Ratsstube Ausgabe 4, 2012 - Gemeinde Inwil
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<strong>Inwil</strong> 1542 Heiri Hüsler <strong>2012</strong><br />
«Ich, Hanns Halltter, sässhafft zu Oberhoffen im Rottenburger<br />
ammpt…..», so beginnt eine Urkunde, die vor 470 Jahren<br />
vom Ratsschreiber Zacharias Bletz in Luzern ausgestellt wurde<br />
und die Jahrhunderte unbeschadet überdauerte. Es mögen viele<br />
Gründe bestehen, dass dieses Dokument bis in unsere Tage erhalten<br />
blieb. Der Hauptgrund ist sicher das Material. Nicht auf Papier,<br />
sondern auf Pergament, das heisst eine Tierhaut, wurde mit dem<br />
Federkiel geschrieben. Das Dokument hat aber auch alle Stürme<br />
und Blitzeinschläge, Religionskriege, politische Wirren, gesellschaftliche<br />
Umbrüche, Handänderungen und Erbgänge überstanden.<br />
Dass die Urkunde erhalten blieb, ist also vielen glücklichen<br />
Umständen zu verdanken, nicht zuletzt Frau Agnes Estermann,<br />
welche die Schriftrolle in einer alten Schachtel auf dem Estrich<br />
fand und sich fragte, welche Bedeutung sie wohl haben würde.<br />
Zuerst standen wir ziemlich ratlos um das Pergament, Grösse 35 x 32<br />
cm, herum. Die Schrift entsprach gar nicht dem, was man von alten<br />
Gülten und Verträgen her kannte. Sie entsprach viel mehr dem Stil<br />
der bekannten Luzerner Chronik des Diebold Schilling von 1513.<br />
Der Erste, der ein geschultes Auge auf das Dokument warf, war<br />
Dr. Konrad Wanner, Spezialist für alte Schriften am Staatsarchiv<br />
Luzern und guter Nachbar des Schreibenden. Sein Urteil war<br />
sofort klar: «Ja, ja,» sagte er lächelnd, «das ist die Schrift vom<br />
Ratsschreiber Zacharias Bletz, dem Vorvorgänger des berühmten<br />
Renward Cysat» und nach kurzem Überfliegen des Textes fand er<br />
auch bald die Datierung 1542.<br />
Die grosse Schwierigkeit war, den Text im Detail zu entziffern.<br />
Über Stephan Gyr Kaufmann kam Agnes Estermann auf Klemens<br />
Furrer, <strong>Inwil</strong>er und Architekt im Ruhestand, der sich seit Jahren<br />
aus Leidenschaft mit alten Schriftstücken befasste. Im Laufe der<br />
nächsten Zeit und zahlreichen Stunden Arbeit, zum Teil sogar mit<br />
der Lupe, kam eine Abschrift des Textes in einer heutigen Schrift<br />
im PC zustande.<br />
Diese Abschrift, so schwierig sie auch war, löste aber das Problem<br />
der Verständlichkeit des Textes noch nicht. Lange Zeit blieb unklar,<br />
was der alte Hanns Halltter mit dem Schriftstück eigentlich bezweckte.<br />
Erst nach hundertmaligen Lesen, Kürzen, Abwägen und<br />
Interpretieren kamen wir auf den kurzen Sinn der langen Rede.<br />
Demnach dürfen wir behaupten, dass der seinerzeitige Hanns<br />
Halltter kein armer, sondern ein recht wohlhabender Mann war<br />
und mehrere Höfe sein eigen nannte. Dieser Hanns Halltter lieh<br />
sich von Manngen von Wyl die Summe von 140 Gulden und<br />
verpflichtete sich zu einem jährlichen Zins von 5 Prozent (sieben<br />
Gulden). Im Gegenzug bot er als Pfand seinen Hof «Oberhofen»<br />
und Teile seiner Höfe «Moos», «Lehn» und «Rüti».<br />
Landkarte aus dem 17. Jahrhundert.<br />
Allerdings behielt sich Hanns Halltter vor, die Urkunde jederzeit<br />
zurückzukaufen und einem andern Geldgeber anzubieten.<br />
Um dem Dokument die Echtheit zu bestätigen, wurde vom Vogt<br />
Moritz von Mättenwil zu Rothenburg sein eigenes Siegel an einem<br />
Stoffstreifen an die Urkunde angehängt. Das war wichtig, denn<br />
es gab damals noch kein amtliches Grundbuch, auf welchem die<br />
Rechte und Pflichten eines Grundstückes und dessen Inhabers<br />
eingetragen sind. Moritz von Mättenwil (Mettenwyl) war in seiner<br />
Funktion als Vogt gleichzeitig auch Richter und Urkundsperson.<br />
Er gründete später, nach einer Marienerscheinung, das Kapuzinerkloster<br />
Wesemlin in Luzern.<br />
Nach heutigem Verständnis ist diese Urkunde mit einem Schuldbrief<br />
oder eine Grundbuchverschreibung zu vergleichen, wie sie<br />
noch auf vielen Liegenschaften bestehen. Damit können die Inhaber<br />
ohne grosse Formalitäten zu Geld kommen, da gleichzeitig die<br />
Liegenschaft als Sicherheit dient.<br />
Die Bedeutung der Urkunde war wohl während der nächsten<br />
Jahrhunderte den Eigentümern des Hofes Oberhofen sehr wohl<br />
bewusst. Deswegen wurde wohl auch ein Nachtrag (Transfix)<br />
erstellt, als 1908 vom Hof Oberhofen ein Stück Land an die neue<br />
Strasse Perlen – Oberhofen abgegeben werden musste. Gerichtsschreiber<br />
Waldispühl trug diesen Umstand auf der Gerichtskanzlei<br />
Rothenburg und Eschenbach sorgfältig auf der Urkunde nach.<br />
16 <strong>Ratsstube</strong> INWIL 4 / <strong>2012</strong> DIvERSES