Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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Der Rechtsbrecher muss es ernstlich für möglich halten<br />
<strong>und</strong> sich damit abfinden, dass er diese Tatbestandsmerkmale<br />
erfüllt. Da für durchschnittliche BürgerInnen die<br />
rechtliche Bedeutung von typischerweise juristischen Tatbestandmerkmalen<br />
wie der funktionalen Beamteneigenschaft<br />
nur schwer in den Einzelheiten verständlich ist, wird<br />
bei solchen normativen Tatbestandsmerkmalen für die<br />
Beurteilung des Vorsatzes auf die so genannte „Parallelwertung<br />
in der Laiensphäre“ abgestellt <strong>und</strong> danach gefragt,<br />
ob der Täter mit seinem laienhaften Verständnis die<br />
mit einem Begriff verb<strong>und</strong>ene Wertung im Wesentlichen<br />
verstanden hat10 . Für den Beamtenbegriff stellt sich etwa<br />
die Frage, ob jemand erkannt hat, dass er durch sein Handeln<br />
nicht gleichsam privat jemand eine Rechtsposition<br />
verschafft, sondern im Namen des Staates. Da in den hier<br />
diskutierten Fällen Gutachter im Rahmen von Dissertationsoder<br />
Habilitationsverfahren regelmäßig erkennen, dass sie<br />
von Organen der Universität als staatliche Organe mit der<br />
Erstellung eines Gutachtens beauftragt werden, ist ihnen<br />
in ihrer laienhaften Einschät<strong>zu</strong>ng stets bewusst, dass sie im<br />
Namen des Staates <strong>und</strong> daher funktionell als Beamte tätig<br />
werden. Eine genauere Kenntnis des strafrechtlichen Beamtenbegriffs<br />
ist für das Vorliegen von Vorsatz für dieses<br />
Tatbestandsmerkmal nicht erforderlich. Insofern wären Einwände<br />
von Gutachtern, dass sie nicht in einem beamteten<br />
Dienstverhältnis <strong>zu</strong> einer Gebietskörperschaft <strong>zu</strong> stehen<br />
<strong>und</strong> insofern sich nicht bewusst waren, überhaupt ein<br />
Amtsdelikt begehen <strong>zu</strong> können, leicht widerlegbar.<br />
6. Schaden an konkreten Rechten<br />
Zur Erfüllung des Tatbestands des Amtsmissbrauchs ist weiters<br />
der Vorsatz erforderlich, dass ein anderer einen Schaden<br />
an seinen Rechten erleidet. Dieser Schaden muss nicht<br />
tatsächlich eintreten, sondern der Beamte muss einen solchen<br />
Schaden lediglich für möglich halten <strong>und</strong> sich damit<br />
abfinden. Der Anwendungsbereich dieses subjektiven Tatbestandsmerkmals<br />
geht vom Wortlaut der Bestimmung her<br />
sehr weit. Unstreitig fallen alle Individualrechte, die durch<br />
den Missbrauch geschädigt werden sollen, unter diese Bestimmung,<br />
sofern der Rechtsträger nicht in diese Schädigung<br />
ausdrücklich oder mutmaßlich einwilligt11 . Wenn daher<br />
ein Gutachten missbräuchlich erstattet wird, damit ein<br />
Dissertations- oder Habilitationsverfahren nicht positiv abgeschlossen<br />
werden kann, ist der Vorsatz der Schädigung<br />
von Rechten des Dissertations- oder Habilitationswerbers<br />
evident, weil mit einem solchen Verfahrensausgang der Betroffene<br />
im Regelfall nicht einverstanden ist.<br />
Schwieriger sind Fälle <strong>zu</strong> beurteilen, in denen entgegen<br />
der vorliegenden Tatsachen missbräuchlich ein positives<br />
Gutachten erstattet wird <strong>und</strong> es durch den beabsichtigten<br />
positiven Verfahrensausgang keine geschädigten Individualrechte<br />
gibt. Das Recht des Staates auf ordnungsgemäße<br />
Verfahrensdurchführung kann in dieser Pauschalität<br />
nicht Inhalt des Schädigungsvorsatzes sein, weil<br />
jeder Missbrauch den Staat in seinem Recht auf ordnungsgemäßes<br />
Rechtshandeln beeinträchtigt <strong>und</strong> folglich mit<br />
jedem Missbrauchsvorsatz auch ein Schädigungsvorsatz<br />
verb<strong>und</strong>en wäre. Die eigenständige Bedeutung des Schädigungsvorsatzes<br />
würde sich infolgedessen erübrigen; die<br />
ausdrückliche Erwähnung dieses Tatbestandsmerkmals in<br />
§ 302 StGB wäre überflüssig. Wissenschaft <strong>und</strong> <strong>Praxis</strong> sind<br />
darum bemüht, den Anwendungsbereich dieses subjektiven<br />
Tatbestandsmerkmals nach sachlichen Kriterien ein<strong>zu</strong>engen.<br />
Während <strong>zu</strong>m Teil versucht wird, bloße Dienstrechts-<br />
<strong>und</strong> Verfahrensverstöße nicht ausreichen <strong>zu</strong> lassen,<br />
sondern <strong>zu</strong>sätzlich verlangt wird, dass auch der falsche<br />
Inhalt des Hoheitsaktes vom Vorsatz erfasst sein muss12 ,<br />
halten andere den Zeitraum des rechtswidrigen Zustands<br />
für wesentlich <strong>und</strong> wollen den Schädigungsvorsatz bei Verlet<strong>zu</strong>ng<br />
von Hoheitsrechten verneinen, wenn die durch<br />
den Befugnismissbrauch herbeigeführte rechtswidrige Situation<br />
alsbald saniert wird <strong>und</strong> zwischenzeitlich niemandem<br />
Nachteile entstehen13 . Für die hier diskutierten Fälle<br />
positiver Gutachtenserstattungen sind diese Unterschiede<br />
kaum von Bedeutung. Wird durch ein unsachlich positives<br />
Gutachten versucht, ein Dissertations- oder Habilitationsverfahren<br />
<strong>zu</strong> beeinflussen, sollen die mit dem Gutachten<br />
verb<strong>und</strong>enen Konsequenzen dauerhaft eintreten, sodass<br />
nach den beiden hier skizzierten Positionen die einschränkende<br />
Auslegung <strong>zu</strong>r vorsätzlichen Schädigung an Rechten<br />
<strong>zu</strong> keinen unterschiedlichen Ergebnissen führt.<br />
Das Einschränkende an beiden Positionen besteht freilich<br />
darin, dass <strong>zu</strong>m Missbrauchsvorsatz auch ein Vorsatz<br />
hin<strong>zu</strong>kommen muss, durch diesen Missbrauch letztlich ein<br />
unsachliches Ergebnis <strong>zu</strong> erzielen. Der wissentliche Befugnismissbrauch<br />
etwa dadurch, dass aus Zeitgründen die<br />
Tatsachen für ein Gutachten nur schlampig erhoben werden,<br />
kann solange <strong>zu</strong> keinem Amtsmissbrauch führen, als<br />
der Gutachter ernsthaft davon ausgeht, dass das im Gutachten<br />
gefolgerte Ergebnis richtig ist. Wenn der Gutachter<br />
10 Siehe da<strong>zu</strong> etwa Helmut Fuchs, Österreichisches Strafrecht. Allgemeiner Teil I 7 (2008) Kap 14 Rz 21; Diethelm Kienapfel/Frank Höpfel,<br />
Strafrecht. Allgemeiner Teil 13 (2009) Z 15 Rz 8.<br />
11 2 Siehe mit Nachweisen Kienapfel/Schmoller, Strafrecht BT III (2009) § 302 Rz 63; sie führen als Beispiel den Fall an, dass jemand mit<br />
der missbräuchlichen Abfrage <strong>und</strong> Weitergabe personenbezogener Daten einverstanden wäre, weil es um die Organisation eines<br />
Maturatreffens geht.<br />
12 2 Bertel, in: Wiener Kommentar <strong>zu</strong>m StGB (2010) § 302 Rz 96 ff.<br />
13 2 Kienapfel/Schmoller, Strafrecht BT III (2009) § 302 Rz 64.<br />
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UNILEX 1–2/2010