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Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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nach einer Weisung ihrer Leitung insbesondere die <strong>Bedeutung</strong> der „Mutter-Bürgerin“<br />

(matka-obywatelka) für das Leben <strong>Piłsudski</strong>s <strong>und</strong> damit für die Vormachtstellung Polens<br />

in den Vordergr<strong>und</strong> stellen. 960 Dazu reisten ca. 600 Mütter, die alle Wojewodschaften<br />

repräsentierten, <strong>und</strong> 200 Frauen der Rodzina Wojskowa nach Wilna. Dafür<br />

wählte sie vor allem Mütter von „Kämpfern um die Unabhängigkeit <strong>und</strong> Vormachtstellung<br />

(mocarstwowość) Polens“ aus, aber auch Mütter aus den Arbeiterschichten<br />

der Industriegebiete, die oft die einzige Stütze der Familie seien, <strong>und</strong> auch Landfrauen,<br />

die in Polen immer eine Bastion der Tradition gebildet hätten. 961 Da dies, abgesehen<br />

von Berichten über die Mutter <strong>Piłsudski</strong>s, kaum in der Presse thematisiert wurde,<br />

scheint diese Huldigung der Mutter jedoch eher ein Aspekt für die Auswahl der Repräsentantinnen<br />

der Rodzina Wojskowa als ein besonderer Schwerpunkt der Trauerfeierlichkeiten<br />

in Wilna gewesen zu sein.<br />

Neben Wilna konzentrierte sich die Aufmerksamkeit des Obersten Gedächtniskomitees<br />

im Jahre 1936 vor allem auf Krakau, wo Vertreter der Regierung, des Militärs<br />

<strong>und</strong> der zivilen Behörden an den Feierlichkeiten teilnahmen. Mit Ausnahme der Huldigung<br />

von Delegationen auf dem Wawel in Krakau <strong>und</strong> vor dem Belweder in Warschau<br />

waren die Programmpunkte nach Maßgabe des Obersten Gedächtniskomitees<br />

identisch mit dem Ablauf in allen anderen Städten des Landes gestaltet. 962 Während<br />

die Hauptverwaltungen der gesellschaftlichen Organisationen <strong>und</strong> Verbände ihre Delegationen<br />

nach Wilna schickten, sollten ihre Vertreter vor Ort wie auch die örtlichen<br />

Honoratioren <strong>und</strong> Würdenträger an den Veranstaltungen teilnehmen. 963 Nach Trauergottesdiensten<br />

in den Gotteshäusern aller Konfessionen fand ein Trauerzug durch die<br />

wichtigsten Straßen der Stadt statt, an dem die Vertreter der Organisationen, allen<br />

voran die Kombattantenverbände, aber auch Schüler teilnahmen. Um 13 Uhr, also zu<br />

dem Zeitpunkt, als das Mausoleum in Wilna verschlossen wurde, fanden drei<br />

Schweigeminuten statt, in denen sämtlicher Verkehr ruhte. Abends fanden in den<br />

Krakauer Theatern Trauerfeiern statt, bei denen aus den Werken des Marschalls vorgelesen<br />

wurde. 964 Inwieweit das Exekutivkomitee nach einem Vorschlag <strong>seine</strong>s Mit-<br />

960<br />

Vgl. AAN, WWNK, 12, B. 135.<br />

961<br />

Nach den Vorgaben für die Delegationen mußten die Frauen die Kosten selbst tragen, aber<br />

die Verwaltung der Rodzina Wojskowa bemühte sich, diese so niedrig wie möglich zu<br />

halten (vgl. AAN, WWNK, 12, B. 132 ff.). Wichtig war, daß sie schon vor ihrer Reise<br />

über die Rolle <strong>Piłsudski</strong>s <strong>und</strong> <strong>seine</strong>r Mutter aufgeklärt wurden. Sie sollten im Kondukt<br />

<strong>und</strong> auf den Tribünen in ihren lokalen Trachten erscheinen, anschließend einen Kranz<br />

niederlegen <strong>und</strong> sich in ein Gedenkbuch eintragen.<br />

962<br />

Vgl. AAN, WWNK, 6, n.pag. (R<strong>und</strong>schreiben vom 24.IV.1936).<br />

963<br />

Vgl. AAN, WWNK, 12, B. 80.<br />

964<br />

Vgl. Gazeta Polska vom 13.V.1936. In Warschau fanden allein 48 Trauerveranstaltungen<br />

statt. Die Parade dort wurde auf dem Pole Mokotowskie abgehalten. Die gleiche Ausgabe<br />

der Gazeta Polska berichtete über 100 000 Personen, die in Lemberg an der Parade teilgenommen<br />

hatten.<br />

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