Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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UNILEX 1–2/2010 60<br />
stattfinden. Hier können z.B. Wissenschaftler <strong>und</strong> Wissenschaftlerinnen<br />
durch kritische Distanz gegenüber den<br />
überkommenen Hochschulstrukturen einen „Bruch der<br />
gleichsam unmittelbaren Übereinstimmung zwischen den<br />
inkorporierten <strong>und</strong> den objektivierten Strukturen“ (Bourdieu<br />
1997: 215) vollziehen <strong>und</strong> so mit einem widersprüchlichen,<br />
durch alte Vergangenheit <strong>und</strong> neu angestrebte Zukunft<br />
geprägten Habitus <strong>zu</strong> Strukturveränderungen beitragen.<br />
Direkte Einflüsse des familialen, privaten Bereichs auf<br />
den Habitus im sozialen Feld der beruflichen Karrieren, wie<br />
sie sich in unserer empirischen Untersuchung zeigten,<br />
werden in diesen Analysen des beruflichen sozialen Feldes<br />
bei Bourdieu jedoch so explizit nicht beschrieben. Dennoch<br />
hat sich Bourdieu mehrfach <strong>zu</strong>m Einfluss der Herkunft<br />
auf den aktuellen beruflichen Habitus geäußert.<br />
Dabei zeigte sich, dass nach Bourdieu einer differenzierten,<br />
sich wandelnden Welt mit ihren Mobilisierungen durch<br />
Bildung <strong>und</strong> Beruf ein in sich widersprüchlicher Habitus<br />
entspricht, der Spuren der biographischen Vergangenheit,<br />
der aktuellen Teilhabe an dem für den Akteur zentralen<br />
sozialen Feld, z.B. der Hochschule <strong>und</strong> Fachwissenschaft,<br />
<strong>und</strong> der antizipierten Zukunft aufweist. Bourdieu selbst<br />
beschreibt die Gespaltenheit seines Habitus, die sich für ihn<br />
zwischen Identifikation mit der wissenschaftlichen Laufbahn<br />
<strong>und</strong> Widerstand in der Verpflichtung gegenüber<br />
seiner wissenschaftsfernen Herkunft (vgl. Bourdieu 2002:<br />
123-127) ergab. Mit der Herkunft ist also der private bzw.<br />
familiale Bereich in seinen Auswirkungen auf den aktuellen<br />
Habitus immer erkennbar, insbesondere, wenn Bourdieu<br />
Lebensstile <strong>und</strong> Geschmack von Angehörigen derselben<br />
Profession mit unterschiedlicher Herkunft analysiert (vgl.<br />
Bourdieu 1982: 277ff., 281, 313ff.).<br />
Besonders deutliche Anhaltspunkte für Zusammenhänge<br />
zwischen Beruflichem <strong>und</strong> Privatem fanden sich in Bourdieus<br />
Ausführungen über „Die männliche Herrschaft“<br />
(Bourdieu 1997, 2005), in denen er die prinzipielle Trennung<br />
eines öffentlichen, beruflichen, den Männern <strong>zu</strong>gewiesenen,<br />
<strong>und</strong> eines inneren, häuslichen, den Frauen <strong>zu</strong>gewiesenen<br />
Bereichs sowohl für vorindustrielle, bäuerliche<br />
als auch moderne Gesellschaften betont (vgl. Bourdieu<br />
1997: 141, 2005: 146). Diese prinzipiellen Zuweisungen für<br />
Männer <strong>und</strong> Frauen bringen nach Bourdieu trotz des vermehrten<br />
Zugangs von Frauen <strong>zu</strong> Bildung <strong>und</strong> Berufsqualifikation<br />
deren Nachordnung im Beruf gegenüber Männern<br />
mit sich (vgl. Bourdieu 2005: 156f., 160). Und trotz der<br />
Unterschiede nach Klassen unter Männern wie Frauen, stellt<br />
Bourdieu über alle Milieus hinweg „im Ganzen der sozialen<br />
Räume <strong>und</strong> Teilräume ... nicht nur in der Familie, sondern auch<br />
im schulischen Bereich <strong>und</strong> in der Arbeitswelt“ (Bourdieu<br />
2005: 177) letztlich das Herrschaftsverhältnis zwischen<br />
dominanten Männern <strong>und</strong> nachgeordneten Frauen fest.<br />
3. Folgerungen <strong>zu</strong> Beruf <strong>und</strong> Familie im<br />
sozialen Feld der Hochschule<br />
An diese Äußerungen Bourdieus <strong>zu</strong>m sozialen Feld <strong>und</strong> vor<br />
allem <strong>zu</strong>r männlichen Herrschaft lassen sich weitere Überlegungen<br />
für unseren Forschungsgegenstand, Wissenschaftskarrieren<br />
von Frauen <strong>und</strong> Männern im sozialen Feld<br />
der Hochschule, anschließen:<br />
Obwohl der vom Erwerbsbereich getrennte Familien- bzw.<br />
Privatbereich, wie alle beruflich bedingten sozialen Felder<br />
im sozialen Raum, aus der gesellschaftlichen Arbeitsteilung<br />
hervorgegangen ist, finden im Privatbereich nicht die für<br />
soziale Felder kennzeichnenden Rangkämpfe um die Teilhabe<br />
an Kapitalien, im Wesentlichen um Status <strong>und</strong> Einkommen,<br />
statt. Vielmehr wirkt der vom statusgebenden<br />
sozialen Feld des Berufs bzw. der Öffentlichkeit abhängige<br />
Privat- bzw. Familienbereich unterstützend oder auch behindernd<br />
auf die Rangkämpfe in diesem öffentlich/beruflichen<br />
sozialen Feld ein. Also kann festgestellt werden, dass<br />
in den durch die beruflichen, offensichtlichen Rangkämpfe<br />
definierten sozialen Feldern im Vordergr<strong>und</strong> die jeweilige<br />
ergänzende häusliche Sphäre im Hintergr<strong>und</strong> immer unterstützend<br />
oder behindernd präsent ist. Folglich kann hier<br />
von einer Doppelbödigkeit des sozialen Feldes mit seinem<br />
beruflich/öffentlichen Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> seinem privaten,<br />
häuslichen Hintergr<strong>und</strong> gesprochen werden.<br />
Im Sinne traditioneller Arbeitsteilung der Geschlechter<br />
dient bei Männern der häusliche, durch die Frau verantwortete<br />
Hintergr<strong>und</strong> als Unterstüt<strong>zu</strong>ng in den Rangkämpfen<br />
des herkömmlich als männlich definierten beruflichen<br />
Vordergr<strong>und</strong>s. Für Frauen dagegen, die am Beruf teilhaben<br />
wollen, begründet die <strong>zu</strong>gewiesene häusliche Verantwortung<br />
nicht nur Konflikte durch doppelte Belastung, sondern<br />
auch eine Legitimation ihrer geringeren beruflichen<br />
Chancen. Denn sie entwickeln Ehrgeiz in einem Bereich,<br />
der ihnen herkömmlich nicht <strong>zu</strong>gewiesen ist. Der Einkommen<br />
<strong>und</strong> Status gebende berufliche Bereich im Vordergr<strong>und</strong><br />
bestimmt die soziale Lage im abhängigen häuslichen<br />
Bereich im Hintergr<strong>und</strong> mit. So wirkt sich die männliche<br />
Dominanz über den Erwerbsbereich hinaus auch in der<br />
Familie bzw. dem häuslichen Bereich aus. Als Gegenleistung<br />
haben Frauen in ihrer Verantwortung für den abhängigen<br />
Privatbereich die <strong>zu</strong>m jeweiligen beruflichen<br />
Bereich passende häusliche Unterstüt<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> leisten.<br />
Diese durch theoretisch angeleitete Überlegungen festgestellte<br />
Doppelbödigkeit des sozialen Feldes der Wissenschaft<br />
mit ihrem berufsbezogenen Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> ihrem Hintergr<strong>und</strong><br />
häuslicher Versorgung kann empirisch festgestellte<br />
Probleme in der Wissenschaftskarriere bei Frauen im Vergleich<br />
<strong>zu</strong> Männern durch deren herkömmliche Zuständigkeit<br />
für das Private erklären, die sie gr<strong>und</strong>sätzlich behindert,<br />
während sie für Männer die Unterstüt<strong>zu</strong>ng aus dem Privaten