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Ausgabe Juni - Brandiser Stadtbote

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Seite 8 BRANDISER STADTBOTE 6/2012<br />

HISTORISCHES KALENDERBLATT<br />

Als es in Brandis noch ein Kino gab (Teil 1)<br />

Wie in fast allen kleineren Orten ist in Brandis das Kino für immer<br />

verschwunden. Geblieben sind Erinnerungen an spannende oder<br />

lustige Kinoerlebnisse und an das Lichtspieltheater mit seinen<br />

Mitarbeitern. In Brandis eröffnet der aus Wurzen stammenden<br />

Klempnermeister Friedrich Hermann Märker nach dem Umbau<br />

eines Wohnhauses in der Mathildenstraße 27 am 26. Oktober 1913<br />

das erste Lichtspiel – Haus des Ortes. Zuvor hatte Märker bereits<br />

ein Jahr eher am 25. Dezember in Nerchau ebenfalls das erste<br />

Kino des Ortes eröffnet. Gezeigt wurden in jener Zeit kurze Filme<br />

mit Untertiteln. Ein Klavierspieler sorgte für die musikalische<br />

Begleitung des Filmgeschehens. Ein Kinoklavier aus alter Zeit<br />

stand noch viele Jahre später in einem Nebengebäude des Kinos.<br />

Die Kinovorstellungen fanden mittwochs sowie am Sonnabend<br />

Kinofamilie Märker: links Lina Märker, rechts Hermann Märker, daneben Tochter Getrud<br />

Quellen: LVZ- Zeitungsarchiv, Museum Grimma Dankenswerte Hinweise: Familien Giesler, Schattel und Weigmann<br />

und Sonntag statt. Ähnlich wie in Nerchau gehörte zum Kino<br />

auch ein kleines Cafe im vorderen Teil des Hauses. Der Kaffee<br />

wurde in einem Raum im 1. Stock gekocht, zu dem eine eiserne<br />

Wendeltreppe führte. Das Cafe war bei den Geschäftleuten des<br />

Ortes beliebt und manchmal sogar bis 5 Uhr in der Nacht geöffnet.Von<br />

einem fröhlichen Beisammensein berichtet im März 1918<br />

Märkers Tochter Martha. Sie schreibt, daß die Vorstellung gut besucht<br />

war und sogar der <strong>Brandiser</strong> Schloßbesitzer Gotthard von<br />

Pentz das Kino mit seinem Besuch beehrte. Marthas Leben sollte<br />

tragisch enden. Vier Jahre später ermordet sie ein zurückgewiesener<br />

Verehrer auf dem Dachboden des Kinos. Der Mörder wurde<br />

mit 15 Jahren Zuchthaus bestraft. Besonders schlimm war, daß<br />

Martha einen dreijährigen Sohn zurückließ.<br />

Harte Konkurrenz<br />

Inflation, Weltwirtschaftskrise und sich regende Konkurrenz<br />

brachten Märkers Kino in arge Schwierigkeiten. In den Gaststätten<br />

richtete man Saalkinos ein, um sich eine neue Einnahmequelle<br />

zu verschaffen. Im "Goldenen Stern" wird am 8. Januar<br />

1927 mit dem Film " Der Liebenskäfig" ein Kino wiedereröffnet.<br />

Im "Ratskeller" eröffnet Frau Clara Kirchner aus Leipzig am<br />

10. Mai 1928 die "Ratskeller- Lichtspiele". Zur Eröffnung lief der<br />

amerikanische Monumentalstreifen "Ben Hur" mit 142 Minuten<br />

Länge. 1925 erstmals aufgeführt, war er nach drei Jahren Produktionszeit<br />

der teuerste Film des Jahres. Das neue Kino erfreute<br />

sich regen Zuspruchs. Später wurde es vom Ratskellerwirt<br />

Hermann Dietel noch einige Jahre weitergeführt. Der Lichtspielbetreiber<br />

vom "Goldenen Stern", welcher auch im Beuchaer<br />

Gasthof "Reichskrone" Filme vorführte, sollte sein " Stern- Kino"<br />

jedoch schon 1928 wieder schließen. Anscheinend wollte der<br />

"Stern"–Wirt Max Goldammer fortan eher mit Theatervorstellungen<br />

hiesiger Vereine und Tanzveranstaltungen eine größere<br />

Gästeschar in sein Lokal locken. Sein Beuchaer Berufskollege<br />

Oskar Köhler setzte den Lichtspielbetrieb in der "Reichskrone"<br />

jedoch weiter fort, wobei die Kinobetreiber mehrmals wechselten,<br />

unter ihnen von 1930 bis 1932 auch Märkers Tochter Gertrud<br />

Schattel. Man erzählt sich, daß sie nach der Vorstellung nachts<br />

allein mit der Kino-Kasse unter´m Arm von Beucha nach Hause<br />

gelaufen ist! Ein zweites Beuchaer Kino befand sich in der am<br />

Bahnhof gelegenen Gaststätte "Feldschlößchen". In der DDR- Zeit<br />

zum "Kulturhaus" umgebaut , blieb es das Kino der Beuchaer bis<br />

1990. Etwa ab 1930 hielt bei "Märkers" der Tonfilm seinen Einzug.<br />

Ein großer Vorteil gegenüber der Konkurrenz im "Ratskeller",<br />

wo 1931 noch Stummfilme liefen. Fast hätte Friedrich<br />

Hermann Märker 1933 als "Pionier des <strong>Brandiser</strong> Lichtspielwesens"<br />

sein 40jähriges Kinojubiläum feiern können, doch er<br />

stirbt ein Jahr zuvor im Alter von 67 Jahren am 28. August 1932<br />

in Wurzen. Seine Ehefrau Lina Märker beschließt daraufhin, trotz<br />

aller widriger Umstände das traditionsreiche Lichtspieltheater als<br />

Familienunternehmen weiter zubetreiben. Frank Schimpke

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