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Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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Durch <strong>seine</strong> nonverbale Kommunikationsfunktion stellt das Ritual das sinnlichphysische<br />

Erleben der communio in den Vordergr<strong>und</strong>, so daß es auch in ästhetischer<br />

Hinsicht z.B. durch äußerliche Prunkentfaltung die Teilnehmer ansprechen muß. 52<br />

Durch den motorischen Vollzug von Ritualen treffen sich alle Teilnehmer symbolisch<br />

in einer Handlung, so daß ihr Augenmerk auf die enge Verb<strong>und</strong>enheit untereinander<br />

<strong>und</strong> die gemeinsamen Interessen gelenkt wird. Da das feierliche Zeremoniell Menschen<br />

emotional auf das (gemeinsame) Erlebnis des Erhabenen vorbereitet, erzeugen<br />

bzw. fördern Rituale einen sozialen Konformismus, wobei das gemeinsame Erleben<br />

zudem eine Befriedigung über diesen auslöst. Rituale haben also eine Appellfunktion<br />

gegenüber den an ihnen teilnehmenden Menschen.<br />

Daraus ergeben sich die sozialen Funktionen von Ritualen. Zunächst soll durch die<br />

Teilnahme die unauflösliche Gemeinschaft zwischen Teilnehmern <strong>und</strong> ausführender<br />

Elite verdeutlicht werden. Die Funktion der Konfliktlösung, also einer Aussöhnung<br />

zwischen sozialen Gruppen, ohne die die Gemeinschaft nicht existieren kann, kommt<br />

hinzu. Darüber hinaus gibt es Rituale, die sich auf den Tod eines Gruppenmitglieds<br />

beziehen, vor allem wenn dieses wichtige Aufgaben für diese Gruppe wahrgenommen<br />

hatte. Da durch den Tod ihr Fortbestand in Frage gestellt wird, sollen Bestattungsriten<br />

bzw. Riten, die den Toten betreffen, die erschütterte Gruppensolidarität wiederherstellen<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig zentrifugalen Kräften unter den Überlebenden der Gruppe<br />

entgegenwirken, so daß die Trauernden erneut die geschlossene Gemeinschaft <strong>und</strong><br />

gleichzeitig eine rekapitulierende Sinndeutung erfahren. Schließlich machen Rituale<br />

auf feierliche Art bestimmte reale oder idealiter entworfene soziale Strukturen der<br />

Gesellschaft sichtbar, denn die einer gesellschaftlichen Gruppe zugewiesene Rolle<br />

spiegelt sich auch in ihrer <strong>Bedeutung</strong> bzw. Funktion bei der Teilnahme am Ritual wider.<br />

Mythen, Symbole <strong>und</strong> Rituale stellen also in inhaltlicher <strong>und</strong> funktionaler Hinsicht<br />

die drei gr<strong>und</strong>legenden Elemente von (Personen-)<strong>Kult</strong>en dar: Sie bilden ein System<br />

bzw. Geflecht von Deutungselementen, das erst den <strong>Kult</strong> als solchen ausmacht. Mythen<br />

beinhalten die verbale Vermittlung von politischen Aussagen bzw. Vorstellungen<br />

des <strong>Kult</strong>es, während Symbole ihn bildlich weiter vermitteln <strong>und</strong> Rituale durch<br />

nonverbale, symbolhafte Handlungen diesen Inhalt nachempfinden. Alle drei Komponenten<br />

besitzen darüber hinaus gemeinschafts- <strong>und</strong> identitätsstiftende Funktionen.<br />

Aber erst durch ihr Zusammenwirken können <strong>Kult</strong>e die ihnen spezifische öffentliche<br />

Wirksamkeit entfalten. Daher müssen bei einer Untersuchung von <strong>Kult</strong>en, beispielsweise<br />

des <strong>Piłsudski</strong>-<strong>Kult</strong>es, alle drei Komponenten parallel betrachtet werden.<br />

Nach Reinhard Löhmann 53 lassen sich drei Merkmale des modernen <strong>Kult</strong>es um<br />

Führerpersönlichkeiten erkennen, die nicht nur das <strong>Kult</strong>objekt aus der Sicht <strong>seine</strong>r<br />

52 Vgl. dazu <strong>und</strong> zum folgenden: ebenda, S. 54-57.<br />

53 Vgl. LÖHMANN, S. 10 ff. Löhmann hat dieses Schema anhand eigener Studien entwickelt<br />

<strong>und</strong> belegt es an einzelnen Beispielen aus sozialistischen Systemen, wobei er das Schema<br />

aber auch für andere politisch-ideologische Systeme als gültig anerkennt.<br />

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