Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

werden lassen. Daher gelte: „Präsident Wojciechowski verkörpert den Staat in seinem
schlechten, schwachen und schädlichen Inhalt, den die Seuche der Entsittlichung erfaßt
hat und dessen Wurzeln durch das schwarze Gift eines Übels angefressen werden,
dessen Namen Schwäche ist; dem Präsidenten gegenüber [auf der Poniatowski-
Brücke in Warschau am 12. Mai 1926] aber steht der Vertreter nicht der höchsten
Staatsgewalt, sondern seines Inhalts [des Staates], der Vertreter seiner Kraft, seines
sittlichen Werts, des Kampfes gegen Schwäche und Kleinheit, steht die Größe, welche
Führer heißt.“ 1056
Nach Adam Skwarczyński war Piłsudski vor allem ein pädagogischer Charakter.
„Während andere der oben [genannten] Typen die zuvor gesammelten und bereiten
moralischen und materiellen Ressourcen des Volkes entwickeln und in Bewegung
setzen, formiert und gestaltet der Typ des Erziehers den Charakter der Menschen und
des Volkes und bildet also diese Ressourcen.“ 1057 Diesen neuen Typus habe Piłsudski
von Beginn seines Wirkens an verkörpert, wovon viele seiner Schriften und Reden
zeugten. Er bezog sich dabei auf einen Text aus dem Jahr 1905, in dem Piłsudski die
Notwendigkeit herausgestellt hatte, den Charakter und die Erziehung des Volkes hin
zur Tugend des Mutes und Tapferkeit zu lenken. 1058 Als besonders wichtig sah
Skwarczyński in diesem Zusammenhang die Ausbildung der zukünftigen Soldaten im
Związek Walki Czynnej (Verband des Aktiven Kampfes) und in den Schützenverbänden
an. Die pädagogische Vorgehensweise Piłsudskis habe darin bestanden, nach einer
ausführlichen Situationsanalyse von konkreten Ratschlägen abzusehen und dagegen
Wert darauf zu legen, zu den eigenen Leuten Vertrauen zu haben. So habe Piłsudski
auch seine öffentliche Arbeit gestaltet: „In seiner Tätigkeit finden sich keine
besonders angekündigten Perspektiven und Möglichkeiten, es gibt keine ‚Programme‘,
es gibt keine Überredung, keine Überzeugungsarbeit, keine Agitation. Das
grundsätzliche Ziel oder die grundlegende Richtung ist ausdrücklich vorgegeben, es
ist die Wahl des Moments, [...] und abschließend bleibt dieser Gruppe bzw. der ganzen
Gesellschaft die Freiheit überlassen, in diesen vorgegebenen Möglichkeiten voranzuschreiten.
In diesem Schema lassen sich letztlich [...] wohl alle wichtigsten Taten
Piłsudskis unterbringen.“ 1059 Die Erziehungsarbeit Piłsudskis bestand also nach
1056 LIPIŃSKI, Marschall, S. 67.
1057 „Gdy inne z powyższych typów rozwijają niejako i uruchomiają zebrane uprzednio i
gotowe zasoby moralne i materjalne narodu, typ wychowawcy formuje i przekształca
charakter ludzi i narodu, a więc zasoby te stwarza“ (SKWARCZYŃSKI, Wychowawca,
S. 187).
1058 Vgl. ebenda.
1059 „Nie ma w jego działaniu szczegółowo zapowiadanych perspektyw i możliwości, nie ma
‚programów‘, nie ma namawiania, przekonywania, agitowania. Jest wyraźnie wytknięty
zasadniczy cel lub kierunek, jest wybór momentu [...] i następnie jest temu zespołowi czy
całemu społeczeństwu pozstawiona swoboda dalszego postępowania w tych rozwiniętych
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