Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

gar den Unwillen der polnischen Bevölkerung stießen, was ihr Handeln in Frage stellte.
Dies hatte vielfältige Auswirkungen: Die Erfahrung, zurückgewiesen zu werden,
verursachte einerseits eine verstärkte Integration innerhalb dieser militärischen Kräfte.
Andererseits begannen die Legionäre, ihr eigenes Volk zu verachten, so daß in ihnen
die Überzeugung wuchs, daß nur sie im Recht seien. Die Parole Polska to my („Polen,
das sind wir“) 48 offenbarte ihr Sendungsbewußtsein, das durch die Propaganda
und die Äußerungen Piłsudskis noch gefördert wurde. 49 Die jungen Soldaten verstanden
zudem die verschlungenen Wege der Politik nicht mehr, wobei die Parole Komendant
wie, co robi 50 („der Kommandant weiß, was er tut“) ihnen das Bedürfnis ersetzte,
alles zu verstehen. Für sie war Piłsudski auch nach seinem Rücktritt als Kommandant
die einzige legitime polnische Macht, weil es ihm gelungen war, ihr grenzenloses
Vertrauen und ihre treue Ergebenheit zu gewinnen. Er war nicht nur der
Kommandant, sondern auch der fürsorgliche dziadek („Großvater“) für die jungen
Soldaten, die zwischen 13 und 30 Jahren alt waren.
Der sich entwickelnde Führerkult, an dem sich auch Piłsudski beteiligte, kompensierte
das mangelnde Verständnis für die politische Lage und ein fehlendes politisches
Programm. 51 Auch die POW trug zur Festigung der Anhängerschaft Piłsudskis erheblich
bei, insbesondere als sie nach der Krise im September 1915 zu einer wesentlichen
Stütze des Lagers wurde. Die Verehrung und der blinde Gehorsam gegenüber dem
„Kommandanten“ gehörten dabei zu den Hauptprinzipien der POW. Ihr Organ Rząd i
Wojsko („Regierung und Heer“) führte auch Propagandaaktionen durch, um ihr
Piłsudski-Bild als „Vater und Führer der Nation“ in der Bevölkerung zu verwurzeln,
so daß er zur „lebenden Legende“ 52 wurde.
Nicht zuletzt trug die Verquickung der militärischen Schlagkraft mit der geistigkünstlerischen
Intelligenz durch die Zugehörigkeit von jungen talentierten Schriftstellern
wie Wacław Sieroszewski, Andrzej Strug, Gustaw Danilowski oder Juliusz Kaden-Bandrowski,
von Malern wie Wojciech Jastrzębowski und von Wissenschaftlern
zu dieser besonderen Atmosphäre innerhalb der Legionäre bei, die sich später in dem
Marsz Pierwszej Brygady („Marsch der Ersten Brigade“) ausdrücken sollte. 53 Juliusz
48
Zit. nach: T. NAŁĘCZ, W służbie, S. 208.
49
Vgl. ebenda, S. 205-212; zur politischen und geistigen Führerschaft Piłsudskis vgl.
WRZOSEK, Piłsudski.
50
Zit. nach: GARLICKI, Piłsudski, S. 173.
51
Vgl. DERS., Piłsudski, S. 172 f.
52
„żywa legenda“ (PIŁSUDSKA, Wspomnienia, S. 160). Vgl. T. NAŁĘCZ, POW, S. 78 f., 236
ff. Zu diesen Propagandaaktionen gehörte auch die Anbringung von Legionenschilden
(tarcze legionowe), wodurch Geld für diese gewonnen werden sollte: vgl. J.T. NOWAK,
Tarcze.
53
Vgl. W. JĘDRZEJEWICZ, Life, S. 58 f. Nach URBANKOWSKI, Filozofia, S. 219-222, waren
unter den 1 215 Offizieren am 17.II.1917 3 Professoren, 9 Universitätsassistenten, 100
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