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Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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ganisation der obersten Militärbehörden, denn <strong>Piłsudski</strong>s Auffassung über das Verhältnis<br />

von Staat <strong>und</strong> Armee sowie über deren Organisationsstruktur stand im krassen<br />

Gegensatz zu den Vorstellungen der an der Wiener Militärakademie ausgebildeten<br />

ehemaligen k.u.k. Offiziere um Władysław Sikorski <strong>und</strong> Stanisław Szeptycki. 80 <strong>Piłsudski</strong><br />

sah in der Armee den Garanten <strong>und</strong> höchsten Ausdruck der staatlichen Souveränität,<br />

der nicht in parlamentarische Streitigkeiten hineingezogen werden sollte. 81 Er<br />

war daher gegen die Umstrukturierungspläne des Ministers für Militärangelegenheiten<br />

Sikorski im Kabinett von Władysław Grabski. Als diese Regierung aufgr<strong>und</strong> der<br />

finanziellen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Situation zurücktrat, demonstrierte <strong>Piłsudski</strong> am 14.<br />

November 1925 beim Besuch des Staatspräsidenten Wojciechowski <strong>und</strong> einen Tag<br />

später <strong>seine</strong> immer noch vorhandene politische Macht, als sich Offiziere der Warschauer<br />

Garnisonen anläßlich des siebten Jahrestages <strong>seine</strong>r Rückkehr aus der Magdeburger<br />

Haft in Sulejówek versammelten <strong>und</strong> erstmals offen einen Staatsstreich <strong>Piłsudski</strong>s<br />

forderten. 82<br />

Unter dem Eindruck dieser Machtdemonstration bildete sich ein parteiübergreifendes<br />

Kabinett unter Aleksander Skrzyński mit General Żeligowski als Minister für<br />

Militärangelegenheiten. Als dieses scheiterte, berief der Staatspräsident ein neues Kabinett<br />

unter Wincenty Witos, welches <strong>Piłsudski</strong> in einem Interview im Kurier Poranny<br />

(„<strong>Der</strong> Morgenkurier“) der Korruption <strong>und</strong> des Amtsmißbrauchs beschuldigte. Daraufhin<br />

konfiszierten die Behörden diese Ausgabe am 11. Mai. Gegen diese Zensurmaßnahme<br />

fanden abends Demonstrationen statt. Zudem wurden Gerüchte lanciert,<br />

wonach <strong>Piłsudski</strong> verhaftet werden sollte <strong>und</strong> sein Haus in Sulejówek beschossen<br />

worden sei. Letzteres lieferte den Vorwand dafür, daß einige <strong>Piłsudski</strong> loyal gesinnte<br />

Regimenter aus der Nähe Warschaus zum „Schutz“ ihres „Kommandanten“ ausrückten<br />

<strong>und</strong> mit ihm in den Nachmittagsst<strong>und</strong>en des 12. Mai nach Warschau zogen.<br />

<strong>Piłsudski</strong> <strong>und</strong> Staatspräsident Wojciechowski trafen auf der Poniatowski-Brücke<br />

zu einem Gespräch zusammen, bei dem deutlich wurde, daß letzterer auf der Beibehaltung<br />

des bisherigen politischen Systems bestand. War der „Marsch auf Warschau“<br />

zunächst als politische Demonstration geplant, so organisierten sich nach diesem Gespräch<br />

die militärischen Kräfte auf beiden Seiten. Am 13. Mai begannen die militärischen<br />

Auseinandersetzungen, die sich auch auf andere Garnisonsstädte im ganzen<br />

Land ausweiteten. In den Morgenst<strong>und</strong>en des 14. Mai kam es schließlich zur Entscheidung,<br />

die zugunsten <strong>Piłsudski</strong>s fiel. Sie wurde auch durch den ausgerufenen Generalstreik<br />

der Warschauer Arbeiter <strong>und</strong> Angestellten herbeigeführt, wobei die von<br />

der PPS organisierte Arbeitsniederlegung der Eisenbahner ausschlaggebend war.<br />

Nachdem Staatspräsident Wojciechowski <strong>und</strong> die Regierung Witos am 14. Mai zurückgetreten<br />

waren, wurde am 15. Mai ein Waffenstillstand geschlossen.<br />

80<br />

Ausführlich in STAWECKI, Polityka wojskowa.<br />

81<br />

Vgl. dazu Interview vom 17.II.1926 im Kurier Poranny, in: Pisma Zbiorowe, Bd. 8, S.<br />

284-288.<br />

82<br />

Die Zahlenangaben schwanken zwischen 400 <strong>und</strong> 2 000 Teilnehmern.<br />

53

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