Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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UNILEX 1–2/2010 62<br />
häuslicher Versorgung richtet – mit sehr unterschiedlichen<br />
Konsequenzen für die Wissenschaftskarrieren von Männern<br />
<strong>und</strong> Frauen. Im Hinblick auf Umset<strong>zu</strong>ngsmöglichkeiten<br />
dieser Erkenntnisse in die <strong>Praxis</strong> lässt sich folgern:<br />
Widersprüchlichkeiten in Wissenschaftskarrieren von Frauen<br />
<strong>und</strong> Männern können sich in jeder Fachkultur im Vordergr<strong>und</strong><br />
beruflicher Anstrengungen sowie aus dem Hintergr<strong>und</strong><br />
häuslicher Versorgung in je spezifischer Ausprägung<br />
ergeben. An diesen strukturellen Widersprüchen<br />
müsste ebenso angeknüpft werden wie an eher unhinterfragten<br />
Vorstellungen über das Engagement in der Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> im Häuslichen bei Frauen <strong>und</strong> Männern, um <strong>zu</strong><br />
veränderter sozialer <strong>Praxis</strong>, verändertem Habitus <strong>und</strong> einem<br />
Strukturwandel in den Fachkulturen wie im gesamten<br />
sozialen Feld der Hochschule <strong>zu</strong> kommen.<br />
Schluss<br />
Die hier entwickelte, differenzierte Betrachtung des sozialen<br />
Felds der Hochschule, die neben dem wissenschaftsbezogenen<br />
Vordergr<strong>und</strong> auch den privaten Hintergr<strong>und</strong> mit einbezieht,<br />
wurde durch unsere empirischen Bef<strong>und</strong>e angeregt,<br />
die als wesentliche Ursache der Benachteiligung von Frauen<br />
in der Hochschulkarriere die Männern <strong>und</strong> Frauen unterschiedlich<br />
<strong>zu</strong>geschriebene Vereinbarkeit zwischen Beruf <strong>und</strong><br />
Familie - durch Fachkulturen variiert - ausmachte.<br />
Unsere empirischen Bef<strong>und</strong>e <strong>zu</strong>r direkten Auswirkung von<br />
Vorstellungen <strong>zu</strong>m Privaten im Beruflichen schienen nur auf<br />
den ersten Blick nicht mit den Analysen Bourdieus <strong>zu</strong>m<br />
sozialen Feld der Hochschule vereinbar <strong>zu</strong> sein. Denn angeregt<br />
vor allem durch seine Ausführungen <strong>zu</strong>r männlichen<br />
Herrschaft lässt sich durch weitere Überlegungen die Doppelbödigkeit<br />
des sozialen Felds der Hochschule mit ihrem<br />
wissenschaftsbezogenen Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> dem Hintergr<strong>und</strong><br />
häuslicher Versorgung erschließen. Dabei können die<br />
männlich geprägten Traditionen der Universität mit ihren<br />
Fachkulturen kritisch analysiert werden, die Männer für<br />
Wissenschaftskarrieren freistellen bei häuslicher Versorgung<br />
durch Frauen, während Frauen neben ihrer Wissenschaftskarriere<br />
immer die häusliche Verantwortung tragen. Anhand<br />
dieser so für uns erkennbaren Doppelbödigkeit des<br />
sozialen Felds der Hochschule ließen sich die Benachteiligungen<br />
von Frauen in diesem Feld als Kehrseite der Privilegierung<br />
von Männern durch die herkömmliche Arbeitsteilung<br />
der Geschlechter zwischen Beruf <strong>und</strong> Familie bezeichnen.<br />
Ein Wandel herkömmlicher männerdominierter – <strong>und</strong> Frauen<br />
benachteiligender - Strukturen im sozialen Feld der<br />
Hochschule müsste sich also – mitsamt der Veränderung<br />
von sozialer <strong>Praxis</strong> <strong>und</strong> Habitus - auf die Teilhabe von<br />
Männern <strong>und</strong> Frauen an Wissenschaftskarrieren in den<br />
Fachkulturen <strong>und</strong> ebenso auf die da<strong>zu</strong>gehörige Versorgung<br />
aus dem Privatbereich beziehen.<br />
Prof. i.R. Dr. Ulrike Vogel<br />
TU Braunschweig<br />
Institut für Sozialwissenschaften<br />
u.vogel@tu-braunschweig.de<br />
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