Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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zu den Darstellungen aus der Zwischenkriegszeit, insbesondere aus den Jahren 1926 bis 1939. 114 An erster Stelle sei hier die Zeitschrift Niepodległość („Unabhängigkeit“) erwähnt, die in der Nachfolge der gleichnamigen Zeitschrift des Warschauer Józef-Piłsudski- Instituts regelmäßig Beiträge über Aspekte des Wirkens Piłsudskis in Form von Quellen oder Forschungsarbeiten veröffentlicht. 115 Nicht nur die institutionelle, sondern auch die personelle Kontinuität prägt diese Forschungsrichtung bis zu Beginn der 1990er Jahre deutlich. Neben zahlreichen Erinnerungsschriften 116 von den Piłsudczycy und Veröffentlichungen insbesondere anläßlich des 100. Geburtstages 117 , die alle mehr oder weniger hagiographischen Charakter haben, wurde die personelle Kontinuität bei Publikationen über Piłsudski vor allem durch den ehemaligen Kultusminister und Leiter des Piłsudski-Instituts in New York Wacław Jędrzejewicz gewährleistet. Seine Kronika życia Józefa Piłsudskiego 118 („Chronik des Lebens Józef Piłsudskis“) gehört zu den grundlegenden biographischen Werken, hat aber deutlich apologetischen Charakter. 119 Diese Prädisposition hat auch seine Piłsudski-Biographie, worauf schon der Untertitel der englischen Ausgabe 120 A Life for Poland hinweist. Bedeutsam sind auch die Werke von Władysław Pobóg-Malinowski. Obgleich er innerhalb des Lagers nicht unumstritten war, gehören seine Najnowsza Historia Polski 121 („Neueste Geschichte Polens“) und seine Piłsudski-Biographie 122 zu den grundlegenden Arbeiten, obwohl die wissenschaftliche Fundierung seiner Werke problema- 114 Dies wird beispielsweise in der Biographie von W. JĘDRZEJEWICZ, Piłsudski, oder in: GAŁĘCZKOWSKA, S. 5-12, deutlich. 115 Die Bände 1 (1948) – 11 (1978) der Niepodległość (neue Folge) erschienen in London, danach in New York; Bd. 26 (1993) in Zusammenarbeit mit der Universität Breslau und seit Bd. 27 (1995) mit dem Warschauer Verlag „Gryf“. 116 Vgl. PIŁSUDSKA, Wspomnienia; DIES., Piłsudski, J. JĘDRZEJEWICZ, W służbie. 117 Vgl. KASPRZYCKI, Peace; DERS., Polityka pokoju. Interessant ist auch eine spanischsprachige Gedenkausgabe des argentinischen Komitees zum Gedenken an den 100. Geburtstag Piłsudskis: WIWATOWSKI. 118 Vgl. W. JĘDRZEJEWICZ, Kronika. Ab der zweiten, erweiterten Auflage veröffentlichte W. Jędrzejewicz sie zusammen mit Janusz Cisek unter dem Titel Kalendarium życia Piłsudskiego (Kalendarium des Lebens von Józef Piłsudski). 119 Dieses macht die Einleitung deutlich: „Józef Piłsudski! Dieser Name ist dem Herzen jedes Polen lieb, dem die Unabhängigkeit der [polnischen] Republik teuer ist“ (Józef Piłsudski! Imię to bliskie jest sercu każdego Polaka, któremu droga jest Niepodległość Rzeczypospolitej“, ebenda, S. 7). 120 Vgl. W. JĘDRZEJEWICZ, Life. 121 Vgl. POBÓG-MALINOWSKI, Najnowsza Historia. 122 Vgl. DERS., Piłsudski 1867-1914. 23

tisch ist, da ihm die Archive in Polen und diejenigen der Piłsudski-Institute verschlossen blieben. Die Dmowski-nahe, nationaldemokratisch geprägte Historiographie hat dagegen kaum Werke über Piłsudski hervorgebracht. Dennoch sei sie hier kurz charakterisiert, zeigt sie doch die wichtigsten Vorbehalte und Bewertungen der Persönlichkeit Piłsudskis seitens des Dmowski-Lagers resp. der Nationaldemokratie auf, die schon in der Zweiten Republik virulent waren. Auch im Falle dieser Forschungsrichtung liegt in der Gestalt Jędrzej Giertychs eine personelle Kontinuität aus der Zweiten Republik vor. 123 Da er viele für ihn falsche und tendenziöse Legenden über Piłsudski klarstellen will, beschreibt er insbesondere die Tätigkeit Piłsudskis zwischen 1914 und 1919 124 , um zu zeigen, daß nicht Piłsudski, sondern Roman Dmowski die führende Rolle bei der Staatsgründung innehatte. Piłsudski habe durch den Abmarsch aus Krakau am 6. August 1914 nur die österreichischen Direktiven und dann lediglich den Willen der deutschen Regierung erfüllt. 125 Schließlich habe nicht Piłsudski das „Wunder an der Weichsel“ vollbracht, sondern General Rozwadowski habe die Schlacht geführt, und faktisch habe General Weygand, der französische Berater, die Schlacht gewonnen. 126 Weitere Topoi der Kritik an Piłsudski waren der Vorwurf, Freimaurer gewesen zu sein 127 , und das ambivalente Verhältnis Piłsudskis zur katholischen Kirche. 128 Die politische Wende von 1989 bewirkte auch, daß nun in Polen über Piłsudski und die Zweite Republik frei, d.h. ohne Blick auf eine mögliche Zensur veröffentlicht werden konnte. 129 Die verschiedenen Forschungsstränge der vorhergehenden Jahrzehnte trafen sich. Personelle Kontinuitäten, aber auch inhaltliche Brüche 130 lassen 123 Er hatte schon seit Mitte der 1920er Jahre kritische Arbeiten über Vorstellungen Piłsudskis verfaßt, z.B. J. GIERTYCH, O programie; DERS., Tragizm. 124 Vgl. DERS., Piłsudski. In den Bibliographien wird deutlich, daß sich Giertych nicht mit den Darstellungen der Piłsudski-nahen Emigration auseinandergesetzt hat. In diesen bibliographischen Angaben verweist er auf seine eigenen Veröffentlichungen über Piłsudski in der Zweiten Republik und in der Emigration. 125 Vgl. ebenda, Bd. 1, S. 193 und 283. 126 Vgl. ebenda, Bd. 2, S. 7. 127 Vgl. ebenda, Bd. 1, S. 128-150. Zwar gibt J. GIERTYCH, ebenda, S. 134, zu, daß Informationen darüber, ob Piłsudski Freimaurer gewesen sei, widersprüchlich seien, betont aber, daß er zwei Quellen kenne, aus denen hervorgehen würde, daß er es gewesen sei. 128 Vgl. insbesondere WARSZAWSKI. 129 Interessant für das Verständnis der Umbruchssituation der Jahre 1988-1990 und der Bedeutung, die man dem Erbe Piłsudskis insbesondere von der (noch) oppositionellen Seite beimaß, sind Veröffentlichungen wie diejenigen von LENKIEWICZ und MICHALSKI, Siwy, vor allem S. 3 ff., und das Kap. „Została legenda“ („Die Legende blieb“), ebenda, S. 104- 109. 130 Siehe z.B. die Einleitung zum Bildband von GARLICKA/GARLICKI, in dem Piłsudski viel eindeutiger als in GARLICKI, Piłsudski, als Heros dargestellt wird. 24

zu den Darstellungen aus der Zwischenkriegszeit, insbesondere aus den Jahren 1926<br />

bis 1939. 114<br />

An erster Stelle sei hier die Zeitschrift Niepodległość („Unabhängigkeit“) erwähnt,<br />

die in der Nachfolge der gleichnamigen Zeitschrift des Warschauer Józef-<strong>Piłsudski</strong>-<br />

<strong>Institut</strong>s regelmäßig Beiträge über Aspekte des Wirkens <strong>Piłsudski</strong>s in Form von Quellen<br />

oder Forschungsarbeiten veröffentlicht. 115<br />

Nicht nur die institutionelle, sondern auch die personelle Kontinuität prägt diese<br />

Forschungsrichtung bis zu Beginn der 1990er Jahre deutlich. Neben zahlreichen Erinnerungsschriften<br />

116 von den Piłsudczycy <strong>und</strong> Veröffentlichungen insbesondere anläßlich<br />

des 100. Geburtstages 117 , die alle mehr oder weniger hagiographischen Charakter<br />

haben, wurde die personelle Kontinuität bei Publikationen über <strong>Piłsudski</strong> vor<br />

allem durch den ehemaligen <strong>Kult</strong>usminister <strong>und</strong> Leiter des <strong>Piłsudski</strong>-<strong>Institut</strong>s in New<br />

York Wacław Jędrzejewicz gewährleistet. Seine Kronika życia Józefa <strong>Piłsudski</strong>ego 118<br />

(„Chronik des Lebens Józef <strong>Piłsudski</strong>s“) gehört zu den gr<strong>und</strong>legenden biographischen<br />

Werken, hat aber deutlich apologetischen Charakter. 119 Diese Prädisposition<br />

hat auch <strong>seine</strong> <strong>Piłsudski</strong>-Biographie, worauf schon der Untertitel der englischen Ausgabe<br />

120 A Life for Poland hinweist.<br />

Bedeutsam sind auch die Werke von Władysław Pobóg-Malinowski. Obgleich er<br />

innerhalb des Lagers nicht unumstritten war, gehören <strong>seine</strong> Najnowsza Historia Polski<br />

121 („Neueste Geschichte Polens“) <strong>und</strong> <strong>seine</strong> <strong>Piłsudski</strong>-Biographie 122 zu den gr<strong>und</strong>legenden<br />

Arbeiten, obwohl die wissenschaftliche F<strong>und</strong>ierung <strong>seine</strong>r Werke problema-<br />

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Dies wird beispielsweise in der Biographie von W. JĘDRZEJEWICZ, <strong>Piłsudski</strong>, oder in:<br />

GAŁĘCZKOWSKA, S. 5-12, deutlich.<br />

115<br />

Die Bände 1 (1948) – 11 (1978) der Niepodległość (neue Folge) erschienen in London, danach<br />

in New York; Bd. 26 (1993) in Zusammenarbeit mit der Universität Breslau <strong>und</strong> seit<br />

Bd. 27 (1995) mit dem Warschauer Verlag „Gryf“.<br />

116<br />

Vgl. PIŁSUDSKA, Wspomnienia; DIES., <strong>Piłsudski</strong>, J. JĘDRZEJEWICZ, W służbie.<br />

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Vgl. KASPRZYCKI, Peace; DERS., Polityka pokoju. Interessant ist auch eine spanischsprachige<br />

Gedenkausgabe des argentinischen Komitees zum Gedenken an den 100. Geburtstag<br />

<strong>Piłsudski</strong>s: WIWATOWSKI.<br />

118<br />

Vgl. W. JĘDRZEJEWICZ, Kronika. Ab der zweiten, erweiterten Auflage veröffentlichte W.<br />

Jędrzejewicz sie zusammen mit Janusz Cisek unter dem Titel Kalendarium życia <strong>Piłsudski</strong>ego<br />

(Kalendarium des Lebens von Józef <strong>Piłsudski</strong>).<br />

119<br />

Dieses macht die Einleitung deutlich: „Józef <strong>Piłsudski</strong>! Dieser Name ist dem Herzen jedes<br />

Polen lieb, dem die Unabhängigkeit der [polnischen] Republik teuer ist“ (Józef <strong>Piłsudski</strong>!<br />

Imię to bliskie jest sercu każdego Polaka, któremu droga jest Niepodległość<br />

Rzeczypospolitej“, ebenda, S. 7).<br />

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Vgl. W. JĘDRZEJEWICZ, Life.<br />

121 Vgl. POBÓG-MALINOWSKI, Najnowsza Historia.<br />

122 Vgl. DERS., <strong>Piłsudski</strong> 1867-1914.<br />

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