Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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UNILEX 1–2/2010 48<br />
eine „Rennstrecke mit idiotensicheren Marschbefehlen“<br />
(Eßling 2009).<br />
Vieles an dieser Kritik betrifft unmittelbar die Qualität der<br />
Lehre <strong>und</strong> somit auch Maßnahmen, welche die Qualitätsentwicklung<br />
fördern sollen. Gerade deshalb sind die permanenten<br />
Hinweise auf Qualitätssicherung <strong>und</strong> Evaluierungen<br />
mit Vorsicht <strong>zu</strong> betrachten. Dabei stellt sich die Frage,<br />
in welchem Kontext evaluiert wird <strong>und</strong> welche Funktionen<br />
diese Evaluierung erfüllt, was unter „Qualität“, die damit<br />
gesichert <strong>und</strong> verbessert werden soll, verstanden wird <strong>und</strong><br />
welche Folgen qualitätssichernde Maßnahmen haben können.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> macht es Sinn, sich näher mit<br />
einem Kernbereich universitären Qualitätsmanagements<br />
auseinander<strong>zu</strong>setzen, nämlich der Lehrevaluierung. Dafür<br />
werden im ersten Schritt die Funktionen von Evaluierung<br />
angesprochen, um die Möglichkeiten für Evaluierungen<br />
<strong>und</strong> ihre Sinnhaftigkeit ab<strong>zu</strong>stecken. Danach wird die Frage<br />
gestellt, welche Probleme sich in der konkreten Lehrevaluierung<br />
ergeben. Vor diesen Hintergr<strong>und</strong> wird diskutiert,<br />
warum Evaluierungen einen derart hohen Stellenwert erlangen<br />
konnten. Die abschließenden Bemerkungen regen<br />
an, den möglicherweise durch die vielen Reformen etwas<br />
irregeleiteten Blick wieder stärker auf Lehrerfordernisse <strong>und</strong><br />
weniger auf Managementziele <strong>zu</strong> richten.<br />
Funktionen von Evaluierung im Rahmen<br />
des Qualitätsmanagements in der Lehre<br />
Evaluierung erfüllt höchst unterschiedliche Funktionen für<br />
das Bildungswesen, die Universitäten oder auch für die<br />
einzelnen Beteiligten <strong>und</strong> Betroffenen. Dabei sind diese<br />
Funktionen mit verschiedenen Sichtweisen, Handlungsstrategien<br />
<strong>und</strong> Folgen verb<strong>und</strong>en. Die folgende Auflistung<br />
konzentriert sich auf den im Bereich der Lehrevaluierung<br />
häufig an<strong>zu</strong>treffenden Kern von Funktionen8 :<br />
� Evaluierung als Instrument <strong>zu</strong>r begleitenden Analyse der<br />
Entwicklung der Lehrqualität: Im Zentrum steht eine<br />
vergleichsweise neutrale Erfassung unterschiedlicher<br />
Dimensionen der Lehrqualität <strong>und</strong> deren Entwicklung<br />
im Zeitverlauf9 . Entscheidend sind nicht persönliche Zurechnungen<br />
(etwa die Identifikation guter oder schlechter<br />
Lehrender), sondern die Identifikation <strong>und</strong> die Bedeutung<br />
verschiedener Einflussfaktoren. Generell kann<br />
diese Funktion auf zwei Ebenen angestrebt werden: auf<br />
universitärer Ebene als Informationssystem für die Entwicklung<br />
von Qualitätsentwicklungsstrategien; auf Ebene<br />
der Lehrenden oder Studierenden als Feedbacksystem<br />
(siehe nächster Punkt).<br />
� Evaluierung als Feedback-Verfahren: Diese Funktion setzt<br />
vor allem auf die Eigenverantwortlichkeit der Akteure vor<br />
Ort. Feedbackverfahren sind dann besonders sinnvoll,<br />
wenn sie auf die konkreten Bedingungen der spezifischen<br />
Qualitätserbringung Bedacht nehmen10 . Dafür ist nicht<br />
die Vergleichbarkeit der Feedbackinformationen wichtig,<br />
sondern deren Einbettung in den Lehrprozess. Die Feedbackfunktion<br />
ist erfüllt, wenn die Betroffenen (etwa die<br />
Lehrenden oder Studierenden) die Information erhalten<br />
haben (diese kann sich auch auf Empfehlungen beziehen),<br />
weshalb eine Weiterleitung von <strong>Informationen</strong> an<br />
dritte Stellen (etwa das Qualitätsmanagement oder die<br />
Universitätsleitung) nicht erforderlich ist. Insofern bietet<br />
diese Funktion eine hohe Vertraulichkeit <strong>und</strong> damit auch<br />
einen Schutz für die Betroffenen.<br />
� Evaluierung <strong>zu</strong>r Kontrolle der Lehrenden: Hier soll die<br />
Evaluierung vorgesetzten Instanzen Entscheidungskriterien<br />
im Lehrkontext liefern. Vielfach liegt ein Fokus darin,<br />
Druck auf Lehrende aus<strong>zu</strong>üben, sich in der Lehre<br />
verstärkt <strong>zu</strong> engagieren11 . Um dies <strong>zu</strong> leisten, müssen<br />
drei Vorausset<strong>zu</strong>ngen erfüllt sein: die Vergleichbarkeit<br />
der Ergebnisse (daher Standardisierung); eine Kausal<strong>zu</strong>rechnung<br />
der Ergebnisse auf die individuelle Leistung<br />
der Lehrenden (sonst wäre die Kontrollfunktion nicht<br />
gegeben); <strong>und</strong> valide Daten (sonst könnte man den<br />
Ergebnissen nicht vertrauen). In der <strong>Praxis</strong> wird diese<br />
Funktion meist über eine standardisierte Form einer<br />
schriftlichen <strong>und</strong> anonymen Beurteilung der Lehre durch<br />
Studierende umgesetzt.<br />
8 Dabei bleiben einige Funktionen bewusst ausgeblendet, weil diese in der Lehrevaluierung meist einen geringen Stellenwert einnehmen<br />
oder gar nicht als Evaluierung gelten (z.B. die Kontrolle der Studierenden, die in der Regel über das Benotungssystem als<br />
geleistet betrachtet wird; oder die Evaluierung für wissenschaftliche Zwecke, weil die meisten Evaluierungen in Hinblick auf ihrem<br />
Nutzen für universitäre Entscheidungen <strong>und</strong> weniger ihrem Erkenntnisbeitrag konzipiert sind).<br />
9 Zur Identifikation von Faktoren, welche die Qualitätsentwicklung beeinflussen, sind entweder quantitativ orientierte kausalanalytische<br />
Strategien oder in qualitativer Hinsicht die Analyse von Handlungslogiken <strong>und</strong> die Sichtweisen in Hinblick auf Lehrqualität geeignet.<br />
10 Dies erfordert einen flexiblen Einsatz von maßgeschneiderten Verfahren, die sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können (vom<br />
standardisierten Feedbackinstrument, bis <strong>zu</strong> verbalen Kurzfeedbacks oder Fokus-Gruppen) aber gleichzeitig für die Beteiligten mit<br />
wenig Aufwand einsetzbar sind.<br />
11 Dahinter steht ein einfaches Motivationsprinzip, das vorrangig auf Drohung basiert (Ent<strong>zu</strong>g des Lehrauftrags, Bloßstellung durch<br />
Veröffentlichung der Ergebnisse, Einteilung in Kategorien von Lehrenden – etwa die schlechtesten 10% oder auch die besten 10%).<br />
Gerade diese Funktion ist mit vielen Problemen belastet, die bei der mangelnden Erfüllung der Vorausset<strong>zu</strong>ngen beginnen <strong>und</strong> bei<br />
Abwehrstrategien der Lehrenden enden (Rindermann 2003; Taut <strong>und</strong> Brauns 2003); vgl. den Abschnitt <strong>zu</strong>r Komplexität der Lehrevaluierung.