Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

herder.institut.de
von herder.institut.de Mehr von diesem Publisher
29.01.2013 Aufrufe

sich feststellen. In der Umbruchphase erschienen viele Publikationen im Reprint 131 , und eine Welle an Veröffentlichungen zur Zweiten Republik im allgemeinen und über Piłsudski im besonderen entstand, da er in der Gesellschaft der 1990er Jahre sehr populär und das Bedürfnis nach Informationen über ihn groß war, so daß sich dementsprechend Bücher über den Marschall gut verkaufen ließen. Viele Arbeiten sind jedoch kaum wissenschaftlich fundiert und haben zudem überwiegend fast apologetischen Charakter. 132 Nachdem diese Welle abgeebbt ist, entstehen nun vorwiegend wissenschaftliche Arbeiten über Piłsudski. 133 In diese Paradigmen der polnischen Historiographie fällt auch die Auseinandersetzung mit der „schwarzen“ („czarna“) negativen und der „goldenen“ („złota“) positiven Piłsudski-Legende. Letztlich werden jedoch nur Vorstellungen über die Leistungen und Taten Piłsudskis, beispielsweise über den Sieg über die Rote Armee im Jahre 1920 und seine Rolle als Diktator, aufgegriffen und je nach der politischen Position des Autors be- oder widerlegt. Entsprechend der positiven und negativen Verwendung der Begriffe Kult und Legende durch die Sanacja, die Endecja und ihre nachfolgenden Emigrationszirkel wie auch durch die „offizielle“ Geschichtsschreibung der Volksrepublik erörtern die Darstellungen des Piłsudski-nahen Exils dabei apologetisch den Ruhm und die Taten Piłsudskis. Dagegen wollen die auflagenstarken und meist populärwissenschaftlichen Darstellungen über die Piłsudski-Legende aus der Volksrepublik im Sinne der oben skizzierten Piłsudski-Forschung über die Person des Marschalls „aufklären“. Es sind dies kritische Synthesen und Auseinandersetzungen mit dem positiven Piłsudski-Bild, jedoch keine eigenständigen Forschungsergebnisse, die auf der Auswertung verschiedenartigen Quellenmaterials beruhen. 134 Insgesamt verwenden die meisten Veröffentlichungen über Piłsudski und seine Legende die Be- 131 Z.B. PIŁSUDSKI, Pisma Zbiorowe; POBÓG-MALINOWSKI, Najnowsza Historia. 132 Eher populärwissenschaftlich sind z.B.: BUSZKO; MICHALSKI, Królom; DERS., Od Ziuka; PRUSZCZYŃSKI, Tajemnica; DERS., Dramat; URBANKOWSKI, Piłsudski, aber auch DERS., Filozofia. Eine Ausnahme bildet der kritische M. GIERTYCH. Deutlich wird bei manchen Titeln, wie „zugkräftig“ der Name Piłsudski ist, siehe z.B. Ksiądz Infułat Marian Tokarzewski oder JAROCKI. 133 So z.B. einige Aufsätze im 1999 erschienenen Band „Twórcy Niepodległości“, der Beiträge unterschiedlicher Qualität zusammenfaßt; aber auch ŚWIĘTEK, Ściana; SULEJA, Piłsudski; ZAPOROWSKI; SIERPOWSKI; PARUCH, Od konsolidacji; CHWALBA. 134 Zahlreiche wissenschaftliche und publizistische Beiträge unterstreichen den „aufklärerischen“ Charakter solcher Reflexionen, z.B. MICEWSKI, Legenda (1965); CZUBIŃSKI, Legenda (1986); J. LOBMAN: Z krypty głos nie dobiega [...] Wokół legendy J. Piłsudskiego [Aus der Krypta ertönt die Stimme nicht [...] Um die J.-Piłsudski-Legende], in: Trybuna Ludu Nr. 111, 1985, S. 6. Lediglich GARLICKI, Piłsudski, äußert sich ansatzweise an einigen Stellen seiner Piłsudski-Biographie, meist in Form von Anmerkungen, über Ausdrucksformen des Piłsudski-Kultes und weist auf dessen Funktionen hin, ohne diese aber näher zu erörtern. Auch die deutschsprachige Studie von HAUSER skizziert nur die Entwicklungslinien der Piłsudski-Verehrung. 25

griffe 135 Kult und Legende im Zusammenhang mit dem Marschall, ohne sie aber näher zu erläutern und zu definieren. 136 Dies gilt auch für die kleineren rein deskriptiven Studien zu Teilaspekten des Piłsudski-Kultes, die die westlichen Forschungsergebnisse zu Personenkulten nicht rezipiert haben 137 : Sie beschreiben die Feiern zum 11. November (Staatsgründungstag) 138 und zum 19. März (dem Namenstag) 139 , das Józef- Piłsudski-Museum im Belweder 140 , den Piłsudski-Erdhügel 141 , das Piłsudski-Viertel 142 und die Piłsudski-Verehrung in den Schülerzeitschriften der Region von Nowy und Stary Sącz 143 . Sie leiten jedoch daraus keine weitergehenden Schlüsse zum Piłsudski-Kult ab. Dies gilt auch für die Dissertation von Włodzimierz Wójcik über die Piłsudski-Legende der Jahre 1914 bis 1939, da er die Verehrung bzw. das Piłsudski- Bild einzelner Schriftsteller in der Literatur beschreibt, ohne jedoch auf die Rezeption oder gar die Funktionen einzugehen. 144 Lediglich die neue soziologische Studie von Tadeusz Biernat 145 setzt sich mit Piłsudskis charismatischer Herrschaft im Vergleich 135 Z.B. SULEJA, Piłsudski, S. 113, PIETSCH, S. 21; RHODE, Polen, S. 1011 (hier: „Piłsudskiund Legionärskult“). 136 Vgl. z.B. KAWALEC, Wizje, S. 114-117. WILKIEWICZ und KRZEMIŃSKI erwähnen den Piłsudski-Mythos, ohne ihn zu analysieren. 137 Dies gilt auch für die Kult-Forschung im allgemeinen. Außer einigen eher deskriptiven Arbeiten über Heiligenkulte (z.B. JAKUBOWSKI; USPIEŃSKI), den Kościuszko-Kult (z.B. MICIŃSKA, Myth; DIES., Gołąb; KULAK; GRABSKI, W kręgu; Kościusko w hołdzie; Powstanie kościuszkowskie) und den Stalin-Kult in Polen (z.B. KUPIECKI, Natchnienie; DERS., Od VII plenum) gibt es keine Äußerungen über die Funktionen von (Personen-) Kulten. 138 Vgl. WACHOWSKA. 139 Vgl. PAŁACZEWSKA. Sie beschreibt die Namenstagsfeiern von 1915 bis 1943, strukturiert sie aber nicht oder erläutert ihren Hintergrund. Sie erkennt beispielsweise nicht, daß die Namenstagsfeiern seit 1927 für ganz Polen angeordnet wurden (ebenda, S. 134), sondern stellt sie als Ausfluß der Verehrung Piłsudskis durch die Bevölkerung dar. 140 Vgl. STOLARSKI und KOŁODZIEJ. Sie beschreiben zwar einige Aspekte der Organisation, gehen aber nicht auf die Verbindung mit dem Kult ein. Der Beitrag von KOŁODZIEJ ist zudem noch in der Hinsicht zu kritisieren, daß er sich auf die einleitenden Bemerkungen zum Findbuch des Museums und ausschließlich auf die erste Akte des Bestandes stützt. 141 Vgl. BUKOWSKI u.a; J.T. NOWAK, Urny. 142 Vgl. GRZESIUK-OLSZEWSKA, Świątynia. 143 Vgl. KRUCZEK. 144 Vgl. WÓJCIK, Legenda. Diese Studie behandelt die Verbreitung der Legende von „unten“, und zwar durch einige bekannte Piłsudczycy, die freiwillig über Piłsudski schrieben, während der Aspekt der Verbreitung von „oben“ nicht thematisiert wird. Wójcik unterteilt seine Dissertation nach sachlichen Gesichtspunkten, während die chronologische Entwicklung nicht bearbeitet wird. Wertvoll ist diese Studie jedoch in Hinsicht auf die zahlreichen Zitate, die den Rang des Piłsudski-Bildes in der Literatur deutlich illustrieren. 145 Vgl. BIERNAT, Paradoks. 26

sich feststellen. In der Umbruchphase erschienen viele Publikationen im Reprint 131 ,<br />

<strong>und</strong> eine Welle an Veröffentlichungen zur Zweiten Republik im allgemeinen <strong>und</strong> über<br />

<strong>Piłsudski</strong> im besonderen entstand, da er in der Gesellschaft der 1990er Jahre sehr<br />

populär <strong>und</strong> das Bedürfnis nach Informationen über ihn groß war, so daß sich dementsprechend<br />

Bücher über den Marschall gut verkaufen ließen. Viele Arbeiten sind<br />

jedoch kaum wissenschaftlich f<strong>und</strong>iert <strong>und</strong> haben zudem überwiegend fast apologetischen<br />

Charakter. 132 Nachdem diese Welle abgeebbt ist, entstehen nun vorwiegend<br />

wissenschaftliche Arbeiten über <strong>Piłsudski</strong>. 133<br />

In diese Paradigmen der polnischen Historiographie fällt auch die Auseinandersetzung<br />

mit der „schwarzen“ („czarna“) negativen <strong>und</strong> der „goldenen“ („złota“) positiven<br />

<strong>Piłsudski</strong>-Legende. Letztlich werden jedoch nur Vorstellungen über die Leistungen<br />

<strong>und</strong> Taten <strong>Piłsudski</strong>s, beispielsweise über den Sieg über die Rote Armee im Jahre<br />

1920 <strong>und</strong> <strong>seine</strong> Rolle als Diktator, aufgegriffen <strong>und</strong> je nach der politischen Position<br />

des Autors be- oder widerlegt. Entsprechend der positiven <strong>und</strong> negativen Verwendung<br />

der Begriffe <strong>Kult</strong> <strong>und</strong> Legende durch die Sanacja, die Endecja <strong>und</strong> ihre nachfolgenden<br />

Emigrationszirkel wie auch durch die „offizielle“ Geschichtsschreibung<br />

der Volksrepublik erörtern die Darstellungen des <strong>Piłsudski</strong>-nahen Exils dabei apologetisch<br />

den Ruhm <strong>und</strong> die Taten <strong>Piłsudski</strong>s. Dagegen wollen die auflagenstarken <strong>und</strong><br />

meist populärwissenschaftlichen Darstellungen über die <strong>Piłsudski</strong>-Legende aus der<br />

Volksrepublik im Sinne der oben skizzierten <strong>Piłsudski</strong>-Forschung über die Person des<br />

Marschalls „aufklären“. Es sind dies kritische Synthesen <strong>und</strong> Auseinandersetzungen<br />

mit dem positiven <strong>Piłsudski</strong>-Bild, jedoch keine eigenständigen Forschungsergebnisse,<br />

die auf der Auswertung verschiedenartigen Quellenmaterials beruhen. 134 Insgesamt<br />

verwenden die meisten Veröffentlichungen über <strong>Piłsudski</strong> <strong>und</strong> <strong>seine</strong> Legende die Be-<br />

131 Z.B. PIŁSUDSKI, Pisma Zbiorowe; POBÓG-MALINOWSKI, Najnowsza Historia.<br />

132 Eher populärwissenschaftlich sind z.B.: BUSZKO; MICHALSKI, Królom; DERS., Od Ziuka;<br />

PRUSZCZYŃSKI, Tajemnica; DERS., Dramat; URBANKOWSKI, <strong>Piłsudski</strong>, aber auch DERS.,<br />

Filozofia. Eine Ausnahme bildet der kritische M. GIERTYCH. Deutlich wird bei manchen<br />

Titeln, wie „zugkräftig“ der Name <strong>Piłsudski</strong> ist, siehe z.B. Ksiądz Infułat Marian Tokarzewski<br />

oder JAROCKI.<br />

133 So z.B. einige Aufsätze im 1999 erschienenen Band „Twórcy Niepodległości“, der Beiträge<br />

unterschiedlicher Qualität zusammenfaßt; aber auch ŚWIĘTEK, Ściana; SULEJA,<br />

<strong>Piłsudski</strong>; ZAPOROWSKI; SIERPOWSKI; PARUCH, Od konsolidacji; CHWALBA.<br />

134 Zahlreiche wissenschaftliche <strong>und</strong> publizistische Beiträge unterstreichen den „aufklärerischen“<br />

Charakter solcher Reflexionen, z.B. MICEWSKI, Legenda (1965); CZUBIŃSKI, Legenda<br />

(1986); J. LOBMAN: Z krypty głos nie dobiega [...] Wokół legendy J. <strong>Piłsudski</strong>ego<br />

[Aus der Krypta ertönt die Stimme nicht [...] Um die J.-<strong>Piłsudski</strong>-Legende], in: Trybuna<br />

Ludu Nr. 111, 1985, S. 6. Lediglich GARLICKI, <strong>Piłsudski</strong>, äußert sich ansatzweise an einigen<br />

Stellen <strong>seine</strong>r <strong>Piłsudski</strong>-Biographie, meist in Form von Anmerkungen, über Ausdrucksformen<br />

des <strong>Piłsudski</strong>-<strong>Kult</strong>es <strong>und</strong> weist auf dessen Funktionen hin, ohne diese aber<br />

näher zu erörtern. Auch die deutschsprachige Studie von HAUSER skizziert nur die Entwicklungslinien<br />

der <strong>Piłsudski</strong>-Verehrung.<br />

25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!