Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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Österreichische Juristenkommission (Hg),<br />
Juristenausbildung. Welche Juristen braucht<br />
die Gesellschaft?<br />
Wien, Graz 2007, 73 Seiten.<br />
Anneliese Legat<br />
Die Herbsttagung der Österreichischen Juristenkommission<br />
2006 widmete sich dem Thema der rechtswissenschaftlichen<br />
Ausbildung angesichts der Bologna-Vorgaben, der<br />
<strong>zu</strong>nehmenden Inhomogenität der Studienpläne infolge<br />
der Autonomisierung der österreichischen Universitäten<br />
sowie der immer wieder angezogenen Gr<strong>und</strong>satzfrage<br />
Berufsausbildung versus Vermittlung von Gr<strong>und</strong>lagenwissen<br />
<strong>und</strong> Kompetenzen <strong>zu</strong>m juristischen Denken.<br />
Der Salzburger Öffentlichrechtler Walter Berka geht in<br />
seinem Beitrag von einem Vergleich der antiken Figur der<br />
Dike/Justitia mit jener des nordischen Gottes Loki aus: Personifiziert<br />
die eine die juristischen Tugenden der Gerechtigkeit,<br />
Objektivität, Unbestechlichkeit, so repräsentiert der<br />
trickreiche, gefinkelte, schlaue <strong>und</strong> raffinierte Gott der<br />
nordischen Mythologie andere juristische Eigenschaften.<br />
Berka bettet seine Überlegungen – die engen dogmatischen<br />
Grenzen wohltuend überwindend – in einen gesellschafts-<br />
<strong>und</strong> rechtspolitischen Rahmen ein <strong>und</strong> kommt <strong>zu</strong><br />
einem differenzierten <strong>und</strong> widersprüchlichen Ergebnis an<br />
Anforderungen an die juristische Profession, welche gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
mehr als rein handwerkliche Gesetzessubsumtion<br />
bedeutet. Es geht um die professionelle Realisierung einer<br />
rechtlichen Ordnung <strong>und</strong> um Verantwortung gegenüber<br />
der im Gesetz angelegten Rationalität. Gerade die damit<br />
verb<strong>und</strong>enen Handlungs- <strong>und</strong> Ermessensspielräume fordern<br />
das juristische Berufsethos. Weder Kunst noch Handwerk,<br />
weder Wissenschaft noch Argumentationslehre,<br />
sondern methodische Kompetenz <strong>und</strong> argumentative Sicherheit<br />
postuliert Berka. Dies soll in einem juristischen<br />
Gr<strong>und</strong>studium mit den praktischen juristischen Kernfächern<br />
im Zentrum erreicht werden, ergänzt durch die<br />
rechtstheoretischen, rechtsphilosophischen <strong>und</strong> rechtshistorischen<br />
Gr<strong>und</strong>lagenfächer, um der Gefahr eines Abdriftens<br />
<strong>zu</strong> einer rechtsschulischen Ausbildung <strong>zu</strong> vermeiden.<br />
Eine frühzeitige Spezialisierung hält Berka in Anbetracht<br />
der in Zukunft <strong>zu</strong> erwartenden Anforderungen an die juristische<br />
Profession für eine Fehlentwicklung, laufende Weiterqualifizierung<br />
<strong>und</strong> den Erwerb von Zusatzqualifikationen<br />
aber als Gebot der Zukunft.<br />
Der Öffentlichrechtler Stefan Griller betrachtet das Thema<br />
aus der Warte eines Vertreters des seit 2007 an der Wirt-<br />
schaftsuniversität Wien angebotenen zweigliedrigen Studiums<br />
des Wirtschaftsrechtes. Griller bekennt sich <strong>zu</strong>m<br />
Rechtspositivismus, bei dem Gerechtigkeitsaspekte keine<br />
konstitutive Rolle spielen, <strong>und</strong> begründet mit Erkenntnisskeptizismus<br />
<strong>und</strong> Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Gerade<br />
der rechtspositivistische Ansatz erfordere die Auseinanderset<strong>zu</strong>ng<br />
mit natur- <strong>und</strong> vernunftrechtlichem Gedankengut<br />
<strong>und</strong> bedarf gr<strong>und</strong>legender juristischer Reflexions- sowie<br />
unverzichtbarer Methodenkompetenz inklusive Kenntnisse<br />
der Rechtserzeugungslehre (zB für Vertragsgestaltung, Legistik).<br />
Abgesehen davon ist für Griller eine verstärkte<br />
Aneignung von wirtschaftsrechtlichen Aspekten gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
unabdingbar <strong>und</strong> begründet durch die <strong>zu</strong>nehmende<br />
Ökonomisierung. Eine Fokussierung auf Wirtschaftsrecht<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftswissenschaften ist aber nicht als allgemeine<br />
Leitlinie für die Gestaltung eines Jusstudiums <strong>zu</strong> verstehen,<br />
sondern wird an der WU als Nischenprodukt angeboten,<br />
wenngleich auch hier weiter der Anspruch auf die Vermittlung<br />
der fachlichen Breite eines „Volljuristen“ verfolgt wird<br />
– unter expliziter Ausblendung der klassischen rechtshistorischen<br />
<strong>und</strong> offenbar auch sonstigen „Gr<strong>und</strong>lagenfächer“.<br />
Ein Überblick über die Umset<strong>zu</strong>ngsmodelle der Bolognavorgaben<br />
für rechtswissenschaftliche Studien in Europa zeigt<br />
neben „alten“ Ausbildungsgängen mehrheitlich das<br />
3+2-System. In Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Schottland<br />
<strong>und</strong> der Türkei findet sich ein 4-jähriges Bachelorstudium.<br />
Deutschland lehnt den Umstieg bisher ab, <strong>und</strong> Italien<br />
hat nach der Umstellung <strong>zu</strong>sätzlich ein fünfjähriges Ausbildungsprogramm<br />
für Rechtsberufe eingeführt. Mittlerweile<br />
wurde in Österreich das von Griller bemängelte Defizit<br />
der einschlägigen juristischen Berufsordnungen bezüglich<br />
der Zugangsberechtigung von Bachelor- <strong>und</strong> Masterstudien<br />
bereinigt (Berufsrechtsänderungsgesetz 2008).<br />
Insgesamt sieht Griller in der Bolognaarchitektur größere<br />
Spielräume als im Diplomstudium, um den unterschiedlichen<br />
Anforderungen an verschiedene Rechtsberufe nachkommen<br />
<strong>zu</strong> können. Einer Engführung des Studiums auf<br />
juristische Kernberufe wird jedenfalls eine klare Absage erteilt.<br />
In den <strong>zu</strong> den jeweiligen Referaten wiedergegebenen Diskussionsbeiträgen<br />
kritisiert die damalige Vorsitzende der<br />
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UNILEX 1–2/2010