Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut
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ihre Loyalität zum polnischen Staat zu demonstrieren. 176 Ein frühes Beispiel hierfür war die Teilnahme einer Delegation der Huzulen an den Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen des polnischen Staates, wobei diese nach der Huldigung für Piłsudski und Mościcki die staatsbürgerliche Loyalität der Ukrainer und ihren festen Willen zur nationalen Zusammenarbeit ausdrückten. 177 Dagegen begrüßte die ukrainische Emigration in Polen die Würdigung des Marschalls insbesondere wegen seiner antisowjetischen Einstellung. 178 Die Ukrainer im polnischen Staat akzeptierten somit den Piłsudski-Mythos also auch in einer auf ihre eigenen politischen Bedürfnisse und Interessen reduzierten Form. Piłsudski war für sie der Kämpfer für die staatliche Unabhängigkeit, der Erzfeind der Roten Armee und ein verläßlicher Bündnispartner Petljuras. Gleichzeitig trat er unerschütterlich für eine Gleichberechtigung der kleinen Völker Osteuropas ein. Sie glorifizierten den Marschall daher als großen nationalen Führer und Vordenker einer polnisch-ukrainischen föderalen Staatskonzeption. So sprachen z.B. Vertreter der ukrainischen Bevölkerung in Lemberg die Hoffnung aus, daß Piłsudskis Vorstellungen von guten Beziehungen zwischen den beiden Völkern nach seinem Tod noch stärker realisiert werden würden. 179 Die ukrainische wolhynische Vereinigung hob in ihrem Traueraufruf den Kampf um die Unabhängigkeit hervor, bei dem allein Piłsudski unter der Parole „für unsere und eure Freiheit“ 180 den Ukrainern zu Hilfe gekommen sei. Dieses Motto sei auch Grundlage für die politische Gleichberechtigung ihres Volkes im polnischen Staat, wobei aber nach dem Tod Piłsudskis nur sein Geist zurück geblieben sei, der den Weg zu einer gemeinsamen Arbeit für den Staat und seine Bürger zeigen möge. 181 Das Organ der ukrainischen nationaldemokratischen Organisation Dilo äußerte volles Verständnis für Piłsudskis Unabhängigkeitsbestrebungen vor dem Ersten Weltkrieg und würdigte seine Unterstützung Petljuras 176 Siehe auch die Kommentare anläßlich des Todes des Marschalls, zit. in: PAPROCKI, S. 12- 23. 177 Vgl. Gazeta Polska vom 11.XI.1928. Vgl. auch die kurzen Berichte über das Programm zum Namenstag 1935, in: Biuletyn polsko-ukraiński vom 17. und 24.III.1935. 178 Den erfolgreichen Kampf stellte das Biuletyn polsko-ukraiński im Jahre 1935 als gemeinsame Aktion mit Petljura dar. Vgl. P. SZANDRUK: Geneza umowy kwietniowej z 1920 r. [Die Genese der Aprilvereinbarung des Jahres 1920], in: Biuletyn polsko-ukraiński 1935, S. 183-186. 179 Vgl. Biuletyn polsko-ukraiński vom 16.VI.1935. 180 Diese Parole war die Losung des Novemberaufstandes und anschließend auch des polnischen Messianismus. 181 Vgl. Gazeta Polska vom 17.V.1935. Siehe auch die Resolution der ukrainischen Verbände in Równe vom 23.V.1935, zit. nach: Gazeta Polska vom 24.V.1935; siehe auch Ilustrowany Kurier Codzienny vom 25.V.1935, in: BJ, JPZCz, n.pag. 360
im Frühjahr 1920. 182 Ein weiteres Beispiel hierfür war der Nachruf des Direktors des dem Kultusministerium unterstehenden ukrainischen wissenschaftlichen Instituts in Warschau auf Piłsudski. Er würdigte Piłsudski 1935 als Freund des ukrainischen Volkes, der für die nationale Befreiung beider Völker gekämpft habe. 183 Zusammenfassend lässt sich sagen, daß die politischen Gegner, wenn überhaupt, nur in geringem Maße über den Piłsudski-Kult berichtet und, wenn möglich, Kritik an ihm geübt haben, die in der Regel mit einer scharfen Ablehnung der Sanacja verbunden war. Dies deutet darauf hin, daß diese ihn negativ beurteilt, aber nicht gefördert, benutzt und/oder sich in seinem Sinne geäußert haben. Im Gegensatz dazu haben die nationalen Minderheiten, d.h. die Juden, Deutschen und Ukrainer, den Piłsudski-Kult insofern aufgenommen, als sie ihn dazu genutzt haben, um ihre Loyalität gegenüber dem polnischen Staat unter Beweis zu stellen und sich damit dessen Wohlwollens ihnen gegenüber zu versichern. Insgesamt kann man daher zu dem Schluß gelangen, daß eine Berichterstattung bzw. Rezeption des Piłsudski-Kultes nur dann außerhalb des Regierungslagers und der von ihm beeinflußten Gruppierungen in der Zweiten Republik erfolgt ist, wenn er von diesen „Rezipienten“ zu politischen Zwecken instrumentalisiert werden konnte. 5.3. Ausblick auf die weitere Entwicklung des Piłsudski-Kultes und Schlußbetrachtung Die Instrumentalisierung des Piłsudski-Kultes für politische Zwecke läßt sich auch anhand der weiteren Entwicklung feststellen. Mit der Besetzung Polens durch das Dritte Reich und die Sowjetunion im September 1939 endete der Kult um Piłsudski nicht, bekam aber neue politische Akzente. Einer näheren Analyse bedarf dabei das Piłsudski-Bild der deutschen Besatzungsmacht, die bis wenige Monate vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion Ehrenwachen am Sarg des Marschalls aufgestellt hatte. 184 In diesem Zeitraum ist jedoch die Verehrung Piłsudskis durch seine Landsleute interessanter, waren doch alle Kult-Vorschriften durch die Vernichtung der polnischen Staatlichkeit und die Liquidierung des Sanacja-Regimes obsolet geworden. Der Kult um Piłsudski zeigte jedoch bei den Untergrundkämpfern des Związek Walki Zbrojnej (Verband des Bewaffneten Kampfes) und der Armia Krajowa (Heimatarmee) noch seine Wirkungen trotz der gegen Piłsudski gerichteten Haltung Władysław Sikorskis 182 Dilo vom 16.V.1935, zit. nach: Gazeta Polska vom 17.V.1935 (Presseschau). Ähnlich äußerte sich auch die Zeitung Beskid (Beskide), die jedoch auch behauptete, daß Piłsudski in bezug auf die Ukrainer zu keinem tragfähigen Kompromiß gefunden habe. 183 Vgl. Gazeta Warszawska vom 15.V.1935. 184 Hitler besuchte bei seinem Warschau-Besuch am 5.X.1939 auch das Belweder. Vgl. SZAROTA, Piłsudski, S. 101. 361
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ihre Loyalität zum polnischen Staat zu demonstrieren. 176 Ein frühes Beispiel hierfür<br />
war die Teilnahme einer Delegation der Huzulen an den Feierlichkeiten zum zehnjährigen<br />
Bestehen des polnischen Staates, wobei diese nach der Huldigung für <strong>Piłsudski</strong><br />
<strong>und</strong> Mościcki die staatsbürgerliche Loyalität der Ukrainer <strong>und</strong> ihren festen Willen zur<br />
nationalen Zusammenarbeit ausdrückten. 177 Dagegen begrüßte die ukrainische Emigration<br />
in Polen die Würdigung des Marschalls insbesondere wegen <strong>seine</strong>r antisowjetischen<br />
Einstellung. 178<br />
Die Ukrainer im polnischen Staat akzeptierten somit den <strong>Piłsudski</strong>-Mythos also<br />
auch in einer auf ihre eigenen politischen Bedürfnisse <strong>und</strong> Interessen reduzierten<br />
Form. <strong>Piłsudski</strong> war für sie der Kämpfer für die staatliche Unabhängigkeit, der Erzfeind<br />
der Roten Armee <strong>und</strong> ein verläßlicher Bündnispartner Petljuras. Gleichzeitig<br />
trat er unerschütterlich für eine Gleichberechtigung der kleinen Völker Osteuropas<br />
ein. Sie glorifizierten den Marschall daher als großen nationalen Führer <strong>und</strong> Vordenker<br />
einer polnisch-ukrainischen föderalen Staatskonzeption. So sprachen z.B. Vertreter<br />
der ukrainischen Bevölkerung in Lemberg die Hoffnung aus, daß <strong>Piłsudski</strong>s Vorstellungen<br />
von guten Beziehungen zwischen den beiden Völkern nach <strong>seine</strong>m Tod<br />
noch stärker realisiert werden würden. 179 Die ukrainische wolhynische Vereinigung<br />
hob in ihrem Traueraufruf den Kampf um die Unabhängigkeit hervor, bei dem allein<br />
<strong>Piłsudski</strong> unter der Parole „für unsere <strong>und</strong> eure Freiheit“ 180 den Ukrainern zu Hilfe<br />
gekommen sei. Dieses Motto sei auch Gr<strong>und</strong>lage für die politische Gleichberechtigung<br />
ihres Volkes im polnischen Staat, wobei aber nach dem Tod <strong>Piłsudski</strong>s nur sein<br />
Geist zurück geblieben sei, der den Weg zu einer gemeinsamen Arbeit für den Staat<br />
<strong>und</strong> <strong>seine</strong> Bürger zeigen möge. 181 Das Organ der ukrainischen nationaldemokratischen<br />
Organisation Dilo äußerte volles Verständnis für <strong>Piłsudski</strong>s Unabhängigkeitsbestrebungen<br />
vor dem Ersten Weltkrieg <strong>und</strong> würdigte <strong>seine</strong> Unterstützung Petljuras<br />
176<br />
Siehe auch die Kommentare anläßlich des Todes des Marschalls, zit. in: PAPROCKI, S. 12-<br />
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177<br />
Vgl. Gazeta Polska vom 11.XI.1928. Vgl. auch die kurzen Berichte über das Programm<br />
zum Namenstag 1935, in: Biuletyn polsko-ukraiński vom 17. <strong>und</strong> 24.III.1935.<br />
178<br />
Den erfolgreichen Kampf stellte das Biuletyn polsko-ukraiński im Jahre 1935 als gemeinsame<br />
Aktion mit Petljura dar. Vgl. P. SZANDRUK: Geneza umowy kwietniowej z 1920 r.<br />
[Die Genese der Aprilvereinbarung des Jahres 1920], in: Biuletyn polsko-ukraiński 1935,<br />
S. 183-186.<br />
179<br />
Vgl. Biuletyn polsko-ukraiński vom 16.VI.1935.<br />
180<br />
Diese Parole war die Losung des Novemberaufstandes <strong>und</strong> anschließend auch des polnischen<br />
Messianismus.<br />
181<br />
Vgl. Gazeta Polska vom 17.V.1935. Siehe auch die Resolution der ukrainischen Verbände<br />
in Równe vom 23.V.1935, zit. nach: Gazeta Polska vom 24.V.1935; siehe auch Ilustrowany<br />
Kurier Codzienny vom 25.V.1935, in: BJ, JPZCz, n.pag.<br />
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