Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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für die Karriere sicherstellt. Dass im traditionell männlich<br />
definierten sozialen Feld der Hochschule der jeweilige private,<br />
bzw. familiale Hintergr<strong>und</strong> meist verborgen bleibt,<br />
liegt also im Wesentlichen an der selbstverständlichen Freistellung<br />
der Männer für die Wissenschaft bei stillschweigender<br />
häuslicher Versorgung durch Frauen2 .<br />
Frauen dagegen sind nicht nur „Neulinge“ an der traditionell<br />
männlichen Hochschule <strong>und</strong> „Aufsteiger“ aus der Beschränkung<br />
auf traditionell weibliche Bereiche – wie Familie<br />
oder Frauenberufe - in die Teilhabe an Wissenschaft.<br />
Sondern sie werden - anders als Aufsteiger, die ihre Herkunft<br />
soweit hinter sich lassen, dass sie voll am aktuellen<br />
Berufsfels teilhaben - ihre Zuordnung <strong>zu</strong>m Häuslichen als<br />
andauernde Verpflichtung im Hintergr<strong>und</strong> neben der wissenschaftlichen<br />
Arbeit im Vordergr<strong>und</strong> nicht los. Ihr Habitus<br />
ist also widersprüchlicher als der von Männern, auch<br />
wenn diese sich auf häusliches Engagement einlassen. Für<br />
Frauen liegt somit eine kognitive, kritische Auseinanderset<strong>zu</strong>ng<br />
mit den herkömmlichen Zuordnungen von beruflichem<br />
Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> familialem Hintergr<strong>und</strong> näher als<br />
für Männer, die auch bei familialem Engagement letztlich<br />
für die Karriere freigestellt sind. Dennoch kann es auch für<br />
Männer ein Mehr an Aufklärung bedeuten, sich über die<br />
Gr<strong>und</strong>lagen ihrer Freiheit für die Wissenschaft, die durch<br />
den häuslichen Hintergr<strong>und</strong> gegeben ist, klar <strong>zu</strong> werden.<br />
Beide Geschlechter also gewinnen durch Aufklärung über<br />
die Zusammenhänge zwischen den beruflichen Kämpfen<br />
im Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> dem Hintergr<strong>und</strong> der Versorgung aus<br />
dem Privaten.<br />
4. Fachkulturen, Geschlecht <strong>und</strong><br />
Wissenschaftskarrieren<br />
Die gr<strong>und</strong>sätzliche Benachteiligung von Frauen dadurch,<br />
dass sie im Vordergr<strong>und</strong> am männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb<br />
teilhaben wollen wie die Männer <strong>und</strong><br />
<strong>zu</strong>gleich im Hintergr<strong>und</strong> ihrer herkömmlichen Verantwortung<br />
für das Häusliche gerecht werden müssen, wird, wie<br />
beschrieben, durch Fachkulturen unterschiedlich verstärkt:<br />
So treffen nach unserer Untersuchung in der Mathematik<br />
herkömmliche Vorstellungen von der Gleichheit aller in<br />
einer Wissenschaft frei von sozialen Rahmenbedingungen<br />
<strong>und</strong> ebenso unhinterfragte Vorstellungen von traditioneller<br />
häuslicher Verantwortung von Frauen in einem Habitus<br />
<strong>zu</strong>sammen, der Männer stark privilegiert, da sie sich voll<br />
auf die Wissenschaft konzentrieren können. Den Frauen<br />
nutzt die Gleichheit in der Wissenschaft wenig, da sie fraglos<br />
die ungeteilte Verantwortung im Häuslichen <strong>zu</strong> tragen<br />
haben <strong>und</strong> die Tätigkeit in der Wissenschaft immer dieser<br />
Verantwortung abgerungen werden muss3 . In der Mathematik<br />
treffen also unter diesem Aspekt die besten Karrierechancen<br />
für Männer mit einem herkömmlichen selbstverständlichen<br />
Wissenschaftler-Habitus <strong>und</strong> die größten Belastungen<br />
für Frauen mit einem zwischen häuslicher Verantwortung<br />
<strong>und</strong> wissenschaftlichem Streben gespaltenen<br />
Habitus aufeinander.<br />
Durch die Sozialwissenschaften ist eine Kritik an Wissenschaftskonzeptionen<br />
sowie am Wissenschaftsbetrieb, aber<br />
auch an der herkömmlichen Zuweisung häuslicher Verantwortung<br />
an Frauen für beide Geschlechter eher nahegelegt.<br />
So werden häusliches Engagement von Männern <strong>und</strong><br />
Entlastungen im Häuslichen für Frauen diskutierbar. Sozialwissenschaftler<br />
sind zwar letztlich auch für die Wissenschaft<br />
freigestellt, <strong>und</strong> Sozialwissenschaftlerinnen müssen für ihre<br />
Entlastung von privaten Pflichten selbst sorgen4 . Sie weisen<br />
gegenüber den Sozialwissenschaftlern einen stärker zwischen<br />
beruflichen <strong>und</strong> familialen Verpflichtungen gespaltenen<br />
Habitus auf. Die Habitus sowie die Karrierechancen<br />
von Männern <strong>und</strong> Frauen in den Sozialwissenschaften liegen<br />
jedoch näher beieinander als in der Mathematik, d.h.<br />
nacheinander zwischen den Mathematikern <strong>und</strong> den Mathematikerinnen.<br />
Diese empirisch ermittelte, durch Fachkulturen nahegelegte<br />
Hierarchie der Chancen für eine Wissenschaftskarriere bei<br />
Männern <strong>und</strong> Frauen in Mathematik <strong>und</strong> Sozialwissenschaften<br />
lässt sich mit den Kategorien, die für das soziale Feld<br />
der Hochschule entwickelt wurden, genauer bestimmen.<br />
Denn diese Hierarchie ist eine Folge des Habitus, der sich<br />
in den Fachkulturen als Teilen des sozialen Feldes der Hochschule<br />
entwickelt hat <strong>und</strong> durch soziale <strong>Praxis</strong> bestätigt –<br />
oder abgewandelt – wird. Nach unseren Überlegungen ist<br />
besonders wichtig, dass sich der Habitus in diesem als doppelbödig<br />
angesehenen sozialen Feld der Hochschule auf<br />
den beruflichen Vordergr<strong>und</strong> wie auf den Hintergr<strong>und</strong><br />
2 Als Beispiel hierfür mag die Gelassenheit gelten, mit der männliche Teilnehmer an Gremiensit<strong>zu</strong>ngen, die vom frühen Nachmittag<br />
bis <strong>zu</strong>m späten Abend dauern, teilnehmen. Dies ist möglich, weil die Männer i. d. R. sicher sein können, dass ihre häusliche Versorgung<br />
währenddessen ohne ihre Beteiligung selbstverständlich weiterläuft. Die Frauen, die an solchen Sit<strong>zu</strong>ngen teilnehmen,<br />
müssen i. d. R. selbst dafür vorgesorgt haben, dass ihr privater Hintergr<strong>und</strong> für diese Zeit ohne sie funktioniert.<br />
3 Ein Beispiel für das Zusammenwirken von selbstverständlichen Vorstellungen <strong>zu</strong> Gleichheit in der Wissenschaft <strong>und</strong> herkömmlicher<br />
Arbeitsteilung der Geschlechter, wie sie in der Mathematik festgestellt wurden, zeigt sich, wenn eine fachlich anerkannte Kandidatin<br />
nicht eingestellt würde wegen ihrer angenommenen häuslichen Verpflichtung, die den beruflichen Einsatz beeinträchtigen könnte.<br />
4 Bezieht man das Beispiel der Einstellung einer exzellenten Kandidatin aus der Mathematik auf die Sozialwissenschaften, so dürfte<br />
hier eher eine den Beruf nicht behindernde Organisation privater Verpflichtungen durch die Kandidatin vorausgesetzt werden – u. U.<br />
eine Öffnung für Anstellungschancen.<br />
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UNILEX 1–2/2010