Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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UNILEX 1–2/2010 58<br />
Wissenschaftskarriere, Geschlecht <strong>und</strong><br />
Fachkultur im sozialen Feld der Hochschule 1<br />
Ulrike Vogel<br />
Einleitung<br />
Im folgenden werde ich über Wissenschaftskarrieren an<br />
Hochschulen unter besonderer Berücksichtigung der Vereinbarkeit<br />
von Wissenschaft als Beruf <strong>und</strong> Privatbereich<br />
bzw. Familie sprechen. Dies ist nicht nur, wie häufig angenommen,<br />
ein Problem von Frauen, sondern es trifft<br />
beide Geschlechter, wenn auch in unterschiedlicher Weise.<br />
Weiter ist dies Vereinbarkeitsproblem nicht nur durch die<br />
generellen Anforderungen wissenschaftlichen Arbeitens an<br />
der Hochschule sondern ebenso durch die Fachkulturen<br />
unterschiedlich geprägt. Wollen wir die täglichen Erfahrungen,<br />
die wir selbst als Mitglieder der Universität zwischen<br />
Wissenschaftsbetrieb <strong>und</strong> Privatbereich machen, besser<br />
durchschauen, so muss auf empirische Forschungsbef<strong>und</strong>e<br />
in diesem Bereich, aber auch auf theoretische Ansätze <strong>zu</strong>rückgegriffen<br />
werden. Denn das theoretische Instrumentarium<br />
kann die Relevanz von empirischen Tatsachen beleuchten<br />
<strong>und</strong> so <strong>zu</strong> weiteren Analysen oder auch Empfehlungen<br />
für die <strong>Praxis</strong> führen.<br />
Ich werde also neben einem Hinweis auf empirische Bef<strong>und</strong>e<br />
<strong>zu</strong>r Vereinbarkeitsproblematik aus anderen Studien vor<br />
allem empirische Ergebnisse aus einer eigenen Studie heranziehen,<br />
um anknüpfend an das theoretische Instrumentarium<br />
Pierre Bourdieus Wissenschaftskarrieren von<br />
Frauen <strong>und</strong> Männern in Fachkulturen im sozialen Feld der<br />
Hochschule <strong>zu</strong> beleuchten.<br />
1. Empirische Bef<strong>und</strong>e <strong>zu</strong> Beruf <strong>und</strong><br />
Familie im Wissenschaftsbetrieb der<br />
Hochschule<br />
Balancen zwischen Beruf <strong>und</strong> Familie im Hochschulbereich<br />
für beide Geschlechter bei einer größeren Belastung von<br />
Frauen, die in unserer eigenen Studie im Folgenden beschrieben<br />
werden (vgl. Vogel/Hinz 2004), zeigen sich<br />
ebenso in verschiedenen anderen Untersuchungen. So<br />
wird z.B. aufgezeigt, dass Professorinnen seltener verheiratet<br />
sind, weniger Kinder haben <strong>und</strong> mehr durch deren<br />
Versorgung belastet sind (vgl. Zimmer/Krimmer/Stallmann<br />
2007: 158f.). Oder es wird die hohe Kinderlosigkeit im<br />
akademischen Mittelbau hervorgehoben, die mit 78 Prozent<br />
bei den Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> 72 Prozent bei den<br />
Wissenschaftlern immer noch unterschiedlich ist (vgl.<br />
Metz-Göckel/Möller/Auferkorte-Michaelis 2009: 125).<br />
Nach der am Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Forschung durchgeführten Studie „Balancierung von<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Elternschaft“ wird nach ähnlichen empirischen<br />
Ergebnissen sehr differenziert belegt, dass Probleme<br />
der Vereinbarkeit von Beruf <strong>und</strong> Familie zwar <strong>zu</strong>nehmend<br />
für beide Geschlechter existieren, Frauen jedoch<br />
immer noch in deutlich stärkerem Maße betreffen (vgl.<br />
Lind 2008: 756; 2010: 169).<br />
In unserer eigenen Untersuchung <strong>zu</strong> Wissenschaftskarrieren<br />
in Mathematik <strong>und</strong> Sozialwissenschaften waren, wie<br />
bei Metz-Göckel u.a. sowie in der Studie „Balancierung von<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Elternschaft“, alle Stufen der Wissenschaftskarriere<br />
beginnend mit den DoktorandInnen einbezogen<br />
in eine qualitative <strong>und</strong> eine quantitative Befragung.<br />
Bei gr<strong>und</strong>sätzlicher Identifikation mit dem Wissenschaftsbetrieb<br />
bringt die Vereinbarung von Beruf <strong>und</strong><br />
Familie auch nach dieser Untersuchung für die Frauen<br />
größere Probleme mit sich als für die Männer. So verzichten<br />
auf Dauerpositionen nur Frauen <strong>zu</strong>gunsten des Partners<br />
auf eine weitere Karriere. Unter den Habilitierenden<br />
<strong>und</strong> Promovierenden äußern nur Frauen wegen ihrer Karriere-Anstrengungen<br />
Probleme mit familialen Verpflichtungen,<br />
<strong>und</strong> nur Frauen wollen als Promovierte <strong>zu</strong>gunsten der<br />
Familie die Hochschule verlassen. Die Frauen müssen,<br />
wenn sie für die Karriere freigestellt sein wollen, für ihre<br />
häusliche Entlastung – durch Familienmitglieder oder Dritte<br />
– selbst sorgen. Männer dagegen sind nicht nur prinzipiell<br />
für eine Karriere freigestellt – selbst wenn sie die<br />
Karriere nicht weiter verfolgen wollen oder sich stärker in<br />
der Familie engagieren. Sie können vielmehr gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
mit der Unterstüt<strong>zu</strong>ng ihres Berufs durch ihre meist geringer<br />
qualifizierten Frauen rechnen.<br />
Erstaunlich war für uns, dass diese Balance zwischen Beruf<br />
<strong>und</strong> Familie sich nach Fachkulturen unterscheidet. So ist in<br />
der Mathematik wissenschaftliche Arbeit in der Hochschu-<br />
1 Der für diesen Beitrag geringfügig veränderte Text wurde als Vortrag am 13.12.2010 an der Karl-Franzens-Universität Graz im<br />
Rahmen der Veranstaltung „Wissenschaftskarriere <strong>und</strong> Geschlecht“ der Koordinationsstelle für Geschlechterstudien, Frauenforschung<br />
& Frauenförderung <strong>und</strong> der Vizerektorin für Gleichbehandlung der Karl-Franzens-Universität Graz gehalten.