Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
Informationen zu universitätsrechtlicher Theorie und Praxis 1 ... - ULV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
UNILEX 1–2/2010 20<br />
Professur oder (r)aus? Widersprüche der<br />
Personalpolitik an Universitäten<br />
Susanne Pernicka<br />
Einleitung<br />
Wenn in der gegenwärtigen Dienstleistungs- <strong>und</strong> Wissensgesellschaft<br />
von Tendenzen der Individualisierung, Desorganisierung<br />
(Lash/Urry 1987, Offe 1985) <strong>und</strong> Entsolidarisierung<br />
(Baethge 1991; Zoll 1996) die Rede ist, dann<br />
können WissenschafterInnen wohl als Prototyp dieser Entwicklungen<br />
herangezogen werden. Hochqualifiziert <strong>und</strong><br />
problemlösungsorientiert, individualistisch <strong>und</strong> einem permanenten<br />
Wettbewerb um aussichtsreiche Ideen <strong>und</strong> Konzepte<br />
mit ihren „Peers“ ausgesetzt, gelten WissenschafterInnen<br />
als kaum kollektiv organisierbare Beschäftigtengruppe.<br />
Erfolg <strong>und</strong> damit eine Laufbahn- oder Dauerstelle<br />
im universitären Wissenschaftssystem werden als Ergebnis<br />
großen persönlichen Einsatzes <strong>und</strong> individueller Begabung<br />
wahrgenommen, etwaige strukturelle Hindernisse häufig<br />
als Un<strong>zu</strong>länglichkeiten des/der Einzelnen uminterpretiert.<br />
Dies gilt solange, als <strong>zu</strong>mindest ein Teil der eigenen Alterskohorte<br />
universitäre Karriere machen kann. Spätestens seit<br />
der Dienstrechtsnovelle 2001, dem Universitätsgesetz 2002<br />
(Novelle 2009), der Einführung des privaten Arbeitsrechtes<br />
<strong>und</strong> der teilweise sehr restriktiven Auslegung dieser Gesetze<br />
durch die Universitätsleitungen ist aber selbst Letzteres<br />
nicht mehr garantiert. Und auch der seit 1.10.2009 geltende<br />
Kollektivvertrag dürfte die Situation nur partiell entschärfen.<br />
Prekäre Arbeitsbedingungen, mangelnde Laufbahnperspektiven<br />
<strong>und</strong> persönliche Abhängigkeiten prägen<br />
vor allem in jenen akademischen Disziplinen das Bild, in<br />
denen Exit-Optionen aus dem Feld mit großen Einbußen<br />
an Wissenskapital <strong>und</strong> Einkommen verb<strong>und</strong>en sind (z.B.<br />
Geistes- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften). Jüngste Versuche des<br />
(selbst-)organisierten Widerstands (z.B. Zukunft der Wissenschaft;<br />
Plattform für Drittmittelangestellte; IG Externe<br />
LektorInnen <strong>und</strong> freie WissenschafterInnen) sind Ausdruck<br />
eines neuen kollektiven Selbstverständnisses - <strong>zu</strong>mindest<br />
eines Teils der WissenschafterInnen. Mangelnde Mobilisierungs-<br />
<strong>und</strong> Durchset<strong>zu</strong>ngsfähigkeit, fehlende öffentliche<br />
Aufmerksamkeit <strong>und</strong> (berechtigte?) Berührungsängste <strong>zu</strong><br />
traditionellen Formen der Vertretung (Gewerkschaft, Uni-<br />
versitätslehrerInnenverband (<strong>ULV</strong>), Professorenverband<br />
(UPV); Betriebsrat) trüben allerdings die Hoffnungen auf<br />
eine nachhaltige Interessenorganisation <strong>und</strong> -durchset<strong>zu</strong>ng.<br />
Wodurch werden die Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit <strong>zu</strong>r kollektiven<br />
Interessenartikulation von WissenschafterInnen bestimmt?<br />
Auf welche individuellen <strong>und</strong> kollektiven Machtressourcen<br />
können sich WissenschafterInnen stützen? Und<br />
welchen Einfluss haben die genannten Reformen auf deren<br />
Durchset<strong>zu</strong>ngsfähigkeit? Diese <strong>und</strong> weitere Fragen wurden<br />
in einem Forschungsprojekt1 adressiert, das an der Universität<br />
Wien in Kooperation mit Management Austria (KM-A)<br />
von 2007-2009 durchgeführt <strong>und</strong> durch den Österreichischen<br />
Forschungsförderungsfonds (FWF) finanziert wurde.<br />
Für die Untersuchung an den Universitäten wurden<br />
acht Beschäftigte <strong>und</strong> fünf BetriebsrätInnen an der Universität<br />
Wien <strong>und</strong> an der TU Wien interviewt, sowie 602 Fragebögen<br />
(Online-Survey) von Beschäftigten <strong>und</strong> BetriebrätInnen<br />
an allen österreichischen Universitäten in den Bereichen<br />
Sozialwissenschaften sowie Natur- <strong>und</strong> Technikwissenschaften<br />
ausgewertet.<br />
Problemhintergr<strong>und</strong><br />
Der in Europa in den 1980er Jahren einsetzende Trend in<br />
Richtung Managementlogik (Seeböck 2002, 22) bzw. New<br />
Public Management an den Universitäten folgte die Österreichische<br />
Gesetzgebung mit den Reformen des Universitätsorganisationsgesetzes<br />
(UOG) im Jahr 1993 <strong>und</strong> des Universitätsgesetzes<br />
(UG) 2002. Damit wurde die akademische<br />
Selbststeuerung <strong>zu</strong>nehmend durch die Organisationsprinzipien<br />
bzw. Steuerungslogiken Markt <strong>und</strong> Hierarchie ersetzt.<br />
Die Universitäten erhielten institutionelle Autonomie in<br />
Form voller Rechtsfähigkeit sowie in Personal- <strong>und</strong> Budgetfragen<br />
<strong>und</strong> die Kompetenzen des Universitätsmanagements<br />
wurden drastisch gestärkt. Gleichzeitig kam es <strong>zu</strong> erheblichen<br />
Abstrichen im universitären Mitbestimmungsmodell<br />
(Sandner 2006, 280). Das Rektorat (Rektor/in <strong>und</strong> die Vizer-<br />
1 Nähere <strong>Informationen</strong> <strong>zu</strong> dem Forschungsprojekt sind der Homepage www.knowledgework.co.at <strong>und</strong> der aktuellen Buchpublikation<br />
Pernicka, S., A. Lasofsky-Blahut, M. Kofranek <strong>und</strong> A. Reichel (2010), Wissensarbeiter organisieren. Perspektiven kollektiver Interessenvertretung.<br />
Berlin: Edition Sigma <strong>zu</strong> entnehmen.