Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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UNILEX 1–2/2010 52<br />
beurteilen <strong>und</strong> wie heterogen diese Beurteilungen sind,<br />
wie eine Lehrperson ankommt oder wie die konkrete Veranstaltung<br />
in ein Lehrprogramm passt – alles <strong>Informationen</strong>,<br />
die für Lehrende wichtig sein können. Aber in Hinblick<br />
auf die Qualitätsentwicklung sind solche <strong>Informationen</strong><br />
vorrangig dann nützlich, wenn sie in Maßnahmen für die<br />
Steigerung der Lehrqualität umgesetzt werden können.<br />
Dafür muss man <strong>Informationen</strong> erst interpretieren <strong>und</strong><br />
diese Interpretationen in Maßnahmen umsetzen, die hoffentlich<br />
die gewünschte Wirkung zeitigen. Aber ganz so<br />
einfach ist die Sache nicht: Unbestritten ist, dass Evaluierung<br />
in der Regel etwas bewirkt. Das ist auch die Intention<br />
von Evaluierungen <strong>und</strong> mit ein Gr<strong>und</strong>, warum sich Evaluierungen<br />
einer derartigen Beliebtheit erfreuen, sodass Frey<br />
(2007) von „Evaluitis“ spricht. Vielfach wird jedoch übersehen,<br />
dass Evaluierungen neben den erwünschten Wirkungen<br />
(die aber nicht immer eintreffen) in vielen Fällen<br />
eine Reihe vernachlässigter, verborgener, unerwartete oder<br />
auch unerwünschter Folgen provozieren. In diesem Zusammenhang<br />
stellt sich die Frage, was nun Evaluierung<br />
bewirken kann. Dafür werden mögliche Evaluierungsfolgen<br />
(ohne Anspruch auf Vollständigkeit) in drei Gruppen aufgeteilt:<br />
� Die Provokation sichtbarer <strong>und</strong> unsichtbarer Effekte: Es<br />
handelt sich hierbei um Anpassungseffekte, die auf die<br />
gemessenen Indikatoren bzw. die erwünschten Leistungskriterien<br />
Be<strong>zu</strong>g nehmen <strong>und</strong> deren sichtbare Teil<br />
meist erwünscht ist (etwa bessere Evaluierungsergebnisse,<br />
stärkere Profilbildung, Akzeptanz von Programmen<br />
in der Wirtschaft). Verbinden sich damit Kontrollfunktionen<br />
<strong>und</strong> potentielle Sanktionen, kommt es <strong>zu</strong><br />
einer Differenzierung: Zum einen werden erwünschte<br />
<strong>und</strong> belohnte Effekte sichtbar gemacht <strong>und</strong> in ihrer<br />
Bedeutung überhöht (man hat Interesse, sie <strong>zu</strong> zeigen),<br />
während unerwünschte in den unsichtbaren Untergr<strong>und</strong><br />
verdrängt <strong>und</strong> in der Folge vernachlässigt werden<br />
(man vermeidet damit mögliche Sanktionen <strong>und</strong> entzieht<br />
sich der Kontrolle) 21 . Für das universitäre Management<br />
sind die Konsequenzen höchst problematisch,<br />
weil es den Eindruck gewinnen könnte, aufgr<strong>und</strong> der<br />
Evaluierungen immer besser informiert <strong>zu</strong> sein, faktisch<br />
aber immer weniger über die Funktionsweise der Uni-<br />
versität erfährt. Da diese Wirkung für das Management<br />
unsichtbar bleibt (das Problem ist nicht die Informationsmenge,<br />
sondern deren Bedeutung), läuft es Gefahr,<br />
<strong>zu</strong>nehmend in einem fiktiven Raum <strong>zu</strong> agieren22 .<br />
� Strategisches Evaluierungsverhalten <strong>und</strong> Widerstand:<br />
Sofern Evaluierung nicht als Feedback, sondern <strong>zu</strong>r Kontrolle<br />
genutzt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, die<br />
Ergebnisse vor allem für eigene Interessen <strong>zu</strong> verwenden.<br />
So könnte bei Studierenden das Antwortverhalten<br />
einer LV-Evaluierung entsprechend dem Erhebungskontext<br />
variieren (etwa bei kleinen Gruppen aufgr<strong>und</strong> der<br />
potentiellen Identifizierbarkeit der Antwortenden) oder<br />
die Interpretation kann Legitimationsinteressen angepasst<br />
werden23 . Häufig geht es um Widerstand gegen<br />
Evaluierungen. Die Vielfalt von Gründen für Widerstandsverhalten<br />
zeigen etwa Taut <strong>und</strong> Brauns (2003)<br />
mit Blick auf die Psychologie der Reaktionsformen auf<br />
Programmevaluierungen: Widerstand ist dann wahrscheinlich,<br />
wenn frühere negative Evaluierungserfahrungen<br />
in einen generellen Evaluierungswiderstand münden,<br />
wenn im Rahmen einer persönlichen Kosten/Nutzen-Rechnung<br />
die negative Seite überwiegt, wenn<br />
Evaluierung das Machtgefüge ungünstig beeinflussen<br />
könnte, wenn man die eigenen Handlungsfreiräume bedroht<br />
sieht, wenn sie als externe Kontrolle erlebt wird,<br />
wenn in Wettbewerbssituationen die eigene Position<br />
gefährdet ist oder wenn jemand ausgeprägte Versagensängste<br />
hat oder die Evaluierung das Selbstbild in Frage<br />
stellt. Ob jedoch die <strong>zu</strong>r Überwindung des Widerstands<br />
angebotene Kur (etwa umfassende Kommunikation,<br />
Übergabe der Kontrolle an die Evaluierten, Berücksichtigung<br />
des organisationalen Kontexts etc.) bei allen<br />
wirkt, ist <strong>zu</strong> bezweifeln. Faktisch bedeutet dies, dass<br />
man mit Evaluierungen möglicherweise in der Lehre<br />
mehr Probleme erzeugt, als man auf organisatorischer<br />
Ebene löst. Damit wäre Evaluierung gerade<strong>zu</strong> kontraproduktiv.<br />
� Die Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung von Verbesserungsmaßnahmen:<br />
Meist sollten Evaluierungen <strong>zu</strong>r Verbesserung<br />
der Lehre beitragen. Dafür ist ein umfassendes<br />
Steuerungsrepertoire verfügbar (etwa Sanktionen bei<br />
un<strong>zu</strong>reichenden Leistungen, Änderungen von Studien-<br />
21 Frey (2007) meint darüber hinaus, dass mit <strong>zu</strong>nehmender Orientierung an Leistungskriterien <strong>und</strong> deren Kontrolle der Anreiz <strong>zu</strong>nimmt,<br />
diese <strong>zu</strong> manipulieren.<br />
22 Dies entspricht dem Vorwurf, den Kieserling dem Zentrum für Hochschulentwicklung macht, das er als Lyrikwerkstätte <strong>zu</strong>r Erzeugung<br />
von autonomer Literatur fernab universitärer Wirklichkeit bezeichnet <strong>und</strong> <strong>zu</strong> den hermetischen Texten in Hinblick auf Workload <strong>und</strong><br />
Creditpoints auf die Frage verweist, „ob die spröde Schönheit dieser opaken Gebilde sich nicht womöglich nur sehr großen <strong>und</strong><br />
sehr professionell besetzten Bürokratien erschließt“ (Kieserling 2009: 27).<br />
23 Eine typische Argumentation könnte hier lauten: Gute Evaluierungen zeigen nur die Korrumpierbarkeit der Lehrenden, während sich<br />
in schlechten der heroische Einsatz für höchste fachliche Qualität manifestiert – schließlich ist man ja kein Sozialverein, sondern<br />
fordert eben Höchstleistungen – <strong>und</strong> das ist unangenehm.