Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut
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Herrscherkult der Antike 80 einteilen, wobei die beiden letztgenannten Kulte ihrerseits von vornehmlich religiösen bzw. sakralen Komponenten geprägt sind. Die politisch motivierten Kulte hingegen unterscheiden sich dadurch voneinander, daß sie entweder durch staatliche Einwirkung etabliert, legitimiert und dadurch institutionalisiert werden oder eine spontane Verehrung von (meist) lebenden, charismatisch erscheinenden Personen innerhalb einer politischen Bewegung sind. 81 In die erste Kategorie gehören die Kulte um die Diktatoren totalitär bzw. autoritär regierter Staaten, während zur zweiten etwa der Kult um den badischen Revolutionsführer von 1848/49 Friedrich Hecker 82 und die öffentliche Verehrung des Sozialisten Ferdinand Lassalle gehören. Obwohl Kulte der letzteren innerhalb der jeweiligen sozialen Gruppe oftmals fest etabliert sind, fehlt ihnen meist die institutionelle Verankerung im Staat. Grundsätzlich lassen sich politische Kulte hinsichtlich ihres Bezugsobjekts unterscheiden: 1. Der Persönlichkeitskult bezieht sich auf die kultische Verehrung eines noch lebenden Menschen. Meist endet er mit dem Leben der Bezugsperson. 83 Zu den bedeutenden Persönlichkeitskulten zählen u.a. die Kulte um Stalin, Hitler, Benito Mussolini 84 , Mao Tse-tung 85 , Nikolaie Ceauşescu 86 , aber auch der antike Herrscherkult um Kaiser Augustus. 2. Der Kult um verstorbene Personen bezieht sich entweder auf unmittelbar zuvor verstorbene oder schon länger tote Persönlichkeiten. Obwohl sich der Totenkult immer auf die Leistung und gesellschaftliche Anerkennung der Persönlichkeit bezieht, die ihr erst einen charismatischen Nimbus verliehen haben, und es häufig Ansätze einer kultischen Verehrung schon zu ihren Lebzeiten gibt, beginnt die Entfaltung des Kultes erst mit dem Tode dieser Person. Als Beispiele für den Kult um tote Individuen seien etwa der Atatürk-, Napoleon-Bonaparte- 87 oder auch der Kościuszko-Kult, der Kult um Vytautas den Großen 88 , der Kult um Jeanne d’Arc 89 sowie mit gewissen 80 merkungen, zeigt, wie in der Neuzeit katholische Heilige politisch instrumentalisiert wurden. Vgl. auch DERS., Politischer Heiligenkult. Vgl. TAEGER. 81 In diesem Rahmen wird die kultische Verehrung von Persönlichkeiten aus dem „Show- Business“ außer acht gelassen. Zu den Führerkulten in Arbeitermilieus und demokratischen Bewegungen vgl. KORFF, Politischer Heiligenkult; GROH, Cäsarismus. 82 Vgl. ASSION. 83 Bei Hitler und Ceauşescu endete er abrupt, bei Stalin erst geraume Zeit nach seinem Ableben. 84 Vgl. PESCHKEN. 85 Vgl. dazu PALTIEL, S. 49-64. 86 Vgl. GEORGESCU; NELSON; GABANYI. 87 Vgl. TULARD; LUCAS-DUBRETON. 88 Vgl. NIKŽENTAITIS. 340
Einschränkungen auch der Lenin-Kult 90 genannt. Innerhalb dieser Gruppe nimmt der Heiligenkult des Mittelalters eine Sonderstellung ein, wie etwa der Kult um die Heiligen Adalbert (Wojciech) und Stanisław in Polen und die Verehrung des Heiligen Johannes von Nepomuk in Böhmen bezeugen. 3. Auch ganze Personengruppen können kultisch verehrt werden, wie die öffentliche Ehrung gefallener „Helden“ einer politischen Bewegung oder von Soldaten eines Staates beweist, die sich für diese Bewegung bzw. diesen Staat meist mit ihrem Leben eingesetzt haben. 91 Die Verehrung einer solchen Gruppe ist beispielsweise die Heldenverehrung des Nationalsozialismus 92 oder die Ehrung des „Unbekannten Soldaten“ 93 bzw. der im Krieg Gefallenen. 94 Hierher gehört auch die Kultivierung der „Nation in Waffen“ 95 bzw. der Armee eines Staates. 4. Es gibt auch kultische Überhöhungen von legendär gewordenen Personen bzw. von personifizierten, ursprünglich abstrakten Begriffen. Dazu gehören z.B. Vercingetorix in Frankreich, Hermann der Cherusker 96 bzw. Arminius 97 in Deutschland oder Gediminas in Litauen sowie die „Marianne“ in Frankreich und die „Germania“ in Deutschland. 5. Für einen Staat, eine Nation oder eine politische Bewegung wichtige historische Ereignisse wie die Schlacht bei Tannenberg bzw. (polnisch) Grunwald bzw. (litauisch) Žalgiris zwischen Polen-Litauen und dem Deutschen Orden im Jahre 1410, die Völkerschlacht von Leipzig 1813 98 oder die Schlacht bei Sedan im deutschfranzösischen Krieg 1870/71 können mythisch überhöht und zum Objekt einer öffentlichen kultischen Verehrung werden. 99 Die drei letztgenannten Kulte um legendäre bzw. mythische Personen, Gruppen oder bedeutsame historische Ereignisse gehen in der Regel mit anderen Kultformen einher und dienen zu deren Verstärkung bzw. Ergänzung. Offensichtlich wird dies etwa am nationalsozialistischen „Kult der toten Helden“ (Sabine Behrenbeck), der 89 Vgl. KRUMEICH, der beschreibt, wie die Jeanne-Verehrung im 19. Jahrhundert wiederauflebte und im 19./20. Jahrhundert politisiert wurde. 90 Der Lenin-Kult begann sich zwar seit der Revolution zu entwickeln, wurde aber erst vorangetrieben, als Lenin schon nicht mehr regierungsfähig war, und vollends nach seinem Tod verbreitet. 91 Vgl. KOSELLECK, Einleitung. 92 Vgl. BEHRENBECK, Kult. 93 Damit beschäftigt sich beispielsweise: ACKERMANN, Identität. 94 Zu diesem Komplex siehe u.a. BEHRENBECK, Heldenkult; KÄMPFER; ARNOLD; BECKER. 95 Vgl. VOGEL, Nationen; KOSELLECK, Kriegerdenkmale. 96 Zu Vercingetorix und Hermann siehe TACKE, S. 29-76; zu Hermann: DÖRNER. 97 Vgl. UNVERFEHRT. 98 Vgl. Vom Kult zur Kulisse; HOFFMANN. 99 Vgl. VOGEL, S. 144-161. 341
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Herrscherkult der Antike 80 einteilen, wobei die beiden letztgenannten <strong>Kult</strong>e ihrerseits<br />
von vornehmlich religiösen bzw. sakralen Komponenten geprägt sind.<br />
Die politisch motivierten <strong>Kult</strong>e hingegen unterscheiden sich dadurch voneinander,<br />
daß sie entweder durch staatliche Einwirkung etabliert, legitimiert <strong>und</strong> dadurch institutionalisiert<br />
werden oder eine spontane Verehrung von (meist) lebenden, charismatisch<br />
erscheinenden Personen innerhalb einer politischen Bewegung sind. 81 In die erste<br />
Kategorie gehören die <strong>Kult</strong>e um die Diktatoren totalitär bzw. autoritär regierter<br />
Staaten, während zur zweiten etwa der <strong>Kult</strong> um den badischen Revolutionsführer von<br />
1848/49 Friedrich Hecker 82 <strong>und</strong> die öffentliche Verehrung des Sozialisten Ferdinand<br />
Lassalle gehören. Obwohl <strong>Kult</strong>e der letzteren innerhalb der jeweiligen sozialen Gruppe<br />
oftmals fest etabliert sind, fehlt ihnen meist die institutionelle Verankerung im<br />
Staat.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich lassen sich politische <strong>Kult</strong>e hinsichtlich ihres Bezugsobjekts unterscheiden:<br />
1. <strong>Der</strong> Persönlichkeitskult bezieht sich auf die kultische Verehrung eines noch lebenden<br />
Menschen. Meist endet er mit dem Leben der Bezugsperson. 83 Zu den bedeutenden<br />
Persönlichkeitskulten zählen u.a. die <strong>Kult</strong>e um Stalin, Hitler, Benito Mussolini<br />
84 , Mao Tse-tung 85 , Nikolaie Ceauşescu 86 , aber auch der antike Herrscherkult um<br />
Kaiser Augustus.<br />
2. <strong>Der</strong> <strong>Kult</strong> um verstorbene Personen bezieht sich entweder auf unmittelbar zuvor<br />
verstorbene oder schon länger tote Persönlichkeiten. Obwohl sich der Totenkult immer<br />
auf die Leistung <strong>und</strong> gesellschaftliche Anerkennung der Persönlichkeit bezieht,<br />
die ihr erst einen charismatischen Nimbus verliehen haben, <strong>und</strong> es häufig Ansätze einer<br />
kultischen Verehrung schon zu ihren Lebzeiten gibt, beginnt die Entfaltung des<br />
<strong>Kult</strong>es erst mit dem Tode dieser Person. Als Beispiele für den <strong>Kult</strong> um tote Individuen<br />
seien etwa der Atatürk-, Napoleon-Bonaparte- 87 oder auch der Kościuszko-<strong>Kult</strong>,<br />
der <strong>Kult</strong> um Vytautas den Großen 88 , der <strong>Kult</strong> um Jeanne d’Arc 89 sowie mit gewissen<br />
80<br />
merkungen, zeigt, wie in der Neuzeit katholische Heilige politisch instrumentalisiert wurden.<br />
Vgl. auch DERS., Politischer Heiligenkult.<br />
Vgl. TAEGER.<br />
81<br />
In diesem Rahmen wird die kultische Verehrung von Persönlichkeiten aus dem „Show-<br />
Business“ außer acht gelassen. Zu den Führerkulten in Arbeitermilieus <strong>und</strong> demokratischen<br />
Bewegungen vgl. KORFF, Politischer Heiligenkult; GROH, Cäsarismus.<br />
82<br />
Vgl. ASSION.<br />
83<br />
Bei Hitler <strong>und</strong> Ceauşescu endete er abrupt, bei Stalin erst geraume Zeit nach <strong>seine</strong>m Ableben.<br />
84<br />
Vgl. PESCHKEN.<br />
85<br />
Vgl. dazu PALTIEL, S. 49-64.<br />
86<br />
Vgl. GEORGESCU; NELSON; GABANYI.<br />
87<br />
Vgl. TULARD; LUCAS-DUBRETON.<br />
88 Vgl. NIKŽENTAITIS.<br />
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