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Lebenszeiten_2012_04 (PDF) - Hospiz Wuppertal Lebenszeiten eV

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Nr.<br />

35<br />

<strong>Lebenszeiten</strong><br />

Zeitschrift <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong><br />

Thema Erinnerung<br />

<strong>Hospiz</strong>dienst <strong>Lebenszeiten</strong> e.V.<br />

Nicht vorüber<br />

Was vorüber ist<br />

ist nicht vorüber<br />

Es wächst weiter<br />

in deinen Zellen<br />

ein Baum aus Tränen<br />

oder<br />

vergangenem Glück<br />

Rose Ausländer (1901–1988)


02 LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> An unsere Leserinnen und Leser<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

unser Leben ist Erinnerung. Über Erinnerungen kreieren wir<br />

unsere Lebensgeschichte und verleihen ihr Individualität, Kontinuität<br />

und Sinn. »Wir sind, woran wir uns erinnern«, sagt der<br />

Hirnforscher Eric Kandel.<br />

Verstorbene leben weiter in den Erinnerungen der Menschen,<br />

die ihren Weg begleitet haben. »Erinnerungen sind einer der<br />

sichersten Orte für den Verstorbenen.« Aufgrund dieser<br />

Erfahrung entwickelte der Psychologe Roland Kachler, Verfasser<br />

mehrerer Bücher über Trauerarbeit, einen eigenen Ansatz zur<br />

Trauerbewältigung und -begleitung.<br />

Woran erinnern wir uns? Besonders an Erlebnisse, die neue<br />

Erfahrungen erschlossen haben, die legendären ersten Male.<br />

Sie hinterlassen einen intensiven Eindruck. So erinnert sich<br />

Joachim Schau an seinen ersten Schultag, der zudem noch eine<br />

dramatische Vorgeschichte hatte. (S. 13)<br />

Anders funktioniert das Erinnerungsmuster »Alle Jahre<br />

wieder«. Weihnachten, der alljährliche Sommerurlaub am selben<br />

Urlaubsort verschwimmen in der Erinnerung zu einem Gesamteindruck.<br />

Das Weihnachtsfest ihrer Kindheit ist Thema des<br />

nostalgischen Beitrags von Monika Röttgers. (S. 12) Im<br />

Rückblick erscheint es ihr »wie ein innerer Schatz«.<br />

Solch beglückende Erinnerungen hatte wohl der Dichter<br />

Jean Paul im Sinn, als er formulierte: »Erinnerung ist das einzige<br />

Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.«<br />

Es gibt aber Erinnerungen, die nicht paradiesisch sind, die<br />

schmerzen. Sie werden oft ausgespart und verdrängt. Das gilt<br />

auch im Hinblick auf Verstorbene, wie die evangelische Theologin<br />

und Therapeutin Renate Schatz darlegt: »Negative Erin-


nerungen sind gefährliche<br />

Erinnerungen.« Ihr Beitrag<br />

aus der Sicht einer Trauerbegleiterin<br />

(S. 10) wie auch der<br />

sehr persönliche Text von<br />

Reinhild Behrendt über ihren<br />

Vater (S. 15), veranschaulichen,<br />

dass wir von Verstorbenen<br />

erst dann versöhnlich<br />

Abschied nehmen können,<br />

wenn wir auch schmerzliche<br />

Erinnerungen zugelassen<br />

haben.<br />

Unsere individuellen Erin-<br />

Foto: Privat<br />

nerungen sind Teil der kollektiven<br />

Erinnerung und daher auch geprägt vom Zeitgeschehen<br />

und dem regionalen Umfeld. Der <strong>Hospiz</strong>dienst <strong>Lebenszeiten</strong><br />

trägt <strong>Wuppertal</strong> in seinem offiziellen Namen. Und so passt es<br />

gut, dass Frank Khan in seinem Grußwort an erloschene Highlights<br />

<strong>Wuppertal</strong>s bzw. Elberfelds erinnert. (S. 22)<br />

Die Illustration dieser Ausgabe war ein Anlass, wieder einmal<br />

in den Fotoalben unserer Familie zu blättern. Fotos sind viel<br />

mehr als eine Gedächtnisstütze. Sie generieren Erinnerungen,<br />

eigene und vielleicht auch Ihre, liebe Leserin, lieber Leser?<br />

Ihre<br />

An unsere Leserinnen und Leser LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 03<br />

PS: Wir freuen uns über Ihre Post!<br />

info@hospizwuppertal.de


<strong>04</strong> LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> Inhalt<br />

Inhalt<br />

02 An unsere Leserinnen und Leser<br />

06 Im Gespräch mit Dr. med. Ursula Bönnen-Scriba,<br />

der Leiterin des Städtischen Altenpflegeheims Am Diek<br />

Thema »Erinnerung«<br />

10 Trauer braucht Erinnerung Renate Schatz,<br />

Trauerbegleiterin und systemische Therapeutin,<br />

über die befreiende Kraft der Erinnerung<br />

12 Verstreute Erinnerungen – Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter erzählen<br />

Monika Röttgers: Weihnachten<br />

Joachim Schau: Mein erster Schultag<br />

Reinhild Behrendt: Mein Vater<br />

Die nächste Ausgabe<br />

der Zeitschrift »<strong>Lebenszeiten</strong>«<br />

erscheint im August <strong>2012</strong>.


Aus dem Verein<br />

17 Neujahrsempfang Gut gelaunt wurde nach einem<br />

äußerst positiv verlaufenen Vereinsjahr gefeiert.<br />

18 Konzeptworkshop An der Schnittstelle zwischen Tradition<br />

und Wandel entwickelten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

gemeinsam Perspektiven für den <strong>Hospiz</strong>dienst.<br />

Rubriken<br />

20 Buch-Tipp Momente des Erinnerns – Vorlesebücher wecken<br />

Erinnerungen bei alten und demenzkranken Menschen.<br />

21 Internet-Tipp Die neue Website des <strong>Hospiz</strong>diensts<br />

<strong>Lebenszeiten</strong> ist im Netz.<br />

21 Termine Trauerspaziergang – Café <strong>Lebenszeiten</strong><br />

Auf den Weg gegeben<br />

Inhalt LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 05<br />

22 Von Frank Khan Selten war die Überschrift dieser Rubrik<br />

so wörtlich zu nehmen: Der Verfasser ist regional und<br />

überregional bekannt für seine stadthistorischen Führungen.<br />

Hier erinnert er an ehemalige Attraktionen <strong>Wuppertal</strong>s bzw.<br />

Elberfelds.


06 LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> Im Gespräch<br />

Dr.med.<br />

Ursula Bönnen-Scriba<br />

Im Gespräch vor Ort mit der Leiterin<br />

des Städtischen Altenpflegeheims Am Diek<br />

Die Fragen stellte Saskia Zierold / Redaktion • Die berufliche Laufbahn<br />

von Dr.med. Ursula Bönnen-Scriba ist seit einundzwanzig Jahren<br />

mit dem Haus Am Diek verbunden. Im Rahmen des damals<br />

noch bestehenden heimärztlichen Diensts betreute sie mit zwei<br />

Kolleginnen mehrere Heime rund um die Uhr, darunter auch das<br />

Altenpflegeheim Am Diek. Seit zehn Jahren leitet sie die Einrichtung.<br />

Im Gespräch wird spürbar, dass das Heim Am Diek zu ihrer Lebensaufgabe<br />

geworden ist.<br />

Das Altenpflegeheim Am Diek hat 125 Bewohner. Bei meinem<br />

Besuch erlebte ich die Atmosphäre dort als freundlich und lebendig.<br />

Im Rahmen der angestrebten Kooperation mit den Städtischen<br />

Alten- und Pflegeheimen ergab sich eine Zusammenarbeit mit dem<br />

<strong>Hospiz</strong>dienst <strong>Lebenszeiten</strong>.<br />

Frau Dr. Bönnen, das Altenpflegeheim Am Diek ist eines von<br />

sieben Städtischen Heimen.<br />

Was ist für Sie das Besondere<br />

an dem von Ihnen geleiteten<br />

Heim?<br />

Zunächst einmal: Es heißt<br />

heute laut politischem Willen<br />

nicht mehr Heim, sondern<br />

Einrichtung. Ich denke, am<br />

wichtigsten ist, dass wir ein<br />

gutes Heim sind, aber das ist<br />

nichts Besonderes, trotz allem,<br />

was es da in der öffentlichen<br />

Meinung an Vorurteilen gibt.<br />

Foto: Privat<br />

Was unser Haus früher schon,


Im Gespräch LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 07<br />

aber auch heute noch besonders charakterisiert, ist der hohe<br />

Anteil Demenzkranker in der Einrichtung. Es gibt auch einen<br />

besonderen beschützenden Wohnbereich für Demenzkranke.<br />

Wie sieht die Kooperation mit dem <strong>Hospiz</strong>dienst <strong>Lebenszeiten</strong><br />

in der Praxis aus?<br />

Es ist ein ungeheuer gutes Gefühl, wenn es gelingt, einem<br />

Menschen die Zeit des Sterbens gut zu gestalten. Das geschah<br />

und geschieht hier in vorderster Linie durch unsere Pflegekräfte,<br />

unterstützt von Mitarbeitern aus dem sozialtherapeutischen<br />

Bereich und Mitgliedern der Kirchen. Schon vor Jahren haben<br />

ehrenamtliche Helferinnen bei so manchen Sterbenden viele<br />

Stunden am Bett gesessen.<br />

Solche Ehrenamtler oder Ehrenamtlerinnen können wir<br />

nun auch immer wieder vom <strong>Hospiz</strong>dienst anfordern. Wenn<br />

der Zustand eines Bewohners darauf hinweist, dass das Leben<br />

zu Ende gehen wird, sprechen die Pflegekräfte mit mir oder<br />

der Pflegedienstleitung darüber, wenn ein Besuchsdienst vom<br />

<strong>Hospiz</strong>verein angebracht erscheint. Recht kurzfristig finden die<br />

Koordinatorinnen des <strong>Hospiz</strong>dienstes eine geeignete Person,<br />

die im Schnitt einmal wöchentlich einen Besuch bei den Kranken<br />

macht. Ich bin begeistert, wie gut diese Helferinnen auf eine<br />

solche Tätigkeit vorbereitet sind. Sehr sensibel finden sie auch<br />

bei den Schwerstkranken eine Kommunikationsmöglichkeit –<br />

etwas, was Ehrenamtlern nicht in den Schoß fällt, – und suchen<br />

Wege, noch eine Freude zu machen.<br />

Gibt es im Heim Am Diek nach dem Tod von Bewohnern<br />

besondere Rituale?<br />

Die Dankbarkeit vieler Angehöriger bestätigt mir immer<br />

wieder, wie fürsorglich und einfühlsam unsere Pflegekräfte die<br />

Sterbenden begleiten. Wenn jemand verstorben ist, bleibt er<br />

natürlich noch einige Stunden im vertrauten Zimmer. Dort<br />

wird er nach angemessener Zeit von den Pflegekräften frisch<br />

gemacht, frisch angezogen, wenn möglich so, wie der Bewohner<br />

es sich vorher gewünscht hat, und mit Blumen versehen.<br />

Angehörige, Mitarbeiter und auch Mitbewohner können da<br />

Abschied nehmen. >


08 LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> Im Gespräch<br />

In unserer Gedenkecke wird dann ein Foto des Bewohners<br />

aufgestellt. Das Foto sollte möglichst typisch für den oder die<br />

Verstorbene sein, so darf ein Raucher durchaus auch mit<br />

Zigarette abgelichtet werden. Das Foto verbleibt in der Gedenkecke,<br />

bis wir eine Gedenkfeier für die Verstorbenen der letzten<br />

Monate abgehalten haben. Danach wird das Foto in das Album<br />

der Gedenkecke geklebt. Auch in unserer Heimzeitung gibt es<br />

einen kleinen Nachruf.<br />

Wie sieht die Zukunft von Alten- und Pflegeheimen aus, und<br />

welche Bedeutung haben sie in einer zunehmend alternden<br />

Gesellschaft?<br />

Trotz aller Modelle für eine andersgeartete Versorgung alter<br />

Menschen zum Beispiel in Selbstverwaltung, die teilweise sehr<br />

faszinierend sind, halte ich klassische Heime weiter für unverzichtbar.<br />

Diese Menschen sind eben nicht nur alt, sondern<br />

vielfach auch körperlich sehr krank oder eben durch die Demenz<br />

zu keinem eigenständigen Leben mehr imstande. Das kann<br />

auch keine Alten-WG auffangen. Und es gibt immer mehr<br />

Menschen, die keine Familie haben, die wenigstens einen Teil<br />

der Hilfe übernehmen könnte.<br />

Wo möchten Sie Ihre letzten Lebensjahre verbringen?<br />

Zuhause möchte ich nur dann bleiben, wenn ich gesund<br />

und fit bliebe und möglichst auch nicht alleine wäre. Wenn das<br />

aber nicht mehr gegeben ist, möchte ich nicht an mein Zuhause<br />

gefesselt sein und dort vereinsamen. Ich hoffe, dann eine Einrichtung<br />

zu finden wie die, in der ich heute arbeite. Ehrlich<br />

gesagt, ich habe mir schon das schönste Zimmer hier ausgesucht<br />

… In einer solchen Einrichtung gibt es Hilfe rund um die Uhr<br />

und jeden Tag Aktivitäten wie in einem schönen All-inclusive-<br />

Hotel. Auf Reisen suche ich in Hotels auch immer nach<br />

Anregungen, die wir übernehmen könnten. Und ich hoffe, dass<br />

man dann auch so auf meine spirituellen Bedürfnisse eingeht,<br />

wie wir es hier heute tun.<br />

Frau Dr. Bönnen, ich bedanke mich für dieses Gespräch! •


Erinnerung


10 LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> Trauer braucht Erinnerung<br />

Trauer braucht Erinnerung<br />

Von Renate Schatz / Systemische Therapeutin DGSF • Die Verfasserin,<br />

Trauerbegleiterin und evangelische Theologin, berichtet aus Theorie<br />

und Praxis von den Aufgaben einer professionellen Trauerbegleitung.<br />

Eine ältere Dame, ca. 70 Jahre, kam zu mir in die Einzelbegleitung<br />

nach dem Tod ihres Mannes, der nach einem Wohnungsbrand<br />

in ein Krankenhaus eingeliefert worden war und nach drei<br />

Wochen verstarb. Auf seinen Wunsch hin hatte sie einer anonymen<br />

Bestattung zugestimmt. Die Frau war selbst auch leicht<br />

verletzt durch den Brand, kam aber in ein anderes Krankenhaus.<br />

Sie hat ihren Mann nicht mehr tot gesehen. Als sie zu mir kam,<br />

war sie depressiv und hatte undefinierbare Schmerzen. Über<br />

ihren Mann und die gemeinsamen vierzig Jahre konnte sie<br />

wenig erzählen. Durch viele Gespräche, einen Besuch in der<br />

Fachklinik für Brandopfer und ein Gespräch mit der behandelnden<br />

Ärztin wurde es möglich, dass die Frau sich mit dem Verlust<br />

beschäftigen konnte. Nun bereute sie die anonyme Beisetzung.<br />

Nach einer Recherche beim zuständigen Friedhof machte ich<br />

mit ihr und ihrem Bruder einen Besuch an dem Ort der Urnenbestattung,<br />

wo ich ein Ritual des Abschieds an der nicht gekenn-<br />

Foto: Privat<br />

zeichneten Grabstelle durchführte.<br />

Dieses gab ihr Gewissheit<br />

über den Verlust. Danach<br />

konnte sie ihre Lebenserinnerungen<br />

mitteilen, ungelöste<br />

Konflikte durchgehen und<br />

schöne Erlebnisse wertschätzen.<br />

So kam ihre Trauer ins<br />

Fließen und nach einem<br />

halben Jahr war sie wieder<br />

lebensfroh. Sie suchte nach<br />

einer passenden Begleitung für<br />

eine Reise. Sie hatte den Verlust<br />

integriert.


Trauer braucht Erinnerung LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 11<br />

An diesem Beispiel wird deutlich: Trauerbegleitung unterstützt<br />

und ermöglicht Erinnerungen. Wenn die Erinnerungen durch<br />

einen Schock oder zusätzlich durch Abwesenheit in der<br />

Sterbestunde blockiert sind, kann die Trauer nicht in Gang<br />

kommen.<br />

Erinnerung ist eine wesentliche Ressource im Trauerprozess<br />

Trauer entsteht aus der Erfahrung eines signifikanten Verlustes.<br />

Freud sprach von Trauerarbeit, heute wird eher von<br />

Trauerbewältigung und von Integration des Verlustes gesprochen.<br />

Die Fachliteratur kennt verschiedene Ansätze, den Prozess<br />

der Trauer zu beschreiben. Ich wähle das Modell der Trauerverarbeitung<br />

nach William Worden.<br />

Vier Aufgaben der Trauer<br />

Realisation des Verlustes: Dazu ist es nötig, mit dem Tod<br />

auf der Erfahrungsebene konfrontiert zu werden. Hat ein Angehöriger<br />

den Verlust nicht realisiert, so fehlt ihm ein Teil der<br />

Erfahrung, die ihn / sie mit dem Erlebnis des Verlustes verbindet.<br />

Dazu braucht es im Rückblick die Erinnerung an das Ereignis<br />

des Todes. Hat er / sie den Tod nicht selbst miterlebt, und wurde<br />

dieser von dritten übermittelt, wie oft nach einem tödlichen<br />

Unfall oder Suizid, so kann es zur Störung in der Trauerverarbeitung<br />

kommen. Damit wird Erinnerung verhindert: Was<br />

ich nicht erlebt habe, kann ich nicht erinnern. Der Verlust wird<br />

emotional abgedrängt und kann nicht integriert werden.<br />

Validierung des Verlustes: Hier geht es darum, den Verlust<br />

zu ermessen und dafür einen Ausdruck zu finden, Das geschieht<br />

meist, indem die Angehörigen sich mitteilen über den Verstorbenen.<br />

Auch hier braucht es Erinnerung. In einer professionellen<br />

Trauerberatung werden die Betroffenen unterstützt, die schmerzhaften<br />

und die positiven Erfahrungen miteinander zu verknüpfen,<br />

damit aus Schmerz auch Anerkennung für die Lebensleistung<br />

des Verstorbenen und auch Dankbarkeit für die gemeinsame<br />

Lebenszeit erwachsen kann. Die gemeinsame Geschichte<br />

wird neu erzählt und wird variiert, damit der Verlust erträglich<br />

ist. Dabei kann man nicht von objektiven Erinnerungen sprechen.<br />

Oft erinnern Trauernde zuerst die positiven Seiten des >


12 LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> Verstreute Erinnerungen<br />

Verstorbenen, was ihrem Bedürfnis nach weiterer Bindung<br />

entspricht. Erst im Verlauf der Trauer, wenn die innere Distanz<br />

zum Verlusterleben größer wird, können auch unangenehme<br />

Erinnerungen wieder ins Bewusstsein kommen. Das Unbewusste<br />

hält sie zurück, solange die Psyche keine Möglichkeit hat, diese<br />

zu verarbeiten. Negative Erinnerungen sind gefährliche Erinnerungen.<br />

Durchleben des Verlustes: Die Aufgabe der Trauerbegleitung<br />

besteht in der Unterstützung, dass Trauernde sich wieder<br />

in der Welt zurechtfinden. Dabei können Rituale, Gedenkfeiern,<br />

Friedhofsbesuche, Besuche von wichtigen Orten der<br />

gemeinsamen Lebensgeschichte einen Impuls geben, den Verlust<br />

zu integrieren.<br />

Die Integration des Verlustes wird möglich, wenn die Trauer<br />

ins Fließen gekommen ist und alle Aspekte der gemeinsamen<br />

Geschichte angenommen werden können. Die Erinnerung wird<br />

somit neu definiert und als akzeptierte Vergangenheit in das<br />

Konzept vom eigenen Selbst integriert. Damit wird der Blick<br />

auf andere Perspektiven frei. Trauernde fühlen sich gestärkt<br />

und werden wieder selbstbewusst (d.h. ihrer selbst bewusst),<br />

um Kontakte zu knüpfen und ein neues Leben im alten zu<br />

beginnen.<br />

»Das Geheimnis der Erlösung ist Erinnerung«, heißt ein jüdisches<br />

Sprichwort. Die Integration des Verlustes eines nahen<br />

Menschen bedeutet für die Angehörigen ein Stück Erlösung zu<br />

neuem Leben. Dazu braucht es die befreiende Kraft der Erinnerung.<br />

•<br />

Weihnachten<br />

Von Monika Röttgers / Vorstand<br />

Ich erinnere mich dankbar, fast wehmütig an das Weihnachten<br />

meiner Kinderzeit: gespanntes Warten auf Heilig Abend,<br />

geheimnisvolle Gaben – der traditionelle Kartoffelsalat und<br />

Würstchen waren auch etwas Besonderes …<br />

Es gab auch einige Pein, vielleicht ein Gedicht lernen und<br />

aufsagen, auf jeden Fall aber abends bei Wind und Wetter in


Verstreute Erinnerungen LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 13<br />

die Innenstadt gehen (zwanzig Minuten Fußweg), wo von einem<br />

Kirchturm das »Soester Gloria« gesungen wurde, von dem man<br />

je nach Windrichtung manchmal kaum etwas verstand.<br />

Aber dann kam ich wieder in die warme Stube, wo uns<br />

zwischenzeitlich das Christkind beschert hatte, das neben dem<br />

Weihnachtsbaum in der Krippe lag. Dieses »Mysterium« störte<br />

mich nicht, auch später nicht, als ich größer wurde und begriff,<br />

wer die Bescherung besorgt hatte.<br />

Das Weihnachten meiner Kinderzeit kommt mir heute wie<br />

ein innerer Schatz vor. •<br />

Mein erster Schultag<br />

Von Joachim Schau / Vorstandsvorsitzender<br />

Dass Freude und Leid oft ziemlich eng beieinander liegen können,<br />

habe ich bereits im Alter von sieben Jahren erfahren. Und<br />

dies ging so: Im Jahre 1954, dem Jahr meiner Einschulung, lebte<br />

ich mit meinen Eltern in Riesa an der Elbe in Sachsen. Wie die<br />

meisten Kinder in meinem Alter liebte ich es, draußen mit<br />

Freunden zu spielen. Beim Spiel »Cowboy und Indianer« >


14 LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> Verstreute Erinnerungen<br />

stach mir ein Spielkamerad – natürlich ohne Absicht – mit<br />

einem Stock ins Auge. Der Verletzung war so schlimm, dass ein<br />

Verlust des Auges drohte. Nur eine Operation in einer Klinik<br />

in Meißen konnte das Auge retten. Dies alles wäre nicht besonders<br />

erwähnenswert, wenn es nicht ausgerechnet zwei Monate<br />

vor der Einschulung passiert wäre, einem Ereignis, auf dass ich<br />

mich schon Monate vorher gefreut hatte. Der Krankenhausaufenthalt<br />

dauerte etwa zwei Monate. Mit einer Augenbinde<br />

versehen, durfte ich an der Einschulungszeremonie teilnehmen.<br />

Ich erinnere mich an die große Schultüte voll mit Süßigkeiten,<br />

in Sachsen wohl Zuckertüte genannt. Zusammen mit anderen<br />

Schultüten hing sie an einem Baum auf dem Schulhof. Meine<br />

Mutter und meine Oma haben mich an diesem ersten Schultag<br />

begleitet. Ich denke noch heute gerne daran, wie freundlich der<br />

Klassenlehrer meine neuen Klassenkameradinnen und<br />

Klassenkameraden begrüßt hat. Der Rektor hielt eine<br />

Begrüßungsansprache. Danach sang der Schulchor. Uns wurde<br />

das neue Klassenzimmer gezeigt. Jeder bekam seinen Platz vom<br />

Klassenlehrer zugewiesen. Endlich wurden uns die Schultüten,<br />

die vorher von den Eltern beschafft wurden, ausgehändigt. Bei<br />

Limonade (für die Erwachsenen Kaffee) und Kuchen klang<br />

dieser schöne Tag aus. Leider konnte ich erst drei Wochen später<br />

am Unterricht teilnehmen. •


Erinnerungen an meinen Vater<br />

Von Reinhild Behrendt / Koordinatorin<br />

Verstreute Erinnerungen LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 15<br />

Im April letzten Jahres starb mein Vater. Ihm fiel es schwer zu<br />

gehen, obwohl sein Körper keine Kraft mehr hatte. Bis zum<br />

Schluss war er geistig klar und sich sehr bewusst, dass es ums<br />

Sterben ging. Er hasste es und war zeitweise voller Wut. Wenn<br />

ich heute, nach gut einem Jahr, an ihn denke, tauchen meist<br />

Bilder aus meiner Kindheit auf. Bestimmte Situationen, Gerüche<br />

u. ä. wecken die Erinnerungen.<br />

So war er gerne für Späße zu haben und hatte keine Scheu,<br />

sich dabei auch lächerlich zu machen. Es gibt ein Foto, wie er<br />

an einem heißen Sommertag mit drei Kindern zusammen in<br />

einem kleinen aufblasbaren Planschbecken sitzt, mit Hut,<br />

Sonnenbrille, die Tageszeitung lesend. Ich fand das toll.<br />

Er ging sehr gerne wandern, und so mussten wir als Kinder<br />

im Urlaub mit ihm über Berg und Tal, ob wir wollten oder<br />

nicht. Heute wandere ich selbst gerne, und wenn ich unterwegs<br />

bin und auf einer Bank am Waldrand eine Rast einlege, sitzt er<br />

manchmal neben mir und wir genießen gemeinsam die laue<br />

Luft, das Rauschen der Blätter in den Bäumen, den weiten Blick.<br />

Jetzt fangen die Amseln wieder an zu singen. Wenn ich sie<br />

höre, sehe ich meinen Vater im Sommer abends auf der Terrasse<br />

im Garten sitzen, sein Feierabendbier trinken und dem Vogelgesang<br />

lauschen. Als Jugendliche habe ich mich manchmal zu<br />

ihm gesetzt, und wir haben diese besondere Abendstimmung<br />

gemeinsam genossen.<br />

Es sind solche Erinnerungen, die manchmal unversehens<br />

auftauchen, mich überraschen und berühren. Es gab natürlich<br />

auch die Zeiten des Streites, des Sich-fremd-Seins, des Miteinander-Haderns.<br />

Aber seltsamerweise tauchen diese Erinnerungen<br />

nicht so unvermittelt auf, sondern eher beim bewussten Erinnern<br />

und Erzählen mit meinen Schwestern.<br />

Und die angenehmen Erinnerungen, die jetzt hier und da<br />

aufblitzen, helfen mir, mich mit den Brüchen in unserer<br />

Beziehung zu versöhnen und damit auch letztendlich innerlich<br />

von ihm Abschied zu nehmen. •


Aus dem Verein


Neujahrsempfang<br />

Neujahrsempfang LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 17<br />

Am Sonntag, den 22. Januar <strong>2012</strong>, trafen sich über 50 Gäste – Mitglieder,<br />

Freunde und Förderer des Vereins – im Kirchsaal des<br />

Lutherstifts zu der traditionellen und beliebten Veranstaltung.<br />

2011 war ein arbeitsreiches Jahr: Neue Kooperationen wurden<br />

aufgebaut, zwei <strong>Hospiz</strong>helferschulungen abgeschlossen und so<br />

an die zwanzig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den<br />

<strong>Hospiz</strong>dienst gewonnen. In seiner Ansprache befand der<br />

Vorsitzende Joachim Schau, man dürfe es durchaus als Erfolg<br />

bewerten, dass der <strong>Hospiz</strong>gedanke und das Angebot des <strong>Hospiz</strong>diensts<br />

<strong>Lebenszeiten</strong> im vergangenen Jahr auf wachsende Resonanz<br />

stießen. Das belegten auch anschaulich die Berichte der<br />

beiden Koordinatorinnen Christine Schlegel und Reinhild<br />

Behrendt.<br />

Neben dem Anlass zum Rückblick ist der Neujahrsempfang<br />

ein festlicher Auftakt für den gemeinsamen Weg in das neue<br />

Jahr. Die musikalische Begleitung dazu spielte das Duo Burkhard<br />

Schuchardt auf dem Saxophon und Sebastian Eigenrauch am<br />

Klavier.<br />

Mit der Gewissheit, dass der Verein auf einem guten Weg<br />

ist, gestärkt – auch mit Sekt, Kaffee und Schnittchen – und gut<br />

unterhalten machten sich die Gäste nach etwa zwei Stunden<br />

wieder auf den Heimweg. Wer es einrichten kann, kommt bestimmt<br />

im nächsten Jahr gerne wieder. sz


18 LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> Konzeptworkshop<br />

Konzeptworkshop<br />

Wo stehen wir, und wohin soll der Weg führen? Diesen Fragen<br />

stellten sich ehrenamtliche <strong>Hospiz</strong>helferinnen und -helfer, Vorstand<br />

und hauptamtliche Mitarbeiterinnen des <strong>Hospiz</strong>diensts <strong>Lebenszeiten</strong><br />

auf einem ganztägigen Worskhop am 28. Januar <strong>2012</strong> in der Färberei.<br />

Veronika Schönhofer-Nellessen, u.a. Leiterin der Servicestelle <strong>Hospiz</strong><br />

und Geschäftsführerin des Vereins Palliatives Netzwerk für die<br />

Region Aachen, gestaltete und moderierte den Workshop souverän.<br />

Der <strong>Hospiz</strong>dienst <strong>Lebenszeiten</strong> befindet sich auf dem Pfad des<br />

Wachstums; das ergab die Bestandsaufnahme im ersten Teil<br />

der Veranstaltung. Nach dem schwierigen Jahr 2010 wurde<br />

dank gutem Krisenmanagement und mit viel Engagement aller<br />

Beteiligten der <strong>Hospiz</strong>dienst neu aufgestellt.<br />

Diese Entwicklung wirft aber auch Fragen auf: Entfernt sich<br />

der Verein durch die zunehmenden Sterbebegleitungen in<br />

Heimen nicht von seiner ursprünglichen Zielsetzung, sterbende<br />

Menschen in ihrem Zuhause zu begleiten? Wie lässt sich die<br />

Steigerung der Aufgaben für die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen<br />

bewältigen? Droht der Verein, von seinem Erfolg überrollt<br />

zu werden?<br />

Bedenken gegen die wachsende Zahl der Begleitungen in<br />

Heimen konnten schnell zerstreut werden. Auch vom Gesetzgeber<br />

werden inzwischen Begleitungen zu Hause und in<br />

stationären Pflegeeinrichtungen gleichgestellt (§39a, Fünftes<br />

Buch SGB). Grundsätzlich spricht daher nichts gegen die<br />

angestrebte Kooperation mit den Städtischen Alten- und<br />

Pflegeheimen.<br />

Angesichts der drohenden Überforderung der Koordinatorinnen<br />

wurde über Maßnahmen zur Abhilfe nachgedacht:<br />

Arbeitszeitanalysen sollen erstellt werden, gegebenenfalls müssen<br />

auf dieser Grundlage andere Verantwortungsstufen erarbeitet<br />

werden.<br />

Neue Räume sind erforderlich, um angemessene<br />

Arbeitsplätze und Möglichkeit für Beratungen zu schaffen, ein<br />

schon oft diskutiertes Thema rückt damit wieder ganz oben


Konzeptworkshop LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 19<br />

auf die Liste der Prioritäten. Wenn diese Bedingungen für eine<br />

weiterhin erfolgreiche Arbeit erfüllt sind, kann sich der <strong>Hospiz</strong>dienst<br />

neuen Schwerpunktthemen widmen, etwa einem Schulprojekt<br />

und einem multi-ethnischen Projekt.<br />

Sterbebegleitungen durch die ehrenamtlichen <strong>Hospiz</strong>helferinnen<br />

und -helfer bleiben in jedem Fall weiterhin die Kernaufgabe<br />

des <strong>Hospiz</strong>diensts oder – im Jargon des Workshops:<br />

die Perle aus der Schatzkiste des Vereins. »In der Sache nützlich,<br />

im persönlichen Umgang erfreulich«, – dieser Bilanz eines<br />

Vorstandsmitglieds können sicher alle Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer zustimmen. sz


Rubriken<br />

Buch-Tipp<br />

Bettina Rath: Momente des Erinnerns – Vorlesebücher<br />

für die Altenpflege • Zeitgut Verlag, Band 1 bis 4,<br />

je 128 Seiten, je 12,90 Euro<br />

Die Psychologin und Altenpflegerin Bettina Rath hat die Vorlesebücher<br />

konzipiert. In den leicht verständlichen und kurzen<br />

Texte geht es um authentische Erinnerungen von Zeitzeugen<br />

aus der Jugendzeit der Betreuten. Sie erzählen u.a. von phantasievollen<br />

Strategien der Kriegs- und Nachkriegszeit wie etwa »Aus<br />

alt mach neu«. Manche Zuhörerinnen und Zuhörer haben zum<br />

Beispiel noch erlebt, wie aus alten Klamotten neue, tragbare<br />

Kleidungsstücke entstanden. Die Texte sind ein Anlass, eigene<br />

Erinnerungen zu durchleben und darüber miteinander, mit<br />

den Betreuern und Familienangehörigen ins Gespräch zu<br />

kommen. •


Internet-Tipp<br />

www.hospizwuppertal.de<br />

Internet-Tipp ⁄ Termine LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 21<br />

Nun ist es tatsächlich soweit: Der <strong>Hospiz</strong>dienst <strong>Lebenszeiten</strong><br />

hat einen neuen Internet-Auftritt. Demnächst finden Sie dort<br />

auch die letzten drei Ausgaben der Vereinszeitschrift. Ein Besuch<br />

der Website lohnt sich aber schon jetzt! •<br />

Termine<br />

der <strong>Hospiz</strong>bewegung in <strong>Wuppertal</strong><br />

Café <strong>Lebenszeiten</strong><br />

Jeden 1. Donnerstag im Monat<br />

17 bis 18.30 Uhr<br />

Seit dem 01.09.2011 findet das<br />

Café für Trauernde in der Färberei,<br />

Stennert 8 (1. Etage, Raum<br />

1), in <strong>Wuppertal</strong>-Oberbarmen<br />

statt.<br />

Trauerspaziergang<br />

Jeden 3. Mittwoch im Monat<br />

14.30 Uhr<br />

Treffpunkt Hardt, Botanischer<br />

Garten, Elisenturm (Buslinie<br />

643). Die Geschäftsstelle informiert<br />

Sie gerne: 0202 ⁄ 4598819


22 LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> Auf den Weg gegeben<br />

Auf den Weg gegeben<br />

Von Frank Khan<br />

Der Dozent für Wirtschafts- und Allgemeinsprachliches Englisch<br />

bietet im <strong>Wuppertal</strong>er Stadtgebiet seit vielen Jahren historische<br />

Rundgänge sowie themengebundene Bus- und Schwebebahnfahrten<br />

an – für auswärtige Gäste, aber auch für Einheimische, die ihre<br />

Stadt einmal aus einer anderen Perspektive erleben möchten.<br />

Während meiner Rundgänge<br />

und Busfahrten treffe ich mitunter<br />

Menschen, die sich mit<br />

leuchtenden Augen des Thalia-<br />

Theaters erinnern, das bis<br />

August 1967 an der Stelle der<br />

heutigen Hauptverwaltung der<br />

Stadtsparkasse am Islandufer in<br />

Elberfeld stand. Zugegeben, die<br />

Zahl derer, die dort zu Gast war,<br />

ist übersichtlich geworden. Doch<br />

das 1906 nach nur 219 Tagen<br />

Bauzeit errichtete Haus mit<br />

später 2000 Plätzen war eine der<br />

zahllosen Attraktionen erst<br />

Elberfelds, später <strong>Wuppertal</strong>s.<br />

Weltstars aller Art traten hier<br />

auf. Der Zweite Weltkrieg und<br />

ein sich änderndes Freizeitverhalten<br />

der Leute sowie die Bevorzugung<br />

anderer moderner<br />

Spielstätten führten zur Unrentabilität<br />

und zur Schließung des<br />

Theaters. Sprichwörtlich fiel am<br />

31. Mai 1967 nach der letzten<br />

Filmvorführung für immer der<br />

Vorhang. Mein Großvater (Jahrgang<br />

1907, ein überzeugter Elberfelder)<br />

erzählte mir später,<br />

was ich als knapp Zwölfjähriger<br />

noch gar nicht verstand, dass an<br />

dem Tag, als er 60 wurde, die<br />

Erinnerungen ganzer Generationen<br />

der Abrissbirne zum Opfer<br />

fielen.<br />

Als weitere Beispiele, immer<br />

einer (verklärenden?) Erinnerung<br />

würdig, seien die <strong>Wuppertal</strong>er<br />

Straßenbahn, die in ihrer<br />

Hochzeit Ende der 1930er Jahre<br />

eines der größten Streckennetze<br />

des Deutschen Reiches unterhielt<br />

– die letzte Fahrt war eine


Sonderfahrt am 30. Mai 1987 –<br />

und die Rheinische Eisenbahngesellschaft<br />

erwähnt, die ihre<br />

Dienste in zwei Etappen einstellte<br />

(den Personenverkehr im September<br />

1991, den Güterverkehr<br />

im Frühjahr 2000). In beiden Fällen<br />

– erinnern wir uns – lohnte<br />

sich die Fortführung der Fahrbetriebe<br />

aus wirtschaftlichen<br />

Gründen nicht mehr (beide<br />

Transportmittel besaßen mehr<br />

Freunde als Fahrgäste), doch<br />

hatte auch die Politik, wie so oft,<br />

ihre Hände im Spiel. Wenn ich<br />

heutzutage ältere Bürgerinnen<br />

Auf den Weg gegeben LZ <strong>04</strong> ⁄ <strong>2012</strong> 23<br />

und Bürger frage, wo Straßenbahnlinien<br />

fuhren, erhalte ich<br />

meistens exakte Auskünfte; und<br />

auch Erinnerungen an die Eisenbahn<br />

im Nordteil der Stadt, welcher<br />

Art auch immer sie seien,<br />

verblassen nur langsam.<br />

Sollte der für viele unwahrscheinlich<br />

gewordene Fall eintreten,<br />

dass auf der ehemaligen<br />

Strecke wirklich flaniert werden<br />

kann, dürfte manche Episode<br />

der Vergangenheit wie gestern<br />

erlebt zurückkehren. •


Unser Angebot:<br />

• Begleitung schwerkranker<br />

und sterbender Menschen<br />

sowie ihrer Angehörigen<br />

• Individuelle Beratung<br />

in Krisensituationen<br />

• Informationen u.a. zu<br />

Möglichkeiten der Schmerztherapie,<br />

Palliativpflege und<br />

Patientenverfügung<br />

• Trauerbegleitung<br />

für Einzelne<br />

• Befähigungskurse<br />

für Ehrenamtliche<br />

HOSPIZ<br />

DIENST<br />

WUPPERTAL<br />

LEBENSZEITEN e.V.<br />

Sprechen Sie uns an,<br />

wenn Sie<br />

• unsere Hilfe brauchen,<br />

• mehr über den <strong>Hospiz</strong>dienst<br />

erfahren möchten,<br />

• sich für eine Mitarbeit<br />

bei uns interessieren,<br />

• uns ideell oder materiell<br />

unterstützen wollen.<br />

Bürozeiten: montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr<br />

Schusterstraße 1 • 42105 <strong>Wuppertal</strong><br />

Tel.: 02 02 ⁄ 4 59 88 19 • Fax: 02 02 ⁄ 7 58 55 45<br />

E-Mail: info@hospizwuppertal.de<br />

Internet: www.hospizwuppertal.de<br />

Impressum<br />

»<strong>Lebenszeiten</strong>« wird herausgegeben vom <strong>Hospiz</strong>dienst <strong>Wuppertal</strong><br />

<strong>Lebenszeiten</strong> e.V. • Redaktion: Juliane Dinn, Renate Elamin, Saskia<br />

Zierold • Fotos: Anni Roolf • Verantwortl.: Saskia Zierold • Gestaltung:<br />

Anni Roolf • Druck: Börje Halm • Auflage: 4000 Stück

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