Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass bis vor einem<br />
Jahrzehnt die Universitäten nicht nur eine miserable<br />
Lehrqualität aufwiesen, sondern auch die Konkurrenzfähigkeit<br />
international bemitleidenswert war. Aber nicht alle<br />
vertreten diese Meinung: Von Anfang an war diese umfassende<br />
Reform umstritten <strong>und</strong> eine stetig wachsende<br />
Gruppe formuliert auch <strong>zu</strong>nehmend die Probleme dieser<br />
Entwicklung. Da<strong>zu</strong> kommt, dass die Bologna Reform keineswegs<br />
die einzige Antriebskraft der tiefgreifenden Veränderungen<br />
war. Immerhin musste der Bologna-Prozess<br />
auf nationalstaatlicher Ebene in Universitätsreformen übersetzt<br />
werden, die eigenständige Entwicklungen ermöglichten.<br />
Auch derzeit um sich greifende neoliberale Strömungen<br />
bilden <strong>zu</strong>nehmend den Fokus kritischer Kommentare.<br />
Im Kern wird die Frage gestellt, inwiefern sich Universitäten<br />
nicht von den ursprünglich universitären Funktionen abwenden<br />
<strong>und</strong> <strong>zu</strong>nehmend die Funktion einer weiterführenden<br />
Schulausbildung im Dienste der Wirtschaft übernehmen,<br />
was gerade<strong>zu</strong> als das Gegenteil einer rasanten Qualitätssteigerung<br />
gilt. Insgesamt sind die Einwände gegen<br />
die derzeitige Entwicklung an Universitäten vielfältig, <strong>und</strong><br />
betreffen im Kontext der Lehrqualität unterschiedliche<br />
Punkte, wie beispielsweise:<br />
� Kritisiert wird, dass die Idee von einem Europa des Wissens<br />
im Gegensatz <strong>zu</strong>m Europa der Banken, wie dies in<br />
der „Sorbonne Joint Declaration“ (Paris, 25. Mai 1998)<br />
<strong>und</strong> in der anschließenden Bologna Deklaration angemerkt<br />
wird, so nicht umgesetzt wird. Dass die stark<br />
betriebswirtschaftliche Ausrichtung des universitären<br />
Managements den Erkenntnisgewinn universitärer Bildung<br />
durch die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Ausbildung<br />
ersetzt, die Universitäten von Märkten abhängig<br />
macht <strong>und</strong> Studierende in Markenartikel für K<strong>und</strong>en aus<br />
der Wirtschaft verwandelt (z.B. Zeuner 2008, Albrecht-<br />
Heide 2008, Kellermann 2006), gilt <strong>zu</strong>nehmend als<br />
Qualitätsproblem. Dies konkretisiert sich beispielhaft an<br />
der Betonung von „employability“ als Beschäftigungsfähigkeit6<br />
.<br />
� Bezüglich des Bologna-Prozesses wird bemängelt, dass<br />
die selbstgesteckten Ziele nicht erreicht wurden <strong>und</strong> die<br />
Ausbildungsqualität potentiell unterlaufen wird. In diesem<br />
Zusammenhang meint etwa Nida-Rümelin (2009),<br />
dass die Umstellung keineswegs die Mobilität der Studierenden<br />
steigern konnte <strong>und</strong> nicht einmal die Einheitlichkeit<br />
auf der Basis von ECTS-Punkten gewährleistet<br />
ist7 . Darüber hinaus stellt sie die Frage, wie man<br />
sich in manchen Studien (etwa Theologie, Philosophie,<br />
Kunstgeschichte) parallel <strong>zu</strong> den entsprechenden Fachkenntnissen<br />
in 6 Semestern auch noch die dafür erforderlichen<br />
Sprachkenntnisse aneignen kann.<br />
� Die „Gouvernementalisierung“ der Universitäten<br />
�<br />
schreibt – forciert durch Techniken des New Public Managements<br />
– die Managementmentalität in die Organisation<br />
der Lehr- <strong>und</strong> Lernprozesse ein. Evaluations- <strong>und</strong><br />
Controllingverfahren bilden hierfür Schlüsseltechnologien,<br />
wobei Lehrveranstaltungsevaluierungen offenbar<br />
vorrangig die Aufmerksamkeit auf die Lehrenden lenken,<br />
um diese besser normieren <strong>und</strong> disziplinieren <strong>zu</strong><br />
können, Studierenden hingegen vorgaukeln, die Qualität<br />
der Lehre mitbestimmen <strong>zu</strong> können (Weiskopf 2006).<br />
Die Akkreditierung von Studiengänge bereits vor ihrer<br />
Erprobung hält die Lust an einer erfahrungsgesteuerten<br />
Weiterentwicklung im Zaum, wenn diese nur neue Akkreditierungen<br />
mit all ihren bürokratischen Begleiterscheinungen<br />
nach sich ziehen (Kieserling (2009).<br />
Auch die Entwicklungen in der Lehre bleiben von der<br />
Kritik nicht verschont: Die Tendenz <strong>zu</strong> (vor allem ökonomisch<br />
sparsamen) Multiple-Choice-Klausuren wird als<br />
Förderung von Bulimie-Lernenden oder Bulimie-Didaktik<br />
scharf kritisiert (z.B. Eßling 2009, Kieserling 2009),<br />
weil dies Studierende ermuntert, sich möglichst schnell<br />
mit möglichst viel Prüfungsstoff <strong>zu</strong> befüllen, diesen in<br />
der anschließenden Klausur von sich <strong>zu</strong> geben, ohne<br />
etwas für das weitere Studium <strong>zu</strong> behalten. Studienstrategisch<br />
mag das nützlich sein, dem Erkenntnisgewinn<br />
ist dies kaum <strong>zu</strong>träglich. Seminare sind unter solchen<br />
Bedingungen keine Pflanzstätten des Wissens,<br />
sondern abgeschlossene Lehreinheiten, die vor dem<br />
Kontext prüfungsrechtlicher Erfordernisse absolviert<br />
werden. Folgerichtig spricht Eßling vom Studium als<br />
6 Dieser Aspekt zeichnet sich bereits in der Bologna Deklaration im Verweis auf die Schaffung eines europäischen Hochschulraumes<br />
als Schlüssel <strong>zu</strong>r Förderung von Mobilität <strong>und</strong> der arbeitsmarktbezogenen Qualifizierung seiner Bürger ab. Dabei geht die Idee<br />
weit über die <strong>Praxis</strong>orientierung <strong>und</strong> Berufsorientierung hinaus <strong>und</strong> umfasst auch die Beschäftigungsfähigkeit im Sinne einer Behauptung<br />
am Arbeitsmarkt als anpassungsfähige ArbeitnehmerInnen (vgl. Schindler 2004). Einen ökonomischen Aspekt ortet<br />
auch Scholz (2007), wenn er die Kombination aus staatlichem Spareifer <strong>und</strong> wirtschaftlichem Verwertungsinteresse als Auslöser<br />
für Bologna identifiziert.<br />
7 Die mangelnde Vergleichbarkeit von Studien wird auch im Beitrag von Bachmann (2010) mit Blick auf die „Studienrichtung<br />
Pädagogik an Österreichs Universitäten“ in diesem Heft angesprochen, wenn sie <strong>zu</strong>sammenfassend feststellt, dass der Umfang<br />
der Studieneingangsphase unterschiedlich geregelt ist (10-30 ECTS), eine oder zwei Bachelorarbeiten <strong>zu</strong> verfassen sind, das<br />
Ausmaß des geforderten Praktikums variiert, bei diesem darüber hinaus die <strong>zu</strong> absolvierende St<strong>und</strong>enzahl sehr unterschiedlich in<br />
ECTS umgerechnet wird <strong>und</strong> sich auch die akademischen Titel unterscheiden.<br />
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UNILEX 1–2/2010