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Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV

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le für Männer <strong>und</strong> Frauen mit strukturierten Wegen der<br />

Nachwuchsförderung ausgestattet, die prinzipiell <strong>zu</strong> Zufriedenheit<br />

mit den Arbeitsbedingungen führen. Ebenso<br />

selbstverständlich wie diese Strukturen des Wissenschaftsbetriebs<br />

sind jedoch meist herkömmliche Vorstellungen<br />

von der Arbeitsteilung der Geschlechter in der Familie. So<br />

sind die Mathematiker fraglos vor allem bestimmt für den<br />

Beruf, während Mathematikerinnen ebenso fraglos daneben<br />

familiale Verpflichtungen übernehmen <strong>und</strong> sich kaum<br />

durch Dritte entlasten. In den Sozialwissenschaften dagegen<br />

ist die Nachwuchsförderung nicht so strukturiert, Institutionenkritik<br />

verbreiteter <strong>und</strong> auch die traditionelle Arbeitsteilung<br />

der Geschlechter in Beruf <strong>und</strong> Familie nicht so<br />

selbstverständlich. Männer engagieren sich eher in der<br />

Familie, Frauen entlasten sich häufiger im häuslichen Bereich<br />

durch Dritte.<br />

Die herkömmliche Zuweisung des Berufsbereichs an Männer<br />

<strong>und</strong> des Häuslichen an Frauen wird also hier fachkulturell<br />

gebrochen, so dass sich für Wissenschaftskarrieren<br />

die größten Chancen durch Freistellung von häuslichen<br />

Pflichten für Mathematiker ergeben. Die Sozialwissenschaftler<br />

sind zwar prinzipiell ebenso freigestellt für den<br />

Beruf, übernehmen jedoch eher auch Pflichten im Häuslichen.<br />

An dritter Stelle folgen die Sozialwissenschaftlerinnen,<br />

die sich stärker im Häuslichen entlasten als die Mathematikerinnen,<br />

die familiale Pflichten möglichst weitgehend<br />

selbst übernehmen <strong>und</strong> so durch die Doppelbelastung<br />

am deutlichsten beruflich behindert sind.<br />

Die prinzipielle Bestimmung der Männer für die Karriere<br />

<strong>und</strong> der Frauen für häusliche Verantwortung, durch die ihre<br />

Karriere immer wieder eingeschränkt werden kann, differenziert<br />

sich also nach Fachkulturen. Diese Unterschiede<br />

fußen wesentlich auf kaum bewussten Vorstellungen, bzw.<br />

verinnerlichten Erfahrungen, der Beteiligten, sind also Teil<br />

eines Habitus. Damit bietet sich eine weitere Analyse dieser<br />

Verquickung von Chancenungleichheiten nach Geschlecht<br />

<strong>und</strong> Fach mit den Kategorien von Pierre Bourdieu an, auf<br />

dessen Konzeptionen diese Kategorie des Habitus <strong>zu</strong>rückgeht.<br />

2. Zu Konzeptionen Bourdieus: sozialer<br />

Raum. soziales Feld, Habitus <strong>und</strong> soziale<br />

<strong>Praxis</strong><br />

Gr<strong>und</strong>legend für diese Konzepte ist Bourdieus „<strong>Theorie</strong> der<br />

<strong>Praxis</strong>“:<br />

„Die <strong>Theorie</strong> der <strong>Praxis</strong> als <strong>Praxis</strong> erinnert gegen den<br />

positivistischen Materialismus daran, daß Objekte der<br />

Erkenntnis konstruiert <strong>und</strong> nicht passiv registriert werden,<br />

<strong>und</strong> gegen den intellektualistischen Idealismus,<br />

daß diese Konstruktion auf dem System von strukturierten<br />

<strong>und</strong> strukturierenden Dispositionen beruht, das in<br />

der <strong>Praxis</strong> gebildet wird <strong>und</strong> stets auf praktische Funktionen<br />

ausgerichtet ist“ (Bourdieu 1987: 97).<br />

Doch nicht nur diese Dispositionen, d.h. der Habitus, der<br />

Forschenden ist ein<strong>zu</strong>beziehen, sondern – unter dem Aspekt<br />

ihres besonderen Wissens – auch der Habitus der<br />

Beforschten:<br />

„In der Konzeption des »Habitus« ist diese Absicht verankert:<br />

Dem Gegenstand das Wissen der Akteure von<br />

diesem <strong>und</strong> den Beitrag <strong>zu</strong> integrieren, den dieses Wissen<br />

<strong>zu</strong>r Wirklichkeitskonstitution des Gegenstandes<br />

leistet“ (Bourdieu 1982: 728)<br />

Mit ihrem Habitus (strukturierten/strukturierenden Dispositionen)<br />

konstituieren sich die Subjekte in ihrer sozialen<br />

<strong>Praxis</strong> wechselseitig <strong>und</strong> gestalten das (vorgef<strong>und</strong>ene/<br />

wandelbare) soziale Feld in den Rahmenbedingungen des<br />

sozialen Raums mit (vgl. Bourdieu 1982: 729, 728). Die<br />

einzelnen, von Subjekten übernommen sowie gestalteten<br />

sozialen Felder ergeben sich durch die Arbeitsteilung moderner<br />

Gesellschaften <strong>und</strong> das hauptberufliche Engagement<br />

der Akteure (vgl. Krais/Gebauer 2002: 11, 35). Diese<br />

sozialen Felder weisen dieselben Machtstrukturen auf wie<br />

der soziale Raum mit seinen Unterschieden <strong>und</strong> Rangkämpfen<br />

z.B. bezogen auf Klasse <strong>und</strong> Geschlecht. Der<br />

Habitus reproduziert – durch die soziale <strong>Praxis</strong> der Subjekte<br />

– <strong>zu</strong>nächst die Machtverhältnisse, aus denen er hervorgegangen<br />

ist, <strong>und</strong> kann in diesem Rahmen vielfältige,<br />

veränderbare Handlungen <strong>und</strong> Wahrnehmungen erzeugen<br />

(vgl. Bourdieu 1987: 101f.; 1982: 279).<br />

Angesichts von Änderungen der Sozialstruktur durch Sozialen<br />

Wandel kann ein tradierter Habitus unangepasst bzw.<br />

überholt sein (vgl. Bourdieu 1987: 116f.), oder es kommt<br />

<strong>zu</strong> teilweisen Anpassungen z.B. im Beruflichen bei Beharrungen<br />

im Familialen, also <strong>zu</strong> einem in sich widersprüchlichen<br />

Habitus. Nach Bourdieu lassen sich solche Widersprüche<br />

zeigen an Aufsteigern mit ihren Bindungen an Herkunft,<br />

Gegenwart <strong>und</strong> die antizipierte erfolgreiche Zukunft (Krais/<br />

Gebauer 2002: 46). Nach Bourdieu ist jedoch auch ohne<br />

gesellschaftliche Veränderung allein durch kognitive Distanz<br />

Gesellschaftskritik als Antizipation veränderter Verhältnisse<br />

<strong>und</strong> somit ein veränderter, bezogen auf Vergangenheit,<br />

Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft in sich widersprüchlicher, Habitus<br />

möglich (vgl. Bourdieu 1997: 177, 215).<br />

Diese Entwicklungsmöglichkeiten <strong>und</strong> Widersprüche im<br />

Habitus eines Subjekts <strong>und</strong> seiner sozialen <strong>Praxis</strong> beziehen<br />

sich letztlich immer auf das soziale Feld, das in der Regel<br />

als Arbeitsmarkt Einkünfte <strong>und</strong> Status gewährt <strong>und</strong> wo<br />

gleichzeitig – vermittelt über Bildung <strong>und</strong> berufliche Qualifikation<br />

– die Rangkämpfe um Teilhabe an ökonomischem,<br />

kulturellem <strong>und</strong> sozialem Kapital, d.h. um Lebenschancen,<br />

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UNILEX 1–2/2010

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