. Kein langer Philosophie-Diskurs <strong>–</strong><br />
ist einfach angenehmer als PC und mittlerweile auch<br />
genauso erschwinglich oder gar günstiger als ein wirklich<br />
guter PC-Laptop.<br />
Audiointerface und Keyboard: Da gibt’s meiner<br />
Meinung nach viele Möglichkeiten, aber nur eine Wahl,<br />
und die heißt „OZONE“ von der Firma M-AUDIO.<br />
Das ist solide, da kann man alle Arten von Mikros und<br />
Instrumenten dran anschließen um sie aufzunehmen,<br />
und gleichzeitig ist es ein MIDI-Keyboard. Einfach den<br />
Treiber installieren, das Gerät an den USB-Port anschließen<br />
und fertig. Passend dazu liefert die Firma<br />
das „Studio-Pack“, einen Rucksack, in den das Teil<br />
zusammen mit dem Laptop und allen anderen kabeligen<br />
Kleinigkeiten genau hineinpasst. Die bequemste Verpackung<br />
für das mobile Tonstudio. Mikrofon: Perfekter<br />
Klang oder hohe Kosten sind hier weniger wichtig als<br />
Zuverlässigkeit und Robustheit. Ein solides Standardmikrofon<br />
für unter 100 Euro ist das Shure SM-58,<br />
eigentlich ein Bühnenmikro, aber Gary Moore hat<br />
damit auch schon mal den kompletten Gesang für eine<br />
seiner CDs aufgenommen. Dazu ein Stativ und einen<br />
so genannten Pop-Schutz (Stoffbespannter Ring, der<br />
vor dem Mikrofon befestigt wird und der harte „P“-<br />
Laute zähmt), und schon ist auch das Thema erledigt.<br />
Wichtig: Erstmal keine teuren Kondensator-Mikros<br />
kaufen! Die sind zwar im Studio „State of the Art“,<br />
aber viel schwieriger zu handeln und nehmen meistens<br />
deutlich mehr auf, als uns gerade lieb ist.<br />
Kommen wir nun zur Software. Auch hier treffen<br />
Philosophien aufeinander. Für alle weniger anspruchsvollen<br />
Selbermacher, die einen PC nutzen, gibt’s<br />
natürlich das preisgünstige MAGIX Music Maker in<br />
zahlreichen Schattierungen. Ich möchte aber meine<br />
Empfehlung für einen unvergleichlich kompetenteren<br />
Insider aussprechen: das Programm „LIVE!“ der<br />
Berliner Firma Ableton. Das ist ein professionelles Tool,<br />
viel intuitiver zu bedienen als die prominenten Kollegen<br />
„Logic“ oder „Cubase“, und die Software, mit der ich im<br />
Schul- und Musikproduktionsalltag nur die allerbesten<br />
Erfahrungen mache.<br />
HipHop und moderne Popmusik entsteht ja im Grunde<br />
nur durch Einsetzen und Aussetzen der einzelnen<br />
Sound-Bestandteile und Loops. Wird der Beat fett und<br />
setzen alle Sounds ein, dann hören wir wohl gerade den<br />
Refrain. „LIVE!“ hilft durch seinen Aufbau, diese Klang-<br />
Puzzlesteinchen eines Songs so zusammen zu stellen,<br />
dass am Ende mit Spaß ein korrekter Track zustande<br />
kommt. Dass es ein guter Track wird, darum muss man<br />
sich freilich <strong>–</strong> wie bei allen anderen Programmen <strong>–</strong> immer<br />
noch selbst kümmern. Tüftelfreude ist deshalb so oder<br />
so absolute Grundvoraussetzung.<br />
Für alle Mac-User: Natürlich tut’s auch „Garage Band“,<br />
die kleine Schwester von „Logic“. Dieses Tool ist im Lieferumfang<br />
eines jeden „Apfels“ enthalten und somit vom<br />
Preis-/Leistungsverhalten her unschlagbar.<br />
Kurz vor der abschließenden Equipment- und Linkliste<br />
am Ende dieses Artikels noch ein persönlicher Tip: Die<br />
Firma Ableton bietet natürlich wie die meisten anderen<br />
auch spezielle „Education-Preise“ an, die in etwa bei<br />
der Hälfte des regulären Kurses liegen. Da sie mit<br />
M-Audio kooperieren, haben sie spezielle „sCOOL-<br />
Production“ Pakete inkl. Hard und Software zusammengestellt.<br />
Kleines Beispiel: Das oben beschriebene<br />
Material (Software LIVE!, Rucksack Studio-Pack,<br />
Midi-/Audiointerface Ozone plus Mikro, Stativ und<br />
den nötigen Kabeln) liegt bei 555,- Euro im Edu-Tarif.<br />
Konkurrenzlos <strong>–</strong> der normale Kurs kommt sicher locker<br />
auf über das Doppelte.
DVD<br />
Videos<br />
» <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Roots</strong> Musikvideo<br />
» <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Roots</strong> Dokumentation<br />
» Musikvideos<br />
» Sonakapcholat System <strong>–</strong> Alegria / <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006<br />
» Bonita Señorita / HipHop-Camp 2005<br />
» Colourblindz <strong>–</strong> Summertime <strong>Roots</strong> / <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006<br />
» Peace (Ter to Son) / HipHop-Camp 2004<br />
» Cross (Around the World) / HipHop-Camp 2003<br />
» Free Kings <strong>–</strong> Was geht ab Mann? / pop@rena + Jugendförderung Solingen<br />
» 3 Wege Soundsystem / pop@rena + Music Office Hagen<br />
» V-Attakk <strong>–</strong> Wo ist Frieden? / pop@rena + Rockstation <strong>Köln</strong> Vingst<br />
» HipHop-Camp 2005 Dokumentation<br />
» Trailer MusicWatch<br />
» <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006 Dokumentation<br />
Datenteil (DATA)<br />
PDF <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />
PDF <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />
PDF Artikel „Im Dschungel der Formate“<br />
Readme<br />
Musik (DATA\SONGS)<br />
<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006<br />
Right Away<br />
Alegria<br />
Summertime <strong>Roots</strong><br />
Positive Vibes<br />
5th »<br />
»<br />
»<br />
»<br />
»<br />
»<br />
»<br />
»<br />
»<br />
»<br />
» Element<br />
» Right Away <strong>–</strong> Band Version<br />
» HipHop-Camp Barcelona 2005<br />
» Bonita Señorita<br />
» Hit Me With Da Beat<br />
» Poor Children<br />
» Connect HipHop!<br />
» Bessawisser Crew <strong>–</strong> Für immer meine Stadt<br />
» Chupacabras <strong>–</strong> Sin ti<br />
» AmmO <strong>–</strong> Hör auf dein Herz<br />
» Maxeel <strong>–</strong> Wenn ich rappe<br />
» Phatrick <strong>–</strong> Do it<br />
» JayKay & Dimi <strong>–</strong> Ich will es nicht fühlen<br />
» Das dynamische Duo & Hubi <strong>–</strong> Parallelwelten<br />
im Kühlschrank<br />
» <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2005<br />
» Wir sind da<br />
» Back To The <strong>Roots</strong><br />
» HipHop-Camp Stockholm 2004<br />
» Peace (Ter to Son)<br />
» Pray 4 Peace<br />
» Our Time<br />
» Me And My Crew<br />
» HipHop-Camp <strong>Köln</strong>/Adenau 2003<br />
» Cross (Around the World)<br />
» Me And My Girls<br />
» (I Need A) Holiday<br />
» Fotos (DATA\PICS)<br />
» <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Cologne<br />
» HipHop-Camps<br />
»<br />
<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>
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