Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
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UNILEX 1–2/2010 24<br />
keiten geworden ist. Die fehlende (Selbst-)Organisationsbereitschaft<br />
von WissenschafterInnen dürfte dennoch<br />
überwiegend auf die Hoffnung <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen sein, eine<br />
der wenigen Dauerstellen <strong>zu</strong> erhalten.<br />
Die Rolle traditioneller<br />
Interessenvertretungen<br />
Eine kollektive Organisierung (UniversitätslehrerInnenverband<br />
- <strong>ULV</strong>, Universitätsprofessorenverband - UPV, Selbstorganisation)<br />
oder ein Gewerkschaftsbeitritt werden von<br />
der befragten Gruppe befristet Beschäftigter daher kaum<br />
in Erwägung gezogen, <strong>zu</strong>mal einerseits dafür Kraft <strong>und</strong> Zeit<br />
fehlen <strong>und</strong> andererseits bestehende Organisationen (wie<br />
etwa die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst = GÖD oder der<br />
Betriebsrat) als wenig effektiv <strong>und</strong> interessenpolitisch kaum<br />
relevant wahrgenommen werden. Obwohl auf Basis unserer<br />
Interviews mit Mitgliedern der betrieblichen <strong>und</strong> überbetrieblichen<br />
Personalvertretung sehr wohl eine Sensibilität<br />
mit dem Thema verortet werden kann, sind deren reale<br />
Handlungsmöglichkeiten im Einzelfall aufgr<strong>und</strong> der oben<br />
genannten Bedingungen tatsächlich eng begrenzt. Der<br />
Gewerkschaft ist es immerhin gelungen, einen Kollektivvertrag<br />
<strong>zu</strong> verhandeln, der die Befristungspolitik der universitären<br />
Personalführung allerdings nur teilweise außer<br />
Kraft setzen wird (siehe Interventionen des BMWF). In den<br />
mikropolitischen Kämpfen um die Frage wer, wann, welche<br />
Laufbahnstellen ausschreiben <strong>und</strong> vergeben darf, spielt der<br />
Betriebsrat (BR) wieder eine größere Rolle (z.B. an der Universität<br />
Graz: Mitwirkung des BR in sog. Personalentwicklungsbeiräten).<br />
Aber auch jene zahlenmäßig abnehmende Gruppe von<br />
WissenschafterInnen der Gruppe I, die beamtet <strong>und</strong> damit<br />
unkündbar sind, weisen – abgesehen von einigen Ausnahmen<br />
– wenig Bereitschaft <strong>zu</strong> kollektivem Engagement<br />
auf. Mit <strong>zu</strong>nehmendem Dienstalter dürfte die Wahrscheinlichkeit,<br />
Gewerkschaftsmitglied <strong>zu</strong> werden oder sich an den<br />
Betriebsrat <strong>zu</strong> wenden, zwar steigen, allerdings wird die<br />
Mitgliedschaft vor allem zweckrational, als individueller<br />
Vorteil (etwa bei früheren Definitivstellungen), interpretiert.<br />
Fragen <strong>zu</strong> Befristungen, <strong>zu</strong> Elternkarenz, sowie Konflikte<br />
auf dem Arbeitsplatz <strong>und</strong> in Verbindung mit Dienstpflichten<br />
stellen Hauptanliegen für eine Kontaktaufnahme<br />
dar.<br />
Die Annahme, dass das Potenzial für manifeste Konflikte<br />
insgesamt <strong>zu</strong>rückgegangen sei, da die <strong>zu</strong>nehmend befristet<br />
Beschäftigten ohnehin das Unternehmen verlassen<br />
würden, wird durch den tatsächlichen Bef<strong>und</strong> nicht bestätigt<br />
(Legat 2009). Dass die hohe Personalfluktuation als<br />
Begleiterscheinung der Dienstrechtsreform von manchen<br />
ProfessorInnen gutgeheißen <strong>und</strong> vor allem der Mittelbau<br />
durch die Universitätsreform geschwächt wurde, ist ein<br />
offenes Geheimnis <strong>und</strong> dürfte ein weiterer Gr<strong>und</strong> für die<br />
mangelnde statusübergreifende Solidarität <strong>und</strong> Protestbereitschaft<br />
an den Universitäten sein.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Befristungspolitik der vergangenen Jahre hat nicht nur<br />
da<strong>zu</strong> beigetragen, dass mehrere Generationen von qualifizierten<br />
NachwuchswissenschafterInnen – häufig geringschätzend<br />
als „WegwerfassistentInnen“ bezeichnet – die<br />
Universität ohne Perspektive einer akademischen Weiterbeschäftigung<br />
wieder verlassen mussten. Mit dem Verlust an<br />
WissenschafterInnen, die nach sechs Jahren Arbeit an ihren<br />
Dissertationen <strong>und</strong> Habilitationen die Fähigkeiten erlangt<br />
haben, eigenständig Forschungsthemen <strong>zu</strong> bearbeiten,<br />
Projekte <strong>zu</strong> akquirieren, <strong>zu</strong> leiten <strong>und</strong> deren Ergebnisse<br />
wieder in die Lehre einfließen <strong>zu</strong> lassen, sind auch aus einer<br />
universitären <strong>und</strong> gesamtgesellschaftlichen Perspektive<br />
wertvolles Wissens- <strong>und</strong> Sozialkapital verloren gegangen.<br />
Ein Betriebsrat einer österreichischen Universität bringt die<br />
Problematik auf den Punkt: „[…] wenn der Betrieb so weiter<br />
geht, wird‘s nur mehr Häuptlinge geben <strong>und</strong> keine Indianer.<br />
Es wird also Professoren, berufene, geben, eine dünne Schicht<br />
von 130 Personen, <strong>und</strong> die 2000 die darunter waren <strong>und</strong><br />
eigentlich die Lehre <strong>und</strong> den ganzen Betrieb aufrecht erhalten,<br />
sind dann in Pension, die wird‘s nicht mehr geben. Und dann<br />
wird‘s die Doktoranden geben, die mit einem Zwei-Drittel-Vertrag<br />
[…]. Wer sich dann in Praktika stellt oder wer Studenten<br />
betreut, […] ich weiß nicht, wer es sein wird“.<br />
Ob der Kollektivvertrag geeignet ist, die Situation <strong>zu</strong> entschärfen,<br />
ist mehr als fraglich. So könnte etwa der extensive<br />
Einsatz von „Senior Lecturers“ mit einem Lehrdeputat,<br />
das etwa jenem eines Gymnasiallehrers entspricht, die<br />
Spaltung des universitären Arbeitsmarkts in Insider (WissenschafterInnen<br />
mit akademischer Laufbahnperspektive)<br />
<strong>und</strong> Outsider weiter verschärfen, die Einheit von Forschung/<br />
Erschließung der Künste <strong>und</strong> Lehre verhindern <strong>und</strong> die<br />
Universitäten <strong>zu</strong> Ausbildungsstätten degradieren.<br />
Der Aufsatz versteht sich daher als Plädoyer für nach US-<br />
Amerikanischem Vorbild gestaltete Universitäten. WissenschafterInnen,<br />
die sich durch eine Dissertation, Habilitation<br />
oder entsprechende Publikationen <strong>und</strong> Lehrerfahrung qualifiziert<br />
haben, werden demnach dauerhaft in die Faculty<br />
eingeb<strong>und</strong>en, arbeiten gemeinsam mit berufenen ProfessorInnen<br />
<strong>und</strong> werden nach gleichen Erfolgsmaßstäben<br />
(z.B. Einwerbung von Drittmittel, Forschungskooperationen,<br />
Publikationen, etc.) wie diese bewertet. Dies würde<br />
die akademische Selbststeuerung (professionelle Logik)<br />
gegenüber der bürokratischen Managementlogik wieder<br />
aufwerten <strong>und</strong> auch (berufenen) ProfessorInnen <strong>zu</strong>gute<br />
kommen.