Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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Fazit: Mehr Qualitätskultur bei<br />
maßgeschneiderter Evaluierung<br />
Die Überlegungen zeigen, dass Evaluierung ein höchst anspruchsvolles<br />
Unterfangen ist. Leider führt der hohe Legitimationsdruck<br />
auf die Universitätsleitung, nämlich Kontrolle<br />
<strong>zu</strong> bewahren, Steuerungskompetenz <strong>zu</strong> demonstrieren<br />
<strong>und</strong> sich an formalen Qualitätsstandards <strong>und</strong> Richtlinien<br />
angesichts <strong>zu</strong>nehmender externer Forderungen (wie<br />
Akkreditierungen, internationale Einrichtungen, Ministerium)<br />
<strong>zu</strong> orientieren, <strong>zu</strong>nehmend <strong>zu</strong> einer demonstrativen<br />
Abarbeitung einer richtiggehenden Evaluierungsflut. Die<br />
Folge ist ein grassierender Evaluierungs- <strong>und</strong> Messeifer auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage einfach handhabbarer standardisierter Instrumente,<br />
die nicht nur höchst un<strong>zu</strong>verlässige Ergebnisse<br />
liefern, sondern auch Qualität sehr eindimensional unter<br />
einem Mess- <strong>und</strong> Vergleichsgesichtspunkt betrachten <strong>und</strong><br />
mitunter kontraproduktive Effekte produzieren. Da sich die<br />
Akteure jedoch diesen Rahmenbedingungen anpassen, ist<br />
man zwar <strong>zu</strong>nehmend mit einer perfektionierten Außendarstellung<br />
konfrontiert, von der sich das Innenleben aber<br />
immer stärker entkoppelt.<br />
Unter diesen Umständen ist es sinnvoll, einmal um<strong>zu</strong>denken:<br />
Statt den Schwerpunkt auf zentralistische Kontrolle <strong>zu</strong><br />
legen könnte man wieder darüber nachdenken, verstärkt<br />
auf die Initiative <strong>und</strong> die Erfahrungen jener Akteure <strong>zu</strong> vertrauen,<br />
in deren Hand die Qualitätsproduktion liegt: die<br />
Lehrenden <strong>und</strong> Lernenden. Sofern man Lernen nicht auf<br />
einen bloßer Erwerb kognitiver Fähigkeiten <strong>und</strong> Handlungskompetenzen<br />
im Rahmen einer instrumentell verstandenen<br />
Ausbildung reduziert, umfasst dieses weit mehr:<br />
Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess der Persönlichkeitsentwicklung,<br />
in dem die Lernenden, aber auch<br />
die Lehrenden mit Wissen <strong>und</strong> Erfahrungen reflektierend<br />
umgehen, in Sinn<strong>zu</strong>sammenhänge integrieren <strong>und</strong> so<br />
neue Verständnisweisen entwickeln. Dabei handelt es sich<br />
nicht bloß um einen individuellen Prozess der Aneignung,<br />
sondern um einen sozialen Prozess der Auseinanderset<strong>zu</strong>ng<br />
<strong>und</strong> der kritischen Argumentation, in dem das Lehrumfeld<br />
Anreize <strong>und</strong> Irritationen setzt, der aber nur begrenzt<br />
steuerbar ist. Eine widerspruchsfreie Übernahme<br />
von Lernanforderungen ist damit explizit nicht gemeint,<br />
nimmt man den universitären Anspruch auf kritische Entwicklung<br />
auch nur halbwegs ernst. Dafür braucht es aber<br />
nicht sosehr Lehrstandards <strong>und</strong> Learning-Outcomes, sondern<br />
das Engagement der Beteiligten, Vertrauen in diese,<br />
die Etablierung <strong>und</strong> Entwicklung von Lernsettings als Unterstüt<strong>zu</strong>ng<br />
der Selbstentfaltung, sowie die kritische Auseinan-<br />
derset<strong>zu</strong>ng mit universitären Anforderungen. Die Idee ist,<br />
die Beteiligten <strong>zu</strong> unterstützen, ihre Chance <strong>zu</strong>r Selbstentwicklung<br />
in der Auseinanderset<strong>zu</strong>ng mit universitären Anforderungen<br />
wahr<strong>zu</strong>nehmen <strong>und</strong> auf diese Weise <strong>zu</strong>r gemeinsamen<br />
Entwicklung der Universität, der Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> ihrer Disziplinen sowie der Lehre beitragen.<br />
Das soll aber nicht als Plädoyer gegen Evaluierung missverstanden<br />
werden: Evaluierung kann im Zuge der Lehrförderung<br />
vielfältige sinnvolle Beiträge leisten. Aber dafür<br />
muss sie den Erfordernissen so angepasst werden, dass sie<br />
für die spezifischen Anforderungen maßgeschneiderte <strong>Informationen</strong><br />
liefert <strong>und</strong> die Kontrolle vor<strong>zu</strong>gsweise durch<br />
die Analyse potentieller Begleitmaßnahmen für die Entwicklung<br />
von Lehrqualität ersetzt. Vielleicht sollte man<br />
dafür die Evaluierungsprämissen etwas ändern <strong>und</strong> weniger<br />
darauf achten, was aus der Perspektive des Managements<br />
wichtig ist, sondern sich darauf konzentrieren, was<br />
für die Lehre, das Lernen oder die Programmentwicklung<br />
wichtig ist29 . Zur Qualität tragen Lehrevaluierungen erst<br />
bei, wenn sie für die betroffenen Akteure sinnvoll verwendbar<br />
sind – <strong>und</strong> dafür sind etwa Kurzfeedbacks für Lehrveranstaltungsevaluierungen<br />
oder Fokusgruppen für Programmevaluierungen<br />
meist sehr hilfreich, wenngleich sie<br />
<strong>zu</strong> Kontrollzwecken kaum taugen. Im Zentrum sollte daher<br />
die Frage stehen, wer welche Evaluationsergebnisse tatsächlich<br />
sinnvoll nutzen kann: Lehrende <strong>zu</strong>r Einschät<strong>zu</strong>ng<br />
von Lehrprozessen oder der Lehraktivitäten; Studierende<br />
<strong>zu</strong>r besseren Standortbestimmung in der eigenen Entwicklung;<br />
Verwaltungspersonal für die adäquate Gestaltung<br />
von Rahmenbedingungen für die Lehre; Programmleitungen<br />
<strong>zu</strong>r Weiterentwicklung von Studienprogrammen unter<br />
sich verändernden Bedingungen (Umweltanforderungen,<br />
Lehrpersonal etc.); das Qualitätsmanagement <strong>zu</strong>m besseren<br />
Verständnis von Lehr- <strong>und</strong> Lernprozessen für die Planung<br />
von Unterstüt<strong>zu</strong>ngsmaßnahmen. Dafür braucht es<br />
selektiv angepasste Evaluierungsstrategien.<br />
Nur in sehr spezifischen Ausnahmefällen kann im Hintergr<strong>und</strong><br />
Kontrolle stehen (etwa bei Studierenden die Kontrolle<br />
auf Plagiate; bei Lehrenden, wenn wiederholt gravierende<br />
Schwierigkeiten auftauchen; in der Verwaltung,<br />
wenn schwerwiegende Probleme mit der Lehrorganisierung<br />
auftauchen). Ansonsten sollte die Selbstentwicklung gefördert<br />
werden. Das universitäre Management könnte hingegen<br />
überlegen, welche Evaluierungen es unbedingt benötigt<br />
<strong>und</strong> wie diese, sofern sie ohne wesentlichen Nutzen für<br />
die Qualitätsentwicklung sind, mit Minimalaufwand abgearbeitet<br />
werden können. Vermutlich kann man mit Augen-<br />
29 Wie das Beispiel der studentischen Lehrveranstaltungsevaluierungen zeigt, werden die Ergebnisse vielfach <strong>zu</strong> Recht ignoriert: Abgesehen<br />
von den messtechnischen Problemen braucht man nur an die vielen Lehrveranstaltungen mit weniger als 15 TeilnehmerInnen<br />
denken, deren Ergebnisse ohnehin un<strong>zu</strong>verlässig sind. Und ohne weitere <strong>Informationen</strong> sind auch „Verbesserungsmaßnahmen“ nicht<br />
notwendig zielführend.<br />
55<br />
UNILEX 1–2/2010