Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut
Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut
3.2.5.1. Die Feiern zum Beginn der „bewaffneten Tat“ (6. August) Der 6. August war neben dem 11. November für den Piłsudski-Mythos der wichtigste historisch-politische Jahrestag, da er an den Beginn der „bewaffneten Tat“ Piłsudskis durch den Abmarsch der kleinen Kaderkompanie von Krakau nach Kielce erinnerte. Im Vergleich zum Unabhängigkeitstag waren die Feiern zum 6. August sowohl mit ihrer zentralen Ausprägung als Legionärskongreß als auch mit den lokalen Gedenkveranstaltungen, die in zumindest allen größeren Städten des Landes seit Mitte der 1920er Jahre stattfanden, die eindeutig politischeren Veranstaltungen, zumal der Legionärsverband (ZLP) sie unter seiner Ägide organisierte und das Lager sie neben der Huldigung Piłsudskis zur politischen Demonstration nutzte. Sie trugen im Gegensatz zu den anderen Piłsudski-Feiern nie einen halboffiziellen Charakter, obwohl die Hilfe der lokalen Behörden für die Organisation dieser Veranstaltungen nach 1926 in Anspruch genommen wurde. Die zentralen Legionärskongresse (zjazdy legionistów) als „alljährliche Schau der Kräfte“ 775 waren dabei die wichtigsten Veranstaltungen zu diesem Jahrestag, die der Legionärsverband nach der Initiative Piłsudskis im Jahre 1922 alljährlich veranstaltete. Vorbild für diese Kongresse waren die Aufrufe Piłsudskis an seine Soldaten zu den Jahrestagen des 6. August seit 1915, die die Bedeutung dieses Tages für die Piłsudczycy herausstellten. Die Feiern zu diesem Jahrestag entfalteten sich jedoch parallel zur Entwicklung und Konsolidierung des Piłsudski-Lagers, so daß im Jahre 1919 776 am 6. August „nur“ der „Feiertag des Soldaten“ (święto żołnierza) begangen wurde, während 1920 aufgrund der Kriegslage keine größeren Gedenkfeiern 777 und 1921 lediglich ein kollegiales Erinnerungstreffen 778 mit einem Empfang bei Piłsudski stattfanden. Wie in der Kurzbiographie erläutert, ist der erste Legionärskongreß von 1922 in Krakau vor dem Hintergrund zu sehen, daß Piłsudski in den ehemaligen Legionären eine „Hausmacht“ suchte und fand, so daß das Treffen von 2561 ehemaligen Legio- 775 „coroczny przegląd sił“ (Głos Prawdy vom 19.III.1928). 776 Der Bericht des Kurjer Lwowski („Lemberger Kuriers“) vom 6.VIII.1923, in: BJ, JPDU, erwähnt eine Schrift von 1919 „Dlaczego czcimy dzień szósty sierpnia“ [Warum wir den Tag des 6. August begehen], Warszawa 1919, die aber bibliographisch nicht mehr nachweisbar ist. Allein die Tatsache, daß eine solche Schrift verfaßt wurde, weist auf die diesem Tag beigemessene Bedeutung hin. 777 Die Bedeutung des Tages für die Piłsudczycy wird aber darin deutlich, daß Piłsudski gerade an diesem Tag grundlegende Entscheidungen für den polnisch-sowjetrussischen Krieg getroffen haben soll. 778 Vgl. Tygodnik Ilustrowany vom 11.VIII.1935. 218
nären eine Demonstration der Geschlossenheit und Stärke sowie der politischen Haltung Piłsudskis war. 779 Seitdem gab es anläßlich des 6. Augusts und zum Gedenken an die Kämpfe der Legionen, insbesondere derjenigen der Ersten Brigade, alljährlich eine zentrale Feier des Legionärsverbandes (ZLP) in Form des Legionärskongresses. Sie fand meist an dem auf den 6. August folgenden Wochenende und an Orten statt, die eng mit dem Wirken Piłsudskis und der Legionäre verbunden waren. Waren diese Treffen auch vordergründig Begegnungen ehemaliger Kameraden, so waren jedoch die Huldigung und Verehrung Piłsudskis ein wichtiger Bestandteil. Nicht weniger bedeutungsvoll war auch ihr politisches Gepräge. Bei den sorgfältig vorbereiteten Treffen waren Feldmessen, Paraden von am Ort stationierten Truppenteilen und insbesondere Vorbeimärsche der Legionäre sowie Defilées der Teilnehmer durch die Stadt wichtige Bestandteile der Feiern. Es wurden immer wieder Soldatenlieder, insbesondere der Marsz Pierwszej Brygady, gespielt. Piłsudski wurde durch die Überreichung von Blumen etc. bzw. bei Abwesenheit durch Huldigungstelegramme besonders geehrt. Seit 1926 wurden bei den Treffen der Legionäre häufig Denkmäler, die im Zusammenhang mit den Legionen standen, eingeweiht. Der wichtigste Bestandteil war eine festliche Abendveranstaltung mit Reden, bei der Piłsudski, zumindest bis 1928, selbst auftrat. Der politische Charakter der Legionärstreffen von 1922 wurde bis 1925 gefestigt. In Lemberg redete Piłsudski 1923 zweimal, was insofern bedeutungsvoll war, als er von allen politischen Ämtern zurückgezogen gegen die Regierung opponierte. In einer fast dreistündigen Ansprache stellte er die Charakteristika heraus, die aus den Legionären den neuen Typ des guten Soldaten machten. 780 In einer zweiten Rede 781 ermunterte er die Legionäre, gegen Lüge und Verleumdung vorzugehen, die die Kraft des Volkes verringerten und die man nur durch ein höheres moralisches Niveau unschädlich machen könne. Damit spielte er auf seine Forderung nach einer „moralischen Gesundung“ des Staates und seine politischen Auseinandersetzungen vor allem mit dem Sikorski-Lager bzw. der Nationaldemokratie an. Der zehnte Jahrestag des Abmarsches aus Krakau erhielt erstmals einen gesamtpolnischen Charakter, da der Legionärsverband im ganzen Land Kundgebungen organisierte und anläßlich des Legionärskongresses in Lublin ein Denkmal für die „Taten der Legionäre“ in Radom enthüllt wurde. Dieses Treffen wurde in der dem Ministerium für Militärangelegenheiten zuneigenden Polska Zbrojna als eine Manifestation 779 Vgl. dazu Polska Zbrojna vom 7.VIII.1922, und GARLICKI, Piłsudski, S. 241-247. Garlicki sieht dies unter dem Einfluß des italienischen Faschismus, da dessen „Marsch auf Rom“ den Legionären eine Perspektive bot, durch eine Kombattantenbewegung und aus Offizierskreisen heraus zur Macht zu gelangen. Inwieweit diese These Garlickis zutrifft, ist nicht zu erkennen, weil die vorliegenden Quellen darauf keinen Bezug nehmen. 780 PIŁSUDSKI, O wartości żołnierza, S. 60-78. 781 Vgl. ebenda, S. 79-82. 219
- Seite 179 und 180: Piłsudski-Mythos. Sie wurde zu ein
- Seite 181 und 182: sudski gewidmete Briefmarken gedruc
- Seite 183 und 184: Abb. 12: Briefmarken mit dem Portra
- Seite 185 und 186: noch in den Akten des Obersten Ged
- Seite 187 und 188: Wesentlichste Aufgabe des Obersten
- Seite 189 und 190: was mit dem noch zu erläuternden M
- Seite 191 und 192: lichen Bildungsgut und für alle vi
- Seite 193 und 194: 1916 ein, als die deutsche Besatzun
- Seite 195 und 196: ciuszko-Erdhügel) bedeutsam und re
- Seite 197 und 198: von Orten, wo verschiedene polnisch
- Seite 199 und 200: ßen die Geschichte des polnischen
- Seite 201 und 202: 3.2.4.2. Die Pläne für den Sarkop
- Seite 203 und 204: Öffnung des Sarkophags war dabei n
- Seite 205 und 206: wuchs sich zum politisch motivierte
- Seite 207 und 208: Sapieha hatte die Überführung Pi
- Seite 209 und 210: langten. Schließlich wurde geforde
- Seite 211 und 212: In einer kurzen Sejmsitzung am 20.
- Seite 213 und 214: 16. Mai 1935 entstanden waren. Die
- Seite 215 und 216: mit einem vorgelagerten Forum vorge
- Seite 217 und 218: und der Gestalt Józef Piłsudskis
- Seite 219 und 220: an Piłsudski mit Fotos von seiner
- Seite 221 und 222: Gleichzeitig bestand nach dem Komme
- Seite 223 und 224: staatlichen Behörden vor Ort gekl
- Seite 225 und 226: Die Delegiertenversammlung des Zwi
- Seite 227 und 228: Da solche Feste ein „Moratorium d
- Seite 229: lich zelebriert. Erst nach der Wied
- Seite 233 und 234: ersten Teil seiner Rede 788 verband
- Seite 235 und 236: 1935 „ohne Streit“ 803 stattgef
- Seite 237 und 238: liegen, daß ein Befehl des Ministe
- Seite 239 und 240: Abb. 16: Titelseite der Gazeta Pols
- Seite 241 und 242: Abb. 18: Titelseite der Polska Zbro
- Seite 243 und 244: schichte her war er als der Tag der
- Seite 245 und 246: kehr aus Magdeburg und seine Übern
- Seite 247 und 248: Sejm angenommene Gesetzesvorlage sa
- Seite 249 und 250: Abb. 19: Titelseite des Głos Prawd
- Seite 251 und 252: Abb. 21: Titelseite der Gazeta Pols
- Seite 253 und 254: wandten sich die Gegner Piłsudskis
- Seite 255 und 256: („Morgenkurier“), seine Rückke
- Seite 257 und 258: Marschall die Bestrebungen, Hoffnun
- Seite 259 und 260: Wegen der Kur Piłsudskis auf Madei
- Seite 261 und 262: Für das Jahr 1934 stellte der Ober
- Seite 263 und 264: die Schulreform und das zunehmend a
- Seite 265 und 266: Abb. 22: Titelseite des Głos Prawd
- Seite 267 und 268: Abb. 24: Postkarte für die Gratula
- Seite 269 und 270: 3.2.5.4. Die Feierlichkeiten zum To
- Seite 271 und 272: glieder, Staatssekretäre, die Gene
- Seite 273 und 274: nach einer Weisung ihrer Leitung in
- Seite 275 und 276: terlandes und der Stärke Polens ha
- Seite 277 und 278: ung an die Opposition verlieren kö
- Seite 279 und 280: Abb. 26: Titelseite der Gazeta Pols
3.2.5.1. Die Feiern zum Beginn der „bewaffneten Tat“ (6. August)<br />
<strong>Der</strong> 6. August war neben dem 11. November für den <strong>Piłsudski</strong>-Mythos der wichtigste<br />
historisch-politische Jahrestag, da er an den Beginn der „bewaffneten Tat“ <strong>Piłsudski</strong>s<br />
durch den Abmarsch der kleinen Kaderkompanie von Krakau nach Kielce erinnerte.<br />
Im Vergleich zum Unabhängigkeitstag waren die Feiern zum 6. August sowohl mit<br />
ihrer zentralen Ausprägung als Legionärskongreß als auch mit den lokalen Gedenkveranstaltungen,<br />
die in zumindest allen größeren Städten des Landes seit Mitte der<br />
1920er Jahre stattfanden, die eindeutig politischeren Veranstaltungen, zumal der Legionärsverband<br />
(ZLP) sie unter <strong>seine</strong>r Ägide organisierte <strong>und</strong> das Lager sie neben der<br />
Huldigung <strong>Piłsudski</strong>s zur politischen Demonstration nutzte. Sie trugen im Gegensatz<br />
zu den anderen <strong>Piłsudski</strong>-Feiern nie einen halboffiziellen Charakter, obwohl die Hilfe<br />
der lokalen Behörden für die Organisation dieser Veranstaltungen nach 1926 in Anspruch<br />
genommen wurde.<br />
Die zentralen Legionärskongresse (zjazdy legionistów) als „alljährliche Schau der<br />
Kräfte“ 775 waren dabei die wichtigsten Veranstaltungen zu diesem Jahrestag, die der<br />
Legionärsverband nach der Initiative <strong>Piłsudski</strong>s im Jahre 1922 alljährlich veranstaltete.<br />
Vorbild für diese Kongresse waren die Aufrufe <strong>Piłsudski</strong>s an <strong>seine</strong> Soldaten zu<br />
den Jahrestagen des 6. August seit 1915, die die <strong>Bedeutung</strong> dieses Tages für die Piłsudczycy<br />
herausstellten. Die Feiern zu diesem Jahrestag entfalteten sich jedoch parallel<br />
zur Entwicklung <strong>und</strong> Konsolidierung des <strong>Piłsudski</strong>-Lagers, so daß im Jahre<br />
1919 776 am 6. August „nur“ der „Feiertag des Soldaten“ (święto żołnierza) begangen<br />
wurde, während 1920 aufgr<strong>und</strong> der Kriegslage keine größeren Gedenkfeiern 777 <strong>und</strong><br />
1921 lediglich ein kollegiales Erinnerungstreffen 778 mit einem Empfang bei <strong>Piłsudski</strong><br />
stattfanden.<br />
Wie in der Kurzbiographie erläutert, ist der erste Legionärskongreß von 1922 in<br />
Krakau vor dem Hintergr<strong>und</strong> zu sehen, daß <strong>Piłsudski</strong> in den ehemaligen Legionären<br />
eine „Hausmacht“ suchte <strong>und</strong> fand, so daß das Treffen von 2561 ehemaligen Legio-<br />
775 „coroczny przegląd sił“ (Głos Prawdy vom 19.III.1928).<br />
776 <strong>Der</strong> Bericht des Kurjer Lwowski („Lemberger Kuriers“) vom 6.VIII.1923, in: BJ, JPDU,<br />
erwähnt eine Schrift von 1919 „Dlaczego czcimy dzień szósty sierpnia“ [Warum wir den<br />
Tag des 6. August begehen], Warszawa 1919, die aber bibliographisch nicht mehr nachweisbar<br />
ist. Allein die Tatsache, daß eine solche Schrift verfaßt wurde, weist auf die diesem<br />
Tag beigemessene <strong>Bedeutung</strong> hin.<br />
777 Die <strong>Bedeutung</strong> des Tages für die Piłsudczycy wird aber darin deutlich, daß <strong>Piłsudski</strong> gerade<br />
an diesem Tag gr<strong>und</strong>legende Entscheidungen für den polnisch-sowjetrussischen<br />
Krieg getroffen haben soll.<br />
778 Vgl. Tygodnik Ilustrowany vom 11.VIII.1935.<br />
218