ETF-Magazin: "Gefährliche Nähe" (Q2-2010) - Börse Frankfurt
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Thomas Mayer,<br />
Chefvolkswirt der<br />
Deutschen Bank<br />
18<br />
Interview Thomas Mayer<br />
Griechenland, Italien, Spanien und andere Staaten stehen am Rand der<br />
Zahlungsunfähigkeit. Droht ein Dominoeffekt?<br />
Wenn es zu einem Dominoeffekt käme, könnte das Lehman-Debakel noch<br />
übertroffen werden. Fallen Spanien oder gar Italien um, hätten starke Euro-Länder<br />
wie Deutschland oder Frankreich ebenfalls große Probleme.<br />
Deswegen muss der Europäische Währungsfonds so schnell wie möglich<br />
gegründet werden. Wenn die Stunde null erst da ist, ist es zu spät.<br />
Wer bereiten Ihnen die größten Sorgen?<br />
Ernsthafte Sorgen wegen eines direkten Zahlungsausfalls mache ich mir<br />
vor allem um die Länder, die keine Kontrolle über ihre eigene Währung<br />
haben. Sie haben nicht die Möglichkeit, ihre Staatsschulden über eine höhere<br />
Infl ation abzubauen. Deswegen ist ja die Gefahr eines Staatsbankrotts<br />
für die PIIGS-Staaten – also Portugal, Italien, Irland, Griechenland<br />
und Spanien – ungleich höher als für andere Länder.<br />
Aber auch in Großbritannien und Japan sieht die Lage nicht rosig aus.<br />
Eine Staatsschuldenkrise in diesen beiden großen, volkswirtschaftlich bedeutsamen<br />
Ländern würde Wirtschaft und Finanzmarkt zutiefst erschüttern.<br />
Da wären Dubai oder Griechenland nur ein kleiner Vorgeschmack.<br />
Dennoch ist die Lage in Japan und England anders als in den PIIGS-Staaten.<br />
Schauen Sie sich nur an, was mit dem britischen Pfund passiert ist.<br />
Das Pfund ist um 25 Prozent gefallen. Dadurch ist die Infl ation gestiegen.<br />
Das sind typische volkswirtschaftliche Mechanismen: Der Währungsabwertung<br />
folgt die Geldentwertung, die Schulden werden weniger.<br />
Japan hat diese Option nicht, weil es mit einer Defl ation kämpft.<br />
Japan ist ein ganz besonderer Fall. Zwar hat Japan die höchste Schuldenquote<br />
von allen Industrieländern. In Japan beträgt die Staatsverschuldung<br />
inzwischen 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gleichzeitig erwirtschaften<br />
die Japaner aber einen hohen Außenhandelsüberschuss. Die<br />
Neuverschuldung wird somit von den inländischen Ersparnissen mehr<br />
als kompensiert.<br />
Warum warnen Sie dennoch immer wieder vor Japan?<br />
Japanische Staatsanleihen werden zu mehr als 90 Prozent von inländischen<br />
Sparern gekauft, die ihre Anleihen nicht verkaufen, sondern von Generation<br />
zu Generation weitervererben. Das geht jedoch nur so lange gut,<br />
wie das Generationenverhältnis stimmt. Wenn dieses nicht mehr stimmt,<br />
stellt sich die Frage: Wer soll der älteren Generation die Rentenpapiere<br />
abkaufen, wenn diese die Papiere auf den Markt bringt, anstatt sie den<br />
Kindern zu hinterlassen? Das ist eine tickende Zeitbombe.<br />
Was muss geschehen?<br />
Die Befürchtungen werden stärker, dass es mittelfristig zu einem Crash<br />
bei den Staatsanleihen und zu einem Crash des Yen kommen wird. Dann<br />
herrscht auch in Japan Infl ation. Die Geldentwertung wird jedoch erst in<br />
einigen Jahren eintreten. Kurzfristig haben Japan und viele andere Länder<br />
rund um den Globus andere Hausaufgaben zu erledigen. Es ist wichtig,<br />
dass die Staaten bereits dieses Jahr die Kontrolle über ihre Staatsschulden<br />
und Geldvermehrung wiedererlangen.