Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut
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Schöpfer „unseres Morgen“ 916 erkennen lernen sollten. Die Gazeta Warszawska berichtete im Gegensatz dazu vom Druck auf Lehrer und Schüler sowie auf Beamte und Angestellte, eine Gratulationskarte zu schreiben, da sich ihrer Erkenntnis nach gerade im Posener Gebiet viele weigerten, sich an der Aktion zu beteiligen. 917 Auch am 19. März 1932 war Piłsudski nicht in Polen. So warb das Hauptkomitee unverhüllt dafür, daß sich die gesellschaftlichen Organisationen dem Festkomitee als „Ausdruck der Einmütigkeit und Geschlossenheit dieser Gesellschaft“ 918 anschließen sollten. Eine Flut von Briefen und Telegrammen ging in Heluan, dem Aufenthaltsort Piłsudskis, ein. 919 Im Land liefen die Feiern „wie immer“ 920 ab. Die Gazeta Warszawska berichtete, daß nach einem Rundschreiben des Kultusministeriums in diesem Jahr der Marsz Pierwszej Brygady am Ende der Festveranstaltungen an allen Schulen gesungen werden mußte und deswegen der Unterricht ausgefallen sei. 921 Der Oberschlesische Kurier schrieb, daß auch die Schüler der Minderheitenschulen gezwungen worden seien, sich an den Paraden zu beteiligen, was bisher nur am Staatsfeiertag (3. Mai) und beim Besuch des Staatspräsidenten üblich gewesen sei. 922 Für die Jahre 1932 bis 1935 liefen die Feierlichkeiten insgesamt im üblichen Rahmen ohne besondere Höhepunkte ab. Herauszuheben ist nur der Leitartikel der Gazeta Polska vom 19. März 1933, der unterstrich, daß Piłsudski nur dafür kritisiert werde, was er tue, und nicht für das, was er getan habe. Die Zeit werde erst seine Verdienste allen deutlich machen. Da er sein Leben der Größe des Morgen widme, sei es leicht, ihn als historische Persönlichkeit und nicht als solche des täglichen Lebens zu verstehen. 923 Bezeichnend war auch, daß die Regierung der Freien Stadt Danzig 1933 der polnischen Minderheit untersagte, Festveranstaltungen zu Ehren des Marschalls durchzuführen, was zeigt, daß sie den dortigen Feierlichkeiten vor dem Hintergrund der Danzig-Politik Piłsudskis erhebliche politische Bedeutung zumaß. 924 915 „genjusz narodowy“ (ebenda). 916 „naszego jutra“ (ebenda). Auch das MWRiOP, in: AAN, MWRiOP, 20, B. 120, hatte am 27.II.1931 keine Bedenken gegen den Verkauf von Postkarten. 917 Z.B. Gazeta Warszawska vom 7., 14., 17., 19. und 29.III.1931. Am 17.XII. berichtete sie über einen Prozeß gegen einen Lehrer, der Schüler geschlagen hatte, weil sie sich nicht an der Aktion beteiligen wollten. 918 „[...] wyrazu jednomyślności i zwartości tego społeczeństwa [...]“ (Gazeta Polska vom 13.III.1932). 919 Ilustrowany Kurier Codzienny vom 2.IV.1932, in: JPDU, n.pag. 920 „co zawsze“ (Tygodnik Ilustrowany vom 26.III.1932). 921 Vgl. Gazeta Warszawska vom 3.III.1932, Bezug auf ein Rundschreiben des MWRiOP vom 25.II.1932. 922 Der Oberschlesische Kurier vom 21.III.1932. Die Gazeta Warszawska vom 17.III.1932 berichtete über Schläge für Schüler, die sich der Teilnahme verweigerten. 923 Vgl. Gazeta Polska vom 19.III.1933. 924 Vgl. Nasz Przegląd vom 19.III.1933. 248
Für das Jahr 1934 stellte der Oberschlesische Kurier nach dem Josefstag fest, daß sich die Anhängerschaft der Sanacja unter den Jugendlichen immer mehr ausbreite. Obwohl ein Teil der Veranstaltungen ohne Zweifel von den Behörden und amtlichen Stellen organisiert werde, habe die freiwillige Beteiligung der Bevölkerung gegenüber den Vorjahren „zweifellos wieder zu[genommen], und man konnte bemerken, daß die Feststimmung und Verehrung für den Gefeierten der wirkliche Ausdruck der Stimmung einer recht breiten Masse war“. 925 Der Tod Piłsudskis führte bei den Namenstagsfeierlichkeiten insofern einen Bruch herbei, als der Todestag von nun an im Vordergrund der Piłsudski-Verehrung stand. Das Oberste Gedächtniskomitee erließ im Gegensatz zu den genauen Vorschriften für den Verlauf der Feierlichkeiten zum Todestag nur grundsätzliche Richtlinien. 926 Es sah den 19. März nicht als einen Tag der nationalen Trauer an, da er zu Lebzeiten des Marschalls ein Tag voller Freude gewesen war. An diesem Tag sei „er mehr als an einem anderen Tag unter uns gegenwärtig“ 927 . Vier Elemente gab es vor, um in der Bevölkerung das Gedenken und die Verehrung Piłsudskis zu verankern. Dazu gehörte zunächst die Rede des Staatspräsidenten zum 19. März, die er am 18. März im Radio in Anwesenheit von Marschall Rydz-Śmigły hielt und die der polnische Rundfunk am 19. März wiederholte. Wo es möglich war, sollten Lautsprecher in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden die Rede übertragen, damit auch Personen, die über kein Radio verfügten, diese hören konnten. Des weiteren wurden Gottesdienste aller Konfessionen, die als lokale „Initiative“ organisiert werden mußten, und feierliche Versammlungen in den Kulturräumen der Organisationen angeordnet, bei denen die Rede Mościckis und Zitate aus den Schriften Piłsudskis gehört werden sollten. Schließlich mußten Blumensträuße und andere Gebinde am Belweder in Warschau, im Wawel in Krakau, auf dem Rossa-Friedhof in Wilna sowie überall dort niedergelegt werden, wo Orte des Gedenkens an Piłsudski vorhanden waren. 928 Im Jahre 1936 betonte das O- 925 Der Oberschlesische Kurier vom 20.III.1934. In ähnlicher Weise äußerte sich die Kattowitzer Zeitung vom 19.III.1935, nach der es in Anbetracht der Massen an diesem Tage schwierig sei sich vorzustellen, daß es in Polen eine politische Opposition gebe. 926 Z.B. ein Rundschreiben des Exekutivkomitees des Obersten Gedächtniskomitees vom 3.III.1939, das als offizielle Veranstaltungen die Rede des Staatspräsidenten Mościcki, Gottesdienste und feierliche Versammlungen in Warschau, Krakau, Wilna und an allen mit Piłsudski verbundenen Orten vorschrieb, die durch die lokalen Vereinigungen zu organisieren waren. Vgl. AAN, ZLP 61, B. 92; ein Rundschreiben der Federacja Polskich Związków Obrońców Ojczyzny mit Anweisungen für die lokalen Organisationen und deren Unterstellung unter die Ägide des Obersten Gedächtniskomitees, in: CAW, FPZOO, 49, n.pag., vom 10.III.1938. 927 „jest bardziej wśród nas obecny, niż w każdego innego dnia“ (Rundbrief vom 9.III.1938 des Exekutivkomitees, in: AAN, WWNK, 6, n.pag., ähnliche Formulierungen benutzte es auch in den anderen Jahren). 928 Vgl. die Rundschreiben des Obersten Gedächtniskomitees vom 20.II.1936, 9.III.1937, 8.III.1938 und 3.III.1939, alle in: AAN, WWNK, 6, n.pag. 249
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Für das Jahr 1934 stellte der Oberschlesische Kurier nach dem Josefstag fest, daß<br />
sich die Anhängerschaft der Sanacja unter den Jugendlichen immer mehr ausbreite.<br />
Obwohl ein Teil der Veranstaltungen ohne Zweifel von den Behörden <strong>und</strong> amtlichen<br />
Stellen organisiert werde, habe die freiwillige Beteiligung der Bevölkerung gegenüber<br />
den Vorjahren „zweifellos wieder zu[genommen], <strong>und</strong> man konnte bemerken,<br />
daß die Feststimmung <strong>und</strong> Verehrung für den Gefeierten der wirkliche Ausdruck der<br />
Stimmung einer recht breiten Masse war“. 925<br />
<strong>Der</strong> Tod <strong>Piłsudski</strong>s führte bei den Namenstagsfeierlichkeiten insofern einen Bruch<br />
herbei, als der Todestag von nun an im Vordergr<strong>und</strong> der <strong>Piłsudski</strong>-Verehrung stand.<br />
Das Oberste Gedächtniskomitee erließ im Gegensatz zu den genauen Vorschriften für<br />
den Verlauf der Feierlichkeiten zum Todestag nur gr<strong>und</strong>sätzliche Richtlinien. 926 Es<br />
sah den 19. März nicht als einen Tag der nationalen Trauer an, da er zu Lebzeiten des<br />
Marschalls ein Tag voller Freude gewesen war. An diesem Tag sei „er mehr als an einem<br />
anderen Tag unter uns gegenwärtig“ 927 . Vier Elemente gab es vor, um in der Bevölkerung<br />
das Gedenken <strong>und</strong> die Verehrung <strong>Piłsudski</strong>s zu verankern. Dazu gehörte<br />
zunächst die Rede des Staatspräsidenten zum 19. März, die er am 18. März im Radio<br />
in Anwesenheit von Marschall Rydz-Śmigły hielt <strong>und</strong> die der polnische R<strong>und</strong>funk am<br />
19. März wiederholte. Wo es möglich war, sollten Lautsprecher in Schulen <strong>und</strong> anderen<br />
öffentlichen Gebäuden die Rede übertragen, damit auch Personen, die über kein<br />
Radio verfügten, diese hören konnten. Des weiteren wurden Gottesdienste aller Konfessionen,<br />
die als lokale „Initiative“ organisiert werden mußten, <strong>und</strong> feierliche Versammlungen<br />
in den <strong>Kult</strong>urräumen der Organisationen angeordnet, bei denen die Rede<br />
Mościckis <strong>und</strong> Zitate aus den Schriften <strong>Piłsudski</strong>s gehört werden sollten. Schließlich<br />
mußten Blumensträuße <strong>und</strong> andere Gebinde am Belweder in Warschau, im Wawel in<br />
Krakau, auf dem Rossa-Friedhof in Wilna sowie überall dort niedergelegt werden, wo<br />
Orte des Gedenkens an <strong>Piłsudski</strong> vorhanden waren. 928 Im Jahre 1936 betonte das O-<br />
925 <strong>Der</strong> Oberschlesische Kurier vom 20.III.1934. In ähnlicher Weise äußerte sich die Kattowitzer<br />
Zeitung vom 19.III.1935, nach der es in Anbetracht der Massen an diesem Tage<br />
schwierig sei sich vorzustellen, daß es in Polen eine politische Opposition gebe.<br />
926 Z.B. ein R<strong>und</strong>schreiben des Exekutivkomitees des Obersten Gedächtniskomitees vom<br />
3.III.1939, das als offizielle Veranstaltungen die Rede des Staatspräsidenten Mościcki,<br />
Gottesdienste <strong>und</strong> feierliche Versammlungen in Warschau, Krakau, Wilna <strong>und</strong> an allen<br />
mit <strong>Piłsudski</strong> verb<strong>und</strong>enen Orten vorschrieb, die durch die lokalen Vereinigungen zu organisieren<br />
waren. Vgl. AAN, ZLP 61, B. 92; ein R<strong>und</strong>schreiben der Federacja Polskich<br />
Związków Obrońców Ojczyzny mit Anweisungen für die lokalen Organisationen <strong>und</strong> deren<br />
Unterstellung unter die Ägide des Obersten Gedächtniskomitees, in: CAW, FPZOO,<br />
49, n.pag., vom 10.III.1938.<br />
927 „jest bardziej wśród nas obecny, niż w każdego innego dnia“ (R<strong>und</strong>brief vom 9.III.1938<br />
des Exekutivkomitees, in: AAN, WWNK, 6, n.pag., ähnliche Formulierungen benutzte es<br />
auch in den anderen Jahren).<br />
928 Vgl. die R<strong>und</strong>schreiben des Obersten Gedächtniskomitees vom 20.II.1936, 9.III.1937,<br />
8.III.1938 <strong>und</strong> 3.III.1939, alle in: AAN, WWNK, 6, n.pag.<br />
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