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Different Roots – Common Routes - JFC Medienzentrum Köln

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Jugendkultur- und Medienarbeit für kulturelle Vielfalt


DVD<br />

Siehe DATA\SONGS<br />

und Musikvideo auf<br />

beiliegender DVD<br />

One Love (<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>)<br />

We introduce <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong> baby<br />

Wir haben nicht dieselben Wurzeln doch alle dieses eine Ziel<br />

Durch das Mic die Meinung sagen, guck wie ich mit Reimen spiel’<br />

Musica l’amore che c’i accompagna e connette<br />

È un amore che c’i da forza ed é con noi sempre<br />

Es una vida llena de amor, pero sin piedad,<br />

Hago lo que puedo de colonia hasta granaž<br />

Aqui represento Los Rockeros del Rap,<br />

Lo que llevo dentro es to realidad<br />

Hepimiz aynıyız hepimiz insanız<br />

Music and Love bizim hayatımız<br />

Wir sind gekommen um zu rocken und die Welt zu Retten (one love, one world, one aim)<br />

Wir bringen frischen Wind, weil jeder von uns anders klingt (one dream, one team, just we)<br />

Die Wurzeln sind verschieden, doch wir haben dieselben Ziele (one love, one world, one aim)<br />

Es gibt nur eine Welt, es gibt nur eine Liebe (one dream, one team, just we)<br />

On n’est pas du même pays on n’a pas les mêmes racines<br />

On vous parle de nos vies la musique nous réunit<br />

Und ich fühl die Melodie wie ’ne Stimme in meinem Kopf,<br />

One life, one love, one mic <strong>–</strong> unplug<br />

Dreaming of a world without guns and wars just freedom<br />

Try to achieve this aim by rapping singing all together<br />

Wanna show you love wanna put you into our life<br />

You will always be welcome in the world of open hearts<br />

We’ve come to show you what we got ’n to open up our heart (one love, one world, one aim)<br />

We a breath of fresh air yet we take your breath away (one dream, one team, just we)<br />

<strong>Different</strong> cultures, different roots, work the magic in the booth (one love, one world, one aim)<br />

We ain‘t all the same but we got one aim (one dream, one team, just we)<br />

Hepimiz aynıyız hepimiz insanız<br />

Music and Love bizim hayatımız<br />

Jeder kommt mit Seele und er weiß wo das Ziel ist<br />

One Love und das Fighten um Realness<br />

Wo der Hass in den Menschen für die meisten zu viel ist<br />

Bringen wir Hoffnung mit Cyphern in den Zeiten des Krieges<br />

When I was young, I was in trouble<br />

I didn‘t know my routes/roots<br />

But now I see it makes no difference<br />

And I know what to do<br />

Wir sind gekommen (one love, one world, one aim)<br />

Um Euch zu rocken (one dream, one team, just we)<br />

Minna isshoni (one love, one world, one aim)<br />

Gambarou (one dream, one team, just we)<br />

(Text & Musik: Maurice „Reez“ Moises, Piera Montenera, Falko Schönian,<br />

Tugba Yılmaz, Johannes „J-JD“ da Costa, Marc „Mavys“ Villareal,<br />

Olivia „Livi“ Sawano, Markus „Be“ Brachtendorf)<br />

© 2006 alle AutorInnen und <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong>


Grußwort<br />

Wir leben in einer Gesellschaft, die zunehmend durch<br />

Globalisierung und Multikulturalität geprägt ist. Das<br />

Miteinander unterschiedlichster Kulturen und die<br />

gesellschaftliche Vielfalt eröffnen Chancen für alle<br />

Menschen, die dieser Gemeinschaft angehören:<br />

Austausch von Erfahrungen, Einblicke und neue Perspektiven<br />

sowie ein gegenseitiges voneinander Lernen.<br />

Leider geht das Zusammenleben unterschiedlicher<br />

Kulturen nicht immer ohne Probleme, nicht immer<br />

friedlich vonstatten. Vorurteile gegenüber Menschen<br />

anderer Herkunft, Unkenntnis und gegenseitige<br />

Berührungsängste, die manchmal in Diskriminierung<br />

und fremdenfeindlicher Gewalt gipfeln, behindern die<br />

Integration. Für eine erfolgreiche Integration braucht es<br />

Offenheit, Annäherung und Verständigung. Kinder und<br />

Jugendliche als Mitgestalter unserer Gesellschaft nehmen<br />

hier eine wichtige Rolle ein.<br />

In diesem Sinne freue ich mich, Ihnen die Broschüre<br />

„<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>“ und das zugrundeliegende<br />

Projekt als Anregung und Arbeitshilfe für die<br />

Jugendarbeit vorstellen zu können. 26 Jugendliche aus<br />

15 Nationen haben im Rahmen des Workshops ihre<br />

Vorstellungen und Träume von einem multikulturellen<br />

Miteinander musikalisch umgesetzt, haben selbst Musik<br />

komponiert und ihre Gedanken multilingual in Worte<br />

gefasst. Musik ist in besonderer Weise geeignet, kulturelle<br />

Brücken zu schlagen und ein Zeichen zu setzen. Insofern<br />

sind die Musikprojekte, die Ihnen in der Broschüre<br />

vorgestellt werden nicht bloß musikalisches Experiment,<br />

sondern auch Teil der sozialen, kulturellen und<br />

politischen Jugendbildung.<br />

Die Begegnung von Jugendlichen im Rahmen von<br />

„<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>“ überzeugt als<br />

gelungenes Beispiel für interkulturelle Pädagogik, die<br />

Austausch und Annäherung ermöglicht, um Distanz<br />

und Diskriminierung zu überwinden. Das Zusammenleben<br />

in einer zunehmend vielfältigeren und globalen Welt<br />

braucht den Zusammenhalt in der eigenen Gesellschaft<br />

ebenso wie die Bereitschaft zur kulturellen Öffnung.<br />

Erst in der gegenseitigen Anerkennung entfaltet das<br />

Potenzial unserer vielfältigen Gesellschaft seine wirkliche<br />

Stärke. Die Projekte vermitteln diese Werte. Und vor<br />

allem werden neue Sichtweisen musikalisch unmittelbar<br />

umgesetzt. Jugendliche brauchen solche Erfahrungen.<br />

„Eine Liebe, eine Welt, ein Ziel“ <strong>–</strong> davon sind wir in der<br />

Realität weit entfernt. Desto mehr brauchen wir diese<br />

Träume einer Generation, die an der Schwelle zur eigenen<br />

Identitätsfindung und damit auch zur Mitgestaltung<br />

der Gesellschaft steht.<br />

Als Minister für Jugend und Integration begrüße und<br />

unterstütze ich diese kreative und innovative Aktion<br />

gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und wünsche<br />

Ihnen eine interessante Lektüre, die als gleichsam<br />

theoretische wie auch praktische Arbeitshilfe hoffentlich<br />

die Lust zur Nachahmung anregt.<br />

Meine Empfehlung: Lassen Sie sich einfach durch das<br />

beigefügte Hörbeispiel inspirieren.<br />

Armin Laschet<br />

Minister für Generationen, Familie,<br />

Frauen und Integration<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Intro | 03


Einführung<br />

In den letzten Tagen des Jahres 2006 wurde in <strong>Köln</strong> unter der<br />

programmatischen Überschrift „<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>“<br />

ein Modellprojekt mit Musik-, Tanz- und Medienworkshops durchgeführt.<br />

Die beteiligten Jugendlichen mit „<strong>Roots</strong>“ in 15 Nationen<br />

erarbeiteten unter professioneller Anleitung in vier Tagen Songs,<br />

Choreographien, Videos und Live-Visuals. Die nun vorliegende<br />

Broschüre mit DVD vermittelt einen konkreten Eindruck aus dieser<br />

intensiven Arbeit. Zugleich und vor allem soll sie Anregung und<br />

konkrete Hilfestellung für die Realisierung eigener Angebote bieten.<br />

Jugendkultur ist lokal verwurzelt und global vermittelt. Jugendkultur<br />

ist gelebter Alltag, zum Ausdruck gebrachte Rebellion und<br />

häufig auch weltumspannendes Geschäft. Jugendkulturen stiften<br />

Identität. Jugendkulturen markieren Trennungslinien und führen<br />

zusammen. Die Vielfalt der Jugendkulturen entspricht der Vielfalt<br />

der Lebensstile <strong>–</strong> lokal und global. Moderne Jugendkulturen<br />

sind dabei ohne Medien nicht denkbar. Medien bieten Informationen<br />

und Orientierungsmuster, vermitteln kulturelle Ausdrucksformen<br />

aus aller Welt und eröffnen unzählige Gestaltungs- und<br />

Kommunikationsmöglichkeiten. Medienvorlieben, verbunden mit<br />

jugendkultureller Zuordnung und Gestaltung, sind ein wichtiger<br />

Sozialisationsfaktor.<br />

In der Großstadt mit ihren vielfältigen Ressourcen an Lebenswelten<br />

und Medienbildern erhält das bunte Kaleidoskop der<br />

Jugendszenen ganz besondere Intensität durch urbane Dichte und<br />

Vielfalt. In den Städten leben überproportional viele junge Menschen<br />

mit Migrationshintergrund. Und ihr Anteil steigt. Jugendliche mit<br />

Migrationshintergrund lernen im günstigen Fall, ihre vielfältigen<br />

Ressourcen als hilfreiche Optionen zu nutzen; leider noch zu oft<br />

erleben sie ihre Herkunft auch als Beschränkung. Das <strong>JFC</strong> Medien-<br />

zentrum möchte mit seinen Urban-Culture-Projekten und mit<br />

dieser Broschüre einen Beitrag zur Förderung von Anerkennung,<br />

Kommunikation, Integration und interkulturellem Miteinander<br />

leisten.<br />

Die vorliegende Broschüre hat drei Teile:<br />

1. Im Theorieteil wurden Hintergrundartikel zusammengestellt, die<br />

Urban Culture aus verschiedenen Blickrichtungen beleuchten und<br />

so Grundlagenwissen für Neulinge in der jugendkulturellen Projektarbeit<br />

liefern <strong>–</strong> und sicher die eine oder andere neue Perspektive<br />

auch für „alte Hasen“. Die Themen reichen von einer Einführung in<br />

die HipHop-Kultur über Urban Culture in Bildungsarbeit und anti-<br />

rassistischer Pädagogik bis hin zur Geschichte und Entwicklung<br />

von HipHop in den USA und in Deutschland.<br />

2. Im Best-Practice-Teil findet sich eine Sammlung von nordrheinwestfälischen<br />

und internationalen Urban-Culture-Projekten, die<br />

die Bandbreite möglicher Ansätze darstellen soll, die Chancen<br />

und Herausforderungen skizziert und Lust auf eigene Projekte im<br />

Bereich urbaner Jugendkulturen machen soll.<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong><br />

Hansaring 84-86, 50670 <strong>Köln</strong><br />

Fon: (0221) 130 56 15-0, Fax: (0221) 130 56 15-99<br />

www.jfc.info, info@jfc.info<br />

In Kooperation mit der Jugendförderung Solingen,<br />

www.solingen.de/jugend<br />

Redaktion: Sascha Düx, duex@jfc.info<br />

Umschlaggestaltung und Logo: Aileen Wessely<br />

Layout: Klaus Jettkant, Aileen Wessely und Dirk Unger<br />

DVD-Authoring: Dirk Unger<br />

04 | Einführung<br />

3. Die „How to dos“ für Aktivitäten im Praxisteil können die<br />

eigenen Überlegungen und Planungen unterstützen: Wie erreiche<br />

und fördere ich welche Jugendlichen, welche Kompetenzen und<br />

Ressourcen habe ich in meiner Einrichtung, welche Unterstützung<br />

muss ich mir von außen holen?<br />

Der Text wird multimedial ergänzt durch die beiliegende DVD:<br />

Die Videodokumentation des Modellprojekts mit zahlreichen<br />

Dozenteninterviews unterfüttert den Praxisteil mit Bild und Ton,<br />

und natürlich darf auch das Ergebnis-Musikvideo „One Love<br />

(<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>)“ nicht fehlen. Weitere Videodokumentationen<br />

und Musikvideos ebenso wie die Fotos und<br />

MP3-Songs im Datenteil der DVD ergänzen die Beschreibungen<br />

der Best-Practice-Projekte. Die komplette Broschüre liegt im<br />

Datenteil als PDF-Datei vor.<br />

Es ist unser Anliegen, mit Broschüre und DVD Ermutigung und<br />

(medien-)pädagogische Unterstützung zu bieten sowie vorbildliche<br />

Projekte und Akteure miteinander zu vernetzen. Dabei ist Urban<br />

Culture immer weniger nur auf Großstädte beschränkt: In Zeiten<br />

umfassender medialer Kommunikation und Information, mit<br />

Angeboten wie myspace.com, wikipedia.de und youtube.com, ist der<br />

ländliche Raum zunehmend und immer schneller an die kulturellen<br />

Prozesse in den Zentren angedockt. Viele der hier versammelten<br />

Projektideen und pädagogischen Ansätze lassen sich daher auch<br />

für strukturschwächere Regionen adaptieren.<br />

Nutzen wir als Pädagogen und Pädagoginnen also die Potenziale<br />

urbaner Jugendkulturen für die gezielte Förderung Jugendlicher<br />

und die Erschließung individueller Perspektiven. Und verstehen wir<br />

kulturelle Vielfalt in urbanen Strukturen als Ausgangspunkt und<br />

konkrete Chance für neue kulturelle Ausdrucksformen ebenso wie<br />

für (inter-)kulturellen Austausch und die Überwindung kommunikativer<br />

Schranken.<br />

Dr. Eva Bürgermeister<br />

<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong><br />

Lektorat: Anne Bott, Sebastian Menzel<br />

<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong> ist ein Projekt des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />

<strong>Köln</strong> in Kooperation mit der Jugendförderung Solingen und wird gefördert<br />

vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen. Die Druckkosten für diese Broschüre wurden<br />

von der Stadt Solingen übernommen.<br />

gefördert vom:


Inhalt<br />

Intro<br />

Songtext „One Love“ .................................................................... 2<br />

Grußwort ...................................................................................... 3<br />

Einführung .................................................................................... 4<br />

Impressum .................................................................................... 4<br />

Theorie<br />

HipHop: Popkultur und Lebensstil<br />

Gabriele Klein ................................................................................. 8<br />

HipHop Intelligence<br />

Tim Weedon ................................................................................... 11<br />

Urban Culture und Pädagogik<br />

Sascha Düx ..................................................................................... 12<br />

Eine kurze Geschichte des HipHop in Deutschland<br />

Hubert Minkenberg ......................................................................... 15<br />

Best Practice<br />

Interkulturelle Medienarbeit im <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong><br />

Eva Bürgermeister ........................................................................... 18<br />

Urban-Culture-Projekte des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />

Von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> bis <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> — <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />

Sascha Düx und Andreas Kern ......................................................... 19<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> — Unterricht in Urban Culture<br />

Bart Suèr ....................................................................................... 23<br />

Trying Babylon — ein jugendkulturelles Musiktheater<br />

Jürgen Beu ..................................................................................... 26<br />

MittwochsMaler — das <strong>Köln</strong>er Graffiti-Jugendkunstprojekt<br />

Maurice Kusber ............................................................................. 28<br />

Mädchenprojekte der Offenen Jazz Haus Schule<br />

Rainer Linke und Gabi Deeg ........................................................... 30<br />

pop@rena — Musikvideos für’s WWW<br />

Lisette Reuter ................................................................................ 32<br />

Projektleitung Modellprojekt: Lisette Reuter und Sascha Düx<br />

Dozenten Modellprojekt: Markus „Be“ Brachtendorf, Xaver Fischer,<br />

Frank Jilly, Youngung Sebastian Kim (Jaekwon), Marcel Panne (VJ Sehvermögen),<br />

Olivia Sawano, Jörg Schürmann, Marc „Mavys“ Villareal<br />

Dokumentation Modellprojekt: Thomas Hartmann (Foto),<br />

Sebastian Menzel (Videoschnitt),<br />

Lisette Reuter, Tristan Sommer und Kerstin Venne (Video)<br />

Bildnachweis:<br />

dobromedia: S. 8 u., 12 o., 6<strong>–</strong>22, 33 o., 46 u., 50, 51 u., 52, 58, 59 o., 61<strong>–</strong>62, 64 u., 65 o.;<br />

HipHopMobil: S. 38, 39; <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong> (u.a. Thomas Hartmann,<br />

Daniela Rohlf, Sarah Ertelt, Katja Striethörster und Lisette Reuter): S. 6, 7 u.,<br />

8 o., 9<strong>–</strong>11, 12 u., 13<strong>–</strong>15, 32, 33 u., 34 u., 35 l., 42<strong>–</strong>45, 46 o., 47<strong>–</strong>49, 51 o., 53<strong>–</strong>57, 59 u.,<br />

60, 63, 64 o., 65 u., 66; Jugendförderung Solingen: 26<strong>–</strong>27;<br />

sCOOL HITs — Popmusik und Kreativität, die Schule macht<br />

Markus Brachtendorf ..................................................................... 34<br />

Von BandWatch und MusicWatch zu popUP NRW<br />

Renato Liermann ........................................................................... 36<br />

Das HipHopMobil — unterwegs für Respekt und Toleranz<br />

Uwe Ihlau ...................................................................................... 38<br />

Connect HipHop!<br />

Gabi Deeg .................................................................................... 40<br />

Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona: Das HipHop-Netzwerk Nippes<br />

Sascha Düx ................................................................................... 42<br />

How to do<br />

Organisation von Urban-Culture-Projekten<br />

Sascha Düx, Andreas Kern und Lisette Reuter ................................. 45<br />

Musikvideos selbstgedreht<br />

Lisette Reuter ................................................................................ 48<br />

Videodokumentation<br />

Lisette Reuter und Sascha Düx ......................................................... 51<br />

Bluescreen<br />

Kerstin Venne ................................................................................ 54<br />

VJing<br />

Marcel Panne ................................................................................. 55<br />

B-boying/Breakdance-Workshops<br />

Youngung Sebastian Kim (Jaekwon) ................................................. 56<br />

Breakdance- und Streetdanceworkshops<br />

Jannina Alexa Gall ......................................................................... 58<br />

Musikworkshops<br />

Sascha Düx ................................................................................... 60<br />

Equipment für die Musikproduktion<br />

Markus Brachtendorf ..................................................................... 66<br />

DVD<br />

DVD-Inhalt ................................................................................. 67<br />

Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration NRW: 3;<br />

Offene Jazz Haus Schule, transparent: S. 30<strong>–</strong>31, 40<strong>–</strong>41; Mittwochsmaler: S.<br />

28<strong>–</strong>29; MusicWatch/popUP NRW: S. 36<strong>–</strong>37;<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Niederlande: S. 23<strong>–</strong>25; sCOOL HITs: S. 34 o., 35 r.;<br />

Für Unterstützung danken wir der Stadt Solingen, der Rochus-Musikschule<br />

<strong>Köln</strong>-Bickendorf, dem Sommertheater Pusteblume, dem Musicstore <strong>Köln</strong>,<br />

der Akademie Deutsche POP <strong>Köln</strong>, der OT Luckys Haus und dem SKM <strong>Köln</strong>.<br />

Besonderer Dank gilt Salvatore Chianta, Angelika Ingendaay, Florian Mimm,<br />

Werner Reuter und allen AutorInnen dieser Arbeitshilfe.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />

von Redaktion und Herausgeber wieder.<br />

Erschienen in <strong>Köln</strong> im April 2007 (Eigenverlag).<br />

Intro | 05


HipHop:<br />

Popkultur und Lebensstil<br />

Gabriele Klein<br />

„Anders als alle<br />

Popkulturen zuvor<br />

hat HipHop Text,<br />

Musik, Tanz und<br />

Bild miteinander<br />

vereint“<br />

HipHop ist die wohl langlebigste Kultur in der Geschichte<br />

des Pop. Keine andere ästhetische Jugendkultur, ob<br />

Rock’n’Roll, Punk oder Techno, hat es bislang geschafft,<br />

über mehr als zwanzig Jahre wegweisend zu sein und in<br />

Musik und Tanz, Text und Bild ästhetische Innovationen<br />

hervorzubringen.<br />

HipHop ist eine Sammelbezeichnung für eine auf afrikanische<br />

Kulturtradition zurückgehende, in den schwarzen<br />

Ghettos der USA entstandene, mittlerweile globalisierte<br />

und weltweit vermarktete Jugend- und Popkultur. Sie ist<br />

eine hybride Kulturpraxis, die sich aus vier verschiedenen<br />

ästhetischen Medien zusammensetzt: Rap (Text), DJing<br />

(Musik), Breakdance (Tanz) und Graffiti (Bild). HipHop<br />

meint sowohl eine kulturelle Praxis als auch Lebensstile<br />

und Weltanschauungen, die sich um Rap, Breakdance,<br />

DJing und Graffiti gebildet haben. Ähnlich wie andere<br />

schwarze Kulturpraktiken (z.B. Capoeira), aber anders<br />

als alle Popkulturen zuvor hat HipHop Text, Musik,<br />

Tanz und Bild miteinander vereint.<br />

06 | HipHop: Popkultur und Lebensstil<br />

HipHop History<br />

Historischer Ausgangspunkt des HipHop sind die Urban<br />

Dance Parties der 1970er Jahre in New York City, bei denen DJs<br />

über ihre herkömmliche Rolle als Plattenaufleger hinauswachsen<br />

und selbst Musik produzieren, indem sie Platten<br />

manuell bewegen und mit Hilfe mehrerer Plattenspieler<br />

verschiedene Sounds ineinander mixen. Auf diese Weise<br />

gelingt es ihnen, die Musik zu verfremden, die instrumentalen<br />

Phasen der Stücke zu verlängern und der<br />

Musik die individuelle Note des DJ zu verleihen. Die neuen<br />

DJ-Techniken des scratching und mixing provozieren mit<br />

Breakdance einen spezifischen Tanzstil, der gekennzeichnet<br />

ist durch den permanenten Wechsel von simultanen<br />

und sukzessiven Bewegungen. Die Tanztechniken des<br />

Locking und Popping und die akrobatischen Power Moves<br />

machen den Tanz zu einem sportiven und rasanten<br />

Spiel mit Körperzentren und -achsen. Zu ihnen gesellt<br />

sich der MC (Master of Ceremony), der die Tänzer über<br />

Sprecheinlagen zum Weitermachen motiviert. Als Rap<br />

entwickelt sich diese Animationstechnik zu einer eigenständigen<br />

kulturellen Praxis.<br />

Das Rapping selbstgereimter Verse steht in der Tradition<br />

des für westafrikanische Kulturen charakteristischen<br />

Umgangs mit Rhythmen und Tonsprachen, die in den<br />

schwarzen Ghettos Nord-Amerikas eine eigene Grammatik<br />

gefunden haben und von der performanceorientierten<br />

Poesie des Black Arts Movement der 1960er<br />

und 1970er Jahre ästhetisiert worden sind. Rap ist ein<br />

Sprachspiel voller ironischer Übertreibungen, Wortspiele<br />

und Slang-Fragmente, bei dem nicht nur rhythmisch<br />

gesprochen, sondern auch mit Tempo, Tonhöhe und<br />

Klangfarbe gespielt wird. Rapping findet zunächst nur<br />

auf der Straße statt, wird dort aber bald akustisch<br />

verstärkt durch den tragbaren Kassettenrecorder, die<br />

Boombox. Zu diesen informellen, spontanen öffentlichen<br />

Darbietungen gesellt sich der Breakdancer, der das den<br />

Text zerlegende Sprachspiel des Rappers auf den Körper<br />

überträgt.<br />

Etwa zeitgleich mit den neuen Sprach-, Musik- und<br />

Tanztechniken entsteht, ebenfalls ausgehend von New<br />

York City, die Bildtechnik des Graffiti. Mit der illegalen<br />

Kulturpraxis beginnen die jugendlichen Writer, sich den


öffentlichen Raum symbolisch anzueignen. Aus der<br />

anfänglichen Beschriftung mit Namenszeichen (Tags)<br />

entwickeln sich dreidimensional gestaltete Schriftzüge<br />

und Bilder, die sogenannten Pieces, die Anfang der 1980er<br />

Jahre Eingang in den avantgardistischen Kunstdiskurs und<br />

mittlerweile auch als legitimierte Kunstpraxis in Museen<br />

gefunden haben. Für Jugendliche ist Graffiti als Maltechnik<br />

vor allem an nächtliche illegale Aktionen gebunden, in<br />

denen sie ihr Dasein sichtbar machen können innerhalb<br />

anonymisierter Stadtlandschaften. Sie verstehen Graffiti<br />

als szenespezifischen Sprachcode, der wie ein Kommuni-<br />

kationsnetz die Stadt durchzieht.<br />

Wie Graffiti in die bildende Kunst Eingang findet,<br />

etabliert sich derzeit Breakdance in der zeitgenössischen<br />

Tanzkunst. Breakdance führt die Tradition des afroamerikanischen<br />

Tanzes weiter und multipliziert dessen<br />

Elemente, Polyrhythmik und Polyzentrik. Indem er Achsen<br />

und Zentren überall im Körper vorstellbar macht, bricht<br />

er radikal mit der Tradition des europäischen Tanzes.<br />

Zugleich revolutioniert Breakdance den ebenfalls aus<br />

der afroamerikanischen Tanztradition stammenden<br />

Rock’n’Roll und dekontextualisiert den nur auf ein<br />

Zentrum aufbauenden Körperbegriff des populären<br />

Tanzes. Hatte schon Rock’n’Roll durch seine rasanten<br />

Rollfiguren die Vertikale im Körper überwunden und<br />

mit den drei Achsen des Körpers gespielt, so radikalisiert<br />

Breakdance diese Entwicklung <strong>–</strong> im Headspin dreht sich<br />

nicht nur der Tänzer auf dem Kopf, diese Figur ist auch<br />

eine Metapher für einen Paradigmenwechsel im Körperkonzept<br />

der westlichen Tanzmoderne. Indem der Breakdance<br />

überall im Körper Achsen und Zentren vorstellbar<br />

macht, eröffnet er ganz neue Spielräume für bis dahin<br />

unvorstellbare Körper-Figuren. Nicht nur deshalb arbeiten<br />

Choreographen wie der ‘Dekonstruktivist’ unter den<br />

modernen Ballett-Choreographen, William Forsythe,<br />

mit Breakdancern.<br />

HipHop zwischen Lokalität<br />

und Globalität<br />

Die Anfänge des HipHop liegen zu Beginn der 1970er<br />

Jahre in der New Yorker Bronx, als musikalische Vorläufer<br />

gelten Ska, Reggae, Gospel und Soul. HipHop verbreitete<br />

sich zunächst an der Ost- und Westküste US-Amerikas,<br />

fand aber seit Mitte der 1980er Jahre eine schnelle Verbreitung<br />

durch die Popmusikindustrie vor allem in Europa,<br />

Asien und Lateinamerika und konnte sich über diese<br />

Kommerzialisierung der Rap-Musik zu einer der stärksten<br />

und langlebigsten Popkulturen entwickeln. Trotz der<br />

weltweiten Vermarktung der Musik blieb Hip-Hop aber<br />

immer auch eine Subkultur, die sich in den Nischen urbaner<br />

Räume herausbildete.<br />

Mit seiner globalen Verbreitung seit den 1980er Jahren<br />

erfuhr HipHop eine Anzahl von Dekontextualisierungsschüben:<br />

der schwarze Hip-Hop US-Amerikas etablierte<br />

sich in Europa zunächst als Kopie US-amerikanischer<br />

Stile, verankerte sich aber auch hier zunächst vor allem<br />

in ethnischen Minderheitenkulturen (so bei algerischen<br />

Jugendlichen in Paris oder bei türkischen Jugendlichen<br />

in Berlin). Die Rap-Texte veränderten sich entsprechend<br />

der sozialen Situation und passten sich auch hinsichtlich<br />

des sprachlichen Gestus den jeweiligen kulturellen<br />

Kontexten an. Wurden beispielsweise in Deutschland<br />

zunächst US-amerikanische Rapstile kopiert und die<br />

Texte in englischer Sprache vorgetragen, so wird in<br />

Deutschland mittlerweile fast nur noch in deutscher<br />

oder auch in türkischer Sprache gerappt. Ähnlich<br />

veränderten sich im Zuge neuer kultureller Kontexte<br />

die Bildästhetik des Graffiti und die Tanzfiguren des<br />

Breakdance.<br />

Prof. Dr. Gabriele Klein<br />

Professorin für Soziologie mit den Schwerpunkten<br />

Bewegung, Sport und Tanz an der Universität<br />

Hamburg; Direktorin des Instituts für urbane<br />

Bewegungskulturen; Leitung des postgradualen<br />

Studiengangs Performance Studies. Buchveröffentlichungen<br />

(Auswahl): Is this real? Die Kultur<br />

des HipHop (2003; mit Malte Friedrich); Electronic<br />

Vibration. Pop Kultur Theorie (2004); Tanz<br />

Bild Medien (Hg. 2000); Bewegung. Sozial- und<br />

kulturwissenschaftliche Konzepte (Hg., 2004);<br />

Stadt. Szenen. Theoretische Positionen und<br />

künstlerische Produktionen (Hg., 2005).<br />

Kontakt:<br />

www1.uni-hamburg.de/gklein<br />

HipHop lässt sich heute als eine Jugend- und Popkultur<br />

charakterisieren, die sich im Spannungsfeld von Globalität<br />

und Lokalität entfaltet. Der durch Kulturindustrien<br />

bedingten Globalisierung und Kommerzialisierung von<br />

Popkultur steht die Bildung kleiner voneinander unterscheidbarer<br />

lokaler Einheiten und lokaler Identitäten<br />

gegenüber. Aber wie diese symbolisiert auch HipHop<br />

die für die Konstitution von Popkulturen seit den 1960er<br />

Jahren so typische Kommerzialisierung, die sich über<br />

eine Absorbierung schwarzer Musik- und Tanzstile durch<br />

kulturindustrielle Vermarktungsstrategien vollzieht. HipHop<br />

ist von daher auch ein Beispiel für eine hybride Kultur-<br />

praxis, bei der sich US-amerikanische und europäische<br />

Traditionen, Elemente von schwarzer und weißer<br />

Kultur vermischen und in verschiedenen lokalen<br />

Räumen eine sehr spezifische Ausformung gefunden<br />

haben.<br />

HipHop als urbane Kultur<br />

und Lebensstil<br />

HipHop ist eine urbane Kultur, die sich vor allem in den<br />

städtischen Metropolen herausgebildet hat. Die ästhetischen<br />

Impulse und die Arten der Körperverwendung<br />

sind eine Antwort auf die Erfahrungen urbanen Lebens in<br />

postindustriellen Gesellschaften. Zugleich thematisiert<br />

und inszeniert HipHop wie keine andere zeitgenössische<br />

„HipHop ist eine<br />

urbane Kultur,<br />

die sich vor allem<br />

in den städtischen<br />

Metropolen herausgebildet<br />

hat“<br />

Theorie | 07


„Live-Performances<br />

bei Jams und Battles<br />

sind die zentrale<br />

theatrale Inszenie-<br />

rungsform des<br />

HipHop“<br />

Jugendkultur Ethnizität als einen<br />

zentralen Bestandteil kultureller<br />

Praxis. HipHop ist vor allem<br />

eine Jugend- und Popkultur<br />

von MigrantInnen <strong>–</strong> und hierin<br />

unterscheidet sie sich wesentlich<br />

von der Techno-Szene.<br />

HipHop ist der Prototyp einer<br />

wertkonservativen, männlich<br />

strukturierten, traditionellen<br />

Vergemeinschaf tungsform.<br />

Respekt vor Tradition und<br />

Autoritäten, Leistung, Fairness<br />

und Männlichkeit prägen den<br />

Wertekanon des HipHop.<br />

HipHop ist eine theatrale Kultur,<br />

sie wird aufgeführt: Begrüßungen,<br />

Respektbekundungen, Interaktionsrituale<br />

bis hin zum<br />

Nichts-Tun werden inszeniert.<br />

In den Aufführungen aktualisiert sich die Weltsicht der<br />

Szenemitglieder, nach der ‘echter’ HipHop nicht kategorial<br />

beschrieben, sondern nur gefühlt werden könne. Die<br />

Aufführungen dienen der Essentialisierung des Lebensgefühls<br />

HipHop.<br />

Live-Performances bei Jams und Battles (Vortragen<br />

eines Rap-Stückes, eine Tanzeinlage oder das DJing)<br />

sind die zentrale theatrale Inszenierungsform des Hip-<br />

Hop: Sie bieten dem einzelnen HipHop-Aktivisten die<br />

Möglichkeit, sich selbst in Szene zu setzen; ist doch,<br />

anders als bei anderen Popkulturen, der soziale Status<br />

eines HipHop-Aktivisten das Ergebnis seiner szenespezifischen<br />

Aktivitäten und ‘Leistungen’. HipHop ist ‘real’,<br />

wenn er gelebt wird <strong>–</strong> und das heißt in der HipHop-Szene<br />

auch immer, etwas in den Feldern des HipHop (Graffiti,<br />

Breakdance, Rap, DJing) zu tun. In einem permanenten<br />

Wettbewerb gilt es, durch einen individuellen Stil („Style“)<br />

und ein hohes Niveau („Skills“) Anerkennung zu erhalten.<br />

Im Unterschied zur medialen Performance der Videoclips<br />

wird in der Life-Performance körperlich-sinnlich<br />

erfahrbar, was HipHop ist: Eine Kultur, die sich im<br />

Spannungsfeld von Globalisierung und Lokalisierung,<br />

von Kommerz und Subkultur, von Mainstream und<br />

Avantgarde erfolgreich immer wieder aktualisiert hat.<br />

Tim Weedon<br />

Jahrgang 1969, geboren in<br />

Washington, DC, wuchs in<br />

den 70er Jahren mit den<br />

Anfängen der HipHop-<br />

Kultur auf. Er studierte<br />

Business Administration<br />

an der American University<br />

Washington, arbeitete als<br />

A&R für Sony und als<br />

Manager für HipHop-<br />

Künstler in den USA und<br />

Schweden. In Stockholm<br />

gründete er die Modern<br />

Soul Academy. Seit 2006<br />

absolviert er ein Masterstudium<br />

der Erziehungs-<br />

wissenschaften in<br />

Manchester.<br />

Kontakt:<br />

www.soulacademy.com<br />

tim@soulacademy.com<br />

Literatur:<br />

Gabriele Klein/Malte Friedrich: Ist this real? Die Kultur des HipHop, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2003.<br />

08 | HipHop: Popkultur und Lebensstil


Missverständnisse:<br />

Was ist HipHop für Jugendliche heute?<br />

Der heutige HipHop ist in der öffentlichen Wahrnehmung<br />

vor allem durch ein mediales Negativ-Image präsent,<br />

das als gewalttätig, sexistisch und materialistisch<br />

charakterisiert werden kann. Dieses sehr eingeschränkte<br />

Bild von HipHop-Musik und -Kultur wird immer weiter<br />

fortgeschrieben von zahlreichen heutigen Rappern und<br />

Plattenfirmen, die soziale Verantwortung dem finanziellen<br />

Erfolg unterordnen. So entsteht <strong>–</strong> vermittelt durch die<br />

Massenmedien <strong>–</strong> ein falsches, illusionäres Bild von HipHop-<br />

Kultur. Medien- und Musikindustrie porträtieren,<br />

zelebrieren und glorifizieren gerade diejenigen Lebensaspekte,<br />

von denen die Pioniere des HipHop sich und ihre<br />

Communities befreien wollten.<br />

Gegenüber der medialen Dauerthematisierung negativer<br />

Aspekte der HipHop-Kultur finden ihre kreativen Potenziale<br />

und ursprünglichen Prinzipien von Unity, Respekt<br />

und Lehren/Lernen kaum Erwähnung. Massenmedialen<br />

Negativdarstellungen zum Trotz definieren Jugendliche,<br />

die in der Szene aktiv sind, HipHop mehrheitlich als<br />

Engagement in einer Gemeinschaft; als Kultur, in der<br />

Gefühle, Ideen und Überzeugungen ausgedrückt werden<br />

können, ohne Angst oder schulische Bewertung. Diese<br />

Faktoren von Offenheit und gleichberechtigter Teilhabe<br />

ungeachtet von Schulbildung, sozialem oder ökonomischem<br />

Hintergrund erklären die ungebrochene<br />

Anziehungskraft des HipHop: Jugendliche, die über die<br />

medialen Negativ-Schablonen hinausschauen können,<br />

finden Gemeinschaft und Sinngebung; HipHop kann<br />

so Veränderungen zum Positiven bewirken.<br />

Für Jugendliche ist die Gegenwartsgesellschaft komplex,<br />

schwierig und herausfordernd; Heranwachsende sind<br />

permanent konfrontiert mit verschiedenen Anforderungen<br />

und Belastungen. HipHop kann hier ein inspirierender<br />

Schonraum sein, der Jugendliche stärkt und auf Entwicklungsaufgaben<br />

in einer zunehmend unbarmherzigen<br />

Gesellschaft vorbereitet. Die Idee einer HipHop Community<br />

ist einladend für permanent drangsalierte Kinder<br />

und Jugendliche aus benachteiligten Kontexten, denn<br />

sie basiert auf universeller Inklusion, verbunden mit<br />

einer Vision und konkreten Zielen. Wo HipHop-Kultur ihren<br />

Grundprinzipien verbunden bleibt, erkennt sie die<br />

* Übersetzung aus dem Englischen: Sascha Düx<br />

HipHop Intelligence<br />

Tim Weedon*<br />

Fähigkeiten und Stärken jedes Einzelnen, stärkt so das<br />

Selbstbewusstsein und den Glaube daran, selbstgesetzte<br />

Ziele erreichen zu können. Jugendliche werden von HipHop-<br />

Kultur angezogen, weil sie soziale, kulturelle, ethnische<br />

und wirtschaftliche Grenzen überschreitet und es so<br />

Jugendlichen mit verschiedensten Backgrounds ermöglicht,<br />

sich gemeinsam durch HipHop auszudrücken.<br />

Die Ursprünge der HipHop-Kultur<br />

Das Fundament der HipHop-Bewegung bildeten zu<br />

Anfang die Pfeiler Respekt, individuelle Identität,<br />

Community und Lehren/Lernen (Wissen, Toleranz,<br />

Ethik). HipHop konnte über religiöse, bildungsbezogene,<br />

soziale und ethnische Schranken hinweg ein breites<br />

Publikum im lokalen Umfeld der Künstler erreichen.<br />

Ziel der HipHop-Protagonisten war das Schaffen einer<br />

unterstützenden, kreativen, experimentell-lernenden<br />

Community der Gleichheit. HipHop-Kultur begann<br />

nicht als Musikrichtung, sondern als offener Lebensstil<br />

und alternativer lokalpolitischer Diskurs, mit den vier<br />

zentralen Rollen des DJ, des MC, des B-Boys/B-Girls<br />

(Breakdancer) und des Graffiti-Writers.<br />

DJing war in den 70ern eine Hauptquelle der HipHop-<br />

„Jugendliche werden<br />

von HipHop-Kultur<br />

angezogen, weil sie<br />

soziale, kulturelle,<br />

ethnische und wirtschaftliche<br />

Grenzen<br />

überschreitet“<br />

Theorie | 09


„Der HipHop-DJ<br />

nutzt seine Plattenspieler<br />

wie ein<br />

Dirigent sein<br />

Orchester“<br />

10 | HipHop Intelligence<br />

Kultur. Die Masterminds unter den frühen HipHop-DJs<br />

nahmen das bis dahin vorherrschende Konzept vom DJ<br />

als „Plattenaufleger“ und erweiterten es zu einem bis<br />

heute einflussreichen popkulturellen Paradigma: Der<br />

HipHop-DJ nutzt seine Plattenspieler wie ein Dirigent<br />

sein Orchester, er kann durch gezielte Manipulation an<br />

Plattenspielern und Mischpult aus musikalischem Ausgangsmaterial<br />

völlig neue Stücke schaffen. Zu diesem<br />

„One-Man-Band“-Konzept des HipHop-DJs kam dann<br />

der MC („Master of Ceremony“) hinzu, der Rapper oder<br />

<strong>–</strong> seltener <strong>–</strong> die Rapperin.<br />

„Rappen“ heißt eigentlich sprechen: Kommunizieren in<br />

Form rhythmischer Reime, vorgetragen über die Beats<br />

des DJs. Die frühen RapperInnen nutzten spontane<br />

Poesie mit cleveren Reimen, um ihr Leben, Schmerz,<br />

Freude und Liebe zu beschreiben; und auch, um ihrer<br />

Community moralische, gesellschaftliche, politische<br />

Botschaften zu übermitteln.<br />

Im Umfeld von Rap und DJing entstanden auch andere<br />

Formen künstlerischer Kreativität; zentral waren hier<br />

Breakdance und Graffiti, die mit Rap und DJing zu den<br />

Four Elements der HipHop-Kultur gerechnet werden.<br />

Diese vier Elemente stehen als ineinander greifende<br />

kulturelle Praktiken an der Quelle von HipHop als<br />

Kultur und Lebensstil. In seiner Frühzeit definierte sich<br />

HipHop dabei über ein Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />

als gemeinsame Stimme gegen Gewalt, Verbrechen,<br />

Drogenmissbrauch und Mangel an Bildungsmöglichkeiten<br />

in den Wohnvierteln. Poetischer Rap, Breakdance<br />

und Graffiti waren eine Plattform für Jugendliche, um<br />

kreativ und intellektuell zu kommunizieren, um Freude<br />

wie Frustration auszudrücken.<br />

Dont push me, cause I’m close to the edge<br />

I’m trying not to loose my head<br />

It’s like a jungle sometimes, it makes me wonder<br />

How I keep from going under<br />

(Grandmaster Flash and the Furious Five)<br />

In den vergangenen 30 Jahren hat sich HipHop von einem<br />

kleinen Kollektiv mit gemeinsamen Wertvorstellungen zu<br />

einer globalen Kultur und einem mächtigen Industriezweig<br />

entwickelt. In den 70er Jahren definierten Pioniere<br />

des HipHop wie Afrika Bambaataa die Idee von Communities<br />

in urbanen, benachteiligten Stadtvierteln neu: HipHop<br />

wurde genutzt, um vormals kriminellen Gangs neue<br />

Gemeinschaftsformen zu eröffnen, um Hoffnung,<br />

Selbstvertrauen und Orientierung zu vermitteln. Mit<br />

der Entwicklung zu einem über das Lokale hinaus-<br />

reichenden kommerziellen Phänomen hat HipHop den<br />

engeren Bezug zu lokalen Communities verloren und<br />

konnte auch nicht in eine große HipHop-Bewegung mit<br />

gemeinsamen Zielen transformiert werden.


Gegenwärtig wird die junge HipHop-Generation für<br />

ihre negative, zerstörerische Haltung angeprangert;<br />

dabei untermauert gerade das massenmedial verstärkte<br />

Interesse an den gewalttätigen, kriminalitätsverherrlichenden<br />

Teilströmungen der HipHop-Kultur deren<br />

finanziellen Erfolg, so dass diese in der öffentlichen<br />

Wahrnehmung oft fälschlicherweise als repräsentativ<br />

für HipHop insgesamt wahrgenommen werden. Was<br />

positiv für Gangster-Rap-Tonträgerverkäufe sein mag,<br />

bewirkt andererseits vielerorts eine Pauschalverurteilung<br />

jugendlicher HipHopper; auch derer, die die kreativen<br />

Potenziale der HipHop-Kultur in positiver Weise nutzen.<br />

Als PädagogInnen, EntscheiderInnen und Multiplikator-<br />

Innen sollten wir alles daran setzen, diese populäre<br />

kreative Kunstform zu unterstützen und ihre ursprünglichen<br />

Prinzipien von Respekt, Community, Bildung<br />

und Toleranz zu feiern.<br />

Hip Hop Education<br />

Das kreative, intellektuelle und kommunikative Potenzial<br />

der HipHop-Kultur inspiriert Jugendliche und motiviert<br />

zum Lernen. Die ursprünglichen HipHop-Communities<br />

mit ihren dialogisch ausgehandelten gemeinsamen<br />

Werten, Überzeugungen und Visionen können als Modell<br />

einer effektiven Lerngemeinschaft, einer alternativen<br />

Schule dienen. Viele benachteiligte Jugendliche, die im<br />

gegenwärtigen Bildungssystem scheitern, können wir<br />

nur erreichen, wenn neue Ansätze, neue Definitionen von<br />

Kultur und Bildung gewagt werden. Die ursprünglichen<br />

Prinzipien des HipHop zeigen hier mögliche Wege auf.<br />

Die Modern Soul Academy (MSA) arbeitet seit einigen<br />

Jahren erfolgreich in diesem Feld einer HipHop-Pädagogik<br />

zwischen Bildung und Entertainment. Seit 2003 wurden<br />

u. a. einige HipHop-Projekte gemeinsam mit dem <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong> durchgeführt, die die teilnehmenden<br />

Jugendlichen in ihrer persönlichen Entwicklung weiter-<br />

bringen und sie dabei unterstützen, ihren Fokus auf die<br />

HipHop-Prinzipien von Gemeinschaft und positiven<br />

Überzeugungen zu richten. Unser alternativer Bildungs-<br />

ansatz unterstützt die Teilnehmenden nicht nur in<br />

ihrer künstlerischen Weiterentwicklung, sondern vermittelt<br />

quasi nebenbei die Sinnhaftigkeit von Bildung<br />

und zielgerichteten Anstrengungen.<br />

Auf methodischer Ebene spielt das kooperative Lernen<br />

eine große Rolle: Lehrende und Lernende begegnen<br />

sich auf gleicher Augenhöhe. Das gemeinsame Ziel wird<br />

demokratisch von der Gruppe festgelegt. Um dieses<br />

Ziel zu erreichen, werden verschiedene Arbeitsformen<br />

und erprobende Ansätze genutzt, wie problemlösendes<br />

Lernen, Förderung emotionaler Intelligenz, Verbindung<br />

von diszipliniertem Arbeiten und kritischem Denken.<br />

Über die Jahre hinweg konnten wir Zeugen werden,<br />

wie positiv sich unsere verschiedenen Projekte und<br />

Programme in Schweden, Deutschland, Spanien und<br />

anderen Ländern langfristig auf die beteiligten Jugendlichen,<br />

ihre persönliche Entwicklung und ihre Laufbahn<br />

in Bildungssystem und Arbeitsmarkt auswirken.<br />

Viele benachteiligte Jugendliche, die heute noch zu häufig<br />

in den Institutionen des Bildungssystems scheitern,<br />

bräuchten alternative Bildungsangebote mit familiärem<br />

und verbindlichem Charakter und einem Schwerpunkt<br />

auf aktiv handelndem Lernen. Bildungsinstitutionen<br />

und EntscheidungsträgerInnen sollten das Potenzial<br />

der HipHop-Kultur für solche alternativen Lern-<br />

angebote erkennen und nutzen.<br />

Fazit<br />

Wenn wir auf die Ursprünge der HipHop-Kultur schauen,<br />

sehen wir, was HipHop war, ist und sein könnte. Wenn<br />

wir das mediale und musikindustriell vermarktete<br />

Image des heutigen HipHop betrachten, sehen wir, was<br />

HipHop nicht ist, nicht sein sollte. Richtig verstanden<br />

bietet die HipHop-Kultur uns eine perfekte Plattform,<br />

um Jugendliche mit einer Social Citizenship und den nötigen<br />

Kompetenzen auszustatten, die ihnen Chancen im<br />

Leben eröffnen. Daher dürfen wir nicht ruhen, intelligente<br />

und alternative entwicklungsfördernde HipHop-<br />

Projekte voranzubringen.<br />

Artikel<br />

�<br />

Siehe<br />

„Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona:<br />

Das HipHop-<br />

Netzwerk Nippes“<br />

(Seite 42)<br />

und<br />

„Urban-Culture-<br />

Projekte des <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong>s“<br />

Theorie | 11


12 | Urban Culture und Pädagogik<br />

Urban Culture<br />

und Pädagogik<br />

Sascha Düx<br />

Was ist eigentlich Urban Culture? Wikipedia.de hat im<br />

März 2007 noch keine Definition zu bieten, die englischsprachige<br />

Wikipedia immerhin einen Kurzeintrag,<br />

wonach Urban Culture einerseits „städtische Kultur“<br />

meine <strong>–</strong> definiert über Unterschiede zum ländlichen<br />

Raum, speziell bessere Verfügbarkeit kultureller<br />

Ressourcen <strong>–</strong> und andererseits ein gebräuchlicher<br />

Euphemismus zur Beschreibung der HipHop-Kultur sei. 1<br />

Was den Begriff für uns attraktiv macht, ist gewiß nicht<br />

eine euphemistische Vermeidung des Worts „HipHop“,<br />

sondern seine Offenheit: zu den kanonischen Four Elements<br />

des HipHop können Aspekte wie Medien, Mode<br />

und Theater dazukommen, außerdem eine stilistische<br />

Bandbreite von R’n’B über Dancehall bis hin zu African/<br />

Oriental Beats. Der Begriff kommt aus der Szene und<br />

ist breiter als die Fremdbeschreibung „Jugendkultur“<br />

<strong>–</strong> die meist eine Abwertung gegenüber „Erwachsenenkultur“<br />

impliziert.<br />

Urban Culture, so unsere Arbeitsdefinition, ist die<br />

(Jugend-)Kultur der Metropolen in einer globalisierten<br />

Welt: Tanz, Musik, Medien, Kunst und mehr, oft<br />

1 http://en.wikipedia.org/wiki/Urban_culture (Stand 02.03.2007)<br />

verankert in der Kultur US-amerikanischer Minderheiten,<br />

aber offen für diverse kulturelle Einflüsse und<br />

mit sehr spezifischen lokalen Formen. Urban Culture ist<br />

urbane Multikultur, und sie ist desto spannender, je<br />

offener sie für kulturelle Vielfalt ist.<br />

Urbanität, Kultur und Rassismus<br />

Schon 1996 hat Les BAck eine vergleichende Untersuchung<br />

der Urban Cultures zweier Londoner Stadtteile durchgeführt.<br />

Ausgangspunkt ist BAcks Unbehagen mit moralisch<br />

verkürzten Antirassismuskampagnen der 80er Jahre.<br />

BAck erlebte damals als Jugendarbeiter, dass ein<br />

‘Bekenntnis-Antirassismus’ den komplexen Formen<br />

von Rassismus im Leben junger Großstädter nicht<br />

gerecht wurde.<br />

Wenn in Zeiten globaler Migration homogene nationale<br />

Kulturen zunehmend zum Hirngespinst werden, könne<br />

interkulturelle Arbeit nicht mehr ein Verständnis „ausländischer“<br />

Kulturen anstreben; vielmehr müsse Ziel<br />

sein, ein Bewusstsein der weltweiten Geschichte der<br />

Migration zwischen Sklaverei, Arbeitsmigration und<br />

Kriegsflucht zu entwickeln, die alle westlichen Kulturen<br />

binnenmultikulturell gemacht habe. Besonders<br />

Urban Cultures seien hochgradig promiskuitiv in ihrem<br />

ständigen Bestreben, unterschiedlichste Traditionsstränge<br />

zusammenzuführen und für die Gegenwart neu<br />

zu erfinden.<br />

Der daraus resultierenden Vielfalt der sozialen und<br />

kulturellen Identitäten stehe aber eine Vielfalt alltäglicher<br />

Rassismus-Formen gegenüber, auch innerhalb urbaner<br />

Multikultur. In diesem Spannungsfeld von kultureller<br />

Vielfalt und vielfältigen Rassismen müssen sich Jugendliche<br />

heute zurechtfinden. Dazu kommt die Dimension<br />

der medienvermittelten Globalisierung: Neue Ethnizitäten<br />

entstehen laut BAck durch eine produktive Spannung<br />

zwischen globalen und lokalen Einflüssen.<br />

Die Idee der multikulturellen Gesellschaft ist, so BAck,<br />

nicht gescheitert; im Gegenteil ist die Multikulturalität<br />

der Städte eine unumkehrbare Realität. Gescheitert<br />

sind allenfalls naiv-idealistische Multikulturalismus-<br />

Entwürfe, die die Macht des Rassismus unterschätzen<br />

<strong>–</strong> und das schreibt BAck PädagogInnen ins Stammbuch:<br />

Stets wachsam zu sein, dass man nicht eigene romantische<br />

Wünsche auf Jugendkulturen projiziere.


Am Anfang war Rhythm’n’Blues<br />

Urbane jugendkulturelle Strömungen gehen zumeist<br />

auf afroamerikanische Quellen zurück. Paradigmatisch<br />

ist hier der Rhythm’n’Blues: Die als Kürzel R’n’B heute<br />

wieder aktuelle Genrebezeichnung wird während des<br />

II. Weltkriegs von kleinen Plattenlabels geprägt, die Musik<br />

für eine neue Käuferschicht auf den Markt bringen:<br />

Die seit den 1920er Jahren massenhaft aus den ländlichen<br />

Südstaaten in die Großstädte des US-Nordens<br />

migrierten Afroamerikaner. 1949 benennen die Billboard-<br />

Charts ihre vormals Race betitelte Sparte in Rhythm and Blues<br />

um <strong>–</strong> Musik vornehmlich „von Schwarzen für Schwarze“.<br />

Der Crossover in die weiße Mainstream-Kultur gelingt<br />

dem R’n’B erst unter wiederum neuer Flagge: Radio-DJ<br />

Alan Freed beginnt 1954, R’n’B als Rock’n’Roll zu verkaufen,<br />

„um den schwarzen Ursprung dieser Musik zu maskieren“. 2<br />

Rock’n’Roll ist Rhythm’n’Blues <strong>–</strong> ergänzt durch Country-<br />

Anleihen und eine Verschiebung von der Erwachsenen-<br />

zur Jugendmusik. Erst im Crossover von der Black Community<br />

auf den Markt der weißen Teenager wird R’n’B/<br />

R’n’R zu einer Jugendkultur; und damit zum Angstgegner<br />

einer Bewahrpädagogik, die sexualisierte Texte anprangert,<br />

in offen rassistischen Varianten die Moral der weißen<br />

US-Jugend durch den „animalischen Sexualtrieb<br />

der Schwarzen“ bedroht sieht. 3 Auch wenn rassistische<br />

Strukturen in den westlichen Gesellschaften seit den<br />

1950er Jahren weit subtiler geworden sind, finden sich<br />

doch einige der für den Rhythm’n’Blues beschriebenen<br />

Prozesse auch beim neueren Phänomen HipHop wieder.<br />

Rap steht in der poetischen Tradition des Blues. Musik-<br />

ethnologen wie David Evans und Alfons Dauer führen den<br />

Blues auf das musikalisch-poetische Feld der Epik zurück,<br />

wie es sich historisch mit orientalischem Einfluss in<br />

der kulturgeographischen Großlandschaft des Sudan<br />

konstituiert habe. Rhythm’n’Blues standardisierte die<br />

vielfältigen poetischen Formen der wandernden ländlichen<br />

Bluessänger zur urbanen Bandmusik, der Beat<br />

dominierte den Text; im HipHop gewinnen die Rapper<br />

über den am Plattenteller erzeugten Endlos-Beats der<br />

DJs Freiheiten zur poetischen Formgestaltung zurück<br />

und knüpfen als MCs (Masters of Ceremony) an<br />

die Tradition der afrikanischen Griots an. 4 Während<br />

Rhythm’n’Blues aber noch die Transformation ländlicher<br />

Formen in einen neuen urbanen Rahmen war, ist<br />

HipHop von Anfang an eine spezifisch großstädtische<br />

Kultur.<br />

HipHop, Multikultur und Rassismus<br />

in Deutschland<br />

Die HipHop-Szene in Deutschland wurde überwiegend<br />

von Migranten aufgebaut; in der Medienöffentlichkeit<br />

wurde aber bis weit in die 1990er-Jahre hinein nur<br />

der Deutschrap weißer Mittelschichten sichtbar: So<br />

beschreiben Loh und GünGör die HipHop-Szene in<br />

Deutschland, gespalten zwischen den Gegensätzen „Jugendhaus“<br />

und „Reihenhaus“. Diese Spaltungsthese mag<br />

überspitzt sein, doch Loh/GünGör legen überzeugend<br />

dar, wie Musikindustrie und Massenmedien eine Konstruktion<br />

von deutschem HipHop als weißer, mittelständischer<br />

Jugendkultur betrieben hätten, in der „kein<br />

Platz ist für Rap, der von sozialem Elend, alltäglichem<br />

Rassismus oder ökonomischer Ausbeutung redet“.<br />

Erst den Berliner Battle-Rappern um Kool Savas und<br />

Bushido sei es gelungen, die „starren Grenzen zwischen<br />

2 neLson GeorGe 1990, S. 88ff.<br />

3 ArnoLd shAw 1983, S. XXIX ff.<br />

4 vgl. hoffmAnn 1994<br />

‘Deutschrap’ und ‘Migrantenrap’ zu durchbrechen“<br />

<strong>–</strong> deren aggressive Texte seien in Jugendzentren wie<br />

bei Gymnasiasten gut angekommen, und: „Wirklich<br />

bemerkenswert ist, dass Kool Savas in den meisten Fällen von<br />

den Medien nicht auf seine Herkunft reduziert wird“. 6<br />

Erst da, wo Rap multikultureller Protagonisten sich<br />

nicht mehr als multikultureller Rap, sondern als ‘Neue<br />

Härte im Deutschen Battlerap’ präsentiert, wird er<br />

<strong>–</strong> wie zuvor der US-Gangsta-Rap <strong>–</strong> attraktiv für Mittel-<br />

schichtsjugendliche und damit zu einer medial und<br />

ökonomisch relevanten Größe.<br />

Battles sind Teil der HipHop-Kultur, derartige gewaltlose<br />

Wettstreite sind auch bei B-Boys, DJs und Writern<br />

üblich. Rap-Battles setzen alte afroamerikanische Traditionen<br />

des verbalen Wettstreits wie Playing the Dozens<br />

fort. Eine Verschiebung findet allerdings statt, wenn<br />

Battles von der Live-Disziplin, bei der in Echtzeit improviserte<br />

Reime gegeneinander in Stellung gebracht<br />

werden, zur marktdominierenden Form produzierter<br />

Rapmusik werden.<br />

Durch seine Herauslösung aus dem Kontext einer Kultur<br />

von Minderheiten und Migranten wird Rap, so Loh,<br />

auch für Rechtsradikale anschlussfähig. Wo im Battlerap<br />

Härte und Tabubruch Trumpf sind, finden sich<br />

zunehmend auch Nazimetaphern und rassistische<br />

Aussagen. Wenn auch noch keine organisierte rechtsradikale<br />

Rapszene existiere, so werde doch schon laut<br />

über ‘feindliche Übernahmen’ nachgedacht: „HipHop<br />

ist nicht wesentlich weniger undeutsch als Rock. Die<br />

gesamte Rock-, Pop- und Was-weiß-ich-Musik basiert<br />

doch auf schwarzem Rhythm&Blues [… und ist] nur dadurch<br />

‘rechts-kompatibel’ geworden, weil man sie ‘okkupiert’<br />

hat“, zitiert Loh aus einem nationalistischen<br />

Internetforum. 7<br />

HipHop alleine, das zeigt sich hier, garantiert nicht<br />

automatisch für multikulturelle Toleranz; das lei-<br />

5 Loh und GünGör 2002, S. 125<br />

6 Loh und GünGör 2002, S. 215f.<br />

7 Loh 2002<br />

„Battles sind Teil<br />

der HipHop-Kultur,<br />

derartige gewaltlose<br />

Wettsreite sind auch<br />

bei B-Boys, DJs und<br />

Writern üblich“<br />

Theorie | 13


14 | Urban Culture und Pädagogik<br />

Sascha Düx<br />

Jahrgang 1971, verheiratet, zwei Töchter. Studium<br />

(u. a. Musik und Ev. Religionslehre) in Bochum<br />

und <strong>Köln</strong>, 2000 Abschluss als Diplompädagoge.<br />

Spielte in verschieden Bands, in den 90ern Betreiber<br />

eines mobilen Tonstudios. Diverse Veröffentlichungen<br />

zu medienpädagogischen Themen, u. a.<br />

„Internet, Gesellschaft und Pädagogik“ (München<br />

2000). Seit Januar 2001 Bildungsreferent im <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong>. Schwerpunkte: internationale<br />

Jugendmedienarbeit, Urban-Culture-Medienprojekte,<br />

Multimedia und Video, Qualifizierung und Beratung<br />

für die aktiv-kreative medienpädagogische<br />

Praxis. Projektleitung u. a. Internationale HipHop-<br />

Camps, Urban Culture 2005 und <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />

Cologne.<br />

Kontakt:<br />

sd@jfc.info<br />

stet nur eine HipHop-Kultur, die sich ihrer Geschichte<br />

bewusst ist und die auch im Rahmen der Battlekultur<br />

klare Grenzlinien zu Nazi-Metaphorik und Rassismus zieht.<br />

Urban-Culture-Projekte in Jugendarbeit<br />

und Schule<br />

Urban Culture hat große Potenziale für pädagogische<br />

Projekte: Viele Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund<br />

sind hier aktiv und oft mit ganzem Herzen<br />

bei der Sache; es besteht ein Interesse an Weiterentwicklung<br />

der eigenen Fähigkeiten, an Produktion eigener<br />

Songs und Videos, an Auftritten. Urban Culture eignet<br />

sich ideal zur Vermittlung interkultureller Bildung und<br />

Literatur<br />

BAck, Les: New Ethnicities and Urban Culture. Racisms<br />

and multiculture in young lives. Routledge/UK 1996.<br />

GeorGe, neLson: Der Tod des Rhythm&Blues. Wien<br />

1990.<br />

GeorGe, neLson: XXX. Drei Jahrzehnte HipHop. Freiburg<br />

(orange-press) 2002.<br />

hoffmAnn, Bernd: Blues. In: finscher, LudwiG (Hg.): Die<br />

Musik in Geschichte und Gegenwart. Kassel [u. a.]<br />

1994.<br />

als Plattform für internationale Begegnungen. Dabei<br />

sollten einige Punkte beachtet werden:<br />

1. Wer als Pädagoge ein Urban-Culture-Projekt plant,<br />

begibt sich oft auf fremdes Terrain. Hier ist wie beim<br />

Besuch in einem fremden Land eigene interkulturelle<br />

Kompetenz gefragt; und es schadet nichts, vorher den<br />

Reiseführer in die Hand zu nehmen, sprich: sich über<br />

die entsprechenden Szenen und deren Geschichte zu<br />

informieren.<br />

2. Pädagogische Arbeit mit Urban Culture kann ein Balanceakt<br />

sein: Wie viel „Härte“ tolerieren? Wo die Diskussion<br />

suchen, wo die Notbremse ziehen? Rapcoach<br />

Tim weedon empfiehlt, Jugendliche erstmal mit ihren<br />

Tabubrüchen kommen zu lassen, „let them get it all<br />

out“, um von da aus eine gemeinsame Arbeitsebene zu<br />

finden.<br />

3. Urban-Culture-Projekte funktionieren nur mit guten<br />

Referenten, Idealprofil: kommt aus der Szene, ist künstlerisch,<br />

pädagogisch und interkulturell kompetent.<br />

Referenten, die aufgrund ihrer Skills von den Jugendlichen<br />

akzeptiert werden, gewinnen schnell Vorbildcharakter<br />

und lösen positive Reflexions- und Veränderungsprozesse<br />

aus.<br />

4. Urban-Culture-Projekte eignen sich zur Steigerung<br />

von Motivation zu zielgerichteter Arbeit, zur Vermittlung<br />

interkultureller und sozialer Kompetenzen und<br />

zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung <strong>–</strong> dabei<br />

sollte Urban Culture aber „jederzeit zugleich als Zweck,<br />

niemals bloß als Mittel“ genutzt werden.<br />

5. Antirassismus funktioniert nicht mit dem Holzhammer<br />

(z.B. als Projekt, das Jugendlichen ohne konkreten Anlass<br />

aufgedrückt wird). Ein gemeinsames Thema <strong>–</strong> als frucht-<br />

barer Katalysator im kreativen Prozess <strong>–</strong> sollte in der<br />

Gruppe entwickelt werden, und wenn „Rassismus“<br />

gewählt wird, sollte der an konkreten Erfahrungen festgemacht<br />

werden.<br />

6. Urban-Culture-Projekte werden spannend, wenn verschiedene<br />

Disziplinen kooperieren: Wenn z.B. die Graffiti-Gruppe<br />

das Bühnenbild für eine Liveshow mit Musik-,<br />

Tanz- und Theaterelementen gestaltet, wenn deren Entstehungsprozess<br />

von der Mediengruppe dokumentiert<br />

wird und diese dann noch ein Musikvideoclip mit allen<br />

Beteiligten dreht.<br />

7. Urban Culture vereint uralte, komplexe Kulturtraditionen.<br />

Man muss kein eingefleischter HipHop-Fan<br />

sein, um Urban-Culture-Projekte zu planen. Aber ein<br />

bisschen Begeisterungsfähigkeit und Achtung vor diesen<br />

Traditionen sind schon angebracht; gerade in der<br />

Arbeit mit Zielgruppen, die wenig über die Geschichte<br />

ihrer Jugendkulturen wissen.<br />

Loh, hAnnes: 1000 Jahre Deutscher HipHop. Nazimetaphern,<br />

Rassismus und Neue Härte im deutschen Battlerap.<br />

http://www.alhambra.de/zeitung/feb02/hiphop.<br />

htm (2002)<br />

Loh, hAnnes und murAT GünGör: Fear of a KanakPlanet.<br />

HipHop zwischen Weltkultur und Nazi-Rap. Planegg<br />

(Hannibal) 2002.<br />

shAw, ArnoLd: Die Geschichte des Rhythm und Blues.<br />

Frankfurt am Main 1983.


Eine kurze Geschichte des<br />

HipHop in Deutschland<br />

Hubert Minkenberg<br />

Ab 1984 verbreitet sich HipHop auf der ganzen Welt.<br />

Ebenso wie in den USA findet diese Kultur in Deutschland<br />

ihre Hauptresonanz auf der Straße, unter Jugendlichen,<br />

vor allem auch bei Menschen mit Migrationshintergrund.<br />

Die Anfänge (German Old School)<br />

In Deutschland ist der Anfang der Old-School-Zeit durch<br />

Aufgreifen schon vorhandener Fragmente aus den USA<br />

gekennzeichnet, die erst im Lauf der Zeit von deutschen<br />

HipHoppern zu neuen Elementen zusammengefügt werden.<br />

Ausführlicher dazu sagen VerLAn und Loh (2000,<br />

90), dass die „erste Generation in Deutschland Old<br />

School genannt wird. Sie erfanden ihn zwar nicht, da er<br />

als schon entwickelt nach Deutschland kam, aber niemand<br />

zeigte ihnen, wie all diese Techniken funktionierten,<br />

sie mussten sich die Sachen alleine beibringen.“ Den<br />

Anfang machen die ersten Plattenveröffentlichungen<br />

aus den USA im Jahr 1981 in Deutschland, sie lassen die<br />

Jugend auf etwas ganz Neues neugierig werden.<br />

Exporte von der Sugarhill Gang, Grandmaster Flash<br />

und Afrika Bambaataa lassen jedoch noch nichts von<br />

einer dahinter stehenden Subkultur erkennen. Erst der<br />

Film „Wild Style“, der im Jahr 1983 deutschlandweit in<br />

den Kinos ausgestrahlt wird, macht die umfassende<br />

Bedeutung der HipHop-Kultur deutlich. Die in diesem<br />

Film gezeigten Diskussionen über einen Ausverkauf<br />

der Bronx, aber auch der Hoffnung, verdeutlichen zum<br />

ersten Mal für das überwiegend jungendliche deutsche<br />

Kinopublikum die Grundsätze von HipHop (vgl. VerLAn/<br />

Loh 2000, 93).<br />

Die individuelle Hinwendung von Jugendlichen zur HipHop-<br />

Kultur fußt auf der Faszination von Breakdance, Rap<br />

oder Graffiti. Ein bestimmtes Schlüsselerlebnis, die<br />

Auflehnung gegen die Eltern und die Gesellschaft, ein<br />

bestimmtes Lied oder einfach nur ein positives Gefühl<br />

für die Kultur kann der Auslöser sein (vgl. VerLAn/Loh<br />

2000, 88).<br />

Der Gangsterrap-Trend aus den USA stieß auch bei<br />

Deutschlands Jugendlichen auf großes Interesse. Viele<br />

der amerikanischen Rapper stehen auf dem Index,<br />

und so wird Rap nicht mehr nur von der Gesellschaft<br />

allgemein, sondern auch von Eltern verstärkt verurteilt.<br />

Zensur und Verbote steigern den Bekanntheits- und<br />

Beliebtheitsgrad dieser Musik immens und ihre Veröffentlichungen<br />

werden zu Sammelobjekten: „HipHop<br />

bringt ein wenig Abenteuerstimmung in das Leben gelangweilter<br />

Wohlstandskinder“ (fArin 1998, 57).<br />

Die dritte Einwanderergeneration<br />

Zu Beginn der Bewegung gibt es haufenweise Bands,<br />

die lange nur im heimischen Umfeld bekannt sind. Eine<br />

solche Band ist unter anderem die Fresh Familee aus<br />

Ratingen. Sie setzt sich aus Jugendlichen der zweiten<br />

Gastarbeitergeneration in Deutschland zusammen. Mit<br />

dem Lied „Ahmed Gündüz“ erlangen sie erstmals im<br />

Jahr 1991 auch nationale Beliebtheit. Es ist nicht nur die<br />

erste deutschsprachige Rap-Maxischallplatte, sondern<br />

greift weiter auch die Thematik des alltäglichen Rassismus<br />

gegenüber Gastarbeitern auf. Erzählt aus der Sicht<br />

eines Kindes, verleiht „Ahmed Gündüz“ erstmals öffentlich<br />

einer älteren Generation eine Stimme, welche der<br />

vorherrschenden Sprache nicht mächtig ist (vgl. VerLAn/<br />

Loh 2000, 138).<br />

Viele Einwandererkinder fühlen sich von HipHop in den<br />

Bann gezogen, da es ihnen ähnlich wie den Erfindern<br />

in den USA geht, auch sie gehören der weißen Mittelschicht<br />

nicht an und fühlen sich daher wie „Fremde<br />

„HipHop bringt<br />

ein wenig Abenteuerstimmung<br />

in das<br />

Leben gelangweilter<br />

Wohlstandskinder“<br />

Theorie | 15


„Einwanderer, die<br />

nicht auf deutsch<br />

rappen, fühlen<br />

sich verlassen von<br />

der bisherigen<br />

Gemeinschaft“<br />

im eigenen Land“. So spiegelt sich diese Zeit<br />

auch in den Texten der Rapper wieder. Sie<br />

nutzen die Musik, um ihre Wut auszudrücken<br />

und distanzieren sich durch Rap von Gewalt<br />

und Diskriminierung <strong>–</strong> gerade zu einer Zeit, in<br />

der in Deutschland viele Brandanschläge auf<br />

Flüchtlingsunterkünfte verübt werden. Die<br />

Medien vermarkten die Idee eines friedlichen<br />

Neben- und Miteinanders auf ihre Weise: Multikultur<br />

im deutschen HipHop. Eine Bezeichnung,<br />

die anderssprachigen Rap in Deutschland<br />

ausklammert und innerhalb der Szene zu<br />

Spaltungen führt. Einwanderer, die nicht auf<br />

deutsch rappen, fühlen sich verlassen von der<br />

bisherigen Gemeinschaft. So geht es auf einmal<br />

nicht mehr nur um Fähigkeit, sondern auch um<br />

Herkunft (vgl. VerLAn/Loh 2000, 144).<br />

„Seit Jahren beobachteten die meisten Kids<br />

der zweiten und dritten Einwanderergeneration<br />

den Deutschrap-Boom als Außenstehende.<br />

Sie fühlten sich von den Inhalten und dem<br />

Lebensgefühl weder angesprochen noch<br />

repräsentiert“ (VerLAn/Loh 2000, 157).<br />

Doch die Jugendlichen wissen sich selbst zu<br />

helfen, das Bündnis „Kanak Attack“ wird gegründet.<br />

Diese Bewegung versucht auf Grund des entstandenen<br />

Zwiespaltes Aufklärungsarbeit<br />

besonders bei den Themen Geschlechterrollen,<br />

Musik und Politik zu leisten (vgl. VerLAn/<br />

Loh 2000, 159f.).<br />

Die Jams<br />

Jugendzentren bieten der HipHop-Szene ein Forum für<br />

Jams, und im Jahr 1987 finden die ersten wirklich größeren<br />

Partys in den verschiedensten Städten Deutschlands<br />

statt; so auch in Dortmund. Konzept der Veranstaltung<br />

ist, dass alle Anwesenden sich aktiv an der Planung des<br />

Abends beteiligen. Mittels Demonstrationen ihrer vorhandenen<br />

Fähigkeiten im Graffiti, Rap und Breakdance<br />

können die Jugendlichen ihr Selbstbild bei Wettkämpfen<br />

mit anderen Gleichaltrigen überprüfen. Noch sehr unorganisiert<br />

legen die ersten Treffen dieser Art einen<br />

16 | Eine kurze Geschichte des HipHop in Deutschland<br />

Grundstein für weit reichende Bekanntschaften und<br />

Verabredungen unter Jugendlichen. Erstmals reisen für<br />

eine Party in diesem Rahmen Jugendliche aus dem gesamten<br />

Bundesgebiet an. Die reisebereite Jam-Generation<br />

wird bezeichnenderweise auch die „Tramperticket<br />

Generation“ genannt: Durch Nutzung eines Angebots<br />

der Deutschen Bahn AG wird ein deutschlandweiter<br />

Austausch möglich (vgl. VerLAn/Loh 2000, 103ff.).<br />

Auf den ersten Jams in Deutschland gibt es, auf Grund<br />

der US-amerikanischen Entstehungsgeschichte, nur<br />

englischsprachige Reime und Freestyles. Bahnbrechendes<br />

gelingt einem Jugendlichen namens Torch von<br />

der Rapgruppe Advanced Chemistry: Er legt im Jahr<br />

1987 den Grundstein in der weiteren Entwicklung des<br />

Sprechgesangs, indem er zum ersten Mal einen Reim<br />

auf deutscher Sprache improvisiert. Seine Motivation<br />

liegt dabei in der verbesserten Übermittlung inhaltlicher<br />

Botschaften, die er in vollständig deutschsprachigen<br />

Texten zum Ausdruck bringen möchte. Diese<br />

Erweiterung von improvisierten und kurzen Sätzen findet<br />

Anklang bei anderen Rappern und bringt Advanced<br />

Chemistry überregionale Achtung ein (vgl. VerLAn/Loh<br />

2000, 119). Mit der Zeit entsteht aus den Jams im In- und<br />

Ausland eine selbstorganisierte Subkultur.<br />

So ist zum Beispiel das „MZEE Frisch Projekt“ ein Konzept<br />

für die Durchführung von nationalen und internationalen<br />

Jams (vgl. VerLAn/Loh 2000, 110). Organisiert<br />

von Mitbegründer Akim Walta will das HipHop-Magazin<br />

und -Label MZEE Informationen über aktuelle<br />

Geschehnisse der Szene vermitteln. Mit Mitarbeitern<br />

aus der Szene greift MZEE kulturorientierte Anliegen<br />

auf und unterstützt die Szene zusätzlich durch ein unabhängiges<br />

Vertriebssystem (vgl. www.thing.de/neid/<br />

archiv/1/text/hiphop.htm).


HipHop in den neuen Bundesländern<br />

Während in den alten Bundesländern in Deutschland<br />

auf Jams schon internationale Kontakte geknüpft werden,<br />

finden in den Jahren 1988/89 erstmals zwei vergleichbare<br />

Großveranstaltungen in der damaligen DDR statt.<br />

Die erste Jam dort entsteht durch die Mitwirkung einer<br />

Berliner Radiosendung namens Vibrations. Diese ist speziell<br />

auf eine junge Hörerschaft zugeschnitten und bietet<br />

den Jugendlichen ein Forum, in dem sie selbst kreierte<br />

Demokassetten aus dem HipHop-Bereich einsenden<br />

können. Basierend darauf entsteht die Idee, einen Rap-<br />

Contest für interessierte Anhänger der Kultur zu organisieren.<br />

Über den Radiosender werden die Jugendlichen<br />

dazu aufgefordert, sich an der Durchführung der Party<br />

zu beteiligen. Als Organisator von Rap-Veranstaltungen<br />

in Radebeul, einem Dresdner Vorort, wird Alexander<br />

Morawitz in die Pläne eingespannt. Wegen seiner Erfahrungen<br />

als Breaker der Gruppe Quick Animation, seiner<br />

organisierten Scheunenpartys und wegen seines nationalen<br />

Erfolgs als Rapper der politisch-kritischen Gruppe<br />

Electric B ist es ihm möglich, viele andere Jugendliche zu<br />

erreichen (vgl. krekow/sTeiner 2000, 108f).<br />

Einen zusammenhängenden Einblick in die gesamten Inhalte<br />

der HipHop-Kultur liefert im Jahr 1985 der amerikanische<br />

Dokumentarfilm „Beat Street“. Die Regierung<br />

der ehemaligen DDR versteht den Film als eine Protestbewegung<br />

der amerikanischen Jugend gegen den Kapitalismus.<br />

Anlehnend an eigene Inhalte der Regierung<br />

kann HipHop als Ausdrucksmöglichkeit für Jugendliche<br />

geduldet werden. Als Vorsichtmaßnahme werden<br />

dennoch Sprühdosen aus den Supermarkt-Regalen verbannt.<br />

Dies verlangsamt vorerst die Entwicklung von<br />

Graffiti in der DDR. So konzentriert sich die Kreativität<br />

jugendlicher Künstler auf Rap und Breakdance. Inspiriert<br />

durch den Film „Beat Street“ bauen sie ihre ersten<br />

Schallplattenspieler selbst zusammen und Erlernen das<br />

Scratchen auf alten Hörspiel-Schallplatten. Breakdance<br />

wiederum wird von Jugendarbeitern zwecks kulturellen<br />

Austauschs in Workshops angeboten (vgl. VerLAn/Loh<br />

2000, 299f).<br />

MC Poise ist einer der wenigen, der sich durch Breakdance<br />

und MCing einen großen Namen in Ost-Berlin<br />

macht. Um die Kreativität der ostdeutschen Jugendlichen<br />

besser nachvollziehen zu können, muss hier<br />

erwähnt werden, dass ihnen zu dieser Zeit keine geeigneten<br />

Räumlichkeiten und auch kein Equipment<br />

zur Verfügung stehen. MC Poise zum Beispiel übt seine<br />

Tanzperformance auf dem Berliner Alexanderplatz<br />

oder in der örtlichen Kirche. Mit seinen wenigen Musik-<br />

exporten aus der BRD produziert der Vierzehnjährige so<br />

ideenreiche Beats, dass er kurz darauf mit seiner Crew<br />

„Downtown Lyriks“ in der gesamten ehemaligen DDR<br />

zu den Bekanntesten zählt (vgl. krekow/sTeiner 2000,<br />

78ff).<br />

Ein anderer Rapper, der heute noch bekannt ist und<br />

bei der Rap-Produktion in Dresden unterstützend mitwirkt,<br />

ist DynaMike. 1987 gründet er mit Freunden die<br />

Three M-Men Rapgruppe. Sie schaffen es, durch Eigenwerbung<br />

berühmt zu werden, noch bevor sie ihren ersten<br />

Reim in englischer Sprache verfassen (vgl. krekow/<br />

sTeiner 2000, 103). Seit dem Jahr 2000 gehört DynaMike<br />

der <strong>Köln</strong>er Gruppe Noisy Stylus an.<br />

Literatur<br />

fArin, kLAus: generation-kick.de. Jugendsubkulturen heute. München (Beck) 2001.<br />

krekow, seBAsTiAn, Jens sTeiner und mAThiAs TAupiTz: HipHop-Lexikon. Berlin (Lexikon Imprint) 1999.<br />

VerLAn, sAschA/Loh, hAnnes: 20 Jahre HipHop in Deutschland. Planegg (Hannibal) 2002.<br />

Prof. Dr. Hubert Minkenberg<br />

Jahrgang 1955, studierte in <strong>Köln</strong> und Berlin. Promotion<br />

in Musikwissenschaft, Instrumentalstudium<br />

mit den Fächern Saxophon und Klavier. Komponist<br />

und Musiker unter eigenem Namen und als Side-<br />

man (u.a. bei Eros Ramazzotti). 1989 bis 1991 Musik-<br />

redakteur beim WDR. 1991 bis 1999 Dozent für<br />

Musikwissenschaften an der Musikakademie<br />

Wiesbaden. 1999 Professur für Musikpädagogik<br />

unter besonderer Berücksichtigung Neuer Medien<br />

an die FH Düsseldorf als Professor berufen. 2000<br />

Gastdozent an der Universität Santiago de Chile.<br />

Mitglied des Vorstands der DGMB (Deutsche<br />

Gesellschaft für Musik bei Behinderten). Delegierter<br />

der GEMA für die Gruppe der angeschlossenen<br />

und ausserordentlichen Komponisten. Lehr- und<br />

Forschungsschwerpunkte: Didaktik und Methodik<br />

der Popularmusik und Einsatz Neuer Medien in<br />

der außerschulischen Musikpädagogik.<br />

Kontakt:<br />

www.minkmusik.de<br />

hubert.minkenberg@fh-duesseldorf.de<br />

Theorie | 17


Interkulturelle Medienarbeit<br />

im <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong><br />

Eva Bürgermeister<br />

„Leitmotiv für<br />

jede pädagogische<br />

Annäherung ist die<br />

Anerkennung der<br />

Jugendlichen mit<br />

ihrem individuellen<br />

Können, ihren Interessen,<br />

Wünschen<br />

und Perspektiven“<br />

Medien sind integraler Bestandteil von Jugendkultur;<br />

sie führen zusammen, vermitteln Information und Austausch.<br />

Medien bieten kreative Gestaltungsmöglichkeiten<br />

und szenetypische Plattformen. Diese Chancen<br />

jugendkultureller Kreativität gilt es zu nutzen <strong>–</strong> auch<br />

um sich als Pädagogen den Herausforderungen in der<br />

modernen Gesellschaft zu stellen.<br />

Jugendkulturen und Medien stehen daher ebenso wie<br />

die interkulturelle Arbeit seit vielen Jahren im Blickpunkt<br />

der Arbeit des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>. Leitmotiv für jede<br />

pädagogische Annäherung ist dabei die Anerkennung<br />

der Jugendlichen mit ihrem individuellen Können, ihren<br />

Interessen, Wünschen und Perspektiven <strong>–</strong> verbunden<br />

mit pädagogischer Neugier, individueller Unterstützung<br />

sowie kritischer Herausforderung und gemeinsamer<br />

Erarbeitung von Perspektiven.<br />

Zahlreiche Modellprojekte, Publikationen und Veranstaltungen<br />

markieren die medienpädagogische Annäherung<br />

an jugendkulturelle Szenen, an die Kultur- und<br />

Medienarbeit im Bereich Urban Culture, an spezifische<br />

Anforderungen für interkulturelles Lernen und internationale<br />

Verständigung. So erschien bereits 1994 eine erste<br />

Publikation zum Thema „Jugendkulturen“, die <strong>–</strong> sehr<br />

viel stärker in den Jugendszenen verortet <strong>–</strong> im Jahr 1997<br />

unter dem Titel „Jugendkulturen in den 90er Jahren:<br />

Innenansichten <strong>–</strong> Außenansichten“ eine Aktualisierung<br />

erfuhr. Weitere Highlights in den 90er Jahren waren die<br />

Beteiligung an der inhaltlichen Gestaltung des Specials<br />

„CultureMix“ auf dem Medienforum NRW, die Organisation<br />

des NRW-Auftritts während der „European<br />

Conference on Youth and Multimedia“ (Youthmedia)<br />

in Düsseldorf sowie die Herausgabe eines Medienpa-<br />

Dr. Eva Bürgermeister<br />

Jahrgang 1956, Studium der Kunstgeschichte,<br />

Pädagogik und Anglistik. Seit 1994 Geschäftsführerin<br />

des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s, Konzeption,<br />

Steuerung und Durchführung diverser medienpädagogischer<br />

Veranstaltungen und Projekte;<br />

Schwerpunkte sind interkulturelle und internationale<br />

Kinder- und Jugendmedienarbeit, Familie<br />

und Medien, Medienkritik und intergenerative<br />

Medienarbeit.<br />

18 | Interkulturelle Medienarbeit im <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong><br />

ketes unter dem Titel „Rolle Vorwärts <strong>–</strong> Medienprojekte<br />

gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“.<br />

Mit der Gründung des CrossCulture-Netzwerks für<br />

interkulturelle und internationale Jugendmedienarbeit<br />

im Jahr 2000 erfuhr dieser Bereich in Nordrhein Westfalen,<br />

auch finanziell zumeist durch das Land unterstützt,<br />

weitere strukturelle und inhaltliche Aufwertung.<br />

Im Jahr 2001 führte der <strong>JFC</strong> erstmals den bundesweiten<br />

interkulturellen Kinder- und Jugendmedienwettbewerb<br />

Mixed LINX durch. Es folgten zwei überregionale<br />

Modellprojekte: „Was glaubst Du denn?! <strong>–</strong> Jugend,<br />

Glaube, Religiosität“ sowie „Wo bleibst Du denn?! <strong>–</strong><br />

Lebensräume/Lebensträume“. In beiden Projekten wurde<br />

interkulturelle Bildung mit den medialen Möglichkeiten<br />

des Internet verknüpft, u. a. mit einer Live-Web-<br />

TV-Sendung aus drei Städten.<br />

Nicht zuletzt prägte der <strong>JFC</strong> auch weiterhin den Fachdiskurs<br />

über Handlungsfelder, Ziele und Fragen von<br />

Qualität medienpädagogischer und interkultureller Arbeit,<br />

so mit den Tagungen „CrossCulture <strong>–</strong> interkulturelle<br />

Medienarbeit für Europa: Konzepte und Qualitätskriterien<br />

interkultureller Jugendmedienarbeit“ (2002) und<br />

„Migranten und Medienberufe“ (2003), dem Medien-<br />

Concret Themenheft „MediaMixMondial <strong>–</strong> Ideen für die<br />

interkulturelle Medienarbeit“ (2002) sowie der inhaltlichen<br />

Mitarbeit an dem Special „Networking Young<br />

Europe“ beim Medienforum NRW 2002.<br />

Auch in internationaler Kooperation wurden Projekte<br />

entwickelt: nachdem der <strong>JFC</strong> bereits 1999 in dem europäischen<br />

Projekt „face2face“ involviert war, nimmt die<br />

Projektarbeit in internationalen Netzwerken seit 2003<br />

einen wichtigen Stellenwert ein; als Beispiel sei hier<br />

die Beteiligung am LEONARDO-geförderten Projekt<br />

„CREAM <strong>–</strong> Creative and active Media Education“ zur<br />

Unterstützung junger Migranten bei der Berufsorientierung<br />

im Medienbereich genannt (2003-2005). Unsere<br />

jüngsten Projekte im Schnittfeld von interkultureller<br />

Medienarbeit und Jugendkulturen <strong>–</strong> die internationalen<br />

HipHop-Camps, das Städteprojekt Urban Culture<br />

2005, das internationale Musikvideoprojekt pop@rena,<br />

die Projekte im internationalen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Netzwerk<br />

und nicht zuletzt das für dieses Heft namensgebende<br />

Modellprojekt <strong>–</strong> sollen im Folgenden vorgestellt werden;<br />

ebenso weitere spannende Urban-Culture-Projekte aus<br />

Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus.


Urban-Culture-Projekte<br />

des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />

Von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> bis <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> — <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />

Sascha Düx und Andreas Kern<br />

Im Mai 2007 wird das <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> Tanz-, Musik-<br />

und Mediencoaches aus zehn europäischen Ländern<br />

zu einem internationalen Seminar in die Akademie<br />

Remscheid einladen. Neben fachlichem Austausch und<br />

gemeinsamer praktischer Arbeit geht es hier um die<br />

Planung der im Sommer 2007 erstmals stattfindenden<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer Courses. Diese Summer Courses<br />

sind als Folgeangebot für die TeilnehmerInnen der bisherigen<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Projekte geplant <strong>–</strong> und sie sind<br />

das jüngste Projekt im internationalen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-<br />

Netzwerk, einem Netzwerk, dessen Anfänge in den<br />

Niederlanden liegen …<br />

Von Amsterdam nach Europa<br />

Das Projektformat <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> (R&R) wurde 2001<br />

von der Stiftung Miramedia (Utrecht) und weiteren<br />

Partnern entwickelt. Das Grundkonzept umfasst die<br />

folgenden Basiselemente:<br />

<strong>–</strong> Im Vorfeld eines größeren Festivals werden in Stadtteilen<br />

mit hohem Migrantenanteil Jugendliche mit<br />

Talent in einem der Bereiche Medien, Musik und Tanz<br />

‘gescoutet’.<br />

<strong>–</strong> Für diese Jugendlichen wird dann unmittelbar vor dem<br />

Festival eine intensive Block-Workshopphase angeboten.<br />

Hier werden die jungen Talente individuell in ihren Stärken<br />

gefördert und bei der Entwicklung ihrer künstlerischen<br />

Identität unterstützt.<br />

<strong>–</strong> Höhepunkte sind Masterclasses bei prominenten<br />

KünstlerInnen, die für das Festival in die Stadt kommen,<br />

sowie Auftritte auf dem Festival (bzw. deren mediale<br />

Dokumentation).<br />

<strong>–</strong> Im Anschluss an die Workshopphase wird weiteres individuelles<br />

Coaching angeboten.<br />

Nach mehreren erfolgreichen Projektphasen, angedockt<br />

u. a. an die Festivals Dunya in Rotterdam und Uitmarkt<br />

in Amsterdam und mit Masters wie Michael Franti, konnte<br />

2004 ein <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Auftritt bei der offiziellen<br />

Eröffnungsfeier zur niederländischen EU-Präsidentschaft<br />

„Europa op de Dam <strong>–</strong> Thinking Forward“ organisiert werden.<br />

Dazu wurden erstmals junge Talente aus mehreren europäischen<br />

Ländern als Gäste eingeladen <strong>–</strong> der Beginn des<br />

internationalen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Netzwerks. Das <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong> war hier noch nicht beteiligt. Als Ende<br />

2004 eine gemeinsame Antragstellung beim EU-Programm<br />

CULTURE 2000 anstand, wurden wir aufgrund<br />

unserer Vorerfahrungen im Bereich internationaler<br />

HipHop-Camps eingeladen, federführender Partner<br />

in Deutschland zu werden. So konnte mit Eingang<br />

der EU-Förderbewilligung im Mai 2005 das Projekt<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> International in Deutschland (<strong>Köln</strong>),<br />

Frankreich (Lille), Griechenland (Larissa und Athen),<br />

Italien (Florenz), den Niederlanden, Portugal (Lissabon),<br />

Spanien (Barcelona) und Ungarn (Budapest) starten.<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> <strong>–</strong> hier gibt’s was Gutes 1<br />

High Noon am Freitag, den 26. August 2005: Der Weltjugendtag<br />

ist vorbei, auf den <strong>Köln</strong>er Ringen sammeln sich<br />

die Massen fürs beginnende Ringfest, und im großen<br />

Saal des Bürgerzentrums Alte Feuerwache bereiten<br />

1 Die Abschnitte über <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2005 und 2006<br />

sind überarbeitete Fassungen unserer in der InterAktiv<br />

(12/2005 und 10/2006) erschienenen Artikel<br />

Artikel<br />

Artikel<br />

�<br />

Siehe<br />

„<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />

<strong>–</strong> Unterricht in Urban<br />

Culture“<br />

(Seite 23)<br />

�<br />

Siehe<br />

„Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona:<br />

Das HipHop-<br />

Netzwerk Nippes“<br />

(Seite 42)<br />

Best Practice | 19


sich gut 30 Jugendliche auf ihren ersten großen Auftritt<br />

vor. Nervös? „Ich bin auch schon so aufgeregt, gestern<br />

konnt’ ich kaum schlafen <strong>–</strong> aber, wir packen das schon,<br />

da glaub ich fest daran!“<br />

Rückblende: Der gleiche Saal, Anfang August.<br />

Gespanntes Warten auf den Gängen: Gleich wird die<br />

Jury verkünden, wer von über 40 jungen SängerInnen<br />

und RapperInnen bei <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Cologne 2005 dabei<br />

sein wird. 20 Plätze sind bei den Auditionen für junge<br />

Musik-Talente zu vergeben, dazu je 10 in den Bereichen<br />

Tanz und Medien.<br />

Es zeigt sich, dass durch die allgegenwärtigen Castings<br />

in den Medien schon ein recht festgefahrenes Bild von<br />

derartigen Auswahlverfahren in den Köpfen ist: Ein junger<br />

Mann begleitet seinen Bruder zur Audition. „Machst Du<br />

auch Musik?“, fragen wir. „Ja, albanische Volksmusik.<br />

Aber das passt nicht hierher“ <strong>–</strong> und trotz unserer Beteuerungen,<br />

das hier sei ein für alle Stilrichtungen offenes<br />

Projekt, können wir ihn nicht vom Gegenteil überzeugen.<br />

Die Zielgruppe <strong>–</strong> junge Talente insbesondere mit Migrationsbackgr<br />

ound, die schlechtere Zugangschancen zu<br />

Ausbildungsgängen in den Bereichen Musik, Tanz und<br />

Medien haben <strong>–</strong> wird dennoch durchweg erreicht: Drei<br />

Viertel der <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Talente 2005 kommen aus<br />

Familien mit Migrationshintergrund, und der ist breit<br />

20 | Urban-Culture-Projekte des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />

gestreut: Von der Ukraine bis Marokko, vom Kosovo bis<br />

Syrien.<br />

39 TeilnehmerInnen finden sich in der Woche vorm Ringfest<br />

zu einer intensiven mehrtägigen Workshopphase im<br />

<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong> und in den kooperierenden<br />

Jugendzentren OT Luckys Haus und OT Werkstattstraße<br />

ein. Professionelle ReferentInnen coachen die 16- bis<br />

25jährigen zur Bühnenreife. Anders als bei Bohlen &<br />

Co. werden hier nicht potenzielle Superstars auf Linie<br />

getrimmt, sondern junge Urban-Culture-KünstlerInnen<br />

dabei unterstützt, ihren eigenen Stil zu finden und sich<br />

langsam aber stetig in Richtung Professionalität zu entwickeln.<br />

So werden alle Songtexte und Gesangsmelodien<br />

von den Jugendlichen selbst geschrieben. Rap-Teilnehmer<br />

A. Kapuya: „Wir haben uns erstmal kennen gelernt und<br />

Sprach- und Gesangsübungen gemacht. Und Atemübungen.<br />

Das war komisch, weil wir so was zum ersten<br />

Mal gemacht haben, aber es hat sich nachher rausgestellt,<br />

dass es sehr hilfreich ist.“<br />

Ein Highlight der Workshopwoche sind dann die Master-<br />

classes: HipHop-Star Afrob aus Stuttgart und der afrobelgische<br />

Tänzer T. Love geben ihre Erfahrungen an die<br />

nachfolgende Generation weiter <strong>–</strong> und die Mediengruppe<br />

dokumentiert das Ganze mit Fotos und Video. Als dann<br />

am Sonntagabend der letzte von vier Ringfestauftritten<br />

erfolgreich über die große Generation-M-Bühne gegangen<br />

ist, wissen die TeilnehmerInnen: Das ist nicht das Ende,<br />

es werden ein Nachtreffen mit Präsentation der Video-<br />

DVD und dann weitere Projekte, Auftritte und Coaching-<br />

angebote folgen. Mit Afrobs Worten: „Kurzes Fazit bei<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> <strong>–</strong> hier gibt’s was Gutes!“<br />

Urban Culture 2005<br />

Im Herbst 2005 folgte dann das aus dem Programm<br />

ENTIMON des Bundesjugendministeriums geförderte<br />

Städteprojekt Urban Culture 2005: In <strong>Köln</strong>, Bonn und<br />

Solingen fanden vom 30. September bis zum 03. Oktober<br />

gleichzeitig verschiedene Workshops statt, die<br />

sich kreativ (Tanz, Musikproduktion, Musikvideodreh,<br />

Graffiti) und journalistisch-medial (Videodokumentation,<br />

Radio, Webmagazin) mit Fragen des Zusammenlebens<br />

im städtischen Raum und der (jugend-)kulturellen Ausdrucksformen<br />

in der Stadt beschäftigten.<br />

93 Teilnehmer/-innen <strong>–</strong> 44 in <strong>Köln</strong>, 17 in Solingen und<br />

32 in Bonn <strong>–</strong> produzierten in den vier Workshoptagen


57 Webmagazin-Artikel, 12 Videoclips, 8 Webradio-<br />

Beiträge und 4 selbstgetextete und -komponierte Songs.<br />

Dabei ging es um Themen wie die eigene<br />

kulturelle Verortung zwischen kulturellen Wurzeln im<br />

Elternhaus und Jugendkultur, um Jugendszenen in der<br />

eigenen Stadt, um Freundschaft und Liebe, Freizeitbeschäftigungen<br />

von Lesen bis Shoppen, um Tanz und<br />

Musik, Mode und Sport, um Graffiti zwischen Kunst<br />

und Kriminalisierung, um Angebote für Jugendliche in<br />

der eigenen Stadt und Aktivitäten gegen Rassismus.<br />

Die Beiträge wurden meist am selben Tag auf<br />

die gemeinsame, verbindende Internetplattform<br />

www.u-culture.de hochgeladen. Hier traf man sich<br />

auch, um sich im Videochat städteübergreifend<br />

kennenzulernen. Neben den vier bis acht Workshops<br />

pro Stadt wurden auch Exkursionen veranstaltet, z.B.<br />

zu einer legalen Graffiti-Wand in <strong>Köln</strong>. Die Jugendlichen<br />

in <strong>Köln</strong> und Solingen <strong>–</strong> die zum Teil bereits im Sommer<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Erfahrungen gesammelt hatten <strong>–</strong> bekamen<br />

die Chance, in professionellen Tonstudios ihre während<br />

des Projekts selbst geschriebenen Lieder aufzunehmen.<br />

Bei der Akademie der Deutschen POP gab es zusätzlich<br />

eine Einführung in die digitale Musikproduktion.<br />

Das Modellprojekt endete mit einer ca. 48-minütigen Live-<br />

Web-TV-Sendung: Übers Internet wurden Video-Live-<br />

schaltungen von <strong>Köln</strong> nach Bonn und Solingen realisiert,<br />

in allen Städten gab es Abschlussevents mit Livemusik.<br />

Europa in <strong>Köln</strong><br />

Die gigantische Festivalbühne ist sonst Reggae-Größen<br />

wie Damian Marley oder Jimmy Cliff vorbehalten.<br />

Am 14. Juli 2006 um 14:20 Uhr wird sie ein Podium für<br />

fünfundfünfzig Jugendliche aus ganz Europa: Mit Tanz<br />

und Livemusik ziehen sie das Publikum in ihren Bann,<br />

aus anfänglich knapp 300 Zuschauern werden binnen<br />

Minuten über 3000. Und die Kameras der Mediengruppe<br />

halten alles für die Projekt-DVD fest.<br />

Nach den Erfolgen von 2005 war klar: <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />

Cologne 2006 musste noch einen Schritt weitergehen.<br />

Wie im Vorjahr wurden bei Talentsichtungen aus diesmal<br />

über 80 interessierten Jugendlichen 30 TeilnehmerInnen<br />

für die <strong>Köln</strong>er Workshopphase ausgewählt.<br />

Neben den Disziplinen Tanz, Kamera/Moderation und Rap/<br />

Gesang wurde auch eine komplette Liveband zusammen-<br />

gestellt. Ermöglicht durch zusätzliche ENTIMON-Förderung<br />

konnten 25 weitere junge Talente aus sieben europäischen<br />

Partnerländern eingeladen werden, dazu fünf<br />

internationale ReferentInnen.<br />

Am 7. Juli treffen die Gäste aus Frankreich, Griechenland,<br />

Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Schweden<br />

und Ungarn ein. Man feiert gemeinsam die Endphase<br />

der WM und startet in eine intensive Workshopwoche,<br />

in deren Verlauf fünf Songs zwischen HipHop, Reggae<br />

und R‘n‘B geschrieben, eingeübt und im Studio aufgenommen<br />

werden; eine siebenminütige Choreographie<br />

mit Elementen diverser urbaner Tanzstile kreiert und<br />

eintrainiert wird; und drei Video-Kurzdokumentationen<br />

gefilmt und geschnitten werden. Bauarbeiten in<br />

der Unterkunft, mäßiges Catering und lange Reisezeiten<br />

zwischen Jugendgästehaus und Workshoporten sorgen<br />

bei einigen der internationalen Gäste für Missstimmungen,<br />

andere sind mit Feuer und Flamme bei der Sache. Dann<br />

der erste Höhepunkt: Martin Jondo, Deutschlands frischester<br />

Reggae-Star, kommt für eine Masterclass vorbei,<br />

steht der Mediengruppe für Interviews zur Verfügung<br />

und gibt den Musikgruppen Tipps für ihren Auftritt und<br />

ihre weitere künstlerische Entwicklung.<br />

Am 14. Juli geht es dann um 14:20 auf die Red Stage<br />

des Summerjam-Festivals. Zu diesem Zeitpunkt ist das<br />

Publikum mit ca. 300 Personen noch eher dünn<br />

besetzt. Mittels einer spontanen Eröffnungs-Einlage<br />

gelingt es den bühnenerfahrenen internationalen ReferentInnen,<br />

binnen weniger Minuten 3000 der aufs Gelände<br />

strömenden BesucherInnen vor die Red Stage zu bewegen.<br />

Der folgende Auftritt vor großem Publikum ist<br />

für alle Beteiligten ein beeindruckendes Erlebnis, zumal<br />

die erarbeiteten Stücke viel Applaus ernten. Leider<br />

fehlen am Ende die eingangs durch die Eröffnungs-<br />

Einlage verbrauchten Minuten Bühnenzeit, und so kann<br />

<strong>–</strong> das Bühnenmanagement ist, wie bei Festivals dieser<br />

Größenordnung üblich, sehr strikt <strong>–</strong> die letzte<br />

Vokalistengruppe nicht mehr auftreten. Das trifft die<br />

gesamte Gruppe, die Stimmung kippt binnen Minuten<br />

von Euphorie in Depression und Wut. Durch pädagogischen<br />

Einsatz des Teams können die Wogen geglättet<br />

werden; alle TN haben Tageskarten für das Festival und<br />

bleiben größtenteils bis zum späten Abend vor Ort.<br />

In den letzten Tagen tragen dann zwei Musikvideo-Drehs<br />

und ein gemeinsames Abschiedsbarbeque dazu bei,<br />

dass <strong>–</strong> wie die abschließende Evaluation zeigt <strong>–</strong> fast alle<br />

TeilnehmerInnen mit einem guten Gefühl nach Hause<br />

fahren.<br />

DVD<br />

Siehe Dokumentation<br />

„<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006“<br />

auf beiliegender DVD<br />

DVD<br />

Siehe Musikvideos<br />

„Alegria“ und „Summertime<br />

<strong>Roots</strong>“ auf<br />

beiliegender DVD<br />

Best Practice | 21


8<br />

Artikel<br />

Siehe<br />

„<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />

<strong>–</strong> Unterricht in Urban<br />

Culture“<br />

(Seite 23)<br />

DVD<br />

Siehe Dokumentation<br />

„<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>“<br />

auf beiliegender DVD<br />

Die internationale Zusammen-<br />

arbeit klappt wie schon bei den<br />

Vorläuferprojekten sehr gut:<br />

Die TeilnehmerInnen haben<br />

gemeinsame kulturelle Interessen,<br />

wollen zusammen etwas auf<br />

die Beine stellen <strong>–</strong> und wenn jemand<br />

großartige Flash-Animationen<br />

oder Ragga-Strophen<br />

beisteuern kann, wird es relativ<br />

unwichtig, wie gut er Englisch<br />

spricht. Beeindruckend ist<br />

auch, wie viel die Jugendlichen<br />

sich gegenseitig beibringen:<br />

Ob Gesangstechniken oder<br />

Kameraperspektiven, ob Tanzmoves<br />

oder Videoschnitt-<br />

Kniffe am PC <strong>–</strong> und das oft mitten in der Nacht.<br />

Für die Jugendlichen in Deutschland geht das Projekt<br />

nach Abreise der Gäste noch weiter: Beim Cologne Open<br />

Culture Festival gibt es Auftritte der <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Tanz-<br />

und Musikgruppen, und die Mediengruppe filmt das<br />

ganze Festival. Am 8. September haben beim Nachtreffen<br />

in der OT Luckys Haus die Projekt-CD und DVD Premiere;<br />

weitere Auftritte der <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Gruppe finden bei<br />

der Medienpädagogischen Börse <strong>Köln</strong> am 20. Oktober<br />

und beim Symposium „MIX IT! <strong>–</strong> Kinder und Jugendliche<br />

mit Migrationshintergrund in Musikprojekten“ des<br />

Europäischen Musikrates und der Deutschen Welle am<br />

4. November 2007 in Bonn statt<br />

<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />

Mit Förderung des Ministeriums für Generationen,<br />

Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen konnte zum Ende des Jahres 2006 das Modellprojekt<br />

<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong> realisiert werden:<br />

Für 26 Jugendliche mit <strong>Roots</strong> in 15 Nationen <strong>–</strong> etwas<br />

mehr als die Hälfte davon <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Teilnehmer-<br />

Innen vom Sommer <strong>–</strong> wurden vom 27. bis 30. Dezember<br />

Tanz-, Musik- und Medienworkshops in den Räumen<br />

der Rochus-Musikschule <strong>Köln</strong>-Bickendorf angeboten.<br />

Prominente Dozenten wie Jörg Schürmann (Kameramann<br />

bei Brainpool), Xaver Fischer (spielte u. a. bei<br />

Sasha und in Anke Engelkes TV-Band Keyboards),<br />

VJ Sehvermögen, Jaekwon (Breakdance-Profi), Mavys<br />

Villareal (Hamburger Rapcoach) und Markus „Be“<br />

Brachtendorf (Frontmann von „Lecker Sachen“ und<br />

„Rakete Mutter“) arbeiteten intensiv mit den jungen<br />

Talenten, geben Tipps zur individuellen Weiterentwicklung<br />

und auch Einblicke in die Welt der Kultur- und Medienberufe.<br />

Alle Workshops wurden ausführlich dokumentiert;<br />

diese Dokumentation bildet den Grundstock<br />

für Teil 3 dieser Arbeitshilfe und die beiliegende DVD.<br />

Andreas Kern<br />

Jahrgang 1978, seit 1997 DJ und Veranstalter<br />

elektronischer Musikveranstaltungen<br />

(www.beatboutique.info). Schloss 2005 sein Studium<br />

der angewandten Sozialwissenschaften an der<br />

Fachhochschule <strong>Köln</strong> ab. Seit Mai 2005 arbeitet<br />

er als Projektkoordinator (u.a. für das Projekt<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>) im <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong>.<br />

Schwerpunkte sind die Konzeption und Koordination<br />

jugendkultureller Medienprojekte.<br />

Kontakt:<br />

kern@jfc.info<br />

22 | Urban-Culture-Projekte des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s<br />

Perspektiven<br />

2007 wird nicht nur die dritte (und vorerst letzte CULTURE<br />

2000-geförderte) <strong>Köln</strong>er Projektphase im Rahmen des<br />

Projekts <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> International stattfinden; geplant<br />

sind darüber hinaus verschiedene internationale Aktivitäten,<br />

und das neue Projekt <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer<br />

Courses geht an den Start.<br />

Die Idee der Summer Courses: Für talentierte Jugendliche,<br />

die an einer <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Festivalwoche oder ähnlichen<br />

Urban-Culture-Workshops teilgenommen haben, wird<br />

eine 3-4wöchige Blockphase mit intensivem Coaching<br />

mit berufsorientierenden Elementen angeboten: Verschiedene<br />

Berufsbilder und Ausbildungswege in der<br />

Kultur- und Medienbranche werden genauso thema-<br />

tisiert wie Chancen und Risiken einer Karriere als<br />

professionelle/-r KünstlerIn.<br />

Nachdem 2006 bereits ein Summer Course als Pilot-<br />

projekt in den Niederlanden stattfand (das <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong> entsendete eine <strong>Köln</strong>er Teilnehmerin)<br />

und in Deutschland wertvolle Vorerfahrungen im Rahmen<br />

des <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong> Modellprojekts<br />

gesammelt werden konnten, werden <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />

Summer Courses mit Förderung des EU-Programms<br />

LEONARDO jeweils 2007 und 2008 in Finnland,<br />

Großbritannien, Deutschland, Frankreich und den<br />

Niederlanden realisiert werden. Die Aktivitäten in<br />

Deutschland werden in das Aktion-Mensch-geförderte<br />

Projekt „Urban Culture - für Integration in Gesellschaft,<br />

Bildung und Arbeitswelt“ eingebettet.<br />

Jugendliche TeilnehmerInnen der verschiedenen Projekte<br />

von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> bis <strong>Different</strong> Rootes <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />

werden außerdem die Chance haben, an verschiedenen<br />

internationalen Urban-Culture-Projekten teilzunehmen:<br />

Eine Gruppe junger BreakdancerInnen wird im Sommer<br />

2007 für drei Wochen am Brouhaha International Straßen-<br />

festival in Liverpool teilnehmen, Thema ist das<br />

200jährige Jubiläum der Abschaffung der Sklaverei in<br />

England. Im Herbst wird ein großes internationales<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Festival mit Workshops und Masterclasses<br />

für Jugendliche aus allen Ländern des Netzwerks<br />

in Rotterdam stattfinden, und im Sommer 2008 wird je<br />

ein Jugendlicher aus <strong>Köln</strong> zu den vier Summer Courses<br />

der Partnerländer entsandt werden <strong>–</strong> und umgekehrt.<br />

Insgesamt hat sich das internationale <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-<br />

Netzwerk als ein sehr fruchtbarer Zusammenschluss<br />

engagierter Partner erwiesen, aus dem sich <strong>–</strong> da sind wir<br />

zuversichtlich <strong>–</strong> noch weitere spannende Projekte entwickeln<br />

werden.


<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> — Unterricht in Urban Culture<br />

Bart Suèr*<br />

Seit 2001 bemüht sich <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> in den Niederlanden,<br />

die talentiertesten jungen Angehörigen kultureller Minderheiten<br />

aufzuspüren: Jugendliche und junge Erwachsene,<br />

die in Street Cultures in den Bereichen Musik, Tanz und<br />

visuelle Medien aktiv sind, und die häufig nicht den Weg<br />

auf etablierte Bühnen, in Medienberufe und in künstlerische<br />

Ausbildungen finden. <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> unterstützt<br />

sie dabei, ihre künstlerischen und sozialen Kompetenzen<br />

weiterzuentwickeln und in Kontakt mit der etablierten<br />

Kultur- und Medienszene zu kommen.<br />

Um ihre Zugangschancen zu einer professionellen Karriere<br />

zu verbessern, brauchen diese Street Talents eine praktische<br />

und komplexe Lernumgebung, die ihre vorhandenen<br />

Kompetenzen festigt und erweitert, die sie befähigt,<br />

Probleme zu lösen und ihre eigenen Skills weiterzuentwickeln.<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> (R&R) erreicht seine Zielgruppe durch die<br />

Website, durch Flyer und Mund-zu-Mund-Propaganda.<br />

In Kooperation mit vorhandenen Strukturen der<br />

Jugendarbeit organisiert R&R Auditionen, bei denen<br />

die talentiertesten Jugendlichen ausgewählt werden. In<br />

den großen niederländischen Städten gibt es mehrere<br />

Organisationen, die sich der Kompetenzförderung im<br />

Bereich der Kultur- und Medienindustrie verschrieben<br />

haben. R&R arbeitet mit diesen Organisationen zusammen,<br />

nutzt ihre Netzwerke und Zielgruppenkontakte<br />

und baut auf den Ergebnissen ihrer Arbeit auf.<br />

Den ausgewählten Jugendlichen wird als erster Schritt<br />

die Teilnahme an einem Take One Workshop angeboten:<br />

Einem mehrtägigen intensiven Tanz-, Musik- oder<br />

Medienworkshop, der in der Regel mit einem öffentlichen<br />

Auftritt abschließt. Nach dem Take One schätzt<br />

das R&R-Team die Fortschritte der TeilnehmerInnen ein<br />

mit dem Ziel, die motiviertesten und talentiertesten für<br />

Folgeaktivitäten auszuwählen: Die mehrwöchigen R&R<br />

Summer Courses und neuerdings die vierjährige R&R<br />

Berufsausbildung „MBO Producer/Musician“ am<br />

Albeda College in Rotterdam (eingebettet ins niederländischen<br />

System der „middelbaar Beroepsonderwijs“,<br />

kurz MBO).<br />

R&R nimmt die meist außerhalb des Bildungssystems<br />

erworbenen Kompetenzen der Teilnehmenden als Ausgangspunkt<br />

und bietet von dort ausgehend eine Reihe<br />

* Übersetzung aus dem Englischen: Sascha Düx<br />

von Aktivitäten und Lernmöglichkeiten an:<br />

<strong>–</strong> Take One: rund einwöchige Blockworkshops und<br />

Masterclasses, die auf einen größeren Auftritt hinarbeiten<br />

<strong>–</strong> Summer Courses (auch Summerschools genannt): drei- und<br />

mehrwöchige vertiefende Block-Unterrichtseinheiten<br />

<strong>–</strong> Individuelles Coaching: Beratung, Feedback, Unterstützung<br />

bei Produktion, Promotion und Verbesserung<br />

der individuellen Skills<br />

Die Lernbedürfnisse und -erfordernisse der Gruppe<br />

steuern dabei den Bildungsprozess. Ein wichtiges Kriterium<br />

heißt stets: „Ist das nützlich und sinnvoll für mich?“<br />

<strong>–</strong> Die <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-WorkshopleiterInnen und -Tutor-<br />

Innen arbeiten dabei wie Coaches, die neue Möglichkeiten<br />

anbieten und so ihre SchülerInnen ermutigen,<br />

weiter zu suchen und mehr zu lernen. Die Tutoren<br />

bewerten die Ergebnisse ebenso wie den Lernprozess.<br />

Das Erfahrungslernen wird durch eine Reflexionsschleife<br />

ergänzt: Was beim „machen“ implizit gelernt wird, wird<br />

anschließend explizit thematisiert. Das große Ziel ist<br />

dabei stets, die Kompetenzen der Teilnehmenden auf<br />

ein Niveau zu heben, wie es im Business und/oder an<br />

den spezialisierten Ausbildungsstätten erwartet wird.<br />

Nachdem jemand den Take One erfolgreich abgeschlossen<br />

Best Practice | 23


hat, entwickelt R&R einen persönlichen Entwicklungsplan<br />

für diesen Schüler/diese Schülerin. Im Gespräch<br />

mit dem jeweiligen Coach wird ausgearbeitet, welche<br />

Übungen und Aktivitäten nötig sind, um jeweils nötige<br />

Kompetenzen zu erwerben.<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer Courses<br />

2006 wurde in Kooperation mit der Rotterdamer<br />

Codarts Hochschule für die darstellenden Künste der<br />

erste <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer Course angeboten. Für die<br />

Codarts Hochschule war es wichtig, ihre Pop Academy<br />

stärker mit interkulturellen Zielgruppen zu verknüpfen<br />

und diejenigen Jugendlichen zu erreichen, die im Bereich<br />

Urban Music aktiv sind. Da R&R eine große Anziehungskraft<br />

für diese Zielgruppe unter Beweis gestellt hatte,<br />

lud die Codarts Hochschule R&R zur gemeinsamen<br />

Entwicklung eines neuen Ansatzes ein: der dreiwöchigen<br />

Summer Courses.<br />

Fortgeschrittene Musik- und Tanztalente <strong>–</strong> darunter<br />

einzelne Gastteilnehmer aus den sieben R&R-Partnerländern<br />

<strong>–</strong> arbeiteten 3 Wochen lang auf zwei Showcases<br />

hin. Unterstützt wurden sie dabei von einem kulturell<br />

breit gestreuten und hochprofessionellen Ensemble<br />

24 | <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> — Unterricht in Urban Culture<br />

professioneller KünstlerInnen und Coaches: u. a. den<br />

Krump Kings (aus dem Dokumentarfilm Rize bekannte<br />

Tanzcrew), dem Choreographen Dumsile Mqadi, Joe<br />

Ambrosia (spielte mit James Brown, Ike & Tina Turner<br />

etc.), Sandra St. Victor (Family Stand, Chaka Khan),<br />

Stefan Schmid (Produzent von Zuco 103) und Luc Vergier<br />

(Marketing und A&R Executive für Lauryn Hill, Fugees,<br />

Youssou N’Dour). Die künstlerische Leitung lag bei John<br />

Wooter (Tanz) und mir (Musik).<br />

Der Summer Course begann am 26. Juni; die TänzerInnen<br />

wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, die MusikerInnen in<br />

zwei Livebands und eine Studioband. Die Mediengruppe<br />

arbeitete parallel, dokumentierte die Workshops und<br />

machte Interviews. Schwerpunkte der ersten Woche<br />

waren ein African Dance Workshop, Gesang und Songwriting<br />

sowie die Geschichte des HipHop. Die zweite<br />

Woche hindurch wurde auf einen Probeauftritt am<br />

Wochenende hingearbeitet, dazu kamen Masterclasses<br />

mit den Krump Kings und Joe Ambrosia. DJ Git Hyper<br />

lud die Musik-Teilnehmer in seinen Plattenladen ein<br />

und nahm sie mit auf eine Reise durch die Popmusik-<br />

geschichte, von alten Jazz-, Soul-, Funk- und Discoplatten<br />

bis hin zu aktueller Musik. Der abschließende<br />

Probeauftritt zeigte auf, welche Aspekte noch verbesserungsfähig<br />

waren und gab damit die Richtung für die<br />

letzte Woche vor. In dieser arbeiteten die Teilnehmer-<br />

Innen hart und kontinuierlich an ihren Abschlusskonzerten;<br />

abgerundet wurde das Programm durch einen<br />

Musikbusiness-Workshop mit Gordon Williams und<br />

Luc Vergier, bei dem Booking, Promotion und Verträge<br />

thematisiert wurden.<br />

Die Ergebnisse von drei Wochen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Summer<br />

Course wurden am Freitag, den 14. und Samstag, den<br />

15. Juli 2006 öffentlich vor einem begeisterten, knapp<br />

200köpfigen Publikum aufgeführt. Das Programm<br />

entsprach den vielfältigen <strong>Roots</strong> der TeilnehmerInnen:<br />

Die Tanzgruppe kombinierte klassisches Ballett, afrikanischen<br />

Tanz, Boogie, Breakdance, Popping und<br />

Locking, die Musikgruppen mixten Soul und tanzbaren<br />

Jazz, Funk, Dub und Reggae.<br />

Nach Abschluss des Summer Courses fand eine individuelle<br />

Evaluation der Leistungen der Teilnehmenden<br />

statt; dabei wurden auch die individuellen Chancen<br />

eingeschätzt, den eigenen Lernweg auf „MBO“-Level<br />

(Niederländische Berufsschule) oder auf „HBO“-Level<br />

(Bachelor-Studium) fortzusetzen.<br />

Ausbildung „MBO Producer/Musician“<br />

Der „MBO Musikproduzent/Musiker“ ist eine vierjährige<br />

Ausbildung, die mindestens einen Sekundarschul-<br />

Abschluss voraussetzt. Das minimale Zugangsalter<br />

beträgt 16, das maximale 30 Jahre. Da diese Form<br />

musikalischer Berufsausbildung neu ist <strong>–</strong> die Berufsschulen<br />

im niederländischen „MBO“-System haben bislang keine<br />

Musikkurse angeboten <strong>–</strong> bekam <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> die Chance,<br />

für diese Ausbildung ein Curriculum zu entwickeln, das<br />

sowohl bei den Lerninhalten als auch bei den Lehr- und<br />

Lernmethoden neue Wege einschlägt.<br />

Das Motto der Ausbildung lautet: „Der erste Tag in diesem<br />

Kurs ist der erste Tag Deiner professionellen Karriere.“<br />

Im Lauf des vierjährigen Kurses durchlaufen die Schüler-<br />

Innen ein Spiralcurriculum: Sie machen drei „Alben“,<br />

durchlaufen dreimal einen Zyklus, der wiederum aus<br />

drei Phasen besteht:<br />

1. Komposition / Kreation<br />

2. Aufnahme / Produktion<br />

3. Veröffentlichung / Promotion / Performance<br />

Parallel zu diesen drei Phasen liegt eine vierte Phase,<br />

in der die Teilnehmenden ihre persönliche Situation als


MusikerInnen ausarbeiten. Diese vier Phasen entsprechen<br />

der Arbeit der meisten professionellen MusikerInnen.<br />

Wenn ein Teilnehmer diesen vierphasigen Zyklus dreimal<br />

durchlaufen hat und dabei das angestrebten Niveau<br />

an musikalischen Fertigkeiten und Musikproduktions-<br />

Know-how erworben hat, ist er fertig <strong>–</strong> und hat sich<br />

eine gute Basis für seine individuelle Karriere erarbeitet:<br />

Er wird dann zahlreiche eigene Songs geschrieben haben,<br />

mehrere Aufnahmen produziert haben und häufig<br />

öffentlich aufgetreten sein. Für Teilnehmende, die keinen<br />

großen Wert auf Auftritte legen (da sie sich auf Musikproduktion<br />

konzentrieren möchten), wird ein alternativer<br />

Lernweg mit Schwerpunkt auf Komposition, Arrangement<br />

und Studioaufnahmen angeboten; ähnlich wird es<br />

für Instrumentalisten, die keinen Fokus auf eigene Kompositionen<br />

setzen möchten, eine Schwerpunktsetzung<br />

auf Studioaufnahmen und Liveperformance geben.<br />

Gelehrt wird von einem Stamm an <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-<br />

TutorInnen, ergänzt durch freie professionelle Produzent-<br />

Innen und MusikerInnen aus dem Musikbusiness.<br />

Kompetenzen<br />

R&R entwickelt gegenwärtig gemeinsam mit Kunst-,<br />

Tanz- und Musikakademien in Gronigen, Arnheim<br />

und Rotterdam „Kompetenzsets“ für professionelle<br />

Musiker, Tänzer und Videomacher. In grober Übersicht<br />

könnte ein Kompetenzset für Musiker so aussehen:<br />

Allgemeine Kompetenzen:<br />

<strong>–</strong> Lesen und Schreiben in Niederländischer<br />

und Englischer Sprache<br />

<strong>–</strong> Praktisch-mathematische Grundlagen<br />

<strong>–</strong> Zeitmanagement<br />

<strong>–</strong> Teamarbeit<br />

<strong>–</strong> Informationen recherchieren und bewerten<br />

<strong>–</strong> Problemlösendes, methodisches, systematisches<br />

Denken und Reflexion<br />

<strong>–</strong> Planung und Organisation<br />

<strong>–</strong> Soziale und Kommunikative Kompetenzen<br />

<strong>–</strong> Innovatives und kreatives Denken<br />

<strong>–</strong> Verantwortlichkeiten Übernehmen<br />

<strong>–</strong> Unternehmerisches Handeln<br />

Spezielle Kompetenzen für Musiker:<br />

<strong>–</strong> Stimmliche bzw. Instrumentale Fertigkeiten<br />

<strong>–</strong> Kommunikation durch und über Musik<br />

<strong>–</strong> Performance (Auftreten vor Publikum)<br />

<strong>–</strong> Musiktheoretisches Wissen und Können<br />

<strong>–</strong> Musiktechnologisches Wissen und Können<br />

<strong>–</strong> Musikproduktion<br />

<strong>–</strong> Unternehmerisches Handeln im kulturellen Bereich<br />

Am Ende des R&R-Prozesses stehen für jeden Teilnehmenden<br />

ein persönliches Zertifikat und ein Portfolio, in<br />

denen die erworbenen Skills und das erreichte Kompetenzniveau<br />

belegen. Zusätzlich wird ggf. eine Empfehlung<br />

gegeben, ob jemand sich an einem künstlerischen College<br />

(Ziel Bachelor-Abschluss) bewerben oder direkt eine<br />

professionelle Karriere starten sollte.<br />

Bart Suèr<br />

Jahrgang 1965, studierte in der Jazzabteilung des<br />

Konservatoriums Hilversum Saxophon. Nach<br />

erfolgreichem Abschluss 1992 absolvierte er Master-<br />

classes u. a. bei Lee Konitz in New York.<br />

Von 1991 bis 2007 veröffentlichte er 13 Alben.<br />

Neben Lehrtätigkeiten u. a. an den Konservatorien<br />

von Amsterdam, Rotterdam und Arnheim leitet er<br />

die Bigband des Konservatoriums Alkmaar, das<br />

Label Dox Records, das Dox Orchestra, initiierte<br />

das TV-Format „Red Bull Soundclash“ und ist<br />

musikalischer Direktor von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> in den<br />

Niederlanden.<br />

Kontakt:<br />

www.doxrecords.com<br />

bart@doxrecords.com<br />

Best Practice | 25


Trying Babylon<br />

— ein jugendkulturelles Musiktheater<br />

Jürgen Beu<br />

Hintergrund<br />

Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lebensstilen<br />

und Jugendkulturen unterstützt Entwicklungs-<br />

und Identitätsprozesse junger Menschen. Es gibt in<br />

Solingen viele verschiedene Jugendkulturen, die oft<br />

nur nebeneinander existieren. Um eine Vernetzung dieser<br />

Gruppen möglich zu machen ist es notwendig, sie<br />

zunächst an einem gemeinsamen Projekt zu beteiligen.<br />

Die jungen Erwachsenen bekommen die Möglichkeit,<br />

ihre Lebenswelten darzustellen <strong>–</strong> mit den Methoden,<br />

die sie täglich umgeben. Durch gezielt eingeplante Diskussionsphasen<br />

setzen sie sich mit ihren persönlichen<br />

Erfahrungen zur Gestaltung auseinander. Umbruch<br />

und Wandel von Jugendkulturen und ihren gesellschaftlichen<br />

Herausforderungen kommen hierbei zur Sprache.<br />

Durch die Umsetzung ihrer Vorstellungen treten sie aus<br />

der Konsumentenrolle heraus und lernen stattdessen,<br />

selbst Präsentationen für ihre Belange einzusetzen.<br />

Jugendliche lassen sich von zeitgemäßen Konzepten ansprechen<br />

und begeistern. Neben den vielfältigen Anreizen,<br />

die Kunst und Kultur gerade für junge Menschen haben,<br />

gibt es einen weiteren Grund, Tanz, Musik, Theater,<br />

26 | Trying Babylon — ein jugendkulturelles Musiktheater<br />

Literatur, Kunst oder Medien in die Angebote von Jugendarbeit<br />

und Schule zu integrieren <strong>–</strong> das ist die mögliche<br />

Ansprache von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.<br />

Gerade deren Partizipation ist eine<br />

gesellschaftliche Herausforderung an eine erfolgreiche<br />

Jugendarbeit <strong>–</strong> und gleichzeitig eine große Bereicherung.<br />

Denn Kinder und Jugendliche mit ihren Erfahrungen<br />

und ihrem kulturellen Background prägen auch die<br />

kulturellen Programme und Angebote.<br />

Die Geschichte<br />

Die biblische Erzählung des Turmbaus zu Babylon ist<br />

die Geschichte eines Desasters: Von Hochmut und<br />

Selbstüberschätzung geblendet, bauen die Menschen<br />

einen Turm, dessen gigantische Höhe bis zu Gott in<br />

den Himmel reichen soll. Durch ihre bloße, diesseitige<br />

Menschenkraft, so glauben die alttestamentarischen<br />

Bauherren, könnten sie sich ihrem Schöpfer ähnlich<br />

machen. Doch Gottes zornige Reaktion auf Anmaßung<br />

und Hybris verändert die Welt: Es ist die Sprichwort<br />

gewordene „babylonische Sprachverwirrung“, mit der<br />

er die Arbeit auf einen Schlag zum Erliegen bringt. Die<br />

Bauarbeiter des Turms verstehen sich nicht mehr und<br />

jeder weitere Versuch, Stein auf Stein zu setzen, versinkt<br />

im Chaos der tausend Zungen. Was bleibt ist eine Bauruine,<br />

das Mahnmal menschlichen Hochmuts <strong>–</strong> und<br />

zugleich die biblische Erklärung für die Vielsprachigkeit<br />

der Menschen in aller Welt.<br />

Eine folgenschwere Strafe, die zugleich Aufgabe ist: Was<br />

die in alle Teile der Welt zersprengten Babylonier trotz<br />

unterschiedlicher Sprachen eint, ist die Möglichkeit,<br />

aufeinander zuzugehen: sich einzulassen, zu akzeptieren,<br />

fremde Sprachen zu verstehen <strong>–</strong> und den Reichtum<br />

der Vielfalt zu entdecken.<br />

Kulturpädagogischer Ansatz<br />

Vor dem Hintergrund der biblischen Geschichte des<br />

„Turmbaus zu Babel“ hat das Jugendmusical BABYLON<br />

die verschiedenen Kulturen der Solinger Jugendlichen<br />

in einem Gesamtkunstwerk zusammengeführt: Die<br />

kulturellen „Sprachen“ der Jugendlichen (Musik, Tanz,<br />

Theater, Medien etc.) als Äquivalent zu den Sprachen


der gescheiterten Babylonier bildeten die Basis der<br />

Produktion. Die Situation der vielfältig kulturell<br />

interessierten und tätigen Jugendlichen, die sich facetten-<br />

reich in verschiedensten Kunstformen ausdrücken,<br />

sich jedoch auch voneinander abgrenzen und dabei<br />

bestenfalls tolerieren, wird also auf die babylonische<br />

Folie projiziert. Dabei sollen die Kulturformen einander<br />

befruchten, miteinander verschmelzen, sich gegenseitig<br />

bereichern und ein homogenes, ungewöhnliches Ganzes<br />

erzeugen <strong>–</strong> und nicht eine „Nummernrevue“ nacheinander<br />

auf die Bühne gebetener Acts.<br />

Die Jugendlichen waren sehr begeistert und haben<br />

stark von der Produktion profitiert. Es war wichtig,<br />

dass sie zunächst durch Bezugspersonen zu den Proben<br />

gebracht wurden. Später, wenn Bezüge zu den anderen<br />

Jugendlichen hergestellt worden sind, entsteht eine<br />

Eigendynamik, ein verstärktes Eigeninteresse; die Gruppe<br />

wächst zusammen, es entstehen über den Projektrahmen<br />

hinauswirkende Zusammenschlüsse. Ein Beispiel hierfür<br />

war die Mädchenrapcombo „Die rappende Rasse“,<br />

die inzwischen schon mehrere Auftritte außerhalb des<br />

Projektrahmens hatte.<br />

Insgesamt standen 32 Jugendliche auf der Bühne, über<br />

100 Teilnehmer haben mitgemacht, haben sich miteinander<br />

vernetzt, verknüpft, geschnuppert; es ist ein<br />

Teamgeist entstanden, Kompetenzen und höhere Verbindlichkeiten<br />

wurden entwickelt. Eigene Ideen von<br />

Jugendlichen konnten verwirklicht werden. Auf dem<br />

Nachtreffen wurde klar: Alle wollen weiterarbeiten.<br />

Auch 2007 wird es also ein Musiktheaterprojekt geben,<br />

vielleicht in veränderter Form; die Planungen und Überlegungen<br />

laufen zur Zeit.<br />

Träger<br />

Die Cobra Kultur e.V. (Mitglied in der LAG Soziokultur<br />

NRW) ist Träger des soziokulturellen Zentrums COBRA<br />

in Solingen, das als kulturpädagogische Facheinrichtung<br />

konzipiert ist. Der Verein organisiert in der COBRA<br />

Projekte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene: soziokulturelle<br />

Projekte, Weiterbildung, Veranstaltungen,<br />

sowie diverse Serviceleistungen im Bereich kultureller<br />

Bildung.<br />

Ziel war und ist es, den kreativen, verantwortungsvollen<br />

und selbständigen Umgang mit Musik, Kunst, Theater<br />

und Medien zu unterstützen. Die Förderung der<br />

Gesamtpersönlichkeit, die Auseinandersetzung mit aktuellen<br />

künstlerischen und gesellschaftlichen Entwicklungen,<br />

die Arbeit mit Mädchen und Jungen sowie die<br />

Integration ethnischer, religiöser und sozialer Gruppen<br />

charakterisieren die Arbeit. Der Verein „Cobra Kultur<br />

e.V.“ ist gemeinnützig und als freier Träger der Jugendarbeit<br />

anerkannt.<br />

Das Projekt Babylon wird in Kooperation mit dem<br />

Kinder- und Jugendtheater Wuppertal, der Jugend-förderung<br />

Solingen, den Hauptschulen Central und Krahenhöhe<br />

sowie dem Kulturbüro Solingen realisiert. Die<br />

Projektberatung führt das Sozialressort der Stadt Solingen,<br />

Ressortkoordination Ressort V, Jürgen Beu durch.<br />

Jürgen Beu<br />

Jahrgang 1955, Diplom-Sozialarbeiter, Mitarbeiter<br />

der Stadt Solingen im Sozialressort, Fachbereich<br />

Politische Jugendbildung. Jürgen Beu veranstaltet<br />

seit 25 Jahren Projekte im multinationalen<br />

Jugendaustausch und produziert Film-, Theater-,<br />

Multimedia- und Jugendkulturevents von und<br />

mit Jugendlichen im Spannungsfeld von Politik<br />

und Kultur. Seit 6 Jahren kooperiert er eng mit<br />

dem <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> in verschiedenen<br />

Projekten. (u. a. <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>, Städteprojekte<br />

„Was glaubst Du denn?!“ und „Wahlkanal“)<br />

Kontakt:<br />

Stadt Solingen<br />

Jürgen Beu<br />

Fon: 0212/290-2214<br />

www.solingen.de<br />

j.beu@solingen.de<br />

Best Practice | 27


8<br />

MittwochsMaler<br />

— das <strong>Köln</strong>er Graffiti-Jugendkunstprojekt<br />

Maurice Kusber<br />

Artikel<br />

Siehe „Von <strong>Köln</strong><br />

bis Barcelona: Das<br />

HipHop-Netzwerk<br />

Nippes“<br />

(Seite 42)<br />

Projektidee<br />

Das Jugendkunstprojekt MittwochsMaler entstand im<br />

November 2005 im Rahmen des HipHop-Netzwerkes<br />

für Toleranz und Integration <strong>Köln</strong>-Nippes. Anfänglich<br />

als einrichtungsübergreifendes Element für die Jugendlichen<br />

aus den beteiligten Institutionen gedacht, wurde<br />

es weiterentwickelt mit dem Wunsch, auch jugendliche<br />

Sprayer aus der kölnweiten Szene zu gewinnen. Diese<br />

Idee basiert auf meiner Diplomarbeit aus dem Jahr 2004,<br />

„Graffiti als Ausdrucksform bei Kindern und Jugendlichen“,<br />

in der zum einen der Umgang der Stadt <strong>Köln</strong><br />

mit der Graffiti-Szene und zum anderen notwendige<br />

präventive Möglichkeiten beschrieben werden.<br />

In <strong>Köln</strong> wird seit einigen Jahren ein restriktiver Kurs in<br />

der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Graffiti<br />

gefahren. Dabei wird Graffiti in erster Linie im Kontext<br />

einer Beeinträchtigung des subjektiven Lebens- und<br />

Sicherheitsgefühls der Bürger gesehen. Ferner wird angeführt,<br />

dass Graffiti dem Standort <strong>Köln</strong> schade. Beide<br />

Argumentationsstränge lehnen sich letztlich an die<br />

„Broken Windows Theorie“ an: Da, wo Graffiti ist, sei<br />

Armut, Schmutz und Gefahr auch nicht weit entfernt.<br />

Als Konsequenz wird dann eine Strategie der Kriminalisierung<br />

von Graffiti-Sprayern verfolgt.<br />

Betrachtet man die aktuelle Anti-Graffiti Politik in verschiedenen<br />

deutschen Großstädten wie z.B. <strong>Köln</strong>, Berlin,<br />

Kiel, Hamburg und Bielefeld, bemerkt man einen Wandel<br />

der Perspektiven. Wurde Graffiti früher als Ausdruck<br />

eines urbanen Niedergangs und der Auflösung öffentlicher<br />

Ordnung angesehen, wird Graffiti mittlerweile als<br />

deren Ursache und Symbol betrachtet. Ordnungspartnerschaften<br />

wie die <strong>Köln</strong>er Anti-Spray-Aktion „KASA“,<br />

28 | MittwochsMaler — das <strong>Köln</strong>er Graffiti-Jugendkunstprojekt<br />

die Berliner „Nofitti“ und die Kieler Aktion „Klar Schiff“<br />

versuchen, den Kampf gegen „Farbschmierereien“ und<br />

„Farbsprühterroristen“ bürgernah aufzunehmen und<br />

so einen als sauber und sicher erlebbaren Raum zu<br />

erzeugen und zu legitimieren. Die Anti-Graffiti-Aktionen<br />

stehen inzwischen für den Kampf um städtisches<br />

Territorium und dessen Nutzung <strong>–</strong> Graffiti-Sonderkommissionen<br />

der Polizei gegen die Szenen, für die Graffiti<br />

als letztes großes Großstadtabenteuer fungiert, wobei<br />

oftmals die Konsequenzen und die Gefahren ignoriert<br />

werden: „Sprayer und Streetart Aktivisten wollen auffallen<br />

und Zeichen setzen, Kommunikation über Provokation<br />

erzeugen, den öffentlichen Raum erobern, oder<br />

Spaß haben. Besitzverhältnisse werden ausgeblendet<br />

und vorrangig öffentliches Eigentum benutzt“ (Barbara<br />

UDU Uduwerella von HipHop-Hamburg e.V., auf<br />

www.pro-graffiti.tk).<br />

Für die sprayenden Jugendlichen sind die zivil- und strafrechtlichen<br />

Konsequenzen ihres illegalen Sprühens oft<br />

nicht in vollem Umfang absehbar, so dass sie gefährdet<br />

sind, mit erheblichen Schuldenlasten aus Sachbeschädigungsverfahren<br />

herauszugehen und sich so die eigene<br />

Zukunft nachhaltig zu verbauen.<br />

Das Projekt<br />

Die MittwochsMaler verstehen sich als Mal- und Kreativprojekt<br />

sowie als Anlauf- und Beratungsstelle für<br />

gefährdete Jugendliche aus der Graffiti-Szene. Unter<br />

Anleitung einer Honorarkraft, begleitet von einem<br />

hauptamtlichen Mitarbeiter aus der OT Luckys Haus,<br />

nutzen die Jugendlichen die Möglichkeit, sich alternative<br />

künstlerische und musikalische Ausdrucksmöglichkeiten<br />

anzueignen. Dieses stadtweit einzigartige Projekt<br />

steht für einen neuen Ansatz in <strong>Köln</strong>, nämlich eine<br />

konstruktiv-präventive Arbeit mit den Graffiti-Sprayern,<br />

sinnvollerweise integriert in die offene Kinder- und<br />

Jugendarbeit.<br />

Zielgruppe<br />

Jeden Mittwoch treffen sich in der Zeit von 18 bis 21 Uhr<br />

Jungen und Mädchen ab 14 Jahren in der OT Luckys<br />

Haus. Die Gruppe besteht aus ca. 17-30 Personen, die<br />

regelmäßig erscheinen; dazu zeigt sich ein wachsendes<br />

Interesse der ganzen <strong>Köln</strong>er Szene. Rund 70% der TeilnehmerInnen<br />

sind seit dem ersten Treffen dabei, die<br />

anderen 30% setzen sich aus Bekannten der Teilnehmer-


Innen und Interessierten, die unregelmäßig vorbeischauen,<br />

zusammen. Die Kernzielgruppe <strong>–</strong> in der Szene<br />

aktive jugendliche Graffiti-Sprayer <strong>–</strong> hat das Projekt<br />

sehr positiv angenommen, sie macht ca. 85% der<br />

Gesamtgruppe aus; der Rest sind künstlerisch interessierte<br />

Jugendliche.<br />

In der Arbeit mit der Graffiti-Szene hat sich klar ein<br />

hoher Bedarf nach einem verlässlichen Treffpunkt für<br />

Gespräche und Beratung herauskristallisiert. Zentrale<br />

Themen sind Prävention durch kreative Aktionen,<br />

Beratung bei Verstößen gegen die §§303 und 304 StGB<br />

(Sachbeschädigung) sowie Anfragen zur Durchführung<br />

von Sozialstunden in der OT Luckys Haus.<br />

In Gesprächen mit den Jugendlichen wurden die Probleme<br />

deutlich, die ein exzessives illegales Sprayen mit sich bringt:<br />

delinquentes Verhalten, negativer Lebensrhythmus,<br />

oftmals Schulabbruch, Probleme und Unsicherheit<br />

bei der Ausbildungssuche, zivilrechtliche Belastungen/<br />

Schadensersatzforderungen und ein dadurch ent-<br />

stehender schlechter Start in das Berufs- und Erwachsenen-<br />

leben.<br />

Diesem erhöhten Jugendhilfebedarf versuchen wir in der<br />

knappen Workshopzeit Rechnung zu tragen. Hier wird<br />

u. a. auf die Möglichkeiten eines Täter-Opfer Ausgleichs<br />

hingewiesen, um schon im Vorfeld einer Verhandlung die<br />

Schäden in Absprache mit dem Kläger zu beseitigen.<br />

Integration durch HipHop<br />

Die HipHop-Kultur soll in diesem Projekt als Bindeglied<br />

zwischen der gesellschaftlichen Kultur und der indivi-<br />

duellen Lebenswelt der Jugendlichen dienen. Die darauf<br />

aufbauende Jugendarbeit soll für die kreativen Aktivitäten<br />

Raum bieten und unterstützend Hilfe leisten.<br />

Diese Möglichkeiten sind in der OT Luckys Haus gegeben:<br />

Bereits seit mehreren Jahren ist das Haus als aktiver<br />

Partner in das HipHop-Netzwerk für Toleranz und<br />

Integration im <strong>Köln</strong>er Stadtbezirk Nippes eingebunden.<br />

Die verschiedenen Workshops und die öffentlichen Veranstaltungen<br />

dieses Netzwerkes haben zusätzlich dazu<br />

beigetragen, die Graffiti-Szene in das Projekt mit einzubeziehen<br />

und ihr eine Präsentationsplattform in einem<br />

legalen Rahmen zu geben.<br />

Links<br />

MittwochsMaler Homepage: www.mittwochs-maler.de<br />

Fotolog der MittwochsMaler: www.fotolog.com/mittwochsmaler<br />

Homepage des HipHop-Projekts Nippes: www.hiphop-projekt.de<br />

Maurice Kusber<br />

Jahrgang 1974, Diplom-Sozialpädagoge,<br />

arbeitet seit 2005 in der OT Luckys Haus/<br />

<strong>Köln</strong>-Bilderstöckchen. Schwerpunkte seiner<br />

Tätigkeit sind die Leitung der Übermittags-<br />

betreuung, die Offene Kinder- und Jugendarbeit,<br />

Jugendkulturarbeit sowie Szene-<br />

spezifische Jugendarbeit. Projektleitung<br />

„MittwochsMaler“. Seine Diplomarbeit<br />

schrieb er 2004 zum Thema: „Graffiti als<br />

Ausdrucksform bei Kindern und Jugendlichen<br />

und Ausgangspunkt für Szene-<br />

spezifische Jugendarbeit“.<br />

Kontakt:<br />

k.mau@gmx.de<br />

Methoden und Arbeitsweisen<br />

Die Teilnehmer erlernen in der Projektarbeit bestimmte<br />

grundlegende Kompetenzen: Kontinuität, Verlässlichkeit,<br />

Frustrationstoleranz, Regeln befolgen, Absprachen<br />

treffen und einhalten. Unter kulturpädagogischem Einsatz<br />

der Prinzipien des HipHop werden Multikulturalität,<br />

Toleranz und gegenseitiger Respekt gefördert. Ein<br />

weiteres Kernprinzip der Arbeit ist Partizipation: Beteiligung<br />

der Jugendlichen an allen wichtigen Entscheidungen,<br />

erlernen demokratischer Prinzipien.<br />

Auf künstlerischer Ebene werden den Jugendlichen neue<br />

alternative Techniken beigebracht. Schwerpunkte der<br />

einzelnen Einheiten sind Buchstaben und Figuren, Airbrush,<br />

Kalligraphie, Ölmalerei, Siebdruck, Linoleumdruck,<br />

Erstellen von Schablonen sowie die Herstellung<br />

von Leinwänden und Staffeleien. Das Fotolabor kann<br />

genutzt werden, ebenso digitale Photo- und Videobearbeitung.<br />

Des Weiteren bieten wir die Möglichkeit, in<br />

unseren eigenen kleinen „Hall of Fame“ (Graffiti-Wand)<br />

in Ruhe und in einem legalen Rahmen zu malen. Diese<br />

„Hall“ wurde teilweise zusammen mit den Jugendlichen<br />

gebaut und erweitert.<br />

Anfragen privater und gemeinnütziger Auftraggeber für<br />

Gestaltung von Wänden und Aktivitäten auf HipHop-<br />

Jams der anderen Netzwerkeinrichtungen ermöglichen<br />

es den jugendlichen Graffitimalern, sich und ihre<br />

Fähigkeiten weiterhin in einem legalen Rahmen zu<br />

verwirklichen und Verantwortung für sich und andere<br />

zu übernehmen.<br />

Best Practice | 29


Mädchenprojekte der Offenen Jazz Haus Schule<br />

Rainer Linke und Gabi Deeg<br />

„Ziel unserer Mädchenarbeit<br />

ist es, die<br />

Teilnehmerinnen in<br />

ihrer Gesamtpersönlichkeit<br />

zu fördern“<br />

Die Tradition der Mädchenarbeit reicht an der Offenen<br />

Jazz Haus Schule bis in die 80er Jahre zurück. Die Entscheidung,<br />

sich parteiisch für Mädchen einzusetzen,<br />

folgte der Beobachtung, dass in unseren musikalischen<br />

Früherziehungsgruppen die Zahl der Mädchen und Jungen<br />

ausgewogen war, wohingegen in den angebotenen Teen-<br />

Bands Mädchen nur noch vereinzelt anzutreffen waren.<br />

Damals begannen wir gezielt nach Musikerinnen zu<br />

suchen, die unsere Instrumental- und Bandarbeit<br />

betreuen könnten. Mit Freude konnten wir beobachten,<br />

dass der Mädchenanteil in den von Dozentinnen geleiteten<br />

Gruppen stark zunahm und sich vereinzelt sogar reine<br />

Mädchengruppen bildeten.<br />

Seit den 90er Jahren gehen wir in unseren soziokulturellen<br />

Mädchenprojekten einen Schritt weiter und<br />

wenden uns unter integrativer Zielsetzung spezifisch an<br />

Mädchen und junge Frauen aus sozial schwachem Umfeld.<br />

Ziel unserer Mädchenarbeit ist es, die Teilnehmer-<br />

Innen in ihrer Gesamtpersönlichkeit zu fördern. Wir<br />

unterstützen sie in der Entwicklung ihres Wahrnehmungs-<br />

und Ausdrucksvermögens, ihrer kommunikativen,<br />

künstlerischen und sozialen Kompetenzen, ihrer Werte<br />

und Einstellungen, ihres Selbstbewusstseins und ihrer<br />

Identität.<br />

30 | Mädchenprojekte der Offenen Jazz Haus Schule<br />

Die jährlichen Highlights unserer Mädchenarbeit sind<br />

von den Teilnehmerinnen selbst entwickelte Musik-<br />

Tanz-Theaterstücke bzw. HipHop-Musicals. Wir<br />

erreichen die Mädchen über unsere Kooperationspartner<br />

in den Stadtteilen: Schulen, Jugendeinrichtungen,<br />

Mädchenhäuser usw. Nach Ankündigung über Flyer,<br />

Presse und Mund-zu-Mund-Propaganda treffen sich<br />

alle Interessentinnen zu einem Casting und bewerben<br />

sich für einen der angebotenen Workshops, z.B. Band,<br />

Songwriting, Rap, Theater, Schreibwerkstatt, HipHop-<br />

Dance, Breakdance, DJing, Video, Foto oder auch Graffiti.<br />

An einem Musicalprojekt nehmen zwischen 40 und<br />

80 Mädchen teil. Der Zulauf zu den Castings, über die<br />

wir dem Trend der Zeit folgend seit einigen Jahren den<br />

Zugang regeln, ist sehr rege. Wir hatten schon bis zu<br />

200 Bewerberinnen für ein Projekt. Die Auswahl wird<br />

von den Dozentinnen getroffen.<br />

Gearbeitet wird niederschwellig und mit kulturpädagogischen<br />

Methoden. Dabei bringen die Mädchen ganz<br />

unterschiedliche Vorerfahrung ein, so dass in einem<br />

Projekt absolute „Neuankömmlinge“ neben „Alteingesessenen“<br />

mit bereits hochentwickelter künstlerischer<br />

Kompetenz auf der Bühne stehen. Die Teilnehmerinnen<br />

treffen sich über drei bis vier Monate wöchentlich in<br />

ihren jeweiligen Workshops und entwickeln in einem<br />

künstlerisch-kreativen Prozess unterstützt von professionellen<br />

Künstlerinnen Aussagen und Inhalte ihres Musicals.<br />

Die Ergebnisse der zunächst parallel laufenden<br />

Workshoparbeit werden in der Schlussphase des Projekts<br />

unter der Regie der Theaterdozentin zu einem<br />

Gesamtablauf zusammengeführt und schließlich an<br />

einem zentralen kulturellen Ort in <strong>Köln</strong> uraufgeführt.<br />

Die Projekte sind verlaufs- und ergebnisorientiert. Im<br />

künstlerischen Prozess reflektieren die Teilnehmerinnen<br />

ihre Lebenswelt unter thematischen Vorgaben, sie<br />

diskutieren Lösungsansätze, entwickeln eigene Texte,<br />

Songs, Choreographien und Theaterszenen, feilen an der<br />

Ausführung und künstlerischen Umsetzung ihrer Ideen,<br />

schärfen dabei ihre Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit,<br />

lernen eigene Möglichkeiten und Grenzen<br />

kennen, artikulieren ihre Standpunkte, Hoffnungen und<br />

Ängste. Dabei werden die eingangs aufgelisteten Ziele<br />

im Verlauf des künstlerischen Gestaltungsprozesses oft<br />

quasi nebenbei erreicht. Im Ergebnis werden die Teilnehmerinnen<br />

zum Anwalt ihrer eigenen Sache, werden<br />

selbst aktiver Teil der freien kulturellen Szene, werden


selbst zu Künstlerinnen; d.h. sie beziehen Standpunkte<br />

und schaffen mit ihren künstlerischen Aussagen in einem<br />

kreativen Prozess Symbole, die ihnen selbst, aber auch<br />

ihren FreundInnen und Familien sowie dem Publikum<br />

Hilfestellung und Orientierung zur Lebensbewältigung<br />

bieten. Dies alles in einem geschützten Raum, unterstützt<br />

von Dozentinnen, die ihnen als direktes Vorbild<br />

Rückhalt und Mut geben, neue Wege zu beschreiten.<br />

Abschließend sei erwähnt, dass die Mädchen vom<br />

Publikum stets begeistert gefeiert wurden und damit<br />

über die künstlerische Arbeit Bestätigung und Anerkennung<br />

finden. Dafür sind sie bereit, freiwillig über mehrere<br />

Monate intensiv zu arbeiten. Alle Erfahrungen, Erlebnisse,<br />

Lernprozesse und gewonnenen Wertepositionen<br />

führen zu Eindrücken, die langfristig <strong>–</strong> vielleicht ein<br />

Leben lang <strong>–</strong> nachwirken.<br />

Nachfolgend noch einige konkrete Beispiele von<br />

Mädchenprojekten der letzten Jahre:<br />

• Bereits 1999 thematisierten junge Musliminnen im<br />

Projekt „BasTuch <strong>–</strong> das Kopftuch“ ihre lebensweltlichen<br />

Erfahrungen und präsentierten die Ergebnisse in der<br />

Alten Feuerwache <strong>Köln</strong> einem begeisterten Publikum.<br />

• Wie falsch Jungen mit ihrer Einschätzung des weiblichen<br />

Geschlechts liegen können, zeigte sich im<br />

Laufe des Projektes „Schäl Sick Sistaz <strong>–</strong> Say no!“ (2001).<br />

Den Worten eines Mitschülers, als er erfuhr, dass die<br />

Workshops nur Mädchen offen standen <strong>–</strong> „Das können<br />

Mädchen doch gar nicht! Das wollen die auch nicht!“<br />

<strong>–</strong> setzten 40 Teilnehmerinnen nach drei Monaten eine<br />

mitreißende Tanz-Theater-Musik-Performance zum<br />

Thema Abgrenzung und Selbstbehauptung entgegen.<br />

• Das Nachfolgeprojekt „Schäl Sick Sistaz <strong>–</strong> Raus hier!“<br />

(2003) wurde auf Anregung einer Teilnehmerin konzipiert<br />

und beschäftigte sich mit der Ablösung aus dem<br />

Elternhaus. Teil des am Ende des Projektes aufgeführten<br />

Bühnenstückes war eine eindringliche authentische<br />

Film-Dokumentation, in der eine Teilnehmerin mit<br />

bewegender Offenheit über ihre Gewalterfahrungen,<br />

Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch sprach.<br />

Das Projekt erhielt das Jurylob des Jugendkulturpreises<br />

NRW 2004.<br />

• Mit dem Thema des Projektes „Hexen, Zicken, Biester“<br />

(2004) traf die Offene Jazz Haus Schule bei den beteilig-ten<br />

Mädchen offensichtlich einen Nerv <strong>–</strong> hier wurden starke<br />

Frauen und die Repressionen, denen sie sich ausgesetzt<br />

sehen, beleuchtet. Erstmalig startete ein Mädchen-<br />

projekt mit einem Casting, zu dem sich fast 100<br />

Bewerberinnen einfanden. 50 von ihnen entwickelten ein<br />

Bühnenstück, das einen Bogen vom Aufgreifen historischer<br />

Hexenverbrennung bis hin zu Situationen aus<br />

dem direkten und persönlichen Lebensumfeld der<br />

Mädchen schlug.<br />

• Beim Casting zum Mädchenprojekt 2005 <strong>–</strong><br />

„Dann gehörst du dazu!“ <strong>–</strong> hatte sich die Zahl der<br />

Bewerberinnen fast verdoppelt. Von ca. 200 Mädchen<br />

und jungen Frauen wurden über 60 in die Workshoparbeit<br />

eingebunden. Sie entwickelten ein Stück zum<br />

Themenfeld Gruppendruck, Mobbing und gesellschaftliche<br />

Zwänge. Herausragend an diesem Projekt war das<br />

Zusammenspiel der verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen.<br />

So trug beispielsweise ein Mädchen zur<br />

live von der Band gespielten Musik einen selbstgeschriebenen<br />

Text über eine Mutprobe vor, der gleichzeitig mittels<br />

ausdrucksstarken Tanztheaters in Bewegungsbilder<br />

übertragen wurde.<br />

Gabi Deeg<br />

Jahrgang 1969, Magisterabschluss in Sprach-<br />

und Kulturwissenschaften an der Universität zu<br />

<strong>Köln</strong>, seit 2001 Leiterin des Projektbereiches der<br />

Offenen Jazz Haus Schule. Verantwortlich für die<br />

Durchführung verschiedenster soziokultureller<br />

Projekte: HipHop-Musicals, Competitions, mobile<br />

Workshopangebote an Schulen und Jugendzentren<br />

regional und überregional. In ihrer Freizeit<br />

spielt sie Perkussion in der Mittelalterband<br />

„Alavia“ und steht mit ihrem Improvisations-<br />

theater-Ensemble „Taubenhaucher“ auf der Bühne.<br />

Kontakt:<br />

www.jazzhausschule.de<br />

projekte@jazzhausschule.de<br />

Rainer Linke<br />

Jahrgang 1950, Initiator und Leiter der Offenen<br />

Jazz Haus Schule <strong>Köln</strong>. Studierte an der Musikhochschule<br />

<strong>Köln</strong> Schulmusik und Instrumentalpädagogik<br />

Kontrabass. Internationale Konzerttätigkeit<br />

als freischaffender Musiker im Bereich<br />

Jazz und Improvisierte Musik; zahlreiche Platten<br />

und CD-Veröffentlichungen; Dozent an der Musikhochschule<br />

<strong>Köln</strong>, 1979-1994 für Jazzkontrabass<br />

und seit 2006 für Musikpädagogik. Seit 1980 konzeptionelle<br />

pädagogische Tätigkeit mit Kindern,<br />

Jugendlichen und Erwachsenen.<br />

Kontakt:<br />

www.jazzhausschule.de<br />

Best Practice | 31


„Jugendliche aus<br />

verschiedenen Orten<br />

und jugendkulturellen<br />

Szenen<br />

erwerben spielerisch-gestalterisch<br />

Medienkompetenz“<br />

pop@rena — Musikvideos für’s WWW<br />

Lisette Reuter<br />

Jugendliche aus verschiedenen Orten und jugendkulturellen<br />

Szenen erwerben spielerisch-gestalterisch<br />

Medienkompetenz bei der Produktion von Videoclips<br />

zu Musikstücken von lokalen jungen MusikerInnen und<br />

Bands. Zum Abschluss gibt es ein gemeinsames Konzert<br />

mit Videoscreening. Das Projekt ist eingebettet in ein<br />

internationales Online-Musikvideo-Netzwerk.<br />

Von Finnland lernen heißt filmen lernen<br />

In den Projekten des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s seit den 90er<br />

Jahren hat sich die Kombination von Jugendkultur und<br />

Medienarbeit als fruchtbar erwiesen, um Jugendliche für<br />

Medien zu begeistern und so Medienbildung zu vermitteln.<br />

Musikvideos sind dafür besonders geeignet: Das<br />

Format ist allgemein bekannt, bietet große Freiräume<br />

im Visuellen, lässt sich in begrenzter Zeit gut umsetzen<br />

(auch Profiproduktionen werden oft binnen zwei Tagen<br />

<strong>–</strong> Dreh plus Postproduktion <strong>–</strong> fertig gestellt), verknüpft<br />

eng mediale und jugendkulturelle Aspekte und ist auch<br />

für den internationalen Austausch gut geeignet, da<br />

die sprachliche Komponente hier nur eine Nebenrolle<br />

spielt.<br />

In der <strong>Köln</strong>er Partnerstadt Turku wird seit einiger Zeit<br />

eine sehr aktive Medienarbeit im Musikvideobereich<br />

betrieben, vor allem mit Bands aus dem Punk-, Rock-<br />

und Heavy-Bereich. Das Jugendamt der finnischen<br />

Stadt nahm über die Fachstelle für internationale Jugendarbeit<br />

des <strong>Köln</strong>er Jugendamts 2005 Kontakt zum<br />

<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> auf, um eine Kooperation in diesem<br />

Bereich anzuregen. Die Kollegen aus Turku beantragten<br />

dann 2006 eine Förderung für ein kleines internationales<br />

Netzwerk-Projekt beim EU-Aktionsprogramm<br />

JUGEND <strong>–</strong> mit dabei auch die Stadt Łód´z (Polen) und die<br />

Modern Soul Academy Stockholm. Mit Unterstützung<br />

des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen<br />

und Integration NRW konnte das Projekt hier in recht<br />

umfangreicher Form realisiert werden.Die Hauptziele<br />

des Musikvideo-Medienkompetenz-Modellprojekts<br />

Pop@rena: Musikvideos fürs WWW, dass der <strong>JFC</strong> im zweiten<br />

Halbjahr 2006 durchführte, sind:<br />

<strong>–</strong> Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren mit und ohne<br />

Migrationshintergrund für aktive Medienarbeit gewinnen<br />

<strong>–</strong> Musikvideoproduktionen in mindestens 6 verschiedenen<br />

Jugendeinrichtungen NRW-weit<br />

<strong>–</strong> Vermittlung gestalterischer Medienkompetenzen auf<br />

professionellem Level an jugendliche TeilnehmerInnen<br />

32 | pop@rena — Musikvideos für‘s WWW<br />

<strong>–</strong> Internationaler und interkultureller Austausch über<br />

die internationale Musikvideo-Plattform www.poparena.net<br />

<strong>–</strong> Einrichtungen und Netzwerke mit den Schwerpunkten<br />

Jugendkultur/Musik einerseits und Medienarbeit<br />

andererseits zusammenbringen<br />

<strong>–</strong> Das öffentliche Bild von der Zielgruppe positiv korrigieren<br />

Von Bilderstöckchen bis Bielefeld<br />

In der Startphase des Pop@rena-Projekts im September<br />

2006 werden zunächst lokale Kooperationspartner gesucht,<br />

die erstens mit passenden Zielgruppen arbeiten<br />

und die zweitens intensiv jugendkulturelle Musikarbeit<br />

betreiben bzw. Kontakte zu einschlägigen Einrichtungen<br />

haben. Gefunden werden sieben Partner: der<br />

Offene Kanal Bielefeld (Kanal21), das Music-Office<br />

Hagen (in Trägerschaft der eSw), die HipHop-Highschool<br />

Solingen, das Jugendkulturzentrum „Die Volksschule“<br />

Moers, das Jugendzentrum „Kontakt Erfttal“ Neuss,<br />

die Rockstation im Bürgerzentrum <strong>Köln</strong>-Vingst und die<br />

OT Luckys Haus in <strong>Köln</strong>-Bilderstöckchen.<br />

Drei der Einrichtungen sind völlig neue Partner für den<br />

<strong>JFC</strong>, nichtsdestotrotz funktioniert die Kooperation<br />

überall gut.


Vor Ort finden zunächst Vorgespräche statt, dann in der<br />

Regel ein oder zwei Drehtage <strong>–</strong> jeweils mit einer Band<br />

oder Crew und einer ad-hoc-Mediengruppe aus der Einrichtung,<br />

die begleitet von zwei <strong>JFC</strong>-ReferentInnen Kamera<br />

und Licht übernimmt. Anschließend gibt es noch<br />

ein oder zwei Postproduktionstage nur mit der Medien-<br />

gruppe. Für interessierte und talentierte Teilnehmer<br />

werden verschiedene Folgeaktivitäten angeboten,<br />

von der Mitarbeit als „Pate“ bei den Projekttagen<br />

in anderen Einrichtungen bis hin zur Teilnahme an weiteren<br />

Projekten (z.B. bei <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong><br />

<strong>Routes</strong>).<br />

Stilistisch ist die Bandbreite groß: In Bielefeld entsteht<br />

ein klassisches Pop-Rock-Bandvideo, in Bilderstöckchen<br />

ein in Sepia-Tönen gehaltenes düsteres Rapvideo mit<br />

schwarzen BMWs und Graffiti-besprühten ehemaligen<br />

Fabrikgeländen. Die Moerser setzen ihren Polit-Ska-Punk-<br />

Song auf Bauwagenplätzen und Weihnachtsmärkten<br />

in Szene, aus Solingen kommt eine Rap-Soul-Ballade,<br />

die im Video vorwiegend mit erzählenden Bildern umgesetzt<br />

wird. Die Neusser Deutschrocker zeigen sich<br />

im Niederrheinischen Flachland, aber auch in Musik-<br />

geschäften, Fitnessstudios und live auf der Bühne; dagegen<br />

setzen die Hagener HipHopper betont urbane<br />

Akzente, mit Breakdance und Feuerspucken in der<br />

Unterführung. Aus <strong>Köln</strong>-Vingst kommt die erst kürzlich<br />

gegründete Crossover-Band V-Attakk, die Rap mit<br />

harten Bandklängen mischt und das Rheinufer als<br />

Kulisse für ihren Anti-Kriegs-Song nutzt, aber auch in<br />

Ruinen und auf dem Dach einer Litfasssäule musiziert.<br />

pop@rena live!<br />

Am 10. Dezember ist es dann soweit: Alle Videos sind<br />

geschnitten, und alle ProjektteilnehmerInnen werden<br />

zu einem der technisch aufwändigsten Projekte in der<br />

Geschichte des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> eingeladen: Im<br />

Foyer des <strong>Köln</strong>er Filmhauses treten alle sieben Bands<br />

und Crews aus dem Projekt live auf, werden dabei mit<br />

mehreren Kameras gefilmt und als Livestream auf www.<br />

poparena.net übertragen. So zumindest die Planung<br />

<strong>–</strong> aufgrund technischer Schwierigkeiten kriegen die<br />

Internet-Zuschauer alle Auftritte mit einer guten hal-<br />

ben Stunde Verspätung zu sehen. Zwischen den Live-<br />

Performances werden in zwei Blöcken die sieben<br />

Musikvideos auf der großen Leinwand des Filmhaus-<br />

Kinos präsentiert.<br />

Trotz technischer Probleme wird der Event zu einem<br />

vollen Erfolg: Die Jugendlichen aus den unterschiedlichen<br />

jugendkulturellen Szenen haben meistenteils Spaß<br />

miteinander, und wenn jemand eine Musikrichtung gar<br />

nicht ertragen kann, verlässt er halt solange den Saal.<br />

Spät am Abend leert sich dann der Saal; zum Abschluss<br />

der Projektphase wird noch eine Doppel-DVD mit allen<br />

Musikvideos und dem kompletten pop@rena-Livekonzert<br />

produziert und an alle TeilnehmerInnen verteilt.<br />

Aufbauend aus den Erfahrungen aus diesem Projekt<br />

und den vorangegangenen Städteprojekten Wo bleibst<br />

Du Denn?!, Wahlkanal und Urban Culture 2005 wird im<br />

<strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> gegenwärtig ein Konzept für ein größeres<br />

Web-TV-Projekt unter dem Namen <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> TV<br />

entwickelt: Jugendredaktionen in verschiedenen Städten<br />

Nordrhein-Westfalens, ggf. auch international, stellen<br />

in regelmäßigen Web-TV-Magazinsendungen jugendkulturelle<br />

Aktivitäten in ihrer Stadt vor; dazu kommen<br />

Ferienaktionen mit Musikvideoproduktionen.<br />

Lisette Reuter<br />

Jahrgang 1979, seit 1998 Mitarbeiterin des Arbeitskreises<br />

Öffentlichkeitsarbeit und verschiedene<br />

Referententätigkeiten beim Sommertheater Puste-<br />

blume. Seit 2005 freie Mitarbeiterin und Projekt-<br />

mitarbeiterin des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> <strong>Köln</strong><br />

im Bereich Video- und Multimediaarbeit sowie<br />

internationale Jugendmedienarbeit. Projektleitung<br />

„pop@rena - Musikvideos fürs WWW“. Studium<br />

des Lehramtes für Sonderpädagogik Sek. I sowie<br />

Studium der Diplompädagogik mit Schwerpunkt<br />

Sozialpädagogik in <strong>Köln</strong> abgeschlossen.<br />

Kontakt:<br />

lisette@jfc.info<br />

DVD<br />

Siehe Musikvideos<br />

von Free Kings, 3<br />

Wege Soundsystem<br />

und V-Attakk auf<br />

beiliegender DVD<br />

Best Practice | 33


sCOOL-HITs — Popmusik und Kreativität,<br />

die Schule macht<br />

Markus Brachtendorf<br />

„Die Welt ist hart, doch jeder geht seinen Weg, jeder<br />

hat seinen Part. Die Welt ist hart, ich geb dir einen Rat,<br />

komm mit ihr klar auf deine eigene Art“, so resümiert die<br />

USG Crew in ihrem gleichnamigen HipHop-Track über<br />

den Alltag und das Sich-zurecht-finden in ihrer (Förderschul-)Realität.<br />

Diese und andere Botschaften sind<br />

nachzuhören auf der CD sCOOL-HITs Nr. 5 und nicht das<br />

erste Statement, welches die fünf Jungs aus Leverkusen-Opladen<br />

auf die regionale Öffentlichkeit abfeuern.<br />

(www.myspace.com/usgcrew)<br />

sCOOL-HITs in Leverkusen<br />

Schon seit 2000 schreiben und produzieren an zwei<br />

Leverkusener Förderschulen jährlich gut 50-60 Schüler<br />

mit Unterstützung kompetenter Musikpädagogen ihre<br />

eigenen Songs. So entstanden bis heute bereits sechs<br />

sCOOL-HITs-Compilations.<br />

sCOOL-HITs ist aber nicht nur der Name einer CD-Reihe.<br />

Es ist auch Synonym für die kreative Songwriting-Arbeit<br />

mit Kindern und Jugendlichen, die mein Kollege Thorsten<br />

Neubert und ich, beide studierte Sonderpädagogen<br />

und aktive Musiker und Produzenten, zunächst aus der<br />

Arbeit im Rahmen einer musiktherapeutischen Förder-<br />

34 | sCOOL-HITs — Popmusik und Kreativität, die Schule macht<br />

maßnahme heraus seit Ende der Neunziger Jahre stetig<br />

weiterentwickeln. Aus dem Wunsch und dem Anspruch<br />

heraus, „die Schüler abzuholen wo sie sind“, begannen<br />

wir nach Versuchen mit eher herkömmlichen Spielarten<br />

des Musikunterrichts damit, uns gemeinsam mit den<br />

Schülern eigene Popsongs auszudenken. Wichtige Themen,<br />

die die Schüler betreffen und die ihnen quasi unter<br />

den Nägeln brennen, gibt’s zur genüge. Dauerbrenner<br />

sind z.B. Liebe, Drogen, Gewalt; aber auch ganz Persönliches<br />

und manchmal Probleme oder Ängste der Schüler<br />

finden den Weg in die Songs.<br />

Wir machen uns dabei die Tatsache zunutze, dass die<br />

Lebenswelt der Jugendlichen mit ihrer Wahrnehmung<br />

und ihrer Weltsicht ganz automatisch tief in der Popkultur<br />

und deren Ästhetik verwurzelt sind. Die Rahmenbedingungen<br />

für Popmusik-Songwriting sind also ideal,<br />

weil sie direkt mit dem Leben der meisten Kids verbunden<br />

sind. Sie alle hören Popmusik, warum also nicht einfach<br />

mal selber machen? Außerdem können wir so unsere<br />

eigene Leidenschaft für das Musikmachen mit unseren<br />

Schülern teilen. Dabei entstehen Synergien, und das<br />

schafft Authentizität.<br />

Der gesamte Prozess und die Songs, die im Rahmen der<br />

sCOOL-HITs-Arbeit entstehen, geben den Schülern die<br />

Möglichkeit, sich durch Musik auszudrücken. So schaffen<br />

wir auch gerade bei den Förderschülern, die oft aus<br />

sozial benachteiligten Umfeldern oder aus problematischen<br />

Familienverhältnissen stammen, Möglichkeiten,<br />

sich neue kreative Ventile für alles zwischen „Hop oder<br />

Top“ zu erarbeiten. Ganz nebenbei schärfen wir mit der<br />

Arbeit ihren Blick auf die Popkultur und werden zunehmend<br />

Zeuge davon, wie sich ihre Rezeption ihrer Realität<br />

und der Musik, deren Botschaften sie täglich konsumieren,<br />

weiterentwickelt und differenziert.<br />

Wichtiger als künstlerische Gesichtspunkte ist dabei<br />

die Erfahrung, dass sCOOL-HITs vor allem mittel- und<br />

langfristig spürbar positiven Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung<br />

und das Selbstwertgefühl vieler<br />

Schüler nimmt. Die Identifikation mit den selbst<br />

geschriebenen Tracks und deren Inhalten, zusammen<br />

mit der Möglichkeit, diese bei Konzerten und auf CDs<br />

der Öffentlichkeit zu präsentieren, verlangt zunächst<br />

viel Überwindung, verschafft aber anschließend auch<br />

viel Anerkennung und Genugtuung.<br />

Das gesamte Projekt, vom regelmäßigen Songwriting


über Proben und Auftritte bis hin zur CD-Produktion<br />

und deren Veröffentlichung im regionalen Rahmen,<br />

schafft Raum für Kommunikation und Kooperation<br />

zwischen Schülern, Lehrern und Eltern und hat im<br />

Laufe der vergangenen Jahre dazu beigetragen, dass<br />

Klima an den beteiligten Schulen spürbar positiv zu<br />

beeinflussen.<br />

sCOOL HITs aktuell<br />

Im Jahr 2007 kann das Projekt in Kooperation mit der<br />

Musikschule Leverkusen mit Landesmitteln auf drei von<br />

vier Hauptschulen der Stadt ausgedehnt werden. Auch<br />

an diesen Schulen wird bis Ende des Jahres Songwriting<br />

und Musikproduktion <strong>–</strong> und damit auch ein bisschen<br />

kreative Selbstverwirklichung der Schüler <strong>–</strong> mit drei<br />

Wochenstunden zum Unterrichtsinhalt. Gipfeln werden<br />

diese Aktivitäten einerseits in Aufnahmetagen im<br />

professionellen Tonstudio und andererseits in der<br />

Produktion der CD und deren Präsentationskonzert im<br />

renommierten Leverkusener Forum (Ort der Leverkusener<br />

Jazztage) am Ende des Jahres.<br />

Die Leverkusener sCOOL-HITs in Zahlen: 2007 arbeiten<br />

derzeit zwei Dozenten mit gut 100 Haupt- und Förderschülern<br />

in knapp 20 Bands an ca. 40 selbstgeschrieben<br />

Songs, die im Laufe des Jahres auf zwei professionell<br />

produzierten CDs und diversen Konzerten der regionalen<br />

Öffentlichkeit präsentiert werden können.<br />

Abseits dieser langfristigen Perspektiven freuen wir<br />

uns seit 2001 zunehmend über die Möglichkeit, vielen<br />

Kindern und Jugendlichen sCOOL-HITs und damit Popmusik<br />

und Kreativität auch im Rahmen von Projektwochen<br />

oder Workshops unterschiedlichster Schattierungen<br />

zugänglich machen zu können. So konnten wir<br />

neben Dozenten für Tanz, Eventmanagement, Medien<br />

und Moderation als Musikproduzenten im Team der<br />

SchoolTour der Deutschen Phonoakademie bereits an<br />

vielen Schulen quer durch die Republik kreativ werden,<br />

darunter auch die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln.<br />

Markus „Be“ Brachtendorf<br />

Jahrgang 1972, Sonderpädagoge, Musiker und<br />

Produzent. Seit 2000 Musikschullehrer der<br />

Musikschule Leverkusen, daneben Inhaber des<br />

„Tonstudio Be“ (<strong>Köln</strong>-Deutz, tonstudiobe.de),<br />

des angeschlossenen Labels „Jigit! Records“<br />

und des „Be Publishing“ Musikverlages.<br />

Als Musiker und Künstler zahlreiche CD-<br />

Veröffentlichungen und gut 500 Konzerte im<br />

In- und Ausland in den vergangenen 15 Jahren.<br />

Als Pädagoge Konzeption und Durchführung<br />

zahlreicher Popmusikprojekte und -workshops<br />

unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung an<br />

sämtlichen Schulformen bis hin zur Lehrerfortbildung.<br />

Kontakt:<br />

m.brachtendorf@scool-hits.de<br />

Häufig gibt es auch thematisch ausgerichtete Songwritingprojekte,<br />

z.B. im Kontext von Kulturbegegnung<br />

und Migration (so die Projekte ORIENTierung,<br />

www.orientierung2005.de, und Sesam öffne Dich im<br />

Rahmen der Kinder und Jugendbuchmesse Oldenburg).<br />

Außerdem haben wir mittlerweile andere Medien wie<br />

Video und Internet in die Arbeit integriert und können<br />

so z.B. gemeinsam mit den Schülern Videoclips zu ihren<br />

eigenen Songs produzieren.<br />

Im Zentrum von sCOOL-HITs stehen aber immer die<br />

Meinungen und Themen der Schüler und der kreative<br />

Umgang damit mit Hilfe des Mediums Musik: Kreativität,<br />

die Schule macht und Schule kreativ macht; somit<br />

ein kleiner Baustein, der vielen Schülern positive Erfahrungen<br />

und Impulse für die „Bühne des Lebens“ und die<br />

Zukunft mit auf den Weg gibt.<br />

Links<br />

„sCOOLe“ Beispielmusik und Videos gibt’s unter www.scool-hits.de, www.myspace.com/scoolhits oder aber auch<br />

käuflich auf den sCOOL-HITs CDs im Netz unter www.KaDeBe.com.<br />

„Im Zentrum von<br />

sCOOL-HITs stehen<br />

immer die Meinungen<br />

und Themen der<br />

Schüler und der<br />

kreative Umgang<br />

damit“<br />

Best Practice | 35


Von BandWatch und MusicWatch<br />

zu popUP NRW<br />

Renato Liermann<br />

Junge Bands fördern und fordern, das heißt für unsere<br />

Zielgruppe:<br />

<strong>–</strong> Stärken und Schwächen, die eigene Position im Musik-<br />

und Medienbusiness, Konzepte und Ziele für die Band<br />

klären;<br />

<strong>–</strong> mit einem guten Gefühl und Neugier nach MusicWatch/<br />

popUP NRW wieder in den Proberaum und auf<br />

Tournee gehen;<br />

<strong>–</strong> Netzwerke unter den Bands, mit Musikinitiativen,<br />

Veranstaltern, Musik- und Medienwirtschaft bilden;<br />

<strong>–</strong> endlich vom Publikum, den Medien und einem<br />

Majorlabel mit Begeisterung wahrgenommen werden,<br />

die Musik vielleicht zum Beruf machen können;<br />

<strong>–</strong> und sich wie in den letzten Jahren z.B. Tapesh, Lecker<br />

Sachen, Tengu oder Uncle Ho nach vorne zu bringen.<br />

In diesem Sinne realisiert die eSw (Evangelische Schülerinnen-<br />

und Schülerarbeit in Westfalen e.V.) seit 1992<br />

zusammen mit der jetzigen Arbeitsgemeinschaft<br />

MusicWatch umfangreiche Förderprojekte für Nachwuchsgruppen<br />

sämtlicher Stilrichtungen in NRW. Über<br />

1500 junge Rock-, Pop- und HipHop-MusikerInnen wurden<br />

seitdem in Workshops, bei Konzerten und in Beratungsprozessen<br />

gefördert und gefordert und z. T. auch im<br />

Rahmen internationaler Musikprojekte auf Tournee vor<br />

allem in Osteuropa geschickt.<br />

36 | Von BandWatch und MusicWatch zu popUP NRW<br />

Die Besonderheit dieses Projektes, das ausdifferenzierte<br />

und mittlerweile ganzjährige Qualifizierungs-<br />

und Auftrittsprogramm, prägt zudem ein landesweites<br />

Netzwerk mit kommunalen und verbandlichen Partnern<br />

wie der Stadt Bochum und der eSw, zahlreichen<br />

Musikinitiativen wie Ruhrklang oder Triggerfish und<br />

Jugendkulturhäusern wie dem Kultopia in Hagen. Junge<br />

MusikerInnen bestimmen hier gemeinsam mit Profis<br />

aus Bildungsarbeit und Musikbusiness, wo es langgehen<br />

soll. Das Konzept dient seit Jahren als Vorbild für<br />

zahlreiche kleinere Projekte.<br />

BandWatch und HipHopWatch …<br />

… konzentrierten sich seit 1992 bzw. 1998 auf die Förderung<br />

von Rock- bzw. HipHop-Crews <strong>–</strong> mit Einstiegskonzerten,<br />

Workshops in der Jugendbildungsstätte Berchum der<br />

eSw, Konzerten in namhaften Clubs im Ruhrgebiet wie<br />

der Zeche Bochum oder dem Globe/Kultopia in Hagen<br />

und deren Auswertung mittels Videomitschnitten.<br />

Angeboten wurden darüber hinaus ergänzende Konzerte<br />

und einige Beratungen, ab Ende der 1990er Jahre auch<br />

ein Coaching für 1-2 Bands im Anschluss an die Projektwochenenden<br />

durch das Music Office Hagen (in<br />

Trägerschaft der eSw) für Rock- oder durch die Guru<br />

Music School Bochum für HipHop-Gruppen.<br />

MusicWatch …<br />

… weitete diese Konzeption 2004 schließlich durch umfangreiches<br />

Bandtraining/Coaching erstmals zu einem<br />

ganzjährigen Qualifizierungsprozess bis hin zum Finalkonzert<br />

im Bahnhof Langendreer/Bochum aus. Nach<br />

der Ausschreibungsphase und der Vorbereitung der von<br />

der Jury ausgewählten Ban ds startete MusicWatch mit<br />

den Projektwochenenden BandWatch, HipHopWatch und<br />

BeatWatch im Laufe des Frühjahrs 2004. Mit BeatWatch<br />

wurden erstmals auch elektronische Musikprojekte<br />

gezielt gefördert.<br />

Die Projektwochenenden in der Jugendbildungsstätte<br />

Berchum starteten Freitagabends mit Gigs und<br />

Interviews aller Gruppen, dann folgten Workshops zu<br />

Themen wie Arrangement, Songwriting/Lyrics, Vocals,<br />

Management/Marketing/e-Commerce, PR/Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Produktion/Recording, Performance und<br />

VJing.<br />

Die Konzerte an den Samstagabenden wurden jeweils<br />

auf Video mitgeschnitten und bildeten die Grundlage


für eine umfangreiche Beratung am Sonntag. Die späten<br />

Abende prägten Session- und Open-Space-Angebote und<br />

vor allem das Nachtcafe in der JuBi Berchum: Chancen,<br />

Profis aus dem Musikbiz und die anderen Bands kennen<br />

zu lernen, Diskussionen oft bis in den frühen<br />

Morgen, immer wieder Kontakte für die nächsten<br />

Jahre. Aus diesen Wochenenden gingen dann die<br />

MasterClass-Bands hervor, die an einem mehrmonatigen<br />

Bandtraining teilnahmen und sich abschließend dem<br />

NRW-Publikum präsentierten.<br />

2005 wurde erstmals in das Projekt MusicWatch die Ausbildung<br />

von MusicScouts integriert. Damit wurde nach<br />

vielen Jahren Aufbauarbeit ein Höhepunkt in der Populärmusikförderung<br />

in NRW erreicht, obwohl aufgrund<br />

der geringeren Förderung BeatWatch leider entfallen<br />

musste. Erstmals qualifizierten sich nicht nur Musiker-<br />

Innen, sondern auch Bandmanager der Nachwuchsbands,<br />

junge Veranstalter und Musikbegeisterte aus<br />

Musikinitiativen für ihre Arbeit in einem ganzjährigen<br />

Projekt weiter. Als innovatives und ergänzendes Projekt<br />

realisierten die MusicScouts eigenständig den Wett-<br />

bewerb Beatvision mit ergänzenden Workshops und<br />

Gigs in Hagen.<br />

Die Ausbildung der MusicScouts wurde im Rahmen des<br />

Kompetenznachweises Kultur der Bundesvereinigung<br />

Kulturelle Jugendbildung zertifiziert. Die MusicScout-<br />

Ausbildung umfasste Workshopeinheiten mit Praxis-<br />

und Theorieteil zu Themen wie Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Management, Marketing, Finanzierung, Umsetzung von<br />

Workshop-, Projekt-, Konzert- und Bandberatungskonzepten,<br />

Grundzüge der Musik- und Medienwirtschaft,<br />

Recht sowie Durchführung von Großveranstaltungen<br />

wie „Bochum Total“.<br />

Die MasterClass-Phase bildet seit 2004 das Kernstück<br />

der Qualifizierungsarbeit. Jeweils zwei Bands werden<br />

hier von einem Bandtrainer gecoacht. Ausgehend von<br />

den Ergebnissen des Projektwochenendes werden dabei<br />

anhand ausgiebiger Stärken- und Schwächenanalysen<br />

Pläne für die Arbeit bis Ende des Jahres aufgestellt.<br />

Thematisiert werden an ca. 6 Arbeitstagen mit jeder<br />

Band spieltechnisch-musikalische Fragen, Arrangement<br />

und Songwritingaspekte, Auftritts- und Konzert-<br />

konzepte, die Öffentlichkeitsarbeit der Bands bis hin<br />

zur Klärung des Bandkonzepts und weiterer Arbeitsziele<br />

<strong>–</strong> eine harte Zeit, verbunden mit „Hausaufgaben“ und<br />

Auftritten in ganz NRW. Manche Band steht das nicht<br />

durch, formiert sich im Laufe dieses Prozesses neu;<br />

andere laufen zu Hochform auf, verhandeln schließlich<br />

<strong>–</strong> vermittelt durch das Dozententeam <strong>–</strong> mit Labels und<br />

bringen ihre ersten Fernsehauftritte hinter sich.<br />

Förderer waren 2005 die Staatskanzlei und das Ministerium<br />

für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen, die eSw mit ihrem Projekt<br />

Music Office Hagen, das Kulturbüro der Stadt Bochum,<br />

das Kulturamt und Jugendamt der Stadt Hagen sowie<br />

die Evangelische Kirche von Westfalen.<br />

Als DozentInnen konnten in den letzten Jahren z.B.<br />

Stephan Laack (Musikchef 1Live), Markus Balk und<br />

Frank Kühl (Majorlabel), Pamela Falcon (Leadsängering<br />

Starlight Express) und Bernd Aufermann (Gitarrist u. a.<br />

bei Running Wild und Angel Dust) gewonnen werden.<br />

popUP NRW …<br />

… ist seit 2006 das ganzjährige Förderprogramm in<br />

Nachfolge von Triebwerk und MusicWatch. Träger ist das<br />

NRW-KULTURsekretariat in Wuppertal. Wie MusicWatch<br />

verbindet popUP NRW Gigs, Workshops und Beratungen<br />

an 2 Projektwochenenden. Eine mehrmonatige Master-<br />

Class und ein NRW-weites Auftrittsnetzwerk mit zahl-<br />

reichen Regionalpartnern, Auftritte bei Bochum Total,<br />

bei den großen Festivals in <strong>Köln</strong> und Bonn kommen hinzu.<br />

popUP NRW wurde 2005 gemeinsam mit dem Kulturbüro<br />

der Stadt Bochum, dem Kulturamt der Stadt Hagen,<br />

der eSw Hagen sowie dem Rock’n’Popmuseum Gronau<br />

als landesweites Rock’n’Pop Förderprojekt für junge<br />

Bands und Musiker entwickelt. Als Pate des Projekts<br />

konnte Henning Rümenapp, Gitarrist der Erfolgsband<br />

Guano Apes, gewonnen werden. Persönlichkeiten wie<br />

Dieter Gorny, Peter James oder Björn Gralla prägten die<br />

Jury.<br />

Teilnehmen können heute Bands mit einem Durchschnittsalter<br />

von max. 27 Jahren, dem Wohn- bzw. Arbeitssitz<br />

in NRW sowie Auftrittserfahrungen, der Begeisterung,<br />

dazu lernen zu wollen, und den Ressourcen, ggf. das<br />

ganzjährige Projekt durchstehen zu können.<br />

Renato Liermann<br />

Jahrgang 1956, ist Leiter der Pädagogischen<br />

Abteilung der eSw und stellvertretender Hausleiter<br />

der Jugendbildungsstätte Berchum. Studium<br />

der Bildenden Kunst/2. Staatsexamen Lehramt<br />

Sek II, Kompaktstudium Betriebswirtschaft, seit<br />

1986 zahlreiche Kulturprojekte für Verbände,<br />

Museen, Kommunen in NRW, seit 1989 für die<br />

eSw Projekt- und Tagungsarbeit in den Bereichen<br />

Jugendbildung, Kultur- und Musikarbeit, schul-<br />

und jugendarbeitsbezogene Tagungs- und Fortbildungsarbeit<br />

und internationale Projekte. Mitglied<br />

der AG MusicWatch und Mitveranstalter popUP<br />

NRW.<br />

Kontakt: Kontakt popUP NRW:<br />

Fon: 02334/9610-0 NRW KULTURsekretariat<br />

www.esw-berchum.de Barbara Sydow<br />

www.musicoffice-hagen.de Fon: 0202/563 68 03<br />

liermann@esw-berchum.de www.popup-nrw.de<br />

sydow@popup-nrw.de<br />

Best Practice | 37


Das HipHopMobil<br />

unterwegs für Respekt und Toleranz<br />

Uwe Ihlau<br />

„Im Mittelpunkt<br />

der textlichen Arbeit<br />

standen die Themen<br />

Respekt und Toleranz“<br />

Das Jugendkulturprojekt HipHopMobil der Evangelischen<br />

Jugend Dortmund und Lünen hat im Großraum Dortmund<br />

über 5 Jahre mehrere hundert Jugendliche erreicht.<br />

Von 2001 bis 2005 war es auf öffentlichen Plätzen und<br />

jugendspezifischen Orten präsent. Im Laufe der Jahre<br />

sind mehrere Produktionen entstanden. Diese gelungene<br />

Mischung von niederschwelligen Angeboten und produktorientiertem,<br />

künstlerischem Arbeiten wurde mit mehreren<br />

Preisen belohnt.<br />

Die Idee<br />

Das HipHopMobil war ein mit mobiler Tontechnik ausgestatteter<br />

Bulli, der für jeweils einen Nachmittag oder<br />

Abend Station auf unterschiedlichen öffentlichen Plätzen,<br />

bei Jugendeinrichtungen oder in Schulen machte. Ein<br />

Musiker bot, unterstützt von einem Pädagogen, offene<br />

Rapworkshops an, die Jugendliche zum Mitmachen<br />

beim „Freestyle“ und zum Texte schreiben animierten.<br />

Ein Forum für Breakdancer rundete das Projekt ab.<br />

Die Ziele<br />

Die Angebote des HipHopMobils waren so gestaltet,<br />

dass die Hemmschwellen sich einzubringen möglichst<br />

niedrig waren. Damit sollte sichergestellt werden, dass<br />

möglichst viele Jungendliche mit diesem Angebot erreicht<br />

werden konnten. Die Jugendlichen erhielten die Möglichkeit,<br />

sich spontan oder mit vorbereiteten Texten zu äußern<br />

und so ihrem Lebensgefühl und den sie beschäftigenden<br />

Themen Ausdruck zu verleihen. Im Mittelpunkt der textlichen<br />

Arbeit standen die Themen „Respekt“ und „Toleranz“.<br />

Die teilnehmenden Jugendlichen lernten ihre kreativen<br />

Möglichkeiten an den Plattentellern, am Mikrofon, beim<br />

Breakdance oder ggf. beim legalen Sprayen eines Graffitis<br />

kennen. Sie erlernten so neue Ausdrucksformen oder<br />

vertieften ihre bestehenden Fertigkeiten.<br />

Die Erfahrungen<br />

Eine wichtige Grundbedingung zum Gelingen des Projektes<br />

war, dass der Musiker (der künstlerische Leiter) und die<br />

beiden Pädagogen (die Projektleiter) gut miteinander<br />

harmonierten. Dies bedeutet einerseits, dass der Musiker<br />

hinter den Zielen und dem Leitbild der Einrichtung, in<br />

diesem Fall der Evangelischen Jugend, stehen sollte.<br />

Andererseits müssen sich die Pädagogen auch auf die<br />

pädagogische Fähigkeiten des Musikers verlassen können.<br />

Die Arbeitsteilung in Projektleitung und künstlerische<br />

38 | Das HipHopMobil - unterwegs für Respekt und Toleranz<br />

Leitung hat sich bewährt. Wenn das Klima zwischen<br />

den beteiligten Partnern stimmt, führt diese Arbeitsteilung<br />

zu einem sehr effizienten Projektmanagement:<br />

Jeder macht das, was er am Besten kann. Der Musiker<br />

hat die künstlerischen Ideen, der Pädagoge hat die Umsetzung<br />

und die Rahmenbedingungen im Griff. Er kümmert sich<br />

beispielsweise um die Mittelbeschaffung für das nächste<br />

Projekt, um die Abrechnungen und die Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Eine Herausforderung, insbesondere für den Musiker,<br />

bestand in der Bereitschaft, immer wieder von vorne<br />

anzufangen. Gegen Ende des Projektes wurde deutlich,<br />

dass sich der Musiker während der Jahre auch künstlerisch<br />

weiterentwickelt hatte. Es fiel ihm zusehends schwerer,<br />

sich immer wieder neu auf unerfahrene Jugendliche einzulassen<br />

und alles wieder und wieder neu zu erklären.<br />

Es deutete sich an, dass ein Wechsel in dieser Rolle des<br />

„Animators“ und „Geburtshelfers“ nach fünf Jahren<br />

sinnvoll gewesen wäre.<br />

Ein weiterer wichtiger Aspekt war das Bemühen, den<br />

Jungendlichen, die wir durch die niederschwelligen Angebote<br />

in den Workshops neu erreicht hatten, stets eine Perspektive<br />

anbieten zu können, sich innerhalb des Projektrahmens<br />

HipHopMobil musikalisch zu verwirklichen. Dazu war<br />

es von Seiten der Projektleitung nötig, immer wieder


neue Geldquellen für neue Produktionen zu erschließen<br />

und viele Projektanträge auf unterschiedlichen<br />

Ebenen zu stellen. Die kreativen Ideen, welche neuen<br />

Produktionen dies seine konnten, kamen oft von Seiten<br />

des Musikers. So entstanden nach dem Vinyl-Sampler<br />

„HipHopMobil <strong>–</strong> Volume 1“ eine CD mit dem Titel „Stop<br />

the Violence“ und ein HipHop-Hörspielprojekt, das die<br />

Lebensgefühle von jugendlichen HipHoppern schildert.<br />

Außerdem traten viele Jugendliche mit ihren Songs live<br />

auf einer Reihe von Veranstaltungen auf.<br />

Die Einbindung etablierter Künstler in das Jugendkulturprojekt<br />

war ein zusätzlicher wichtiger Erfolgsfaktor.<br />

Für den ersten Sampler konnten z. B. Too Strong aus<br />

Dortmund gewonnen werden. Sie steuerten einen Song<br />

zu der Platte bei und motivierten die Jugendlichen so<br />

zusätzlich.<br />

Highlights waren sicherlich die Würdigung des Projektes<br />

durch die Landesarbeitsgemeinschaft Kulturpädagogischer<br />

Dienste im Rahmen der Preisvergabe des<br />

Jugendkulturpreises NRW und die Preisverleihung des<br />

Landesverbandes der Evangelischen Jugend von Westfalen<br />

beim Jugendkulturpreis der aej-nrw. Diese Preise<br />

waren besonders gegenüber dem eigenen Träger wichtig,<br />

um die Priorität dieses Projektes bei der internen<br />

Mittelvergabe zu unterstreichen.<br />

Der geschlechtsspezifische Blick<br />

Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in der<br />

Nutzung der Angebote des HipHopMobils wurden auf<br />

mehreren Ebenen deutlich. Bei den offenen HipHop<br />

Workshops in Jugendzentren dominierten häufig<br />

Jungen die Szene. Sie zeigten im Durchschnitt deutlich<br />

weniger Hemmungen ins Mikrofon zu rappen oder mit<br />

den Turntables zu scratchen. Auch beim Breaken waren<br />

sie schneller bereit, ihr Können zu zeigen. Bei der Arbeit<br />

an neuen Texten bzw. Reimen zeigten sich Mädchen<br />

dann ebenso kreativ wie die Jungen. Dies wurde insbesondere<br />

im Rahmen von Workshops an Schulen schnell<br />

deutlich. In diesen eher „geordneten“ Strukturen der<br />

Schulklasse schien es für die Mädchen schneller möglich<br />

zu sein, einen gleichberechtigten Platz einzunehmen.<br />

Rückblickend bleibt selbstkritisch zu sagen, dass wir<br />

zu Beginn des Projektes den Geschlechter-Blick nicht<br />

genügend berücksichtigt hatten. Wir waren einfach<br />

nur froh, in relativ kurzer Zeit genügend engagierte und<br />

motivierte Jugendliche zu finden, die sich an unserem<br />

ersten Sampler-Projekt beteiligen wollten. Durch die<br />

„Genderbrille“ betrachtet gelang es uns nicht, frühzeitig<br />

Uwe Ihlau<br />

Jahrgang 1964, ist Diplom Sozialpädagoge<br />

(Schwerpunkt Kulturpädagogik), Spiel- und Theater-<br />

pädagoge (ags), Medienberater (Akademie<br />

Remscheid), Deeskalationstrainer und Lehrtrainer<br />

(Gewaltakademie Villigst). Seit 2005 arbeitet er<br />

bei der FUMA Fachstelle Gender NRW mit den<br />

Schwerpunkten Fachberatung zur Jungenarbeit<br />

und zum Gender Mainstreaming. Seine berufliche<br />

Laufbahn begann beim Amt für Jugend-<br />

arbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen im<br />

Referat Kulturarbeit. Als Jugendbildungsreferent<br />

hat er 12 Jahre bei der Evangelischen Kirche in<br />

Dortmund und Lünen mit den Schwerpunkten<br />

Bildungsarbeit, Fachberatung, Öffentlichkeitsarbeit<br />

und Projektentwicklung gearbeitet.<br />

Kontakt:<br />

Uwe Ihlau<br />

Referent für Jungenarbeit und Gender Mainstreaming<br />

FUMA Fachstelle Gender NRW<br />

Fon: 0201/1820550<br />

www.gender<strong>–</strong>nrw.de<br />

uwe.ihlau@gender-nrw.de<br />

auch Mädchen für diese Produktion zu gewinnen. So<br />

finden sich auf diesem für die Weiterentwicklung des<br />

Projektes sehr wichtigem Produkt „nur“ Jungen und<br />

Männer.<br />

Sicherlich spielte die Tatsache, dass im Team des<br />

HipHopMobils keine Frau vertreten war, eine wichtige<br />

Rolle. Diese ungleiche Geschlechterverteilung konnte<br />

leider in den 5 Jahren nicht verändert werden, da es nicht<br />

gelang, Frauen bzw. Mädchen mit in die Anleiterrolle zu<br />

bekommen. Um den Anteil der Mädchen an den aktiven<br />

Musikern deutlich zu erhöhen entstand dann die Idee,<br />

einen eigenen Mädchensampler zu produzieren. Diese<br />

Idee konnte allerdings leider nicht mehr realisiert werden.<br />

Ärgerlich war eine Erfahrung, die wir unter dem Gendergesichtspunkt<br />

mit einem WDR-Filmteam sammeln<br />

konnten. Für einen Beitrag über das Projekt trafen wir<br />

uns mit einer Gruppe von 6 Jungen und einem (sehr<br />

selbstbewussten und fitten) Mädchen in einem Jugendhaus.<br />

Neben Interviews zeichnete das Filmteam auch<br />

live gerappte Szenen auf. Im später gesendeten Beitrag<br />

waren dann Jungs zu sehen, die voller Elan sangen. Die<br />

Sequenz, bei der das Mädchen rappte, zeigte die Ausschnitte,<br />

in denen sie ihren Text vergaß und von vorne<br />

begann. Als dies dann so geschnitten über den Sender<br />

ging, ärgerte mich die Botschaft <strong>–</strong> „Mädchen können<br />

nicht rappen, Jungs aber wohl“ <strong>–</strong> sehr. Diese öffentliche<br />

Darstellung konterkarierte unsere Bemühungen, mehr<br />

Mädchen anzusprechen, nachhaltig.<br />

Die gezielte Ansprache von Mädchen für ein HipHop<br />

Projekt und die Einrichtung „Jungsfreier Zonen“ zum<br />

Ausprobieren und zum Hereinfinden ins Scratchen,<br />

Breaken oder Rappen sind zwei wichtige Aspekte,<br />

um mehr Mädchen für die aktive Teilnahme an dieser<br />

Jugendkultur gewinnen zu können. Eine Grundidee des<br />

HipHop, sich zu trauen, respektvoll und tolerant mit<br />

einander umzugehen, lässt sich sehr gut auch auf den<br />

Umgang der Geschlechter miteinander übertragen.<br />

Aufgrund von personellen Wechseln und Sparmaßnahmen<br />

wurde das Projekt HipHopMobil 2006 eingestellt.<br />

„Die gezielte<br />

Ansprache von<br />

Mädchen und die<br />

Einrichtung ‘Jungsfreie<br />

Zone‘ sind<br />

wichtige Aspekte,<br />

um mehr Mädchen<br />

für die aktive Teilnahme<br />

gewinnen<br />

zu können“<br />

Best Practice | 39


40 | Connect HipHop!<br />

Connect HipHop!<br />

Gabi Deeg<br />

Seit ihrer Entstehung in den 70er Jahren bilden die vier<br />

Elemente der HipHop-Kultur <strong>–</strong> Rap, DJing, Graffiti und<br />

Breakdance <strong>–</strong> zentrale und einflussreiche Säulen urbaner<br />

Jugendkultur. Bereits 1994 begann die Offene Jazz<br />

Haus Schule, in diesem Bereich Projekte für Kinder und<br />

Jugendliche aller Altersstufen anzubieten. Nicht zuletzt<br />

mit dieser jahrelangen Basisarbeit für Anfänger und<br />

Fortgeschrittene etablierte sich die Offene Jazz Haus<br />

Schule in <strong>Köln</strong> als eine zentrale kulturpädagogische<br />

Einrichtung im Bereich der aktuellen Jugendkultur. Das<br />

im Rahmen dieser Projektarbeit entstandenen HipHop<br />

Musical „Coloured Children“ wurde 1998 mit dem<br />

Jugendkulturpreis des Landes NRW ausgezeichnet.<br />

Parallel zur fortlaufenden Breitenarbeit ging die Offene<br />

Jazz Haus Schule im Jahr 2004 einen Schritt weiter. Mit<br />

„Connect HipHop“ wurde ein Projekt für junge Künstler<br />

der HipHop-Kultur, die im Übergang von der Schule<br />

zum Berufsleben stehen, gestartet. In NRW ist mittlerweile<br />

eine lebendige Szene junger Rap-Künstler, Tänzer<br />

und DJs herangewachsen, deren kreatives Potential es<br />

wahrzunehmen und zu fördern gilt. Die künstlerische<br />

Kraft dieser jungen HipHop-Aktivisten entwickelt sich<br />

weitgehend außerhalb unserer traditionellen Bildungs-<br />

und Kultureinrichtungen.<br />

Ziel ist, jungen, ambitionierten HipHop-Künstlern<br />

Möglichkeiten und Wege aufzuzeigen, sich weiterzuentwickeln<br />

und ihre Fähigkeiten für sich selbst und für die<br />

Gesellschaft nutzbar zu machen <strong>–</strong> sei es, dass sie neue<br />

Akzente in der Musik- und Tanz-Szene setzen oder dass<br />

sie als Pädagogen arbeiten, die durch die authentische<br />

Vermittlung der aktuellen Jugendkultur einen direkten<br />

Zugang zu Kindern und Jugendlichen haben. Um die Hip-<br />

Hop-Szene zu erreichen und optimal zu fördern, basierte<br />

das „Connect HipHop“-Konzept auf den vier Säulen:<br />

Competition, Coaching, Concert und Connection.<br />

Competition: Landesweit werden junge Künstler aufgefordert,<br />

sich für einen Contest zu bewerben und sich<br />

dem Urteil einer fachkundigen Jury <strong>–</strong> bestehend aus<br />

renommierten Künstlern aus der HipHop Szene <strong>–</strong> zu<br />

stellen. Den Jugendlichen wird Gelegenheit gegeben,<br />

sich mit gleichaltrigen Musikern, Tänzern, Künstlern ihrer<br />

Sparte zu messen und sich im Wettbewerb zu beweisen.<br />

Coaching: Die TeilnehmerInnen erhalten Gelegenheit, in<br />

Workshops mit künstlerischen Vorbildern und Größen


aus der Szene ihre kreativen Fähigkeiten zu entwickeln.<br />

In Seminaren und kurzen Informationseinheiten können<br />

sie Fachleuten ihre Fragen zu übergreifenden Themen<br />

der Musik-, Tanz- und Kultur-Szene stellen.<br />

Concert: An einem zentralen Ort kulturellen Lebens in<br />

<strong>Köln</strong> werden die Ergebnisse der Workshops präsentiert.<br />

Die Sieger der Competition erhalten somit Gelegenheit<br />

zu zeigen, mit welchen Einsendungen oder Darbietungen<br />

sie die Jury überzeugt haben.<br />

Connection: Es wird ein dichtes Netzwerk auf- und ausgebaut.<br />

Nicht nur die Szene untereinander knüpft neue<br />

oder festigt bestehende Kontakte; es entstehen auch<br />

Berührung und Austausch mit etablierten Bildungsinstitutionen<br />

und weiteren Kooperationspartnern wie<br />

Schulen und Jugendzentren, Agenturen, Veranstaltern,<br />

freien Künstlern usw. Für die hohe Qualität der<br />

Projekte der Reihe „Connect HipHop“ zeichnete nicht<br />

zuletzt die gute Zusammenarbeit mit der Musikhochschule<br />

und der Sporthochschule verantwortlich.<br />

„Connect HipHop“ startete 2004 mit einem Rap-Contest,<br />

in dessen Verlauf fast 50 Rap-Crews und Solokünstler<br />

sich mit der Einsendung von über 150 eigenen Tracks<br />

dem kritischen Urteil einer fachkräftigen Jury stellten.<br />

Die 10 Gewinner der Competition produzierten einen<br />

Sampler und präsentierten ihre Songs in Zusammenarbeit<br />

mit Studierenden der Musikhochschule <strong>Köln</strong> in<br />

einem Live-Konzert im Stadtgarten vor begeistertem<br />

Publikum. Im Rahmen der „Cologne HipHop Days“<br />

nutzen die Teilnehmer die Gelegenheit, sich in Fachseminaren<br />

bei Profis der Szene über Themen wie Musikbusiness,<br />

Selbstmanagement, Marketing und Presse-<br />

arbeit oder Pädagogik zu informieren.<br />

Im darauf folgenden Jahr wurde das erfolgreiche Konzept<br />

auf einen weiteren Ausdrucksbereich der HipHop Kultur<br />

übertragen <strong>–</strong> diesmal waren es im Rahmen des Projektes<br />

„Cologne Battle“ junge Tänzerinnen und Tänzer, die in<br />

den Räumlichkeiten der Sporthochschule eine Woche<br />

lang die verschiedensten Workshops wahrnahmen.<br />

HipHop TänzerInnen und BreakerInnen lernten nicht<br />

nur die neuesten Moves bei renommierten und internationalen<br />

Dozenten, sie informierten sich auch in kurzen<br />

kompakten Seminareinheiten beispielsweise über<br />

Ausbildungsmöglichkeiten an der Sporthochschule,<br />

die Wirklichkeit des Tanzbusiness oder die Möglichkeiten<br />

einer Verletzungsprävention. Seinen Höhepunkt<br />

fand das Projekt in einem großen Battle im <strong>Köln</strong>er<br />

Stadtgarten, zu dem Crews aus ganz NRW anreisten <strong>–</strong><br />

100 begabte und engagierte Tänzer kämpften vor einem<br />

begeisterten 200-köpfigen Publikum um den Sieg, den<br />

am Ende die Oberhausener Crew TNT davontrug.<br />

Im Jahr 2006 schloss sich der Kreis vorläufig mit einem<br />

erneuten Rap-Contest, bei dem die im Laufe der Jahre<br />

gesetzten Impulse wieder aufgegriffen wurden. Es war<br />

zu spüren, dass sich in der HipHop-Szene im Laufe<br />

des Projektes durch die zahlreichen Aktivitäten ein<br />

Bewusstsein dafür entwickelt hat, welches Potenzial ein<br />

gemeinsames Engagement birgt. Der Aufforderung, sich<br />

für das Projekt „Rapnetz“ mit einem eigenen Song zu<br />

bewerben, kamen bereits über 80 Crews und Solo-<br />

artisten nach und schickten ihre Tracks ein. Das Coaching-<br />

Wochenende war diesmal gefüllt mit vertiefenden<br />

Themen wie etwa GEMA oder Vertragsgestaltung. Die<br />

Seminare wurden ebenso wie das Präsentationscoaching<br />

des international bekannten Künstlers Adé Bantu<br />

(Brothers Keepers) begeistert angenommen. Auch<br />

dieses Projekt gipfelte in einem CD-Sampler und einem<br />

Auftritt im exponierten <strong>Köln</strong>er Veranstaltungsort Stadtgarten.<br />

Beide CD-Sampler können bei der Offenen<br />

Jazz Haus Schule bestellt werden.<br />

Der Erfolg beweist die Tragfähigkeit des Konzeptes <strong>–</strong><br />

internationale Größen wie Lamine Diouf von den<br />

Vagabonds oder Adé Bantu von Brothers Keepers und<br />

Profis der <strong>Köln</strong>er HipHop-Szene sorgten für eine hochkarätige<br />

Qualität der Workshops und Weiterbildungsseminare,<br />

setzten nachhaltige Impulse und förderten<br />

eine Vernetzung der lokalen Szene. In der Kooperation<br />

mit etablierten Bildungseinrichtungen wurden auf beiden<br />

Seiten spürbare und spannende Akzente gesetzt.<br />

Durch die Veröffentlichung von Samplern und DVDs,<br />

durch Wettbewerbe, Konzerte, Battles ist die kreative<br />

Kraft der hiesigen HipHop Szene über mehrere Jahre<br />

hinweg einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht<br />

worden. Die hohe Qualität und das große Potential der<br />

jungen Künstlerinnen und Künstler rechtfertigen weitere<br />

Anstrengungen, diese kreativen Kräfte zu fördern, ihnen<br />

Raum zur Entfaltung zu geben und ihnen jene Anerkennung<br />

zukommen zu lassen, die ihnen gebührt.<br />

DVD<br />

Siehe Songs von<br />

„Connect HipHop!“<br />

in DATA\SONGS auf<br />

beiliegender DVD<br />

Best Practice | 41


Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona:<br />

Das HipHop-Netzwerk Nippes<br />

Sascha Düx<br />

DVD<br />

Siehe Musikvideo<br />

„Bonita Señorita“<br />

auf beiliegender DVD<br />

Die Kamera schwenkt über das Panorama von Caldes<br />

d’Estrac am Mittelmeer, zeigt Häuser und Pflanzen,<br />

dann eine junge Spanierin im weißen Kleid in der Brandung.<br />

Dazu ein Song, der klingt, als hätte sich Michael Jackson<br />

mit einem Latin-Produzententeam und einem deutschen<br />

Rapper zur Sommerhit-Produktion zusammengetan.<br />

„Bonita Señorita“ heißt die schwedisch-deutschenglisch-spanische<br />

Koproduktion, die auf dem internationalen<br />

HipHopCamp The Flow of Victory <strong>–</strong> Part III<br />

2005 in Barcelona entstand. Um zu verstehen, wie es<br />

dazu kam, müssen wir das Rad der Zeit erst einmal um<br />

vier Jahre zurückdrehen.<br />

Die Anfänge<br />

Im Sommer 2001 kam es im Stadtbezirk <strong>Köln</strong>-Nippes<br />

auf Initiative der Bezirksjugendpflege zur Gründung<br />

eines HipHop-Netzwerks für Toleranz und Integration. Im<br />

Bezirk gab es seinerzeit im Jugendzentrum OT Werkstattstraße<br />

eine gut angenommene HipHop-Arbeit mit<br />

regelmäßigen Jams, die OT Luckys Haus begann gerade,<br />

den ehemaligen Kraftsportraum in ein professionelles<br />

Tonstudio umzurüsten, und im Kinder- und Jugendhaus<br />

Boltensternstraße wurden Graffitis gesprayt.<br />

42 | Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona: Das HipHop-Netzwerk Nippes<br />

Zusammen mit weiteren Jugendzentren und der Förderschule<br />

Auguststraße begann man, eine gemeinsame Projektphase<br />

zu planen.<br />

Nach den Herbstferien ging es los: Mit Unterstützung<br />

der Offenen Jazz Haus Schule <strong>Köln</strong> wurden geeignete<br />

ReferentInnen gefunden, die in den verschiedenen<br />

Einrichtungen Rap-, Tanz- und Graffiti-Workshops anboten.<br />

Das <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> unterstützte den Projektfilm,<br />

der als ein verbindendes Element alle Workshops<br />

dokumentierte, und richtete die Projektwebsite<br />

www.hiphop-projekt.de ein: Auf die können alle Partner<br />

mit einem kleinen unkomplizierten Redaktionssystem<br />

Termine, Newstexte und Projektergebnisse mit Bild und<br />

Ton hochladen.<br />

Bis Ende Januar 2002 liefen die Workshops, dann gab<br />

es in der Turnhalle der Schule Auguststraße einen großen<br />

Abschlussevent mit Vorführungen aller Gruppen. Die<br />

Halle war mit einem Publikum von gut 300 FreundInnen,<br />

Eltern und PädagogInnen prall gefüllt. Natürlich wurde<br />

auch der Projektfilm gezeigt <strong>–</strong> für die meisten Beteiligten<br />

die erste Chance, einen Überblick über das gesamte Projektgeschehen<br />

zu kriegen.<br />

Alle Jahre wieder …<br />

Seitdem hat es fünf weitere derartige Herbst-/Winterprojektphasen<br />

gegeben, das Netzwerk hat sich um einige<br />

Jugendzentren und eine zweite Förderschule erweitert,<br />

aber das Grundprinzip ist das gleiche geblieben: Workshopangebote<br />

mehrheitlich für Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />

und benachteiligte Jugendliche, und eine<br />

gemeinsame Abschlusspräsentation.<br />

Vernetzung ist dabei mehr als nur ein Schlagwort:<br />

Jugendliche werden überall ermutigt, auch Angebote<br />

der anderen Einrichtungen wahrzunehmen. Workshoptermine<br />

werden mündlich und über die Website weitergegeben,<br />

die Schulturnhalle auch schulexternen TänzerInnen<br />

zum Training zur Verfügung gestellt, und das Tonstudio<br />

in der OT Luckys Haus wird zur Anlaufstelle für zahlreiche<br />

Jugendliche aus dem ganzen Stadtbezirk; das <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong> unterstützt verschiedene Aktivitäten<br />

mit Medientechnik.<br />

Natürlich läuft nicht immer alles glatt: Rivalitäten und<br />

Fehden zwischen jungen HipHoppern aus verschiedenen<br />

Stadtteilen kommen immer wieder vor, manchmal bis<br />

hin zu Schlägereien. Aber durch die Netzwerkstrukturen<br />

können solche Konflikte gut aufgefangen werden.


Als die Bezirksjugendpflege aufgrund zusätzlicher Aufgaben<br />

vorübergehend die Leitung abgeben musste, funktionierte<br />

das Netzwerk weiter <strong>–</strong> der SKM <strong>Köln</strong> übernahm die<br />

Koordination, die inhaltliche Arbeit wurde dezentral<br />

getragen und im gemeinsamen Arbeitskreis abgestimmt.<br />

Zum Abschlussevent tragen alle Partner ihren Teil bei:<br />

So wurde am 27. Januar 2007 über eine aus Technik der<br />

Schule Auguststraße und des <strong>JFC</strong> zusammengestellte<br />

Anlage die Halle beschallt, Tonstudiotechnik von Luckys<br />

Haus war für einen Mehrspurmitschnitt aufgebaut,<br />

Kameras von <strong>JFC</strong> und OT Werkstattstraße filmten den<br />

Event, der SKM <strong>Köln</strong> stellte Stühle und Stellwände, verschiedene<br />

Einrichtungen sorgten für die Sicherheit und<br />

die Hauswirtschafts-AG der Schule versorgte alle Aktiven<br />

mit leckerem Essen.<br />

Let’s party like we did in Adenau! 1<br />

Anfang 2003 wurde die Modern Soul Academy über die<br />

Projektwebsite auf das Netzwerk aufmerksam: Man<br />

mache in Stockholm ähnliche Projekte und suche Partner<br />

für internationale Begegnungen. Im <strong>Köln</strong>er Netzwerk<br />

war schnell klar: Ja, ein internationales HipHop-Camp<br />

wäre für unsere Jugendlichen eine tolle Chance. Das<br />

<strong>Köln</strong>er Jugendamt unterstützte die Idee mit Tipps und<br />

Fördermitteln und stellte den Kontakt zu weiteren Partnern<br />

in Barcelona her. So konnte das <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong> erfolgreich<br />

die trilaterale Jugendbegegnung „The Flow of<br />

Victory“ beim EU-Aktionsprogramm JUGEND beantragen.<br />

Adenau liegt einen Katzensprung vom Nürburgring entfernt.<br />

An schönen Sommertagen donnern Biker durch<br />

die Hauptstraße, sonst ist hier nicht viel los. Am 10. August<br />

2003 wird das Eifeldorf allerdings kurzfristig zur HipHop-<br />

Metropole: Rund 30 spanische, schwedische und deutsche<br />

Jugendliche nebst 14-köpfigem Team treffen zur Intensiv-<br />

Workshopphase in der (mittlerweile leider geschlossenen)<br />

Jugendbildungsstätte der Stadt <strong>Köln</strong> ein.<br />

Los geht es mit einem Open Space: Alle Türen stehen offen,<br />

jeder kann sich umsehen, ausprobieren und dann entscheiden:<br />

Will ich nun tanzen oder doch lieber ein eigenes Video drehen?<br />

Ein Gruppenraum wird zum Tonstudio umgebaut, eine<br />

wattstarke Anlage beschallt die Tänzer in der Turnhalle,<br />

und die Kapelle ist zum Camp-<strong>Medienzentrum</strong> geworden:<br />

Hier werden Digitalfotos gesichtet und Videos geschnitten.<br />

Ein Highlight ist die Graffiti-Wand <strong>–</strong> die Bildungsstätte<br />

hat eine große Außenmauer freigegeben, die SprayerInnen<br />

sind begeistert.<br />

Vier volle Workshoptage folgen, mit Arbeitsphasen<br />

vor- und nachmittags, im Abendprogramm dann z.B.<br />

Filme über die Anfänge der HipHop-Kultur. Die Motivation<br />

aller Beteiligten steigt von Tag zu Tag. Der Sommer 2003<br />

bricht Temperaturrekorde, die Turnhalle ähnelt einer<br />

Großraumsauna, doch das mindert nicht die Tanz-<br />

begeisterung. In den Mittagspausen arbeiten viele freiwillig<br />

weiter, einige lassen sogar den Freibadbesuch ausfallen.<br />

Zeiten außerhalb des offiziellen Programms werden<br />

genutzt, um andere Bereiche neben dem eigenen Workshop<br />

kennen zu lernen: Die Rapperin sprayt, der Tänzer<br />

filmt.<br />

Beim Musikvideodreh kommt dann alles zusammen:<br />

Die Jugendlichen aus dem Rapworkshop haben ihre<br />

Verse zu selbstproduzierten Beats aufgenommen.<br />

Die vom Graffiti-Workshop gestaltete Wand ist die<br />

Kulisse, vor der die Breakdancer ihre Moves machen, der<br />

DJ seine Platten dreht und die VokalistInnen ihren Song<br />

performen, während der Medienworkshop alles filmt.<br />

Trotz kleineren Sachbeschädigungen und Konflikten<br />

um das Tragen von Messern funktioniert das Miteinander<br />

insgesamt gut. Tim Weedon von der Modern Soul Academy<br />

hat gleich zu Beginn erklärt: „Wir sollten nicht vergessen,<br />

dass es bei HipHop um Tanz, Musik und Kunst geht,<br />

um eine Verbesserung unserer Lebensbedingungen und<br />

Artikulation unserer Wünsche. Dafür sind wir hier, nicht<br />

um uns zu betrinken.“ Und wenn ein gestandener HipHopper<br />

so etwas sagt, dann hat das Gewicht. Und so wird zwar<br />

nicht wenig Bier getrunken, Bierleichen aber bleiben aus.<br />

Wie funktioniert eine internationale Begegnung, wenn<br />

etliche TeilnehmerInnen von Förderschulen kommen<br />

und angeblich kaum Englisch sprechen? Überraschend<br />

unproblematisch, wie sich zeigt. In den Workshops wird<br />

vorgemacht, gezeigt, zugehört … Musik, Tanz und visuelle<br />

Kommunikation können sich als universelle Sprachformen<br />

beweisen. Und alle deutschen TeilnehmerInnen<br />

1 Dieser Abschnitt ist ein gekürzter und überarbeiteter Ausschnitt aus meinem Artikel „Eritrea, España, Eifel <strong>–</strong> Hip-<br />

Hop international!“ (merz 2004, Heft 03, S. 59-62)<br />

DVD<br />

Siehe Musikvideo<br />

„Cross (Around the<br />

World)“ auf beiliegender<br />

DVD<br />

Best Practice | 43


DVD<br />

Siehe „HipHop-<br />

Camp 2005“ Doku<br />

auf beiliegender DVD<br />

8<br />

Artikel<br />

Siehe „Urban-Culture-Projekte<br />

des <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong>s“<br />

(Seite 19)<br />

8<br />

Artikel<br />

Siehe „Mittwochs-<br />

Maler <strong>–</strong> das <strong>Köln</strong>er<br />

Graffiti-Jugendkunstprojekt“<br />

(Seite 28)<br />

beginnen früher oder später, sich in gebrochenem Englisch<br />

zu unterhalten.<br />

Interkultureller Austausch ist während des Camps gelebter<br />

Alltag. In Raptexten und Bildern des Graffiti-Workshops<br />

wird den anderen Teilnehmern die eigene Lebenswelt ein<br />

Stück näher gebracht. HipHop als globale Kultur weckt<br />

Neugier: Wie klingt Rap auf Spanisch? Wie unterscheiden<br />

sich die Graffiti-Styles von <strong>Köln</strong>ern und Stockholmern?<br />

Und weiß jemand, was hiphopmäßig in Japan los ist?<br />

Dann geht es zurück nach <strong>Köln</strong> <strong>–</strong> mit 12 neuen HipHop-<br />

Songs, drei kurzen Videofilmen, etlichen Graffitis und<br />

Choreographien im Gepäck, dazu die Camp-Website.<br />

In der OT Werkstattstraße werden die Ergebnisse<br />

präsentiert, mit Video-Premieren und Liveauftritten.<br />

Von Stockholm nach Caldes d’Estrac<br />

Das Adenau-Camp überzeugt nicht nur die Netd@ys-Jury<br />

(Preis des ZDF Kinder- und Jugendprogramms) und<br />

die Deutsche EU-Agentur, die es in ihre Best-Practice-<br />

Datenbank aufnimmt; auch bei den schwedischen<br />

Jugendlichen wird „Let’s party like we did in Adenau“<br />

zum geflügelten Wort, und so ist es kein Wunder, dass<br />

am 6. August 2004 in Botkyrka bei Stockholm das<br />

Camp The Flow of Victory reloaded mit doppelter Gruppenstärke<br />

beginnt.<br />

Anders als im Vorjahr wird 2004 ein gemeinsames Thema<br />

ausgewählt. Das Votum der Gruppe fällt eindeutig aus:<br />

Peace <strong>–</strong> Paz <strong>–</strong> Friede <strong>–</strong> Fred wird das Motto der Bühnenshow,<br />

die nach sechs Workshoptagen dreimal aufgeführt wird.<br />

Höhepunkt für alle ist der Auftritt vor großem Publikum im<br />

Mondo im Zentrum von Stockholm. Friedlich entwickelt<br />

sich nach anfänglichen Rangeleien auch das internationale<br />

Zusammenleben. Spätestens nach den ersten<br />

gemeinsamen Aufnahmen im eigens aufgebauten Tonstudio<br />

sind vorangegangene Streitigkeiten vergessen. Durch<br />

zahlreiche MigrantInnen in der Gruppe stehen als<br />

verbindende Sprachen neben dem Englischen auch<br />

Arabisch, Spanisch, Französisch und Türkisch zur Verfügung.<br />

2005 geht es dann nach Caldes d’Estrac bei Barcelona:<br />

Wieder sind gut 75 Personen dabei, erstmals auch Partner<br />

aus Liverpool. Die Rahmenbedingungen sind ungünstig:<br />

Das bewährte Team in Spanien hat im Streit mit dem<br />

neuen Chef die Partnerorganisation verlassen, der<br />

ersatzweise eingesetzte Campleiter spricht kein Englisch<br />

und ist mit seiner Aufgabe überfordert. Der Camp-Ort<br />

ist eigentlich ein Sportcamp für jüngere Jugendliche, es<br />

gibt kaum Workshopräume und 0:00 ist Nachtruhe <strong>–</strong><br />

44 | Von <strong>Köln</strong> bis Barcelona: Das HipHop-Netzwerk Nippes<br />

für unsere überwiegend volljährige Gruppe viel zu früh...<br />

Trotz widriger Umstände wird auch dieses Camp zu<br />

einem Erfolg. In multinationaler und multilingualer<br />

Kooperation entstehen zehn Songs und vier Musik-<br />

videos; auch das Abschlusskonzert in St. Feliu de<br />

Codines am letzten Abend ist für alle Beteiligten ein großes<br />

Erlebnis. Durch Fehlplanungen des Campleiters gibt es<br />

dann allerdings vor 5 Uhr morgens keine Möglichkeit der<br />

Rückkehr zum Camp, und um 7 geht dort bereits der<br />

Bus zum Flughafen. Völlig übermüdet fliegen alle nach<br />

Hause <strong>–</strong> im Ohr immer noch die Klänge von „Bonita<br />

Señorita“.<br />

HipHop don’t stop<br />

2006 gibt es keine Fortsetzung der internationalen<br />

HipHop-Camps, stattdessen eine internationale<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Projektphase in <strong>Köln</strong> <strong>–</strong> und erstmals<br />

das aus dem HipHop-Netzwerk entstandene Stadtrandcamp<br />

„Beats vom Hof“. Im Jugendzentrum Krebelshof<br />

mit seinem großen Außengelände können Jugendliche<br />

im Alter von 13 bis 17 Jahren erste Schritte in Sachen<br />

Urban Culture machen, neben Tanz, Musik, Medien und<br />

Graffiti werden auch Sport- und Wellness-Workshops<br />

angeboten, übernachtet wird in Zelten. 41 Jugendliche<br />

nehmen an dem von der Stadt <strong>Köln</strong> und dem Programm<br />

ENTIMON des Bundesjugendministeriums geförderten<br />

Camp Teil.<br />

Und das Netzwerk wächst weiter: Mit den Mittwochs-<br />

Malern gibt es seit November 2005 in der OT Luckys<br />

Haus ein regelmäßiges Graffiti-Angebot für Jugendliche<br />

aus ganz <strong>Köln</strong>. Im Rahmen des ENTIMON-geförderten<br />

Projekts Lifejam der Offenen Jazz Haus Schule <strong>Köln</strong><br />

werden in der Zeit von Oktober bis Dezember 2006<br />

Workshops im Rahmen des Nippesser Netzwerks und<br />

darüber hinaus in ganz <strong>Köln</strong> veranstaltet, am 15. Dezember<br />

gibt es einen großen gemeinsamen Abschlussevent im<br />

Stadtgarten <strong>Köln</strong>. 2<br />

Für den 1. September 2007 ist nun im Bürgerzentrum<br />

Nippes erstmals ein Live-Event geplant, der alle größeren<br />

<strong>Köln</strong>er HipHop- und Urban-Culture-Projekte zusammenführt:<br />

Das Netzwerk Nippes trifft auf das HipHop-Projekt<br />

der JUGZ (Jugendzentren <strong>Köln</strong> gGmbH), das Rapnetz/<br />

Connect HipHop-Projekt der Offenen JazzHausSchule<br />

und das <strong>JFC</strong>-Projekt <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Cologne.<br />

2 www.lifejam.de/koeln


Organisation von Urban-Culture-Projekten<br />

Sascha Düx, Andreas Kern und Lisette Reuter<br />

Wer nach so vielen theoretischen Hintergrundgedanken<br />

und inspirierenden Projektbeschreibungen nun Lust bekommen<br />

hat, selbst ein Urban-Culture-Projekt zu organisieren,<br />

der findet im dritten Teil dieses Hefts zahlreiche<br />

Tipps und Informationen. Was er oder sie hier<br />

nicht finden wird, sind Schritt-für-Schritt-Anleitungen<br />

vom Typ „Wie lerne ich in 10 Minuten einen Breakdance-<br />

oder Rapworkshop zu leiten“. Das würde erstens den<br />

Rahmen dieser Broschüre sprengen, zweitens braucht<br />

man dafür jahrelange Übung. Wir richten uns also eher<br />

an pädagogische Profis in Jugendarbeit und Schule, die<br />

sich für ein entsprechendes Projekt andere Profis mit<br />

den entsprechenden Skills dazuholen werden.<br />

Vorüberlegungen<br />

Urban-Culture-Projekte können in den verschiedensten<br />

Dimensionen durchgeführt werden <strong>–</strong> vom eintägigen<br />

Jugendzentrums-Rap-Aktionstag mit fünf Teilnehmern<br />

Kalkulation von Urban-Culture-Projekten<br />

Hier eine Checkliste möglicher Kostenarten, die bei Urban-Culture-<br />

Projekten anfallen können:<br />

» Personalkosten für Projektleitung<br />

» Honorare für ReferentInnen und BetreuerInnen<br />

» Honorare und Gagen für etablierte Urban-Culture-KünstlerInnen<br />

(z.B. für eine Masterclass oder als Headliner für ein großes HipHop-<br />

Konzert), BühnenmoderatorInnen und ggf. JurorInnen (bei Auswahlverfahren)<br />

» Honorare für Öffentlichkeitsarbeit und Ergebnisaufbereitung<br />

(Gestaltung von Flyern, T-Shirts, Projektwebsites; Schnitt einer<br />

Projekt-Videodokumentation, DVD Authoring etc.)<br />

» Honorare für TechnikerInnen (Tontechnik, Bühnentechnik etc.)<br />

» Honorare für Sicherheitskräfte, ggf. Reinigungskräfte, Sanitäter<br />

» Technik-Kosten: Investitionen, kleinere Anschaffungen, Mieten,<br />

Wartung/Reparaturen<br />

» Mietkosten für Räumlichkeiten<br />

» Verbrauchsmaterialien (Datenträger, Farben für Graffiti etc.)<br />

» Publikationskosten (Druckkosten, Vervielfältigung von CDs/DVDs)<br />

» Internetkosten (Webspace- und Domainmieten, Internetzugang)<br />

» GEMA-Kosten<br />

» Unterkunft- und Verpflegungskosten (von Getränken für einen<br />

Tanzworkshop bis zur internationalen Begegnung mit Vollpension in<br />

einer Jugendbildungsstätte)<br />

» Reisekosten (ÖPNV lokal bis Flüge international, Team und TN)<br />

»<br />

Handlungskosten (Büro- und Verwaltungskosten, Porto, Telekom)<br />

bis hin zum vernetzten mehrjährigen Großprojekt<br />

mit den Disziplinen Tanz, Kunst, Musik, Theater und<br />

Medien, verteilt über mehrere Einrichtungen, Städte oder<br />

gar Länder. Nach unseren Erfahrungen sind mehrtägige<br />

Blockphasen effektiver als allwöchentliche Kursangebote,<br />

aber auch letztere haben je nach Projektkonzeption<br />

ihre Berechtigung.<br />

Die ersten Schritte bei der Planung eines solchen Projekts<br />

werden entsprechend darin liegen, sich über den groben<br />

Rahmen und die Größenordnung klar zu werden, mit<br />

möglichen Partnern ins Gespräch zu kommen, Kosten<br />

abzuschätzen und Ideen zur Finanzierung zu entwickeln.<br />

Hier sollten auch die klassischen pädagogischen Überlegungen<br />

zu pädagogischen Zielen und Zielgruppen<br />

(mit interkulturellen und Gender-Aspekten) angestellt<br />

werden. Da die Förderverfahren vieler Stiftungen und<br />

How to do | 45


„Wichtig sind stets<br />

Skills und Vermittlungskompetenz<br />

im<br />

Kontext der jeweiligen<br />

Zielgruppe“<br />

öffentlicher Geldgeber einen langen Vorlauf haben,<br />

sollten die Überlegungen rechtzeitig (6-18 Monate vor<br />

geplantem Projektbeginn) zur Antragsreife gebracht<br />

werden. Und wenn dann die Bewilligung ins Haus flattert,<br />

geht der Spaß erst richtig los :-)<br />

ReferentInnen, Ressourcen und<br />

regionale Netze<br />

Nun geht es an die Konkretisierung der Planung. Das<br />

Wichtigste: Gute ReferentInnen müssen her! Das kann<br />

der professionelle Rapper und Musikproduzent mit<br />

einem pädagogischen Händchen sein oder die Kunststudentin<br />

mit Graffiti-Szeneerfahrung, der selbstständige<br />

studierte Medienpädagoge oder auch der<br />

jugendliche Breakdancer, der gut und gerne Jüngeren<br />

etwas beibringt <strong>–</strong> wichtig sind stets Skills und Vermittlungskompetenz<br />

im Kontext der jeweiligen Zielgruppe.<br />

Bei interkulturellen/internationalen Projekten sollte<br />

auch das Team interkulturell/international zusammen-<br />

gesetzt sein. DozentInnen sollten Werte wie gegen-<br />

seitige Wertschätzung, Toleranz und Zuverlässigkeit<br />

vorleben können. Wie gut ein/-e ReferentIn wirklich ist,<br />

zeigt sich immer erst in der Praxis <strong>–</strong> hier liegt ein Vorteil<br />

von Netzwerken: Man kann sich gegenseitig geeignete<br />

Leute empfehlen.<br />

Eine Liste der wünschenswerten und der dringend<br />

notwendigen Ressourcen kann man dann am besten<br />

gemeinsam mit den jeweiligen ReferentInnen erstellen:<br />

Die Rapdozentin wünscht sich vielleicht Plattenspieler<br />

nebst DJ-Mixer, Mikrofone und eine Beschallungsanlage,<br />

dem Choreograph ist an einer großen Spiegelwand<br />

gelegen, der Graffitidozent möchte im Workshop Leinwände<br />

und Staffeleien bauen lassen und die Kamerafrau<br />

kommt gleich mit einer ganzen Technikliste …<br />

Spätestens hier zeigt sich: Größere Projekte lassen sich<br />

am besten gemeinsam mit Partnern stemmen. Vielleicht<br />

hat ein nahegelegenes Jugendzentrum bereits eine<br />

Spiegelwand und ist an einer Kooperation interessiert,<br />

oder vielleicht ist der benachbarte Baumarkt zu Sachspenden<br />

bereit. Ton- und Medientechnik kann man sich<br />

gut gegenseitig ausleihen <strong>–</strong> die Geräte sollten natürlich<br />

pfleglich behandelt werden, dafür sollten auch die<br />

zuständigen ReferentInnen in die Mitverantwortung<br />

genommen werden.<br />

Auch Teilnehmerwerbung funktioniert im Netzwerk<br />

besser: Jugendliche in verschiedenen Einrichtungen<br />

46 | Organisation von Urban-Culture-Projekten<br />

können angesprochen werden und lassen sich<br />

mit sanftem Druck bewegen, mal ein spannendes<br />

Projekt in einer anderen Einrichtung zu besuchen.<br />

Nichts ist so traurig wie ein mit Liebe geplantes gutes<br />

Projekt, zu dem kaum TeilnehmerInnen erscheinen. Flyer,<br />

Plakate und Pressearbeit können genutzt werden, um<br />

das Projekt bei der Zielgruppe bekannt zu machen <strong>–</strong><br />

unserer Erfahrung nach funktioniert aber persönliche<br />

Ansprache immer noch am besten, ob unmittelbar<br />

durchs Projektteam oder durch Partner in anderen Einrichtungen.<br />

Präsenz bei für die Zielgruppe interessanten<br />

Veranstaltungen (z.B. HipHop-Festivals) und persönliche<br />

Vorstellung des Projekts in Schulklassen sind hier<br />

erfolgversprechende Wege.<br />

Die Durchführung<br />

Es geht los! Je nachdem ob sich die Gruppe schon kennt<br />

oder ob eine neue Konstellation von Leuten zusammenkommt,<br />

sind Kennenlernaktionen angesagt <strong>–</strong> das muss<br />

nicht das klassische Kennenlernspiel sein, sondern<br />

kann z.B. auch ein Freestyle-Cypher sein: Man steht<br />

im Kreis, jemand macht „Beatboxing“ (Imitation eines<br />

Rapbeats mit Mund- und Körpereinsatz), und dann<br />

rappen alle reihum, wer sie sind und wo sie herkommen.<br />

Die Akzeptanz für spielerische und kreative Methoden<br />

ist meist höher, wenn diese von ReferentInnen aus der<br />

Urban-Culture-Szene angeleitet werden. Bei längeren<br />

Projekten mit „unbekannten“ TeilnehmerInnen macht<br />

es Sinn, Vorerfahrungen und Erwartungen zu eruieren.<br />

Dann geht es in die Workshops, die meist ihrer eigenen<br />

Dynamik und Zeiteinteilung folgen. Die Projektleitung<br />

hat dann die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es überall<br />

läuft, dass Konflikte gelöst und nötige Ressourcen<br />

beschafft werden <strong>–</strong> dabei muss man auch delegieren


können. Es sollte immer mal wieder gemeinsame Punkte<br />

in der Gesamtgruppe geben <strong>–</strong> eine Party, ein Freestyle-<br />

Abend, wo MusikerInnen und TänzerInnen ihre Skills<br />

zeigen können, eine gemeinsame Fragestunde mit einem<br />

prominenteren lokalen Urban Culture Künstler <strong>–</strong> damit<br />

ein gemeinsames Gruppengefühl entsteht.<br />

Wichtig sind auch Querverbindungen zwischen den<br />

Workshops: Die Tanzcrew kann zu Tracks aus dem<br />

Musikworkshop tanzen, dafür müssen die aber rechtzeitig<br />

zur Verfügung gestellt werden. Die Mediengruppe<br />

kann die Aktivitäten der anderen Workshops dokumentieren<br />

oder Tanz- und Musikvideoclips drehen; das<br />

erfordert aber eine gute Gesamtkoordination. Statt<br />

paralleler Tanz- und Musikworkshops kann auch die<br />

gleiche Gruppe nacheinander bzw. abwechselnd Tanz-,<br />

Theater- und Gesangs-/Rapcoaching erhalten und so<br />

eine Musical-artige Bühnenperformance entwickeln.<br />

Je nach Projektdauer kann zur Halbzeit eine Zwischenauswertung<br />

in der Gruppe angesetzt werden: Was<br />

haben wir erreicht, wo wollen wir hin, wo hakt es<br />

noch? Auch die Pressearbeit sollte nicht vernachlässigt<br />

werden; wenn alle Workshops gut laufen und die<br />

Abschlusspräsentation in Sichtweite ist, ist ein guter<br />

Zeitpunkt für eine Pressekonferenz gekommen; eine<br />

weitere kann unmittelbar vor der Abschlusspräsentation<br />

angesetzt werden.<br />

Gegen Ende des Projektes sollten die Teilnehmenden<br />

dann die Chance bekommen, öffentlich zu zeigen, was<br />

sie gemeinsam erarbeitet haben. Ob vor Freunden und<br />

Eltern in der Jugendzentrumsdisko oder auf einer größeren<br />

Bühne vor breiterem Publikum: Ein Auftritt stärkt<br />

das Gruppen- und Selbstwertgefühl aller Beteiligten<br />

und schafft positive Öffentlichkeit für die Zielgruppe.<br />

Wichtig ist hier, dass das Feeling und der Rahmen<br />

stimmen. Besonders auftrittsunerfahrene Jugendliche<br />

sind oft nervös und wollen plötzlich doch nicht mehr<br />

auf die Bühne <strong>–</strong> hier ist pädagogisches Fingerspitzen-<br />

gefühl gefragt, aber auch Gruppenmanagement: Die<br />

TeilnehmerInnen müssen sich gegenseitig tragen, dürfen<br />

sich nicht gegenseitig herunterziehen. Dafür sind eine<br />

funktionierende Saaltechnik und ein erfahrenes, kompetentes<br />

und freundliches Technikteam entscheidend.<br />

Wichtig sind auch ein vernünftiges Catering (Essen und<br />

Getränke für alle Auftretenden) und eine gute Bühnen-<br />

moderation, sowie bei größeren Veranstaltungen<br />

Sicherheitskräfte und Sanitäter.<br />

Nacharbeiten<br />

Wenn das eigentliche Projekt vorbei ist, gibt es meist<br />

noch genug zu tun: Vom Aufräumen der Workshopräume<br />

und auseinandersortieren der Technik über die Aufarbeitung<br />

der Projektergebnisse zu Webseiten, CDs, DVDs<br />

oder Broschüren bis hin zu Verwendungsnachweisen<br />

und Sachberichten. Bei größeren Projekten kann ein<br />

Nachtreffen angesetzt werden: Hier kriegt dann jede/-r<br />

TeilnehmerIn die fertige Projekt-CD in die Hand gedrückt,<br />

die Projekt-Videodokumentation hat Premiere,<br />

und wenn in der Projektphase die Zeit fehlte, können<br />

hier zielgruppengerecht formulierte Evaluationsbögen<br />

die Runde machen.<br />

Auf jeden Fall sollte man sich die Zeit für eine ausführliche<br />

Reflexionsrunde im Team nehmen und wichtige<br />

Punkte <strong>–</strong> was war gut, was geht noch besser <strong>–</strong> so notieren,<br />

dass sie für Folgeprojekte nutzbar sind.<br />

Und wenn es Spaß gemacht hat und die selbstgesteckten<br />

Ziele weitgehend erreicht wurden, heißt es dann: Nach<br />

dem Projekt ist vor dem Projekt!<br />

„Wichtig ist, dass<br />

das Feeling und der<br />

Rahmen stimmene“<br />

How to do | 47


Grundlagen<br />

Die klassische Filmarbeit wird gegenwärtig durch die<br />

digitalen Möglichkeiten perfektioniert und professionalisiert:<br />

Durch die Verwendung des Computers als bilderzeugendes<br />

und gestaltendes Werkzeug verwischen<br />

die Grenzen zwischen Video- und Multimediaarbeit zunehmend.<br />

Für die Jugendarbeit sind die preisgünstigen<br />

digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten eine Chance, mit<br />

der Sprache der bewegten Bilder zukünftig noch mehr<br />

experimentieren zu können. Im Alltag von Jugendlichen<br />

sind bewegte Bilder wie Film, Video, Fernsehen nicht<br />

mehr weg zu denken und sind mit die bedeutsamsten<br />

Kommunikationsmittel der Gegenwart. Es ist eine<br />

Herausforderung an die Pädagogik, dass Jugendliche<br />

diese Medien nicht nur passiv konsumieren, sondern<br />

auch lernen, aktiv mit ihnen umzugehen.<br />

Eine gute Möglichkeit für die aktive Medienarbeit bietet<br />

die Produktion eines Musikvideoclips. Sie schafft neue<br />

Gelegenheiten des Selbstausdrucks, der Kreativität<br />

und kann verschiedene Urban-Culture-Sparten wie<br />

Klappe, die erste!<br />

Ein wichtiges Hilfsmittel bei der Filmproduktion ist die Klappe. Die<br />

einfachste Lösung für eine Klappe ist, zwei Holzklötze im Blickfeld<br />

der Kameras aufeinander zu schlagen. Für eine etwas professionellere<br />

Lösung montiert man zwei breitere Latten mit einem Scharnier dergestalt<br />

aneinander, dass sie knallend zusammengeschlagen werden<br />

können. An der oberen Latte befestigt man eine kleine Tafel (Pressspanplatte<br />

mit Schultafel-Beschichtung), auf der mit Kreide der Name<br />

der Szene und der „Take“ (=der wie vielte Durchgang einer Szene) eingezeichnet<br />

werden kann. Fertige Filmklappen kann man auch günstig<br />

kaufen, einfach mal „Filmklappe“ auf Google eingeben.<br />

Mittels der Klappe ist es möglich, den genauen Zeitpunkt des Zusammenschlagens<br />

mit dem „Klack“ der Holzklötze auf der Tonspur zu<br />

hören (und auch zu sehen, wenn das Schnittprogramm die Tonspur<br />

als Wellenform darstellen kann) und den Schlag auf der Bildspur zu<br />

sehen. Diese Methode erleichtert insbesondere bei der Aufnahme mit<br />

mehreren Kameras die Synchronisation von Szenen.<br />

48 | Musikvideos selbstgedreht<br />

Musikvideos selbstgedreht<br />

Lisette Reuter<br />

Musik, Tanz und VJing in ein gemeinsames Endprodukt<br />

zusammenbringen. Musikvideoclips vereinen präsentative<br />

Ausdrucksformen wie Bilder, Körpersprache, Musik und<br />

Tanz, und kommen dadurch auch Jugendlichen entgegen,<br />

die Schwierigkeiten mit der deutschen Schriftsprache<br />

haben. Da die Produktion eines Musikvideoclips<br />

nur im Team zu bewerkstelligen ist, können sich die<br />

Jugendlichen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten<br />

auf vielfältige Weise einbringen: Angefangen von den<br />

Musikern, deren Song im Mittelpunkt des Clips steht,<br />

über die Entwicklung einer Geschichte für den Clip, die<br />

Ausgestaltung der Szenen, die Maske, Erstellung der<br />

Requisiten, Kameraarbeit, Regie und Licht bis hin zum<br />

finalen Schnitt auf die Musik. Wenn es der Projektleitung<br />

gelingt, gute Rahmenbedingungen für die Verknüpfung<br />

dieser Bereiche zu schaffen, geschieht soziales Lernen<br />

und Kooperation wird trainiert.<br />

Musikvideoclips sind Kurzfilme, die ein bestimmtes<br />

Lied bildlich untermalen. Musikvideos zeichnen sich<br />

meist durch markante Bilder und schnelle Schnitte aus.<br />

Kategorien von Musikvideoclips:<br />

<strong>–</strong> Schwerpunkt auf der Darstellung der MusikerInnen,<br />

z.B. durch Integration von Konzertaufnahmen oder<br />

Bildern aus dem Tonstudio<br />

<strong>–</strong> Schwerpunkt liegt bei der Darstellung einer Geschichte,<br />

die sich meist am Text des Liedes orientiert<br />

<strong>–</strong> Mischformen der beiden genannten Punkte<br />

<strong>–</strong> Weitere spezielle Formen wie zum Beispiel Animationen<br />

oder abstrakte Bilder zur Musik<br />

Das Genre „Musikvideoclip“ lässt mehr Freiräume als<br />

viele andere Genres. Es kann interessant und wirkungsvoll<br />

sein, ungewöhnliche Kameraperspektiven, Lichteinstellungen<br />

und Spezialeffekte auszuprobieren.<br />

Planung und Durchführung eines<br />

Musikvideoprojekts<br />

Eine gute Planung ist die Vorraussetzung für ein erfolgreiches<br />

Musikvideoclip-Projekt. Vor der Realisierung<br />

eines Videoclips sollte die zu vermittelnde Information,<br />

die Botschaft, klar definiert werden. Zur Hilfestellung<br />

kann man sich mit dem gesamten Produktionsteam


zum Beispiel die folgenden Fragen stellen:<br />

<strong>–</strong> Wo wird der Musikvideoclip gezeigt, wer ist das Ziel-<br />

publikum?<br />

<strong>–</strong> Was oder wen wollen wir präsentieren?<br />

<strong>–</strong> Was soll unsere Message sein, was wollen wir<br />

vermitteln?<br />

<strong>–</strong> Welche Szenen sollen an welchen Orten spielen?<br />

<strong>–</strong> Wie viel Zeit wird ca. an den einzelnen Drehorten<br />

benötigt?<br />

<strong>–</strong> Wie sind die Lichtverhältnisse an den Drehorten?<br />

<strong>–</strong> Was brauchen wir für Requisiten und Statisten?<br />

Die exakte Vorbereitung eines Musikvideoclips entscheidet<br />

bereits über den Erfolg des Projekts. Es ist hilfreich, sich<br />

an eine bestimmte Reihenfolge der Abläufe zu halten.<br />

Hauptschritte bei der Planung und Durchführung sind:<br />

1. Tonaufnahme<br />

Es ist besonders wichtig, dass vor Beginn der eigentlichen<br />

Videoclipproduktion der zugrunde liegende Song<br />

in einer guten Qualität vorliegt. Alle Gesangsspuren<br />

müssen fertig eingesungen sein, sonst können die<br />

Mundbewegungen der SängerInnen und RapperInnen<br />

im Video nicht lippensynchron werden. Alle, die an der<br />

Produktion beteiligt sind, sollten den Song gut kennen.<br />

2. Treatment<br />

So nennt man die ersten Ideen zu einer Film- oder Video-<br />

clipproduktion. Beim Treatment sollte man die Handlung,<br />

die beteiligten Personen und die Drehorte grob<br />

skizzieren.<br />

3. Storyboard<br />

Im Storyboard wird die Handlung näher ausgearbeitet.<br />

Darsteller werden z.B. genauer charakterisiert, Handlungsorte<br />

festgelegt; das Produktionsteam wird zusammengestellt.<br />

4. Drehbuch<br />

Im Drehbuch werden die Einstellungen festgelegt und<br />

mit Perspektive, Bildausschnitt, Bewegung der Kamera,<br />

Bewegung der Darsteller beschrieben. Es empfiehlt<br />

sich, für jede Einstellung eine Skizze zu zeichnen, die<br />

den Kameraausschnitt und die handelnden Personen<br />

zeugt. Anhand des Drehbuches wird dann ein Drehplan<br />

erstellt, der festlegt, was an welchem Ort und in<br />

welcher Zeit abgedreht werden sollte.<br />

5. Der Dreh<br />

Für die Aufnahmen wird ein lautstarkes Wiedergabegerät<br />

(z.B. großer „Ghettoblaster“) benötigt, damit die Darsteller<br />

sich selbst gut hören und sauber lippensynchron<br />

zum Playback singen können. Eine gute Playback-<br />

Performance ist sehr wichtig, alle singenden/rappenden<br />

DarstellerInnen sollten ausführlich geübt haben und<br />

Texte präzise in der gleichen Rhythmik wie auf der<br />

Aufnahme singen/rappen können. Ansonsten hat man<br />

beim Schnitt große Schwierigkeiten bei der Synchronisation<br />

und es wirkt am Ende unprofessionell.<br />

Es ist oft günstig, jede Szene in kompletter Länge des<br />

Songs aufzunehmen; dadurch kriegt man visuelles Füllmaterial,<br />

und man muss pro Kamera nur einmal das eingespielte<br />

Material zur Musik synchron „schieben“. Jede<br />

einzelne Szene sollte aus unterschiedlichen Kamera-<br />

perspektiven aufgenommen werden. Wichtig ist eine<br />

Totale bis maximal halbnahe Einstellung und eine Nah-<br />

bis Detailaufnahme. Es ist empfehlenswert, mehrere<br />

Aufnahmen von einer Szene zu machen, so dass man<br />

später beim Schnitt die Besten auswählen kann.<br />

Generell beim Filmen <strong>–</strong> und damit natürlich auch bei<br />

Musikvideos <strong>–</strong> gilt: Man setze die Kamera im Normalfall<br />

wie eine Fotokamera ein, man wähle einen Bildausschnitt<br />

und behalte diesen bei. Schwenk, Zoom und<br />

Kamerafahrten sollten dezent und stets mit klarem Ziel<br />

(Ende des Schwenks/Zooms) eingesetzt werden, da sie<br />

nicht unserer physiologischen Wahrnehmung entsprechen.<br />

How to do | 49


50 | Musikvideos selbstgedreht<br />

6. Die Postproduktion<br />

Der eigentliche Musikvideoclip entsteht in der Post-<br />

produktionsphase, also beim Schnitt. Nachdem man das<br />

gesamte Material gesichtet hat, spielt man die besten<br />

Aufnahmen mit dem Schnittprogramm auf die Festplatte.<br />

Auch der Originalsong (fertig gemischte, am besten<br />

gemasterte Aufnahme) wird in das Schnittprogramm<br />

importiert. Dann legt man die einzelnen Aufnahmen im<br />

Schnittprogramm auf übereinanderliegende Spuren (bei<br />

Bedarf erzeugt man zusätzliche Spuren <strong>–</strong> die meisten<br />

Videoschnittsoftwares unterstützen das). Wichtig ist,<br />

dass man jetzt jede einzelne Spur mit dem Playback<br />

(Originalsong) synchronisiert. Dabei kommt es auf<br />

kleinste Verschiebungen an: ein „Frame“ (Einzelbild =<br />

kleinste Zeiteinheit; i.d.R. 1/25-tel Sekunde) zu weit nach<br />

links oder rechts, und die Synchronität des Bilds mit<br />

dem Playback ist dahin. Wenn eine Szene mit mehreren<br />

Kameras und Klappe aufgenommen wurde, können<br />

zunächst die Spuren dieser Szene an Hand der Klappe<br />

untereinander synchronisiert werden, und dann können<br />

diese Spuren als Gruppe mit der Tonspur synchronisiert<br />

werden (Klappensynchronisation ist einfacher als<br />

Synchronisierung nur nach Audiosignal).<br />

Wenn alle Videospuren zum Playback synchronisiert<br />

sind, können die O-Töne der Videospuren in der Regel<br />

gelöscht werden <strong>–</strong> man braucht sie meist nicht mehr,<br />

außer vielleicht für eine lustige Anfangs- oder Endszene.<br />

Anschließend werden die Bildsequenzen zum Song ausgewählt<br />

und der Rest wird weggeschnitten <strong>–</strong> man wählt die<br />

passenden Perspektiven, Einstellungen, Szenen usw. aus.<br />

Wichtig hierbei ist, dass man sich beim Bildschnitt dem<br />

Rhythmus des Songs anpasst. Am Ende kommt der kreative<br />

Part, visuelle Effekte können zum Clip hinzugefügt<br />

werden <strong>–</strong> dabei gilt: Effekte sind wie Gewürze, zu viele<br />

Effekte können das Video verderben.<br />

7. Die Präsentation<br />

Die Präsentation der Musikvideos ist ein wichtiger Faktor<br />

für die TeilnehmerInnen; eine öffentliche Präsentation<br />

in einem angemessenen Rahmen kann Motivation und<br />

Selbstwertgefühl der jungen Filmemacher enorm fördern.<br />

Wenn Jugendliche erfahren, dass es um sie selbst geht<br />

und dass sie nachher ein Produkt in den Händen halten,<br />

das sie vorzeigen können und auf das sie stolz sein<br />

können, dann ist der Grundstein gelegt für eine aktive<br />

gemeinschaftliche Teilnahme. Musikvideos können<br />

mittlerweile ohne großen Aufwand ins Internet gestellt<br />

werden, im Jugendzentrum kann das fertige Video im<br />

Rahmen eines Präsentationsabends mit einem eigenen<br />

oder geliehenen Beamer gezeigt werden.<br />

Literatur<br />

AnfAnG, G.: Videoarbeit. In: Hüther, J. und B. Schorb (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik. München 42005, S.<br />

401-414.<br />

Birke, Tom: Videoclips selbermachen. Praxis-Tips zum Erfolg; Ideen und Motive, Drehen, Schneiden und Präsentieren.<br />

Augsburg (Augustus-Verlag) 1996.<br />

neumAnn-BrAun, kLAus und LoThAr mikos: Videoclips und Musikfernsehen. Eine problemorientierte Kommentierung<br />

der aktuellen Forschungsliteratur. Schriftenreihe Medienforschung der LfM, Band 52, Berlin (Vistas) 2006.<br />

VieLmuTh, uLrich: Sieben goldene Grundregeln beim Filmen. Filmthemen, Kameraführung, Bilgestaltung. In: Ratgeber<br />

für Videofilmer. Tipps und Tricks vom Profi. <strong>Köln</strong> (Dumont Buchverlag) 1998, S. 86-137.<br />

www.lfm-nrw.de/downloads/summary-videoclips.pdf


Eine Videodokumentation sollte spannend, kurz und<br />

knapp, informativ und unterhaltsam sein. Gerade bei<br />

größeren Projekten mit Aktivitäten in mehreren Workshops<br />

bzw. an mehreren Orten sind Videodokumentationen<br />

ein wichtiges Element, da sie Schnittstellen zwischen<br />

allen angebotenen Aktivitäten bilden können, in denen<br />

sich jede/-r TeilnehmerIn wieder findet. Es macht großen<br />

Spaß, sich nach einem abgeschlossenen Projekt noch<br />

einmal eine Zusammenschau der Aktivitäten angucken<br />

zu können und sich selbst in Aktion zu sehen. Darüber<br />

hinaus bieten Videodokumentationen auch die Chance,<br />

Außenstehende in einer ansprechenden Art und Weise<br />

über das Projekt zu informieren und für Folgeprojekte<br />

zu werben.<br />

Grundlage einer guten Dokumentation ist eine strukturierte<br />

gemeinsame Planung. In Form eines Brainstormings<br />

können die Teilnehmenden überlegen, welche<br />

Themen und Aktivitäten filmisch abgedeckt werden sollen.<br />

Alle Elemente und Inhalte, die zum Thema passen,<br />

sollten aufgeschrieben werden. Man möchte dem<br />

Zuschauer eine Dramaturgie vermitteln, Zusammenhänge<br />

und Entwicklungen müssen deutlich werden,<br />

Überraschungen müssen für den Beobachter erkennbar<br />

sein.<br />

Es kann in der Praxis sinnvoll sein, verschiedene Gruppen<br />

zu bilden, die für die einzelnen zu dokumentierenden<br />

Gebiete zuständig sind. Zum Beispiel könnten die<br />

verschiedenen Workshops, das Gruppenleben, die<br />

Aufführung usw. in mehreren einzelnen Dokumentationen<br />

festgehalten werden.<br />

Bevor man anfängt, für die Dokumentation zu filmen,<br />

sollten alle TeilnehmerInnen mit dem Handling der<br />

Kamera vertraut sein und die Grundregeln der Filmsprache<br />

wie Einstellungsgrößen, Aufnahmeperspektiven und<br />

Licht/Beleuchtung erarbeitet und geübt haben.<br />

Der O-Ton<br />

Der Ton ist ein oft unterschätzter Faktor beim Filmen.<br />

Gerade Anfänger neigen dazu, den Ton zu vernachlässigen<br />

und den Fokus auf die Bildgestaltung zu legen.<br />

Doch eine gute Tonspur ist entscheidend dafür, wie die<br />

Qualität eines Films wahrgenommen wird; besonders<br />

Videodokumentation<br />

Lisette Reuter und Sascha Düx<br />

in Dokumentationen, wo oft wichtige Informationen<br />

über Sprache vermittelt werden. Auch die Atmosphäre<br />

im Film wird durch den Ton emotional unterstrichen.<br />

Deswegen ist es wichtig, O-Töne stets optimal aufzuzeichnen<br />

und den Ton immer wachsam zu kontrollieren.<br />

Hierzu sollte ein Mitglied des Filmteams stets mit<br />

geschlossenen Kopfhörern den Ton verfolgen und bei<br />

Störgeräuschen ggf. die Aufnahme abbrechen und<br />

wiederholen lassen.<br />

Wenn man Interviews aufnimmt, ist es besonders<br />

wichtig, dass man an einem ruhigen ungestörten Ort,<br />

ohne starke Hintergrundgeräusche (wie Verkehrslärm,<br />

Glocken, Schritte) dreht.<br />

Wichtig ist auch der Tonaufnahmemodus: Mini-DV-<br />

Camcorder haben in der Regel zwei verschiedene Modi:<br />

16bit und 12bit (32 kHz). Im 16bit-Modus wird nur eine<br />

Stereospur aufgezeichnet, im 12bit-Modus in der Regel<br />

zwei: Angeschlossene externe Mikros auf der ersten, das<br />

eingebaute Mikro der Kamera auf der zweiten. Hier muss<br />

man ggf. beim Einspielen der Bänder in den Schnitt-<br />

PC beachten, dass die richtige Tonspur überspielt<br />

wird (also z.B. das in der Hand gehaltene Interviewmikrofon<br />

How to do | 51


8<br />

Artikel<br />

Siehe<br />

„Weche Software für<br />

den Videoschnitt?“<br />

(Seite 54)<br />

52 | Videodokumentation<br />

und nicht das weit vom Interviewten entfernte<br />

Kameramikro).<br />

Falls man trotzdem qualitativ unzureichende O-Töne<br />

aufgenommen hat, kann man versuchen, diese mit Tonbearbeitungsprogrammen<br />

zu korrigieren. Dennoch gilt,<br />

wie auch bei Bildaufnahmen: Schlechtes Rohmaterial<br />

wird auch durch „Schönheitsoperationen an digitalen<br />

Konsolen“ nie an die Qualität guten Rohmaterials<br />

herankommen.<br />

Die Postproduktion<br />

Die Gestaltungsmöglichkeiten sind in der Produktion<br />

von Dokumentationen unerschöpflich: Grafiken,<br />

Animationen (z.B. Flash), Fotos, Texteinblendungen,<br />

Effekte, Tonbearbeitung können in der Postproduktion<br />

mit eingebunden werden. Hierbei sind Kreativität und<br />

originelle Einfälle gefragt, aber auch ein maßvoller<br />

Einsatz der digitalen Mittel. Je nach Kompetenzniveau,<br />

Motivation und Zeitbudget der Teilnehmenden sowie<br />

Ansprüchen an bzw. Verwendungsplänen für den fertigen<br />

Film muss entschieden werden, ob die Dokumentation<br />

von Jugendlichen unter Anleitung geschnitten werden<br />

soll oder ob ein Profi diese Aufgabe alleine übernimmt.<br />

In Zusammenhang damit sollte eine passende<br />

Schnittsoftware gewählt werden.<br />

Sinnvoll ist es, zuerst das gesamte Material genau zu<br />

sichten und danach einen Grobschnitt anzufertigen,<br />

also den filmischen chronologischen Verlauf und die<br />

geplanten Einstellungen in der richtigen Reihenfolge im<br />

Schnittfenster anzulegen. Erst wenn der Grobschnitt<br />

steht und die beabsichtigten Informationen vermittelt<br />

werden, sollte man sich der freieren Phase der Postproduktion<br />

zuwenden, in der die oben genannten<br />

Gestaltungsmöglichkeiten ihre Anwendung finden.<br />

Dabei gilt: Der harte Schnitt sollte die Regel sein, spezielle<br />

Überblendungen (weiches Überblenden etc.) sollten<br />

nur beim Szenenwechsel oder in speziellen Sequenzen<br />

als Effekt eingesetzt werden.<br />

Interessant können Splitscreen-Effekte sein (der Bildschirm<br />

wird in mehrere Regionen aufgeteilt, man sieht<br />

z.B. mehrere Aspekte einer Tanzchoreographie gleichzeitig),<br />

hierbei sollte man beachten, dass die Proportionen<br />

jedes Bildes erhalten bleiben (schon ein geringfügiges<br />

Strecken oder „quetschen“ in der Breite oder<br />

in der Höhe wirkt optisch befremdlich) und etwaige<br />

Abstände (z.B. schwarze Trennlinien) zwischen den einzelnen<br />

Bildregionen stets die gleiche Breite haben.<br />

Zum Abschluss sollte ein Titel und ein Abspann generiert<br />

werden. Im Abspann sollten alle Mitwirkenden vor und<br />

hinter der Kamera sowie alle Geldgeber genannt werden.<br />

Nachvertonung<br />

Ein wichtiger Aspekt der Postproduktion ist die Ton-<br />

bearbeitung. O-Töne können mit Effekten bearbeitet<br />

werden (z.B. kann eine verbesserte Sprachverständlichkeit<br />

durch maßvolle Absenkung der Bässe und<br />

Anhebung der Höhen erzielt werden). Wichtiger ist aber<br />

eine gute Abstimmung der Lautstärkepegel. Gute Videoschnittprogramme<br />

ermöglichen es, „Lautstärkekurven“<br />

einzuzeichnen und so z.B. leise Interviewpassagen<br />

gezielt anzuheben. Beachten sollte man auch, das<br />

Interviews, die in der Regel mit einem Mono-Mikrofon<br />

aufgezeichnet werden, in der Mitte des Stereobilds und<br />

nicht hart links oder hart rechts liegen.<br />

Eine zentrale Rolle bei der Vertonung spielt auch die<br />

Filmmusik, sie unterstreicht die gewünschte emotionale<br />

Wirkung und peppt die Dokumentation auf. Wenn die<br />

Dokumentation auf DVD oder im Internet veröffentlicht<br />

werden soll oder in offiziellem Rahmen öffentlich aufgeführt<br />

werden soll, empfiehlt es sich, mit GEMA-freier<br />

bzw. selbstproduzierter Musik zu arbeiten. Bei Musik<br />

„von CD“ entstehen Lizenz- und Rechtsfragen, es<br />

können hohe Kosten anfallen, sobald die Dokumentation<br />

veröffentlicht wird. 1<br />

Bei Dokumentationen wird man häufig mit einem<br />

nachträglich eingesprochenen Kommentar arbeiten,<br />

der die Bildinformationen ergänzt und unterstützt. Der<br />

Kommentartext kann Hintergründe und Zusammenhänge<br />

beschreiben und verdichtet somit die Informationen<br />

für den Zuschauer. Auch hier gilt: Weniger ist oft mehr.<br />

Außerdem sind gute SprecherInnen selten <strong>–</strong> gute Rapper-<br />

Innen oder SängerInnen haben häufig gute Sprechstimmen,<br />

können aber nicht unbedingt gut fremde Texte vorlesen.<br />

Wenn kein guter Sprecher gefunden werden kann, sollte<br />

man erwägen, ohne Off-Kommentar zu arbeiten und<br />

stattdessen vielleicht eher Kommentartexte (Untertitel/<br />

Zwischentitel) einblenden.<br />

Bei der Nachvertonung kann man bei Bedarf auch auf<br />

Geräusch-CDs zurückgreifen, die im Handel für wenig<br />

Geld erhältlich sind; unter www.musikarchiv-online.de<br />

gibt es Geräusche zum kostenlosen Dowload.


Export und DVD-Authoring<br />

Wenn der Film im Computer fertiggestellt worden ist,<br />

sollte er zunächst auf ein <strong>–</strong> vorzugsweise unbenutztes <strong>–</strong><br />

(Mini-)DV-Band ausgespielt werden, bei dem anschließend<br />

der Schreibschutz aktiviert wird. Dieses Masterband<br />

eignet sich auch für Vorführungen. Man sollte jedoch<br />

beachten, dass Mini-DV ein Format mit Tücken ist <strong>–</strong> es<br />

kommt gelegentlich zu Drop-Outs (kurzen „Aussetzern“<br />

auf einem Band, die Bild- oder Tonausfälle bewirken).<br />

Filme können darüber hinaus in verschiedenen<br />

Formaten als Datei exportiert werden; einige eignen sich<br />

speziell fürs Internet, andere zur Weiterverarbeitung<br />

auf DVD oder zur Archivierung und Präsentation auf<br />

dem eigenen PC. 2<br />

Eine Dokumentation kann, wenn sie rechtzeitig fertig<br />

ist, zu Projektende aufgeführt werden; oft wird die<br />

Postproduktionsphase aber länger dauern, so dass es<br />

z.B. erst beim Projekt-Nachtreffen zur Premiere kommt.<br />

Wenn das Budget es zulässt, kann für jede/-n Teil-<br />

nehmerIn eine DVD mit allen Videos aus dem Projekt<br />

kopiert werden. Es gibt mittlerweile recht preisgünstige<br />

Tintenstrahldrucker, mit denen spezielle Rohlinge<br />

bedruckt werden können. So können auch mit kleinem<br />

Budget professionell aussehende DVDs erstellt werden.<br />

Weitere Informationen<br />

BücheLe, fridheLm: Digitales Filmen. Einfach gute Videofilme<br />

drehen und nachbearbeiten. Bonn (Galileo Press)<br />

22005.<br />

roGGe, AxeL: Die Videoschnitt-Schule. Tipps und Tricks<br />

für spannendere und überzeugendere Filme. Bonn (Galileo<br />

Press) 2 2006.<br />

Slashcam Übungs-DVD: Digitales Filmen lernen per<br />

Punkte, die beim Filmen zu beachten sind<br />

» Weißabgleich (White Balance): regelt die Farbechtheit der Aufnahmen.<br />

Immer zu Beginn der Kameraaufnahmen und wenn sich die Lichtverhältnisse<br />

ändern, sollte ein Weißabgleich durchgeführt werden<br />

(die Kamera wird auf ein möglichst weißes Objekt, z.B. ein Blatt<br />

Papier, gerichtet und der White-Balance-Knopf gedrückt).<br />

» Stativ verwenden: Vor allem bei Tele-Aufnahmen kann niemand die<br />

Kamera wackelfrei halten. Handkamera wirkt oft unruhig und sollte<br />

nur wohldosiert eingesetzt werden.<br />

» Nicht zuviel schwenken: Das menschliche Auge „schwenkt“ in der<br />

Regel auch nicht, sondern es „springt“ von einem Betrachtungsschwerpunkt<br />

zum nächsten.<br />

» Nicht zuviel zoomen: Der Zoom an einer Kamera dient in erster Linie<br />

dazu, die Einstellungsgröße (den Bildausschnitt) zu wählen, sollte<br />

also schwerpunktmäßig vor dem eigentlichen Filmen und nur selten<br />

gezielt als Effekt beim Filmen eingesetzt werden.<br />

» Kamerafahrten: sind besser als das Zoomen, denn die Kamerafahrt<br />

entspricht unserem natürlichen Sehen. Man kann Skateboards,<br />

Rollstühle und Rollwagen dafür verwenden, sollte aber so vorsichtig<br />

vorgehen, dass weder Kamera noch Kameramann/-frau zu Schaden<br />

kommen.<br />

» Man sollte sich bemühen, dass man schon in der Planung eine<br />

Auswahl an Szenen, Momenten, Gestaltungselementen trifft, da<br />

zuviel Material zu Stress in der Postproduktionsphase (Schnitt)<br />

führt. Auch zuwenig Material kann Probleme verursachen <strong>–</strong> nichts ist<br />

ärgerlicher, als beim Schnitt festzustellen „hier fehlt noch etwas, da<br />

könnten wir dringend eine Aufnahme von XY gebrauchen“, und dann<br />

nicht nachdrehen zu können, weil z.B. das dokumentierte Projekt<br />

längst abgeschlossen ist. Das Verhältnis zwischen dem aufgenommenen<br />

Rohmaterial und der angestrebten Dauer des fertigen Films<br />

sollte sich im Bereich von 10:1 bis maximal 50:1 bewegen.<br />

» Zwischenbilder / Zwischenschnitte: Beim Schnitt braucht man oft<br />

Füllmaterial, um die Dokumentation interessant und spannend zu<br />

gestalten. Bei einem Interview können das z.B. Aufnahmen sein, die<br />

den Inhalt des Interviews visualisieren, oder Nahaufnahmen des<br />

zuhörenden Interviewers (wenn dieser gezeigt wird). Man sollte daher<br />

schon beim Filmen stets darauf achten, dass viele Details, athmosphärische<br />

Bilder etc. aufgenommen werden. Auch Aufnahmen des<br />

Orts der Handlung in der Totale sind oft hilfreich, um den Zuschauer<br />

ins Geschehen einzuführen.<br />

» Interviews: Es ist sinnvoll, die Interviewsituation wenn möglich zuvor<br />

„trocken“ mit allen Beteiligten zu üben, damit man beim eigentlichen<br />

Dreh sicherer vor und hinter der Kamera agieren kann. Man<br />

muss entscheiden, ob der Interviewer mit im Bild sein oder aus dem<br />

Off agieren soll. Der Interviewer sollte stets offene Fragen stellen, die<br />

zu interessanten Antworten einladen. Wenn man mit Off-Interviewer<br />

arbeitet und beabsichtigt, die Fragen nachher herauszuschneiden,<br />

sollte der Interviewte angewiesen werden, seine Antworten so zu<br />

formulieren, dass sie auch ohne die Frage verständlich sind. Dem<br />

Interviewten sollte eine Blickrichtung vorgeschlagen werden.<br />

» Wenn ein Videoband voll ist bzw. die Aufnahmen abgeschlossen sind,<br />

sollte der Schreibschutz aktiviert werden, damit nicht versehentlich<br />

jemand die Aufnahmen überspielt. Außerdem sollte jedes Band dringend<br />

eindeutig beschriftet werden, sonst kommt man beim Schnitt in<br />

Teufels Küche. Nach den Aufnahmen sollten alle Bänder gemeinsam<br />

an einem sicheren Ort gelagert werden.<br />

DVD: Kameraführung, Technik, Bildausschnitt, Licht,<br />

Ton. Bonn (Galileo Press) 2004.<br />

www.slashcam.de und www.wikipedia.de<br />

1 Informationen hierzu gibt es unter www.gema.de<br />

2 siehe Artikel „Im Dschungel der Formate“ auf der beiliegenden<br />

DVD<br />

How to do | 53


Welche Software für den Videoschnitt?<br />

Es gibt inzwischen eine unüberschaubare Anzahl an Videoschnittsoftware.<br />

Hier ein Überblick über einige der wichtigsten Programme<br />

mit Preisen (Stand März 2007):<br />

» Windows Movie Maker: Einfaches kostenfreies Einsteiger-Schnittprogramm,<br />

das den meisten Windows-Versionen beiliegt. Export nur<br />

im WMV-Format, kann keine DVDs erstellen. Eine Videospur, daher<br />

für Musikvideos ziemlich ungeeignet.<br />

» iMovie HD 6: Das Apple-Gegenstück zum Windows Movie Maker:<br />

besseres Design, einfacher bedienbar, HD-fähig, kostenfrei, nur für<br />

Mac. Nur eine Videospur. Gute Audiofunktionen (z.B. Audiokommentare<br />

zum Bild aufnehmen).<br />

» AVID Free DV: kostenfreie Version der führenden professionellen<br />

Videoschnittsoftware AVID. Schwierig zu lernen, aber praktisch für<br />

Jugendliche mit Profi-Ambitionen im Videobereich. Import von<br />

Videos nur über DV-Eingang, Export auf DV-Band oder als Quicktime-Datei.<br />

Läuft auf PC und Mac. Free DV-Projekte können nicht<br />

in den AVID-Profiversionen weiterbearbeitet werden. Kein HD,<br />

nur 2 Videospuren.<br />

» Pinnacle Studio 10.7: Sehr einfach bedienbares Schnittprogramm<br />

für Windows-PCs. Effekte wie Chroma Key (Bluescreen), HD-fähig,<br />

DVD Erstellung, MPEG2- und Realmedia-Export möglich. Gutes<br />

preisgünstiges Einsteigerprogramm (ca. 40 Euro), für Dokus und<br />

Spielfilme geeignet, für Musikvideos weniger (nur 2 Videospuren).<br />

» MAGIX Video deluxe 2007: Fast alle MAGIX-Produkte (Music Maker<br />

etc.) haben auch Videoschnittfunktionen; speziell für Videoschnitt<br />

ausgelegt ist Video deluxe (ca. 50 Euro, Plus-Version 100 Euro). Ideale<br />

Einsteiger-Software für Musikvideoproduktion dank vieler Videospuren,<br />

zahlreicher Effekte (auch Splitscreen) und guter Audiointegration.<br />

HD-tauglich, Import/Export zahlreicher Formate<br />

(u.a. Realmedia), DVD-Erstellung<br />

» Adobe Premiere Pro 2.0: Eins der führenden PC-Profiprogramme.<br />

Nicht ganz leicht zu erlernen. Unterstützt zahlreiche Formate<br />

(HD, Real und MPEG Export). Kostet gut 1000 Euro, mit etwas<br />

Glück kann man aber für ca. 500 Euro eine ältere Version und das<br />

Update auf Premiere Pro 2.0 erwerben. Das abgespeckte Einsteigerprogramm<br />

Adobe Premiere Elements 3.0 kostet gut 100 Euro, kann<br />

DVDs erstellen, unterstützt HD und bietet bis zu 99 Videospuren,<br />

aber keinen Realmedia-Export. Alle Videos im Projekt <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />

Cologne 2005/2006 wurden mit Premiere Pro geschnitten.<br />

» Sony Vegas 7.0: Ernst zu nehmender Konkurrent für Adobe Premiere<br />

Pro. Preisgünstiger und leichter zu bedienen bei vergleichbarer Funktionalität.<br />

Für ca. 600 Euro (Schulversion 450 Euro) bekommt man<br />

das „Vegas+DVD“ Paket, das die professionelle DVD-Authoringsoftware<br />

„DVD Architect“ enthält.<br />

» Adobe After Effects: Compositing-Programm, dass in erster Linie für<br />

die Produktion von Animationen und Trailern konzipiert ist. Eignet<br />

sich auch gut zur Erstellung von Videoloops, die beim VJing verwendet<br />

werden. Die Standardversion kostet gut 900 Euro, die Pro-<br />

Version rund 1500 Euro, als Schulversion ca. 600 Euro.<br />

» Final Cut: Die Mac-Profisoftware. Die abgespeckte Version Final Cut<br />

Express HD (knapp 300 Euro) bietet bereits 99 Videospuren, HD und<br />

eine professionelle Effektpalette, aber keine eingebaute DVD-<br />

Erstellung (Export nur auf DV-Band oder als Quicktime). Die Vollversion<br />

Final Cut Pro 5 gibt es nur gebündelt im Final Cut Studio<br />

Paket (enthält auch DVD Studio Pro 4), das kaum Wünsche offen<br />

lässt, aber auch satte 1300 Euro kostet.<br />

» AVID Xpress Pro HD 5.6: Das Universalgenie <strong>–</strong> läuft auf Mac und PC,<br />

kann fast alles (außer Einsteigern das Leben zu erleichtern), unterstützt<br />

zahlreiche Formate (DVD-Erstellung nur auf PC) und ist<br />

kompatibel mit den großen AVID-Composer-Systemen, die in Profistudios<br />

sehr verbreitet sind. Kostet ca. 1800 Euro, die Schulversion<br />

ist aber mit rund 250 Euro sehr günstig.<br />

54 | Bluescreen | VJing<br />

Bluescreen<br />

Kerstin Venne<br />

Die Bluescreen-Technik ist ein Verfahren, das im Film-<br />

und Fernsehbereich genutzt wird, um Personen nachträglich<br />

mit einem Hintergrundbild <strong>–</strong> z.B. einer realen<br />

Videoaufnahme oder einer Computergrafik <strong>–</strong> zu kombinieren.<br />

Für die Jugendmedienarbeit bietet das Bluescreen-<br />

Verfahren einen großen Handlungsspielraum. Mit Hilfe<br />

einfacher Mittel können beeindruckende Ergebnisse<br />

erzielt werden. So ist es mit entsprechendem Videomaterial<br />

möglich, Menschen fliegen zu lassen oder sie in<br />

die verrücktesten Umgebungen zu setzen. Insbesondere<br />

im Bereich der Musikvideoproduktion können Jugendliche<br />

ihren Phantasien freien Lauf lassen. Selbst kreierte<br />

Grafiken oder Videoeffekte lassen sich ebenso als Hintergrund<br />

verwenden wie eigene Videoaufnahmen.<br />

So funktionierts: Personen oder Gegenstände werden<br />

vor einem einfarbigen <strong>–</strong> in der Regel blauen oder grünen<br />

<strong>–</strong> Hintergrund aufgenommen. Durch einen bestimmten<br />

Effekt, genannt „Keying“ bzw. „Chroma Key“, kann in<br />

der Nachbearbeitung der einfarbige Hintergrund durch<br />

andere Video- oder Grafiksequenzen ersetzt werden.<br />

Die meisten aktuellen Videoschnittsoftwares der Preisklasse<br />

ab 100 Euro haben eine „Keying“-Funktion.<br />

Für die Umsetzung des Bluescreen-Verfahrens braucht<br />

man eine Videokamera, einen möglichst gleichmäßig<br />

einfarbigen Hintergrund (keine Schatten oder Falten)<br />

und zwei Lampen, um den Hintergrund gleichmäßig<br />

auszuleuchten. Und natürlich eine Schnittsoftware.<br />

Es ist also kein teures Profiequipment erforderlich.<br />

Der Hintergrund muss nicht unbedingt blau oder grün<br />

sein. Diese Farben haben sich aber als besonders geeignet<br />

herausgestellt, da sie einen guten Kontrast zur Hautfarbe<br />

bilden. Um ein gutes Ergebnis zu erzielen, darf es keine<br />

farblichen Überschneidungen zwischen dem Vordergrundobjekt<br />

und dem Hintergrund geben: Bei blauem<br />

Hintergrund sind blaue T-Shirts tabu!


VJing<br />

Marcel Panne<br />

Der Begriff VJ<br />

(Video Jockey) ist abgeleitet worden vom DJ (Disk Jockey):<br />

Während der DJ Platten ineinander mischt, generiert<br />

ein VJ live zur Musik Videos. Wenn man sich die Arbeitsweise<br />

und das Equipment eines VJ anschaut, wird<br />

man schnell feststellen, das die Arbeit eines VJs eher mit<br />

der eines Live-Elektronik-Musikers als mit der eines DJs<br />

zu vergleichen ist. VJing ist sehr vielschichtig, man muss<br />

sich mit Computer/Software, Hardware (Mischpulte,<br />

Effektgeräte), Raumgestaltung und vor allem dem Produzieren<br />

von Inhalten beschäftigen.<br />

Kerstin Venne<br />

Jahrgang 1979, studiert<br />

Erziehungswissenschaften<br />

mit den Schwerpunkten<br />

Medienpädagogik, interkulturelle<br />

Bildung und Kulturarbeit<br />

an der Universität<br />

Bielefeld. Im Rahmen ihres<br />

Studiums absolvierte sie verschiedene<br />

Praktika im medienpädagogischen<br />

Bereich<br />

und ist als Honorarkraft in<br />

unterschiedliche Kinder-<br />

und Jugendmedienprojekte<br />

eingebunden, u. a. im <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong>. Darüber<br />

hinaus kann sie auf einen<br />

umfangreichen Erfahrungsschatz<br />

aus ihrer abgeschlossenen<br />

Berufsausbildung zur<br />

Mediengestalterin Bild und<br />

Ton zurückgreifen.<br />

Kontakt:<br />

kerstin.venne@t-online.de<br />

Marcel Panne<br />

a.k.a. VJ Sehvermögen<br />

Jahrgang 1973, kommt ursprünglich aus der<br />

Foto-grafie, hat sich längere Zeit mit Theater,<br />

Film und Fernsehen beschäftigt, bis er dann vor<br />

ca. 10 Jahren als einer der ersten VJs den Schritt<br />

in die Selbständigkeit gewagt hat. Seitdem hat er<br />

unzählige Veranstaltungen bestritten, von der<br />

offiziellen Party zur Euro-Einführung bis zum<br />

Global Leadership Treffen von Siemens, aber auch<br />

als VJ bei Lesungen der Lit.Cologne, bei Theaterstücken<br />

und natürlich auf Partys. Sein Style ist<br />

geprägt von Film, der mit Texten und Grafiken<br />

überlagert wird, seine VJ-Sets sind narrativ und<br />

nehmen häufig Bezug zu aktuellem Geschehen,<br />

sei es der Konflikt in Nahost oder die Fussballweltmeisterschaft.<br />

Er produziert seine Inhalte mit<br />

Programmen wie Premiere, Photoshop, Flash und<br />

After Effects, aber auch analog mit dem Fairlight<br />

CVI Videosynthesizer.<br />

Kontakt:<br />

Fon: 0221/2824226<br />

www.sehvermoegen.de<br />

info@sehvermoegen.de<br />

Inhalte<br />

Die Inhalte können je nach Interesse verschieden ausfallen:<br />

So ist es möglich mit Foto, Video, Grafik, 3D,<br />

Text/Typo, computergenerierten Effekten zu arbeiten,<br />

und all diese Elemente lassen sich natürlich auch<br />

untereinander mischen. Wichtig ist stets, dass die<br />

Inhalte zum Anlass passen <strong>–</strong> und Anlässe gibt es inzwischen<br />

sehr verschiedene. VJs sind längst nicht mehr nur im<br />

Club zu finden, sondern auf fast jedem Event vertreten:<br />

Messen, Präsentationen, Konzerte, Mode, Kultur und<br />

Theaterveranstaltungen werden durch VJs visuell mitgestaltet.<br />

Um einen VJ-Workshop erfolgreich durchzuführen,<br />

braucht man leistungsstarke Computer mit den entsprechenden<br />

Programmen: erstens zum Vorproduzieren<br />

der Inhalte, zweitens für das visuelle Mischen in Echtzeit.<br />

Dazu digitale Foto-/Videokameras und natürlich<br />

mindestens einen Video-Projektor (Beamer).<br />

Spannender als nur am Computer zu mischen wird es mit<br />

Video-Mischpulten und -Effektgeräten; dann können<br />

auch Video-DVDs als Bildquellen eingebunden werden.<br />

Es ist ratsam, in Gruppen an einem konkreten Projekt<br />

zu arbeiten, damit sich die Teilnehmer gegenseitig<br />

helfen können und gemeinsam Ideen entwickeln, aber<br />

auch jeder Einzelne seine Stärken mit einbringen kann.<br />

VJ Equipment<br />

Software zur Erstellung von Inhalten (Rohmaterial):<br />

Adobe Premiere, Adobe After Effects, Adobe Photoshop,<br />

Flash, Swift 3d, Cinema 4d.<br />

Software für Präsentation/Live Mixing:<br />

<strong>–</strong> Mac: Modul8 2.5, Vidvox VDMX5, Flomotion 2.5.<br />

<strong>–</strong> PC: Resolume, ArKaos, Flomotion 2.5, Motion Dive.<br />

Hardware: Videomischpult (Edirol V4), Effektgerät (Korg<br />

Kaoss Pad Entrancer), DVD-Player, DV-Camcorder,<br />

Digitale Fotokamera<br />

How to do | 55


Ressourcen<br />

Um einen Breakdance-Workshop durchführen zu können,<br />

braucht man hauptsächlich einen geeigneten Boden,<br />

genügend Platz für alle Teilnehmer und eine Musikanlage <strong>–</strong><br />

das sind die wichtigsten Komponenten.<br />

Der Boden sollte eben und glatt sein, um die akrobatischen<br />

Elemente gut ausführen zu können. Gut geeignet<br />

dafür sind z.B. PVC, Linoleum oder Gummiböden<br />

wie in Turnhallen. Diese Böden sind nicht zu hart und<br />

in der Regel auch für Rutschbewegungen geeignet. Auf<br />

diesen Böden lassen sich alle Bewegungen durchführen.<br />

Damit man diverse akrobatische Elemente mit möglichst<br />

geringem Verletzungsrisiko erlernen kann sind<br />

Hilfsmittel wie z.B. Judomatten sehr von Vorteil. Diese<br />

Matten dämpfen gut und haben genügend Dicke, sind<br />

aber nicht zu weich und lassen auch Rutschbewegungen<br />

zu. Turnermatten sind zwar für die Erlernung von Überschlägen<br />

und Saltos geeignet, lassen aber kaum Breakdance-typische<br />

Bewegungen zu, da sie dafür zu weich<br />

und nicht rutschig genug sind. Yoga- und Gymnastikmatten<br />

sind zu dünn, um wirklich etwas abhalten zu<br />

können.<br />

56 | B-boying/Breakdance-Workshops<br />

B-boying/Breakdance-Workshops<br />

Youngung Sebastian Kim (Jaekwon)<br />

Um choreographische, tänzerische Elemente gut einstudieren<br />

zu können, braucht man eine ausreichend große<br />

Spiegelwand. Für diverse Freeze-Figuren ist es auch von<br />

Vorteil, wenn man eine spiegelfreie feste Wand zum<br />

Erlernen mit einbeziehen kann, an der die Schüler z.B.im<br />

Handstand auch die Füße an der Wand absetzen dürfen.<br />

Teilnehmer<br />

Für die Kleidung der Teilnehmer gibt es keine zwingenden<br />

Vorschriften. Die Hauptsache ist, dass die<br />

Teilnehmer sich wohl fühlen und frei bewegen können.<br />

Legere Freizeit-Kleidung bzw. Sportkleidung und Turnschuhe<br />

eignen sich am besten dazu. Um blaue Flecken<br />

weitestgehend zu vermeiden, kann man Knie- und<br />

Ellbogenschoner (z.B. Volleyballschoner) benutzen; das<br />

ist aber nicht unbedingt notwendig. Auch eine Baumwollmütze<br />

oder Schweißbänder kann man mitbringen,<br />

wenn man Kopfstand-Elemente oder andere Rutschfiguren<br />

erlernen will. Aber auch das ist optional und für<br />

Anfänger meist eher irrelevant.<br />

Da die Bewegungen im Breakdance komplex sind und ein<br />

hohes Maß an Koordination, Gleichgewicht, Kraft und<br />

Beweglichkeit erfordern, ist das Lerntempo der Teilnehmer<br />

sehr unterschiedlich und erfordert zwischendurch<br />

immer wieder auch individuelle Betreuung seitens des<br />

Dozenten. Daher ist es von Vorteil, wenn man die Gruppen<br />

auf ca. 10 Teilnehmer pro Dozent beschränkt, um einen<br />

möglichst großen Lernerfolg zu haben. Natürlich ist<br />

es auch möglich, größere Gruppen zu unterrichten,<br />

jedoch sinken damit die individuelle Betreuungsmöglichkeit<br />

und das Lerntempo der Gruppe. Eine möglichst<br />

lernhomogene Gruppe erleichtert den Unterricht.<br />

Unterricht<br />

Die Unterrichtsstruktur hängt von der Zielsetzung des<br />

Unterrichts und dem Leistungsstand der Teilnehmer<br />

ab.<br />

Am Anfang des Unterrichts sollte der Dozent ein Aufwärmprogramm<br />

mit den Teilnehmern durchführen.<br />

Dies kann durch Vermittlung einer Toprock-Choreographie<br />

geschehen, mit der die Teilnehmer sich warm<br />

tanzen, durch Lockerungsübungen oder Spiele.


Anschließend sollten sich die Teilnehmer allerdings<br />

unbedingt dehnen, nicht nur zur Aufwärmung, sondern<br />

auch zur Verletzungsprävention. Zudem erfordern viele<br />

Bewegungen eine gewisse Grunddehnung, von daher ist<br />

Stretching im B-Boying unverzichtbar.<br />

Geht es um einen Anfängerkurs, so ist die Vermittlung<br />

von einem möglichst breiten Spektrum des Breakdance<br />

mit Basisbewegungen aus den verschiedenen Sparten<br />

anzustreben:<br />

<strong>–</strong> Toprock/Uprock: Tanz im Stand,<br />

<strong>–</strong> Downrock/Footwork: Schritte am Boden,<br />

<strong>–</strong> Powermoves: Akrobatik,<br />

<strong>–</strong> und Freezes: Figuren.<br />

Werden Fortgeschrittene unterrichtet, so haben die<br />

Teilnehmer meist schon gewisse Präferenzen bzw.<br />

Bewegungen, an welchen sie gerade arbeiten. Es gibt in<br />

der Regel auch Unterschiede im Move-Repertoire der<br />

Teilnehmer. Die Techniken werden komplexer. In diesem<br />

Fall ist eine individuellere Betreuung angesagt.<br />

Ist der Unterrichtet zeitlich befristet, etwa wie bei<br />

einem Workshop (im Gegensatz zu einem unbefristeten<br />

bzw. über einen längeren Zeitraum laufenden Kurs), ist<br />

es eine gute Möglichkeit der Vermittlung, erst einzelne<br />

Elemente aus den jeweiligen Sparten vorzustellen und<br />

diese dann zu einer Choreographie zu verbinden. So<br />

haben die Teilnehmer nicht nur unverbundene Elemente,<br />

sondern eine komplette Sequenz, mit der sie auch<br />

etwas anfangen können; sie lernen somit möglichst viel<br />

in kurzer Zeit.<br />

Über die einzelnen Techniken hinaus sollte der Dozent<br />

den Teilnehmern auch die Terminologie (korrekte<br />

Bezeichnung der unterrichteten Moves) sowie Auszüge<br />

aus der Geschichte des B-Boying vermitteln. Besonders<br />

betonen sollte der Dozent den Umstand, dass Breakdance<br />

nicht nur aus spektakulärer Akrobatik besteht,<br />

sondern eine Kombination aus Akrobatik und Tanz<br />

ist. Der tänzerische Aspekt sollte also nicht zu kurz<br />

kommen. Ziel ist es, die erlernten Bewegungen später<br />

im Takt der Musik ausführen zu können.<br />

Wenn genügend Zeit vorhanden ist und mehr Elemente<br />

unterrichtet werden konnten, kann der Dozent die<br />

Teilnehmer aus den vermittelten Elementen eine jeweils<br />

eigene Choreografie erstellen lassen; denn im B-Boying<br />

geht es nicht zuletzt auch darum, einen möglichst individuellen<br />

und originellen eigenen Stil zu finden.<br />

Am Ende des Unterrichts kann der Dozent die Teilnehmer<br />

im Kreis versammeln und den Inhalt der Stunde wieder-<br />

holen. Da die komplexeren Bewegungen nicht an einem<br />

Tag erlernt werden können, ist es wichtig, den Teilnehmern<br />

Vorübungen und Hilfestellungen mitzugeben, damit sie<br />

in der Lage sind, selbstständig weiter zu üben. Sind die<br />

Teilnehmer schon etwas fortgeschrittener, haben sie<br />

sich ein gewisses Repertoire angeeignet und sind sie<br />

sicherer in ihren Bewegungen, kann man als Abschluss<br />

auch einen Kreis bilden, in dem jeder Teilnehmer die vom<br />

Dozenten erlernte oder eigens kreierte Choreografie vor<br />

den anderen vortanzt. Anschließend kann der Dozent<br />

noch Dehnübungen mit der Gruppe durchführen, um<br />

den Unterricht ausklingen zu lassen und möglichem<br />

Muskelkater vorzubeugen.<br />

Youngung Sebastian Kim<br />

a.k.a. Jaekwon<br />

Jahrgang 1983, studiert an der Sporthochschule<br />

<strong>Köln</strong>. Seit 2003 gibt er Tanzunterricht sowie<br />

Akrobatik-Workshops, 2006 war er Fachdozent<br />

auf der INTAKO (weltweit größter Tanzlehrer-<br />

Kongress). Durch erfolgreiche Teilnahme an<br />

Breakdance-Wettbewerben wie dem Battle of the<br />

Year (Deutscher Vizemeister 2004 und 2006), IDO<br />

Dutch Open (Sieger 2005 und 2006), TAF Europa-<br />

meisterschaft in Österreich (Sieger 2005) und<br />

der ADTV Weltmeisterschaft Bremen (3. Platz<br />

2005) etablierte er sich als B-boy „Jaekwon“. Er ist<br />

Mitorganisator der Veranstaltung „Break de<br />

Cologne“.<br />

Kontakt:<br />

Youngung Sebastian Kim / Jaekwon<br />

jkfresh83@gmx.de<br />

How to do | 57


Breakdance- und Streetdanceworkshops<br />

Jannina Alexa Gall<br />

Tanz löst bei vielen Kindern und Jugendlichen Begeisterung<br />

aus; mit Tanzstilen wie Breakdance, Streetdance<br />

und Pop identifizieren sie sich aufgrund ihrer Interessen<br />

und jugendkulturellen Einbindung oft stärker als mit<br />

klassischen Stilen. Worauf sollte man bei der Wahl der<br />

Workshops und der Trainer achten?<br />

Zunächst sollten Tanzstil und Zielgruppe definiert werden.<br />

Breakdance, das tänzerische Element der HipHop-<br />

Kultur, ist mit seinen akrobatischen Formen am Boden<br />

besonders bei männlichen Jugendlichen sehr beliebt.<br />

Da die Bewegungen sehr komplex und akrobatisch,<br />

58 | Breakdance- und Streetdanceworkshops<br />

aber zugleich auch rhythmisch sind, dauert es einige<br />

Zeit, bis man gute Ergebnisse erzielen kann. Der Tanzstil<br />

ist sehr wettkampfbetont, bei „Battles“ (Tanzwettstreit<br />

ohne Körperkontakt) treten die Tänzer gegeneinander<br />

an. Kleine Verletzungen wie blaue Flecken oder Schrammen<br />

kommen beim Training schon mal vor. Weibliche<br />

Jugendliche sind oftmals zurückhaltender und werden<br />

vom Wettkampfcharakter dieses Tanzstils eher abgeschreckt.<br />

Trotzdem sollte man nicht dazu übergehen,<br />

Breakdance nur noch für Jungen anzubieten, denn es<br />

tauchen doch immer wieder Mädchen auf, die viel Spaß<br />

am Breakdance entwickeln.<br />

Im Gegensatz zum Breakdance gibt es noch einige<br />

urbane Tanzstile, die „auf den Beinen“ getanzt werden,<br />

z.B. Streetdance, Videoclipdance und Pop. Diese Tanzstile<br />

werden oft fälschlicherweise zusammenfassend als<br />

„HipHop Dance“ bezeichnet (HipHop ist eine Straßenkultur,<br />

nicht ein Tanzstil). Bei diesen Tanzstilen werden<br />

Tanzschritte zu Choreographien zusammengefügt und<br />

zu entsprechender Musik getanzt. Da diese Stile akrobatisch<br />

nicht so fordernd und schneller zu erlernen sind,<br />

sieht man schon nach kurzer Zeit tolle Ergebnisse. Diese<br />

Tanzstile wiederum begeistern mehrheitlich weibliche<br />

Jugendliche, doch auch mehr und mehr Jungen finden<br />

Gefallen an dieser Art von Tanz.<br />

Für alle genannten Tanzstile braucht man einen ebenen<br />

Boden, Schwungboden oder geschliffenes Parkett ohne<br />

Splitter sind ideal. Ungeeignet wegen Verletzungsgefahr<br />

sind Teppiche und Ballett-Teppichbelag. Ausreichend<br />

Raum <strong>–</strong> ca. 2-3 qm pro Person <strong>–</strong> sind zu empfehlen. Für die<br />

choreographischen Stile wie Streetdance und Pop etc.<br />

ist eine Spiegelwand sehr nützlich, aber nicht zwingend.


Eine Musikanlage und die passende Musik sind natürlich<br />

unverzichtbar!<br />

Da es in den Bereichen Breakdance und Streetdance<br />

bis heute keine offizielle Ausbildung gibt, sollte bei der<br />

Wahl von TrainerInnen in diesen Stilen eine tanzpädagogische<br />

Ausbildung kein vorrangiges Kriterium sein.<br />

Qualität und Stilechtheit findet man bei TänzerInnen<br />

aus Jugendzentren, Schulen oder Tanzschulen. Wobei<br />

hier auch gilt: Ein super Tänzer ist nicht immer ein guter<br />

Lehrer.<br />

Man sollte darauf achten, dass TrainerInnen gut vermitteln<br />

können sowie geduldig, freundlich, motivierend<br />

und zuverlässig sind. Auch sollten TrainerInnen in angemessener<br />

Kleidung auftreten: Enge Leggins und Ballettschläppchen<br />

deuten im Breakdance- und Streetdance-<br />

Bereich auf unqualifizierte Trainer hin, Turnschuhe und<br />

eher locker sitzende Kleidung (auch in Jeans wird oft<br />

getanzt) sind angebracht.<br />

Der Unterricht sollte eine gewisse Routine beinhalten.<br />

Beim Breakdance sollte es eine kurze Aufwärmphase<br />

geben, auf die dann verschiedene Phasen folgen, in denen<br />

verschiedene Bewegungen und Elemente erlernt werden.<br />

Nach den ersten Stunden trainieren die einzelnen Schüler<br />

dann unabhängig voneinander in individuellen Abläufen<br />

und Phasen. Der Trainer sollte in dieser Zeit für Fragen<br />

offen sein. Man sollte darauf achten, dass der Trainer<br />

sich in der Kurszeit voll auf die Schüler konzentriert und<br />

die Zeit nicht zum eigenen Training nutzt.<br />

Auch beim Streetdance sollte eine kurze Aufwärm- oder<br />

Lockerungsphase am Anfang stehen. Dann sollte eine<br />

vorbereitete Choreographie Schritt für Schritt einstudiert<br />

werden und immer wieder systematisch zur Musik<br />

geübt werden. Jede Stunde sollte etwas Neues dazukommen<br />

<strong>–</strong> wenn vier Wochen lang immer die gleichen acht<br />

Takte getanzt werden, dann ist das zu wenig. Schüler-<br />

Innen sollten die Chance bekommen, eigene Ideen<br />

einzubauen oder ein Stück selbst zu gestalten. Hier ist<br />

Unterstützung und ggf. Bearbeitung der Choreographie<br />

seitens des Trainers wichtig.<br />

Generell gilt: Kein Schüler sollte innerhalb einer Unterrichtstunde<br />

lange aussetzen müssen, möglichst häufig<br />

sollten alle Schüler miteinbezogen werden.<br />

Egal welcher Tanzstil, am Ende eines Kurses oder einer<br />

Workshop-Phase sollte es eine Aufführung geben. Auch<br />

bei Festen und Feiern bieten sich Aufführungen an. Die<br />

meisten SchülerInnen wollen zeigen, was sie gelernt haben.<br />

Ich wünsche allen viel Spaß!<br />

Jannina Alexa Gall<br />

Jahrgang 1976, arbeitet seit 2002 als Dozentin und<br />

Choreographin für Breakdance, Locking und verwandte<br />

Tanzstile (Streetdance, Reggaeton, Pop,<br />

House). Als Dozentin arbeitete sie u. a. im Hochschulsport<br />

der Uni <strong>Köln</strong> sowie in Kinder- und<br />

Jugendprojekten der Offenen Jazz Haus Schule<br />

<strong>Köln</strong> und des <strong>JFC</strong> <strong>Medienzentrum</strong>s. Ihr Leben ist<br />

von HipHop geprägt, Vermittlung der Grundsätze<br />

des HipHop ist ihr stets ein Anliegen. Seit 2005<br />

lebt und arbeitet sie in Kolumbien, wo sie Mitglied<br />

in der Breakdance-Crew Bélicos ist. In Medellín<br />

leistet sie Pionierarbeit im Bereich Streetdance<br />

und bildet Profibreakdancer zu Dozenten aus.<br />

How to do | 59


8<br />

Artikel<br />

Siehe<br />

„Urban-Culture-<br />

Projekte des <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong>s“<br />

(Seite 19)<br />

60 | Musikworkshops<br />

Musikworkshops<br />

Sascha Düx<br />

Musikworkshops in Urban-Culture-Projekten können<br />

sich an verschiedene „Musikertypen“ wenden: Sänger,<br />

Rapperinnen, Instrumentalisten, DJs, Produzentinnen<br />

<strong>–</strong> auch wenn es häufig Überschneidungen gibt (z.B. Rapper,<br />

die auch eigene Beats produzieren), brauchen diese „Typen“<br />

je verschiedene Formen von Coaching. Bei der Projektplanung<br />

muss daher entschieden werden, wen ein Projekt<br />

ansprechen soll: Wird es ein reines Rap-Projekt, oder<br />

soll es auch Coaching für Sänger geben? Wird mit mitgebrachten<br />

Instrumentals (Beats) gearbeitet oder sollen<br />

die im Projekt selbst entstehen? Soll es einzelne Instrumente<br />

geben, die live zu programmierten Beats spielen, oder<br />

gar eine ganze Band?<br />

Ausgehend von diesen Entscheidungen sind dann die<br />

Workshops zu planen, die Ressourcen zu organisieren<br />

und die Referenten auszuwählen. Wenn es z.B. eine Band<br />

geben soll, braucht man genug junge Instrumentalisten<br />

(die sind je nach Zielgruppe nicht unbedingt leicht zu<br />

finden), die entsprechenden Instrumente (nicht jeder<br />

junge Schlagzeuger hat ein eigenes Drumset), einen<br />

Proberaum ohne lärmempfindliche Nachbarn und natürlich<br />

einen Bandcoach; wenn die Band auch Studioaufnahmen<br />

machen soll, stellt das deutlich höhere Anforderungen an<br />

Studioräume und -technik sowie an die Kompetenzen<br />

des „Toningenieurs“ als reine Gesangsaufnahmen.<br />

Von der Idee zur CD<br />

Als Projektleitung sollte man gemeinsam mit den<br />

Referenten und wenn möglich mit einigen potenziellen<br />

Teilnehmern einen „Reiseplan“ für den Workshop entwickeln:<br />

Wie sehen die Stationen der einzelnen TeilnehmerInnen<br />

aus, und wie passen sie ins Gesamtbild? Das Beispiel<br />

im Infokasten <strong>–</strong> angelehnt an unsere internationalen<br />

HipHop-Camps und <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Projektphasen <strong>–</strong><br />

zeigt einen möglichen Plan für eine sechstägige Ferien-<br />

Blockphase mit 15 bis 30 Teilnehmenden.<br />

Je nach Motivation, Reife und Lerntyp der Teilnehmenden<br />

kann mit eher offenen Formen gearbeitet werden<br />

<strong>–</strong> z.B. „es gibt verschiedene Räume mit verschiedenen<br />

Coaching-Angeboten im Haus, Kleingruppen arbeiten<br />

eigenverantwortlich an ihren Songs und nutzen diese<br />

Angebote“ <strong>–</strong> oder es kann nötig sein, detaillierte Stundenpläne<br />

zu erstellen: Gruppe A übt von 11-12 Uhr in Raum<br />

3, dann geht’s 12-13 Uhr zum Performancecoaching in


Raum 5, und nach dem Mittagessen ab ins Studio.<br />

Studiozeit ist ein chronisch knappes Gut <strong>–</strong> Aufnahmen<br />

dauern oft länger als erwartet, und gefühlte Ungerechtig-<br />

keiten bei der Studiozeit-Aufteilung führen schnell zu<br />

Missstimmungen in der Gruppe. Entlastung bringen<br />

hier mehrere Studios <strong>–</strong> wenn dafür genug Räume und<br />

Equipment vorhanden sind. Wichtig ist auch, dass der<br />

Referent im Studio nicht die Zeit aus dem Auge verliert,<br />

und lieber entscheidet: „Deine Strophe sitzt noch nicht<br />

<strong>–</strong> geh noch mal raus zum Üben“, als mit einem Sänger<br />

zig unbefriedigende Takes aufzunehmen.<br />

Musik hat viele Facetten, und so können auch Musikworkshops<br />

eine Vielzahl von Aspekten und Schwerpunkten<br />

haben. Einige der für Urban-Culture-Projekte<br />

wichtigsten sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.<br />

Warming-ups<br />

Gute Warming-ups aktivieren die Gruppe und erleichtern<br />

den Start in die Workshoparbeit. Es gibt hier eine große<br />

Bandbreite von musikalischen und außermusikalischen<br />

Methoden: Von Dehn- und Streckübungen über rhythmische<br />

Spiele (z.B. Rhythmen vor- und nachklatschen), von<br />

theaterpädagogischen Übungen (z.B. jeder stellt mit einer<br />

pantomimischen Geste dar, wie er sich gerade fühlt)<br />

bis hin zu tänzerischen Aktivitäten (z.B. „Soultrain“:<br />

Die Gruppe steht in zwei Reihen und macht einen Beat,<br />

nacheinander tanzen alle durch den Mittelgang). Wichtig<br />

ist, dass das Team über ein Methodenrepertoire verfügt<br />

und je nach Situation und Gruppe eine passende Methode<br />

auswählt; die AnleiterInnen sollten die Methode gut<br />

kennen und sie überzeugend vorstellen können. Es kann<br />

Sinn machen, mit Warming-ups in mehreren Phasen zu<br />

beginnen: Erst gemeinsame Übungen, dann machen die<br />

SängerInnen und die RapperInnen in getrennten Gruppen<br />

mit spezifischen Übungen weiter.<br />

Vocal- und Rapcoaching<br />

SängerInnen und RapperInnen arbeiten beide mit ihrer<br />

Stimme und mit Mikrofonen; es gibt daher viele<br />

Übungen, die mit beiden gemeinsam durchgeführt<br />

werden können: Atemtechnik, Aussprache/Sprach-<br />

verständlichkeit, Mikrofonhandling etc. <strong>–</strong> solche Übungen<br />

können Teil eines Warming-ups der Gruppe zu Beginn<br />

einer Arbeitsphase sein, oder auch je nach Bedarf<br />

individuell durchgeführt werden. Viele MCs haben keine<br />

Erfahrung mit Stimmbildung und können, wenn sie sich<br />

darauf einlassen, ihre stimmlichen Fähigkeiten stark<br />

verbessern (z.B. längere Bühnenauftritte durchhalten,<br />

ohne sich heiser zu brüllen).<br />

Es gibt auch etliche spezifische Übungen: So müssen<br />

SängerInnen ihre Intonation trainieren (also lernen, Töne<br />

präzise zu treffen <strong>–</strong> auch unter Bühnenbedingungen, wo<br />

man sich oft selbst schlecht hören kann), ihren Stimm-<br />

umfang ausloten und ggf. erweitern und ggf. mehrstimmig<br />

singen lernen. Vocal Coaches und Chorleiter aus dem<br />

Jazz/Popbereich haben meist ein großes Repertoire an<br />

entsprechenden Übungen.<br />

Während Gesangsunterricht eine uralte Tradition hat,<br />

gibt es noch kaum formalisierte Ausbildungen im Rapbereich.<br />

Übungen werden hier meist mündlich tradiert.<br />

Ein Beispiel von Rapcoach Nicola Hayden (Liverpool):<br />

Alle MCs bilden einen Cypher (Kreis). Einer beginnt und<br />

sagt eine Textzeile, der rechte Nachbar muss möglichst<br />

schnell eine Zeile improvisieren, die sich darauf reimt,<br />

Beispiel für einen Musikworkshop-Ablaufplan<br />

Tag 1:<br />

» Kennenlernen, Warming-up<br />

» Musikproduktionsworkshop entwickelt Beats, gleichzeitig Rap- und<br />

Vocalcoaching<br />

» Später parallel Fotosession mit allen: Gute Porträts für Projektwebsite<br />

& MySpace<br />

Tag 2:<br />

» Warming up; in kreativ-methodischem Prozess wird ein gemeinsames<br />

Thema gefunden<br />

» Rapper und Sänger bilden Kleingruppen; Musikproduktionsworkshop<br />

stellt Rohversionen der Beats vor; die Kleingruppen wählen je 2<br />

Beats aus<br />

» Kleingruppen entwickeln zum gemeinsamen Thema und zu den<br />

jeweils ausgewählten Beats eigene Texte und Melodien; Musikproduktionsworkshop<br />

perfektioniert die Beats<br />

Tag 3:<br />

» Warming up<br />

» Kleingruppen schreiben ihre Songs fertig; in Abstimmung mit den<br />

Musikproduzenten werden die Beats an die Songstrukturen<br />

angepasst<br />

» Kleingruppen üben ihre Songs; alle Texte müssen fehlerfrei auswendig<br />

sitzen; Rap- und Vocalcoaching (Sprachverständlichkeit, Intonation,<br />

Koordination mehrstimmiger Passagen); Musikproduzenten machen<br />

gut abgemischte Playback-CDs für alle<br />

» Beginn Studioaufnahmen; wer seine Songs am besten beherrscht<br />

fängt an<br />

Tag 4:<br />

» Studioaufnahmen mit allen Gruppen<br />

» Parallel drei weitere Stationen: Üben <strong>–</strong> Performancecoaching<br />

(Bühnenpräsenz) <strong>–</strong> Rap- und Vocalcoaching<br />

Tag 5:<br />

» Abschließende Studioaufnahmen<br />

» Generalprobe mit Feedback/Verbesserungsvorschlägen<br />

» Musikvideodreh<br />

Tag 6:<br />

» Warming up/Gemeinsame Einstimmung<br />

» Abschlusspräsentation/Auftritt<br />

» After Show Party<br />

DVD<br />

Einen guten Einblick<br />

in die verschiedenen<br />

Aspekte von Musikworkshops<br />

bieten<br />

die drei Projektdokumentationen<br />

auf<br />

beiliegender DVD<br />

How to do | 61


Software für Musikproduktion und Recording<br />

Aus der Fülle von Programmen seien hier einige vorgestellt:<br />

» eJay: Sehr preiswerte Programme für Anfänger <strong>–</strong> man baut aus vorgefertigten<br />

Loops (ein- oder mehrtaktige Musikhappen) ein Instrumental<br />

zusammen, dazu gibt’s rudimentäre Aufnahmefunktionen.<br />

(www.ejay.com)<br />

» MAGIX Musix Maker: Ähnlich wie eJay; in der Basisausstattung gibt es<br />

weniger Loops, dafür sind Aufnahme-Funktionen und Audio-Effekte<br />

viel ausgereifter <strong>–</strong> MAGIX hat die Profi-Software Samplitude aufgekauft<br />

und viele Profi-Funktionen in den preiswerten Music Maker<br />

integriert. Kostet ca. 50 Euro, die Deluxe-Version 100. (www.magix.de)<br />

» Reason: Virtueller Nachbau eines Musikproduktionsstudios: Synthesizer,<br />

Sampler, Rhythmusmaschine, Sequenzer, Mischpult <strong>–</strong> alles ist<br />

da. Recht intuitiv zu bedienen. Nur zum Produzieren von Beats<br />

geeignet, keine eigene Aufnahmefunktion; kann aber gut mit<br />

Programmen wie Cubase, Logic oder Live! kombiniert werden.<br />

Reason 3.0 ist ab 300 Euro erhältlich. (www.propellerheads.se)<br />

» Orion: Ähnlich wie Reason, kann aber in der Platinum-Version auch<br />

aufnehmen. Läuft nur auf PC. Orion Platinum 7 kostet ca. 200 Euro.<br />

(www.synapse-audio.com)<br />

» Logic: Eine der beiden großen, lange etablierten Profi-Musiksoftwares.<br />

Wird seit 2002 nur noch für Mac weiterentwickelt, es gibt für<br />

PC also nur veraltete Versionen. Sehr vielseitig (Produktion von Beats<br />

ist genauso möglich wie Aufnahme und Abmischung einer ganzen<br />

Band), hoher Preis (Logic Pro 7.2 kostet über 1000 Euro) und Lernaufwand.<br />

(www.apple.com/de/logic)<br />

» Cubase: Die andere große, etablierte Profi-Musiksoftware. Features<br />

und Lernaufwand sind mit Logic vergleichbar, der Preis etwas<br />

günstiger (knapp 800 Euro für Cubase 4, Schulversion ca. 400 Euro;<br />

knapp 400 Euro für die kleinere Version Cubase Studio 4, Schulversion<br />

gut 200 Euro). Läuft auf PC und Mac. Die Musik unserer internationalen<br />

HipHop-Camps wurde komplett mit Cubase und Reason<br />

produziert. (www.steinberg.de)<br />

» Samplitude: Ebenso wie Logic und Cubase ein Allround-Programm;<br />

im Bereich Musikproduktion schwächer als die Konkurrenz, beim<br />

Recording und Abmischen aber ganz vorne: Ideal für Band-Aufnahmen.<br />

Samplitude 9 Classic kostet gut 500, die Professional-Version<br />

gut 1000 Euro. Nur für PC. (www.samplitude.de)<br />

» Ableton Live!: Eine echte Alternative <strong>–</strong> kombiniert das spontane,<br />

intuitive Produzieren mit Loops mit ausgefuchsten Bearbeitungsund<br />

Recordingfunktionen. Die Tonqualität fast auf dem Niveau<br />

von Samplitude, Cubase und Logic. Hat die schönste und klarste<br />

Benutzeroberfläche der hier vorgestellten Programme. Läuft auf PC<br />

und Mac. (www.ableton.de)<br />

62 | Musikworkshops<br />

und so geht es reihum weiter. Wenn einem kein Reim<br />

einfällt, muss der eine neue Zeile ins Rennen schicken.<br />

Wichtigste Ressource für Vocal- und Rapcoaching ist ein<br />

freundlicher Raum mit einer guten Akustik. Manche Vocal<br />

Coaches arbeiten gerne mit Klavier oder Keyboard;<br />

Rap Coaches brauchen häufig eine Musikanlage/CD-<br />

Player. Wenn Mikrofontechnik geübt werden soll, muss<br />

natürlich eine Gesangsanlage mit Mikros her.<br />

DJ-Workshops<br />

Die klassische HipHop-Gruppe besteht aus „Two Turntables<br />

and a Microphone“: Einem DJ mit Plattenspielern<br />

und DJ-Mixer sowie einem oder mehreren MCs an den<br />

Mikrofonen. Wenn auch zunehmend MCs nur noch mit<br />

Playbacks auf die Bühne gehen, bleibt der DJ doch ein<br />

Grundpfeiler der HipHop-Kultur. DJing-Workshops können<br />

sich auf Skills an Decks (DJ-Platten- und CD-Spielern)<br />

und DJ-Mixer beschränken, oder sie können mit Musik-<br />

produktion an Computer und/oder Rhythmus-<br />

maschine kombiniert werden.<br />

DJ- und Rapworkshops können eng zusammenarbeiten:<br />

Solange noch keine eigenen Beats aus dem Musik-<br />

produktionsworkshop vorliegen, können MCs zu den<br />

Beats der DJs ihre Reime schreiben und üben. DJs können<br />

bei Auftritten die Playbacks starten und Scratches<br />

beisteuern.<br />

Nicht alle Plattenspieler sind DJ-tauglich; insbesondere<br />

zum Scratchen werden spezielle DJ-Plattenspieler wie<br />

der Technics 1210 mit speziellen Nadeln benötigt. Außerdem<br />

braucht man natürlich Platten, am besten welche<br />

mit Rap-Instrumentals und spezielle Scratch-Platten.<br />

Coaching für Instrumentalisten<br />

Eine Band besteht meist aus MusikerInnen, die ganz<br />

unterschiedliche Instrumente spielen <strong>–</strong> ausgiebiges individuelles<br />

Coaching z.B. an Bass, Schlagzeug, Keyboard,<br />

Gitarre und Blasinstrumenten lässt sich daher eigentlich<br />

nur bei Großprojekten realisieren, wo es mehrere Bands<br />

gibt und dann z.B. alle SchlagzeugerInnen und PercussionistInnen<br />

gemeinsam unterrichtet werden können.


Ein guter Bandcoach wird freilich mehrere Instrumente<br />

spielen und allen InstrumentalistInnen ein paar Tipps<br />

geben können.<br />

Bandcoaching<br />

Der Job eines Bandcoachs unterscheidet sich je nachdem,<br />

ob im jeweiligen Projekt bestehende Bands ihr<br />

Zusammenspiel verbessern und ihr Repertoire erweitern<br />

können, oder ob ganz neue Bands zusammenkommen,<br />

die ein neues Repertoire erarbeiten müssen. Es<br />

gibt viele spannende Coachingprojekte für bestehende<br />

Bands. Bei unseren Projekten arbeiten wir meist mit<br />

neu zusammengestellten Bands <strong>–</strong> das hat den Vorteil<br />

interessanter neuer Kombinationen und den Nachteil,<br />

dass die Einzelmusiker nur wenig Zeit haben, um zu<br />

einer tight spielenden Band zu werden. Hauptaufgabe<br />

des Bandcoachs ist die Förderung des Zusammenspiels:<br />

Aufeinander hören, gemeinsam in den Groove kommen,<br />

den anderen Raum lassen. Er unterstützt die Band<br />

bei der Entwicklung von Instrumentals, gibt Tipps zu<br />

verschiedenen Stilistiken („Wie spielt man einen Dancehall-Groove?“)<br />

und koordiniert das Zusammenspiel von<br />

Band und Vokalisten: Bei textlastigen Rap-Passagen<br />

müssen Band-Arrangements oft stark ausgedünnt werden,<br />

damit der Rap verständlich bleibt.<br />

Es gibt verschiedene Modelle, wie Band und Vokalisten<br />

verbunden werden können: In den niederländischen<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong>-Projekten werden mehrere feste Gruppen<br />

(Bands mit Vokalisten) gegründet, die dann gemeinsam<br />

Songs entwickeln. Bei <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Cologne 2006<br />

gab es nur eine Band, die fünf verschiedene Vokalisten-Crews<br />

(meist 2 SängerInnen und 2-3 Rapper-<br />

Innen) begleitete. Diese Band entwickelte erstens eigene<br />

Instrumentals, die sie dann an die Bedürfnisse und<br />

Songstrukturen der Vocal Crews anpasste („Alegria“);<br />

zweitens setzte sie einen am PC entwickelten Beat eines<br />

jungen Musikproduzenten als Bandarrangement um<br />

(„Positive Vibes“); drittens nahmen einzelne Bandmitglieder<br />

mit Musikproduzenten im Studio einen Beat auf<br />

(„Right Away“), der anschließend mit der Gesamtband<br />

umgesetzt wurde („Right Away <strong>–</strong> Band version“).<br />

Musikproduktion<br />

Digitale Musikproduktion hat einige logistische Vorteile<br />

gegenüber der Bandarbeit: Der zeitliche und technische<br />

Aufwand ist geringer, man muss nicht mühsam eine Band<br />

zusammenstellen, Produktion am PC lässt sich schneller<br />

erlernen als ein Instrument. Der Nachteil: Live wirkt eine<br />

gute Band meist kraftvoller und lebendiger als ein Playback.<br />

Es gibt Ressentiments in beide Richtungen: Von<br />

den gestandenen Rockfans unter den Pädagogen wird<br />

oft handgemachte Musik idealisiert, programmierte<br />

Beats seien „doch keine richtige Musik“ <strong>–</strong> eine recht<br />

naive Position, betrachtet man den enormen kreativen<br />

Einfluss von Elektronik und HipHop auf die (auch<br />

handgespielte) Musik der letzten Jahrzehnte. HipHopper<br />

andererseits finden Livebands oft zu aufwändig,<br />

beklagen den Verlust von Studiozeit durch stundenlanges<br />

Mikrofonieren eines Schlagzeugs oder die Schwierigkeit,<br />

sich stimmlich gegen zu dicht und laut spielende Bands<br />

durchzusetzen <strong>–</strong> und wenn die Band dann noch auf der<br />

Bühne vor Aufregung zu schnell spielt, kann das Rappen<br />

zur atemlosen Qual werden.<br />

Wir haben dennoch die Erfahrung gemacht, dass viele<br />

MCs die Arbeit mit einer Liveband als Bereicherung<br />

und Horizonterweiterung erleben. Wir finden, beide<br />

Formen haben ihren spezifischen Charme und ihre<br />

eigene Berechtigung <strong>–</strong> und auch Kombinationen können<br />

spannend sein: Bei „Bonita Señorita“ z.B. wurden<br />

programmierte Beats durch live eingespielte Percussion<br />

und Gitarren ergänzt.<br />

Viele HipHop-Produzenten schwören auf Rhythmusmaschinen-Sampler-Kombinationen<br />

(Grooveboxen) wie<br />

die Akai MPC2000: Hiermit lasse sich intuitiver arbeiten<br />

als mit Computern und die Ergebnise klängen besser.<br />

In Jugendarbeit und Schule wird aber wohl häufiger die<br />

Kombination von PCs oder MACs mit guten Soundkarten<br />

und entsprechender Software zum Einsatz kommen<br />

<strong>–</strong> erstens sind die Computer meist schon vorhanden, die<br />

Anschaffungskosten sind also geringer, zweitens lassen<br />

sich am PC nicht nur Beats bauen, sondern auch Studio-<br />

aufnahmen machen und abmischen.<br />

Einige geeignete Softwares werden im benachbarten<br />

Infokasten vorgestellt, ein erprobter und praktikabler<br />

Vorschlag für ein Basis-Equipment zur Musik-<br />

produktion findet sich weiter hinten in diesem Heft.<br />

Songwriting<br />

Beim klassischen Pop-Songwriting wird meist zunächst<br />

der komplette Song mit Melodie und Text an der Gitarre<br />

oder am Piano geschrieben und anschließend mit der<br />

Band arrangiert. Im HipHop läuft der Weg andersherum:<br />

Zuerst entsteht ein durcharrangierter Beat, auf<br />

dessen Grundlage dann Vokalisten ihre Gesangslinien<br />

entwickeln.<br />

Ein gemeinsames Motto oder Rahmenthema kann der<br />

Kreativität auf die Sprünge helfen; auch Schreibwerkstatt-Methoden<br />

können fruchtbar eingesetzt werden<br />

(z.B. „jeder schreibt fünf Worte auf kleine Zettel; alle<br />

Zettel werden gemischt, jeder zieht fünf Worte und<br />

konstruiert einen Text um diese Worte herum“).<br />

Rapcoach Tim weedon legt den jungen MCs meist nahe,<br />

sich ihre aktuelle Situation zu vergegenwärtigen und<br />

darüber zu schreiben: Was fühle ich gerade, was mache<br />

ich gerade, was habe ich heute erlebt?<br />

Zum Texteschreiben sollten genügend Blöcke und Stifte<br />

vorhanden sein. Einige MCs und SängerInnen schreiben<br />

lieber alleine im stillen Kämmerlein oder auf der Wiese,<br />

die meisten bevorzugen es, wenn der zugrunde liegende<br />

Beat immer wieder laut abläuft und man dazu schreiben<br />

kann. Gesangsmelodien können mit Unterstützung<br />

des Vocal Coaches entwickelt werden, oft werden die<br />

Melodien bei den Studioaufnahmen noch perfektioniert.<br />

DVD<br />

Siehe Musikvideo<br />

„Bonita Señorita“<br />

auf beiliegender DVD<br />

Artikel �<br />

Siehe „Von<br />

BandWatch und<br />

MusicWatch zu popUP<br />

NRW“ (Seite 36)<br />

Artikel<br />

Siehe „Equipment für<br />

die Musikproduktion“<br />

(Seite 66)<br />

Artikel<br />

�<br />

Siehe „<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />

<strong>–</strong> Unterricht in Urban<br />

Culture“ (Seite 23)<br />

und „Urban Culture<br />

Projekte des <strong>JFC</strong><br />

<strong>Medienzentrum</strong>s“<br />

(Seite 19)<br />

DVD<br />

�<br />

Alle Songs sind unter<br />

DATA\SONGS auf<br />

beiliegender DVD zu<br />

finden<br />

How to do | 63


64 | Musikworkshops<br />

Üben<br />

Wenn die Songs einmal fertig geschrieben sind, wollen<br />

sie geübt werden <strong>–</strong> und zwar ausgiebig. Unter Livebedingungen<br />

ist das Risiko groß, dass man Texte und Song-<br />

abläufe vergisst oder andere Fehler macht <strong>–</strong> darum sollten<br />

z.B. alle MCs ihre Texte 200%ig auswendig können,<br />

und die Band sollte einen Song lieber einmal zu viel als<br />

zu wenig von Anfang bis Ende durchspielen. Und dabei<br />

immer mit dem Herzen bei der Sache bleiben, sonst<br />

bringt es nichts.<br />

Für die Übungsphasen müssen genügend Räume zur Verfügung<br />

stehen, wohin sich die einzelnen Kleingruppen<br />

zurückziehen können. Alle Beats <strong>–</strong> auch Band-Instrumentals<br />

<strong>–</strong> sollten zumindest als Rohversionen auf CD<br />

oder MP3-Player vorliegen. In den Übungsräumen<br />

sollte es eine Möglichkeit geben, diese Playbacks in hin-<br />

reichender Lautstärke zu hören.<br />

Studioaufnahmen<br />

Während ein Musikproduktionsworkshop schon zu<br />

Projektbeginn in Studioumgebungen arbeiten wird, ist<br />

für Vokalisten die Zeit zum Aufnehmen erst gekommen,<br />

wenn die eigenen Strophen und Refrains fertig geschrieben<br />

und ausführlich geübt worden sind.<br />

Hier ist dann der Musikproduzent im klassischen Sinne<br />

gefragt: Bevor man Musik programmieren konnte, hatte<br />

der Produzent vor allem die Funktion, bei Aufnahmen<br />

zuzuhören und dann mit den Sängern oder Bands zu<br />

kommunizieren: Dies oder jenes geht noch besser, diese<br />

Strophe nehmen wir noch mal auf, der Refrain kann<br />

bleiben, der war schon perfekt. Der Produzent in diesem<br />

Sinne muss immer auch Psychologe und Musikpädagoge<br />

sein, denn Studioaufnahmen können Stresssituationen<br />

sein. Vor dem Mikrofon zu stehen kann Leistungsdruck<br />

bedeuten, insbesondere in der Arbeit mit Vokalisten ist<br />

Fingerspitzengefühl gefragt <strong>–</strong> die Stimme ist ein intimer<br />

Teil des Körpers. Die Rolle des Produzenten bei Band-<br />

und Gesangsaufnahmen wird daher häufig bei professionellen<br />

Dozenten liegen, aber auch entsprechend<br />

begabte Jugendliche können gute Vocal-Produzenten<br />

sein.<br />

Gute Vocal Producer wie Lajo Mounkassa von der<br />

Modern Soul Academy Stockholm schaffen es mit fast<br />

ausschließlich positivem Feedback und konstruktiven<br />

Tipps, dass Vokalisten sich im Studio wohl fühlen, aufblühen<br />

und über ihr bisheriges Niveau hinausgehen.<br />

Der Produzent kann gleichzeitig die Tontechnik<br />

bedienen, es ist aber oft eine Entlastung, wenn dies<br />

eine zweite Personen übernimmt. Kernaufgaben des<br />

Tontechnikers bei der Aufnahme sind die Platzierung<br />

der Mikrofone, die richtige Aussteuerung der Pegel,<br />

das Starten der Aufnahme an der richtigen Position<br />

(in der Regel einige Takte vor dem Einsatz des Vokalisten)<br />

und das übersichtliche Benennen und Ordnen<br />

der aufgenommenen Takes. Raps und R’n’B-Gesänge<br />

werden häufig gedoppelt: Vokalisten singen alle Parts<br />

mehrfach ein, bei der Abmischung werden dann häufig<br />

drei oder vier Takes übereinander gelegt, damit die<br />

Stimme kräftiger klingt. Dazu können Takes kommen,<br />

bei denen nur einzelne Wörter (häufig die Reimwörter)<br />

gedoppelt werden, sowie frei improvisierte Adlibs. Bei<br />

einem Song mit mehreren Vokalisten können da schnell<br />

über 40 Gesangsspuren zusammenkommen <strong>–</strong> hier ist<br />

Strukturierung wichtig.<br />

Livebands im Studio<br />

Wenn im Studio eine Liveband aufgenommen werden<br />

soll, steigen die technischen Anforderungen erheblich,<br />

besonders wenn mehrere Instrumentalisten gleichzeitig<br />

(und nicht nacheinander) spielen. Man braucht<br />

akustisch möglichst gut getrennte Aufnahme- und<br />

Regieräume und Sprechverbindungen in beide Richtungen.<br />

Ein Audiointerface mit mindestens 8 Mikrofoneingängen<br />

muss her; allein für ein Schlagzeug braucht<br />

man je nach Raum und gewünschtem Klangbild 4 bis 10<br />

spezielle Mikrofone.<br />

Es muss entschieden werden, ob der Drummer einen<br />

Click (Metronom) auf seinen Kopfhörer kriegen soll<br />

oder nicht. Ein Click hat den Vorteil, dass die Band im<br />

gleichen Tempo bleibt, dass sich die Aufnahmen leichter<br />

schneiden lassen (im Taktraster der Aufnahmesoftware)<br />

und dass es leichter ist, zusätzliche Spuren aufzunehmen.<br />

Dazu muss der Drummer aber das Spielen<br />

zum Click beherrschen, gerade bei Anfängern wirkt sich<br />

ein Click oft negativ auf die Lebendigkeit des Spiels aus.<br />

Aufnahmen ohne Click funktionieren nur gut, wenn die<br />

gesamte Rhythmusgruppe gemeinsam aufgenommen<br />

wird.<br />

Gemeinsame Aufnahmen mehrerer Instrumente bergen<br />

einige Herausforderungen: Das so genannte Übersprechen<br />

(wenn man z.B. den Bass über die Schlagzeugmikrofone<br />

hört) kann eine saubere, druckvolle Abmischung<br />

sehr erschweren. Deshalb wird man elektrische Instrumente<br />

wie Bass und Keyboard im Aufnahmeraum nicht


verstärken, die MusikerInnen hören sich nur über Kopfhörer;<br />

dafür braucht man genügend geschlossene Kopfhörer<br />

und einen Kopfhörerverstärker.<br />

Doch auch im Jugendzentrum lassen sich mit etwas<br />

Mühe und geliehenen Mikrofonen gute Bandauf-<br />

nahmen machen <strong>–</strong> einen direkten Qualitätsvergleich<br />

bieten die Aufnahmen von <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006, wo<br />

die gleiche Band bei „5th Element“ im Jugendzentrum,<br />

bei allen anderen Songs (u.a. „Alegria“) im pro-<br />

fessionellen Studio der Deutschen POP Akademie aufgenommen<br />

wurde.<br />

Performance-Coaching<br />

Positive Studioerlebnisse und ein starker eigener Song<br />

auf CD sind nicht zu unterschätzende Faktoren für die<br />

individuelle Entwicklung; noch wichtiger ist es aber, die<br />

eigenen Stücke live vor Publikum zu spielen. Performance<br />

Coaching unterstützt dabei eine gute Bühnenpräsenz:<br />

Vom Einsatz des eigenen Körpers über das gemeinsame<br />

Agieren als Gruppe auf der Bühne bis hin zur Kommunikation<br />

mit dem Publikum. Junge MusikerInnen müssen<br />

lernen, sich durch Fehler und Aussetzer nicht aus der<br />

Bahn werfen zu lassen, kein „Fehlergesicht“ zu machen,<br />

sich auf der Bühne gegenseitig zu unterstützen, sich bei<br />

Ansagen nicht gegenseitig ins Wort zu fallen und die<br />

Bühne in ihrer ganzen Größe zu nutzen.<br />

Beim Performance Coaching sollte auch auf den Soundcheck<br />

und die Kommunikation mit den TontechnikerInnen<br />

an den Mischpulten eingegangen werden, ebenso<br />

wie auf die Auftrittslogistik: Wer geht wann und wo<br />

auf die Bühne und nimmt welches Mikrofon? Wie sieht<br />

das Finale aus? Der anstehende Auftritt sollte vorher<br />

ausführlich durchgesprochen und bei einer Generalprobe<br />

geübt werden. Wenn es ein Zeitlimit für den Auftritt<br />

gibt, sollte bei der Generalprobe mindestens ein<br />

Durchlauf durchs gesamte Programm mit Ansagen etc.<br />

gemacht werden, bei dem die Zeit gestoppt wird. Wenn<br />

die Generalprobe auf Video mitgeschnitten wird, können<br />

anhand der Aufnahmen Verbesserungspotenziale<br />

besprochen werden.<br />

Performance Coaching wird in der Regel Aufgabe der<br />

Rap-, Vocal- und Bandcoaches im Projekt sein <strong>–</strong> wobei<br />

die Coaches selbst über viel Bühnenerfahrung verfügen<br />

sollten. Auch ChoreographInnen und RegisseurInnen sind<br />

oft gute Performance Coaches und werden besonders<br />

bei Musical-Projekten auch als solche zum Einsatz kommen.<br />

Der Liveauftritt<br />

Beim Auftritt selbst ist der Stresspegel oft hoch. Wichtig<br />

ist hier sowohl eine gute Planung des Rahmens<br />

(Getränke und Verpflegung, gemeinsame Anreise zu<br />

auswärtigen Auftritten, funktionierende Saaltechnik,<br />

zur Sicherheit mehrere Datenträger mit den Playbacks<br />

mitnehmen etc.), als auch ein konzertierter Einsatz des<br />

gesamten Teams im Dienste einer positiven Gruppenstimmung.<br />

Dazu gehört eine gemeinsame Einstimmung<br />

in den Auftritt, eine möglichst gute Laune des Teams<br />

trotz erwartbarer Stressfaktoren und individuelle<br />

Kommunikation mit den Teilnehmenden, à la: „Wenn<br />

ein Tontechniker unfreundlich zu Dir ist, kontere mit<br />

Freundlichkeit! Alles andere kann dazu führen, dass Du<br />

nachher schlecht abgemischt wirst, viel wichtiger aber:<br />

es schlägt auf Deine Stimmung und kann Dir den Spaß<br />

an Deinem Auftritt versauen. Das ist es nicht wert!“<br />

Und dann endet der Einflussbereich aller Coaches und<br />

Pädagogen, der Countdown ist bei „Zero <strong>–</strong> Go!“ angekommen,<br />

der Vorhang geht auf und die Bühne gehört<br />

den jungen KünstlerInnen.<br />

DVD<br />

Alle Songs sind unter<br />

DATA\SONGS auf<br />

beiliegender DVD zu<br />

finden<br />

How to do | 65


Equipment für die Musikproduktion<br />

Markus Brachtendorf<br />

66 | Musikworkshops<br />

Eigene Songs schreiben und Beats produzieren mit<br />

Kindern und Jugendlichen? <strong>–</strong> Zugegeben, das ist zwar<br />

nicht gerade mit links realisiert, aber im Medienzeitalter<br />

unkomplizierter möglich denn je zuvor. Die Zugangsvoraussetzungen:<br />

Neugier, Interesse und ein überschaubares<br />

Maß an Equipment. Kommen wir zu Letzterem.<br />

Je nach persönlichem Geschmack gibt es sicherlich nach<br />

oben keine Grenzen was den Bedarf an Equipment für<br />

Musikproduktion angeht, eine Minimal-Ausstattung<br />

lässt sich jedoch einfach beschreiben. Benötigt wird:<br />

Ein Mikrofon, ein Keyboard, ein sog. Audiointerface,<br />

ein Computer und entsprechende Software. (Punkt.)<br />

Um zu große Verwirrung bei der Vielzahl von Angeboten<br />

zu vermeiden, beschreibe ich einfach kurz ein<br />

wirklich korrektes Equipment-Paket, mit dem ich selbst<br />

meistens arbeite und welches sich in den vergangenen<br />

sieben sCOOL-HITs-Jahren als das praktischste herausgestellt<br />

hat.<br />

Fangen wir zuerst am Ende der Kette an, beim Computer:<br />

Im Grunde tut’s jeder einigermaßen aktuelle Rechner<br />

mit USB-Port. Von Nutzen ist ein Laptop und ich würde<br />

derzeit ein MacBook (oder besser noch, gebrauchtes<br />

Powerbook) empfehlen. Kein langer Philosophie-Diskurs <strong>–</strong><br />

ist einfach angenehmer als PC und mittlerweile auch<br />

genauso erschwinglich oder gar günstiger als ein wirklich<br />

guter PC-Laptop.<br />

Audiointerface und Keyboard: Da gibt’s meiner<br />

Meinung nach viele Möglichkeiten, aber nur eine Wahl,<br />

und die heißt „OZONE“ von der Firma M-AUDIO.<br />

Das ist solide, da kann man alle Arten von Mikros und<br />

Instrumenten dran anschließen um sie aufzunehmen,<br />

und gleichzeitig ist es ein MIDI-Keyboard. Einfach den<br />

Treiber installieren, das Gerät an den USB-Port anschließen<br />

und fertig. Passend dazu liefert die Firma<br />

das „Studio-Pack“, einen Rucksack, in den das Teil<br />

zusammen mit dem Laptop und allen anderen kabeligen<br />

Kleinigkeiten genau hineinpasst. Die bequemste Verpackung<br />

für das mobile Tonstudio. Mikrofon: Perfekter<br />

Klang oder hohe Kosten sind hier weniger wichtig als<br />

Zuverlässigkeit und Robustheit. Ein solides Standardmikrofon<br />

für unter 100 Euro ist das Shure SM-58,<br />

eigentlich ein Bühnenmikro, aber Gary Moore hat<br />

damit auch schon mal den kompletten Gesang für eine<br />

seiner CDs aufgenommen. Dazu ein Stativ und einen<br />

so genannten Pop-Schutz (Stoffbespannter Ring, der<br />

vor dem Mikrofon befestigt wird und der harte „P“-<br />

Laute zähmt), und schon ist auch das Thema erledigt.<br />

Wichtig: Erstmal keine teuren Kondensator-Mikros<br />

kaufen! Die sind zwar im Studio „State of the Art“,<br />

aber viel schwieriger zu handeln und nehmen meistens<br />

deutlich mehr auf, als uns gerade lieb ist.<br />

Kommen wir nun zur Software. Auch hier treffen<br />

Philosophien aufeinander. Für alle weniger anspruchsvollen<br />

Selbermacher, die einen PC nutzen, gibt’s<br />

natürlich das preisgünstige MAGIX Music Maker in<br />

zahlreichen Schattierungen. Ich möchte aber meine<br />

Empfehlung für einen unvergleichlich kompetenteren<br />

Insider aussprechen: das Programm „LIVE!“ der<br />

Berliner Firma Ableton. Das ist ein professionelles Tool,<br />

viel intuitiver zu bedienen als die prominenten Kollegen<br />

„Logic“ oder „Cubase“, und die Software, mit der ich im<br />

Schul- und Musikproduktionsalltag nur die allerbesten<br />

Erfahrungen mache.<br />

HipHop und moderne Popmusik entsteht ja im Grunde<br />

nur durch Einsetzen und Aussetzen der einzelnen<br />

Sound-Bestandteile und Loops. Wird der Beat fett und<br />

setzen alle Sounds ein, dann hören wir wohl gerade den<br />

Refrain. „LIVE!“ hilft durch seinen Aufbau, diese Klang-<br />

Puzzlesteinchen eines Songs so zusammen zu stellen,<br />

dass am Ende mit Spaß ein korrekter Track zustande<br />

kommt. Dass es ein guter Track wird, darum muss man<br />

sich freilich <strong>–</strong> wie bei allen anderen Programmen <strong>–</strong> immer<br />

noch selbst kümmern. Tüftelfreude ist deshalb so oder<br />

so absolute Grundvoraussetzung.<br />

Für alle Mac-User: Natürlich tut’s auch „Garage Band“,<br />

die kleine Schwester von „Logic“. Dieses Tool ist im Lieferumfang<br />

eines jeden „Apfels“ enthalten und somit vom<br />

Preis-/Leistungsverhalten her unschlagbar.<br />

Kurz vor der abschließenden Equipment- und Linkliste<br />

am Ende dieses Artikels noch ein persönlicher Tip: Die<br />

Firma Ableton bietet natürlich wie die meisten anderen<br />

auch spezielle „Education-Preise“ an, die in etwa bei<br />

der Hälfte des regulären Kurses liegen. Da sie mit<br />

M-Audio kooperieren, haben sie spezielle „sCOOL-<br />

Production“ Pakete inkl. Hard und Software zusammengestellt.<br />

Kleines Beispiel: Das oben beschriebene<br />

Material (Software LIVE!, Rucksack Studio-Pack,<br />

Midi-/Audiointerface Ozone plus Mikro, Stativ und<br />

den nötigen Kabeln) liegt bei 555,- Euro im Edu-Tarif.<br />

Konkurrenzlos <strong>–</strong> der normale Kurs kommt sicher locker<br />

auf über das Doppelte.


DVD<br />

Videos<br />

» <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Roots</strong> Musikvideo<br />

» <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Roots</strong> Dokumentation<br />

» Musikvideos<br />

» Sonakapcholat System <strong>–</strong> Alegria / <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006<br />

» Bonita Señorita / HipHop-Camp 2005<br />

» Colourblindz <strong>–</strong> Summertime <strong>Roots</strong> / <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006<br />

» Peace (Ter to Son) / HipHop-Camp 2004<br />

» Cross (Around the World) / HipHop-Camp 2003<br />

» Free Kings <strong>–</strong> Was geht ab Mann? / pop@rena + Jugendförderung Solingen<br />

» 3 Wege Soundsystem / pop@rena + Music Office Hagen<br />

» V-Attakk <strong>–</strong> Wo ist Frieden? / pop@rena + Rockstation <strong>Köln</strong> Vingst<br />

» HipHop-Camp 2005 Dokumentation<br />

» Trailer MusicWatch<br />

» <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006 Dokumentation<br />

Datenteil (DATA)<br />

PDF <strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong><br />

PDF <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong><br />

PDF Artikel „Im Dschungel der Formate“<br />

Readme<br />

Musik (DATA\SONGS)<br />

<strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2006<br />

Right Away<br />

Alegria<br />

Summertime <strong>Roots</strong><br />

Positive Vibes<br />

5th »<br />

»<br />

»<br />

»<br />

»<br />

»<br />

»<br />

»<br />

»<br />

»<br />

» Element<br />

» Right Away <strong>–</strong> Band Version<br />

» HipHop-Camp Barcelona 2005<br />

» Bonita Señorita<br />

» Hit Me With Da Beat<br />

» Poor Children<br />

» Connect HipHop!<br />

» Bessawisser Crew <strong>–</strong> Für immer meine Stadt<br />

» Chupacabras <strong>–</strong> Sin ti<br />

» AmmO <strong>–</strong> Hör auf dein Herz<br />

» Maxeel <strong>–</strong> Wenn ich rappe<br />

» Phatrick <strong>–</strong> Do it<br />

» JayKay & Dimi <strong>–</strong> Ich will es nicht fühlen<br />

» Das dynamische Duo & Hubi <strong>–</strong> Parallelwelten<br />

im Kühlschrank<br />

» <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> 2005<br />

» Wir sind da<br />

» Back To The <strong>Roots</strong><br />

» HipHop-Camp Stockholm 2004<br />

» Peace (Ter to Son)<br />

» Pray 4 Peace<br />

» Our Time<br />

» Me And My Crew<br />

» HipHop-Camp <strong>Köln</strong>/Adenau 2003<br />

» Cross (Around the World)<br />

» Me And My Girls<br />

» (I Need A) Holiday<br />

» Fotos (DATA\PICS)<br />

» <strong>Roots</strong>&<strong>Routes</strong> Cologne<br />

» HipHop-Camps<br />

»<br />

<strong>Different</strong> <strong>Roots</strong> <strong>–</strong> <strong>Common</strong> <strong>Routes</strong>


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