Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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UNILEX 1–2/2010 28<br />
Entscheidung letztlich ein anderes Organ verantwortlich<br />
ist, führt also nicht da<strong>zu</strong>, dass er durch das Gutachten<br />
keinen Amtsmissbrauch begeht, weil dem letztentscheidenden<br />
Organ häufig die Kompetenz für die inhaltliche<br />
Beurteilung der Sachlage fehlt <strong>und</strong> es sich auch nicht über<br />
ein Gutachten ohne weiteres hinwegsetzen kann. Einen<br />
Amtsmissbrauch verwirklicht somit auch, wer eine Entscheidung<br />
vorbereitet <strong>und</strong> letztlich vom gutgläubigen Vorgesetzten<br />
unterfertigen lässt6 .<br />
Handelt der letzte Entscheidungsträger nicht gutgläubig,<br />
weil er die Unsachlichkeit des Gutachtens kennt, aber<br />
dagegen nichts unternehmen will, verwirklicht er mitunter<br />
selbst den Tatbestand des Amtsmissbrauchs. Dies gilt zB<br />
für Kommissionsmitglieder in Habilitations- oder mitunter<br />
auch in Dissertationsverfahren, die ihre Entscheidung auf<br />
Gr<strong>und</strong> offensichtlich unsachlicher Gutachten fällen.<br />
Zwar müssen sie ihre Entscheidung auf die vorliegenden<br />
Gutachten stützen, sie müssen auf Gr<strong>und</strong> der zB im Gesetz<br />
vorgesehenen Qualifikationen aber soweit von Fach sein,<br />
dass sie eine offensichtliche Unsachlichkeit eines Gutachtens<br />
erkennen <strong>und</strong> die daraus erforderlichen Konsequenzen<br />
ziehen7 . Bei offensichtlich unsachlichen Gutachten ist<br />
es nicht mehr möglich, dem überprüfenden Organ eine<br />
Gutgläubigkeit <strong>zu</strong><strong>zu</strong>gestehen.<br />
Der Befugnismissbrauch kann nach überwiegender<br />
Meinung auch durch Unterlassen begangen werden,<br />
etwa indem jemand für die Vornahme eines Hoheitsakts<br />
dienstlich <strong>zu</strong>ständig ist <strong>und</strong> durch Untätigsein verhindert,<br />
dass ein solcher Hoheitsakt (rechtzeitig) <strong>zu</strong> Stande kommt8 .<br />
Durch die dienstliche Zuständigkeit ist er ein so genannter<br />
„Garant“ <strong>und</strong> als solcher verpflichtet, die Amtshandlung<br />
korrekt vor<strong>zu</strong>nehmen. Gerade wenn das <strong>zu</strong>ständige Organ<br />
Zweifel an der Objektivität eines vorliegendes Gutachtens<br />
hat, weil zB die Schlussfolgerungen <strong>zu</strong> einem anderen Gutachten<br />
völlig konträr sind, gehört es <strong>zu</strong> einer korrekten<br />
Tätigkeit, die Widersprüche – allenfalls durch Einholung<br />
eines weiteren Gutachtens – <strong>zu</strong> klären. Wird dies unterlassen,<br />
kann darin ein eigenständiger Amtsmissbrauch liegen.<br />
Schließlich könnte es bereits ein Amtsmissbrauch sein,<br />
wenn durch eine unterlassene (weitere) Gutachterbestellung<br />
ein Verfahren mutwillig verzögert wird, wenn damit<br />
bereits eine Schlechterstellung in einer Rechtsposition des<br />
Betroffenen eintritt. Dem Antragsteller kann jedenfalls<br />
nicht die Aufgabe der Entkräftung eines unsachlichen Gut-<br />
achtens dadurch auf<strong>zu</strong>tragen werden, dass es ihm ohnehin<br />
frei stehe, durch eigene Gutachten für ein objektives Bild<br />
<strong>zu</strong> sorgen. Dies würde in Widerspruch <strong>zu</strong>m Amtsermittlungsgr<strong>und</strong>satz<br />
stehen, der für das Verwaltungsverfahren<br />
<strong>und</strong> damit auch für Dissertations- <strong>und</strong> Habilitationsverfahren<br />
gilt. Eine solche Überwäl<strong>zu</strong>ng der Verantwortung ist<br />
keine taugliche Handlung, um von einem eigenen Amtsmissbrauch<br />
ab<strong>zu</strong>lenken.<br />
4. Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs<br />
Zur Erfüllung des Tatbestandes des Amtsmissbrauchs nach<br />
§ 302 StGB muss der Befugnismissbrauch durch den Beamten<br />
auf subjektiver Seite wissentlich geschehen. Dadurch<br />
werden hohe Anforderungen an den Vorsatz der<br />
handelnden oder unterlassenen Person gestellt. Es reicht<br />
nämlich nicht aus, dass es der Beamte kognitiv für möglich<br />
hält, durch sein Vorgehen die ihm gesetzlich eingeräumte<br />
Befugnis <strong>zu</strong> missbrauchen <strong>und</strong> somit im Sinne der hier<br />
getätigten Ausführungen ein völlig unvertretbares Gutachten<br />
<strong>zu</strong> erstellen, sondern er muss es im Sinne von § 5<br />
Abs 3 StGB sogar für gewiss halten, dass er durch sein<br />
Verhalten gegen Rechtsvorschriften verstößt <strong>und</strong> die vom<br />
Gesetz vorgegebenen Grenzen in unsachlicher Weise überschreitet,<br />
etwa dadurch, dass er im Rahmen eines Gutachtens<br />
die positiven <strong>und</strong> negativen Argumente nicht mit<br />
der gebotenen Sorgfalt nach den Regeln der Kunst (leges<br />
artis) gegeneinander abwägt. Nur wer glaubt, dass sein<br />
Verhalten mit den rechtlichen Rahmenbedingungen gerade<br />
noch vereinbar ist, missbraucht seine Befugnis nicht<br />
wissentlich, selbst wenn diese Interpretation für einen Außenstehenden<br />
kaum nachvollziehbar ist9 . Es geht schließlich<br />
um seine konkrete subjektive Vorstellung. Ob freilich<br />
die Berufung auf die fehlende Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs<br />
von den Strafverfolgungsbehörden auch<br />
geglaubt wird, ist eine Frage der Beweiswürdigung.<br />
5. Vorsatz für die anderen<br />
Tatbestandsmerkmale<br />
Für die anderen objektiven Tatbestandsmerkmale des<br />
Amtsmissbrauchs wie die Beamteneigenschaft oder die<br />
Befugnisausübung in Vollziehung der Gesetze ist im Unterschied<br />
<strong>zu</strong>m Befugnismissbrauch keine gesteigerte Vorsatzform<br />
erforderlich. Es reicht hier der so genannte Eventualvorsatz<br />
(§ 5 Abs 1 2. Halbsatz StGB) als unterste Stufe aus.<br />
6 Siehe etwa OGH 11 Os 173/81 = ÖJZ (EvBl) 1982/73.<br />
7 Gerade im Rahmen von Habilitationsverfahren spielen die ProfessorInnen des Fachbereichs eine zentrale Rolle. Auf ihren Vorschlag<br />
hin haben sie den ProfessorInnen des Senats die Gutachter vor<strong>zu</strong>schlagen (§ 103 Abs 5 UG 2002). Weiters haben sie das Recht,<br />
Stellungnahmen <strong>zu</strong> den Gutachten ab<strong>zu</strong>geben (§ 103 Abs 6 UG 2002). Im Regelfall ist weiters davon aus<strong>zu</strong>gehen, dass die ProfessorInnen<br />
des Fachbereichs auch die Mehrheit in der Habilitationskommission haben (vgl § 103 Abs 7 UG 2002).<br />
8 2 2 Da<strong>zu</strong> näher Bertel, in: Wiener Kommentar <strong>zu</strong>m StGB (2010) § 302 Rz 38 ff; Kienapfel/Schmoller, Strafrecht BT III (2009) § 302 Rz 37<br />
ff.<br />
9 2 Vgl Bertel, in: Wiener Kommentar <strong>zu</strong>m StGB (2010) § 302 Rz 82.