Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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die architektonische und skulpturale Interpretation und die technische Ausführung keine Vorgaben gemacht wurden. Trotz einiger Stimmen, die ein Reiterstandbild befürworteten, waren die einzigen Bedingungen des Wettbewerbs, daß sich das Denkmal harmonisch in seine unmittelbare Umgebung einfügen und „dem besonderen Kult Wilnas für das Gedenken an den Großen Marschall entsprechen“ 742 sollte. Auch dieses Projekt konnte bis zum Zweiten Weltkrieg nicht mehr realisiert werden. 3.2.4.6. Die Fixierung aller Aufenthaltsorte als „steinernes Itinerar“ Piłsudskis Ein gesamtnationales Projekt besonderer Art war die Aufgabe des Obersten Gedächtniskomitees, alle historischen Orte, die mit dem Leben und historischen Wirken Piłsudskis verbunden waren, durch Gedenksteine oder -tafeln zu fixieren. 743 Damit waren zunächst solche Orte gemeint, die wichtige Lebensabschnitte Piłsudskis markierten bzw. an denen Piłsudski wichtige politische oder militärische Entscheidungen getroffen hatte. Dies waren z.B. seine Schulen, die Orte, an denen er die militärischen Verbände organisiert oder wo er mit der Ersten Brigade gekämpft hatte. Außerdem wollte das Oberste Gedächtniskomitee dadurch auch den historisch bedeutsamen Kampf des polnischen Soldaten, d.h. die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges, in Stein festhalten, um ihr Blutopfer auf diese Weise der Fürsorge der nachfolgenden Generationen zu überlassen, da sie Orte alljährlicher Gedenkfeiern werden würden. Das Exekutivkomitee war davon überzeugt, daß „jede Spur des Lebens und der Arbeit des Marschalls auf polnischer Erde ein Teil der großen historischen Tradition der Nation“ 744 sei und erkannte daher „das Bedürfnis an, das ganze Volk zur Teilnahme an der Bewahrung dieser Spuren zu beteiligen“ 745 . Dies bedeutete, daß auf all diesen Plätzen des Wirkens Piłsudskis ein Gedenkstein liegen sollte, der die historische Bedeutung des jeweiligen Ortes unterstrich und damit die nachfolgenden Generationen auf diese vom Marschall geschaffene Tradition des opfervollen Dienstes an der Republik hinwies. Die historische Authentizität dieser Gedenkstätten wurde in Zusammenarbeit mit dem Militärhistorischen Büro und den 742 „[...] odpowiadał szczególnie kultowi Wilna do pamięci Wielkiego Marszałka“ (AAN, WWNK, 8, B. 123). 743 AAN, WWNK, 21, B. 35 (Sitzungsprotokoll vom 17.VII.1935). Die Idee entstand Ende Juni 1935 bei einer Sitzung des Exekutivkomitees. 744 „że każdy ślad życia i pracy Marszałka na ziemiach polskich jest częścią wielkiej historycznej tradycji narodu“ (Art.: „Wszędzie, gdzie Marszałek tworzył historię i gdzie ginął żołnierz-legnie kamień pamiątkowy“ („Überall, wo der Marschall Geschichte schuf und wo ein Soldat starb-wird ein Gedenkstein liegen“, Kurier Poranny vom 11.VIII.1935, in: AAN, WWNK, 41, B. 105). 745 Przegląd Tygodniowy vom 15.VIII.1935, in: AAN, WWNK, 3, B. 12. 210

staatlichen Behörden vor Ort geklärt. 746 Im Zweifelsfall bzw. bis zur endgültigen Feststellung der Authentizität genehmigte das Oberste Gedächtniskomitee das betreffende Projekt nicht. 747 Wie akribisch jedoch die einzelnen Orte bestimmt worden sind, zeigt die Tatsache, daß es auch den historisch unbedeutenden Bahnsteig in Zielona erfaßte, auf dem sich Piłsudski während eines kurzen Aufenthalts des Zuges auf dem Weg zur Truppeninspizierung an der litauisch-weißrussischen Front Anfang August 1919 die Beine vertrat. 748 Auf den Steinen, die einheitlich gestaltet waren, wurde das jeweilige historische Ereignis und dessen Bedeutung für die Nachwelt in kurzen Worten 749 erläutert, die das Exekutivkomitee vorher genehmigt hatte. Organisieren sollten diese Art des Gedenkens die Wojewodschafts- oder die lokalen Komitees. 750 Die Gedenksteine sollten eine schlichte Form aufweisen, aber gleichzeitig monumentalen Charakter tragen. Nach Ansicht des Exekutivkomitees genügten vor allem Tafeln aus Granit oder Bronze an Gebäuden sowie Gedenksteine auf Feldern oder in Parks diesen Ansprüchen. Besonders langlebige Bäume konnten dieses Werk des Gedenkens in besonderen Fällen vervollständigen. Finanzieren wollte das Oberste Gedächtniskomitee die Maßnahmen aus seinem Fond, wobei es speziell ausgearbeitete Muster für die Denkmäler bzw. Gedenktafeln und deren Aufschriften, Buchstaben und Embleme lieferte. Diese Hilfestellung begründete das Komitee offiziell damit, daß es die Arbeiten vor Ort erleichtern wolle. Dahinter stand jedoch sicherlich das Bestreben, alles möglichst einheitlich gemäß der eigenen Vorgaben gestalten zu wollen. 751 Die Realisierung des Projektes war in drei Phasen unterteilt: Bis zum 11. November 1935 sollten die historischen Plätze festgestellt werden, bis zum 19. März 1936 die Vorbereitungen abgeschlossen und zwischen dem 12. Mai 1936 und dem 12. Mai 1937 die Denkmäler eingeweiht und deren Pflege den Jugendorganisationen übertragen werden. Die lange Frist für die Einweihung ergab sich aus der Überlegung, einen Termin zu bestimmen, der zum lokalen Ereignis am besten paßte, um dadurch das patriotische Gefühl der Gesellschaft vor Ort bzw. deren Verbundenheit mit diesem 746 Vgl. die Korrespondenz bezüglich des Gedenksteins in Zielona, in: AAN, WWNK, 26, B. 1-32, bes. B. 14. 747 Vgl. AAN, WWNK, 27, B. 6-43. 748 Vgl. AAN, WWNK, 27, B. 36. 749 Z.B. an der Stelle, wo Piłsudski 1901 die russische Teilgebietsgrenze nach Galizien überschritt. Vgl. IJP, AJP 19, n.pag. und als weiteres Beispiel die Quelle im Anhang 3. 750 Dazu verschickte das Exekutivkomitee an die Wojewodschaftskomitees Listen für die Erfassung der Orte, um seine Erhebungen fortlaufend zu ergänzen. Außerdem sollten die Wojewoden zu den möglichen Standorten Stellung beziehen. Vgl. beispielsweise das Schreiben an das Wojewodschaftskomitee in Lemberg am 12.XI.1937, in: AAN, WWNK, 24, B. 45, und an den Wojewoden von Białystok am 30.VI.1939, in: AAN, WWNK, 27, B. 9. 751 Vgl. Gazeta Polska vom 11.VIII.1938. 211

staatlichen Behörden vor Ort geklärt. 746 Im Zweifelsfall bzw. bis zur endgültigen<br />

Feststellung der Authentizität genehmigte das Oberste Gedächtniskomitee das betreffende<br />

Projekt nicht. 747 Wie akribisch jedoch die einzelnen Orte bestimmt worden<br />

sind, zeigt die Tatsache, daß es auch den historisch unbedeutenden Bahnsteig in Zielona<br />

erfaßte, auf dem sich <strong>Piłsudski</strong> während eines kurzen Aufenthalts des Zuges auf<br />

dem Weg zur Truppeninspizierung an der litauisch-weißrussischen Front Anfang August<br />

1919 die Beine vertrat. 748<br />

Auf den Steinen, die einheitlich gestaltet waren, wurde das jeweilige historische<br />

Ereignis <strong>und</strong> dessen <strong>Bedeutung</strong> für die Nachwelt in kurzen Worten 749 erläutert, die<br />

das Exekutivkomitee vorher genehmigt hatte. Organisieren sollten diese Art des Gedenkens<br />

die Wojewodschafts- oder die lokalen Komitees. 750 Die Gedenksteine sollten<br />

eine schlichte Form aufweisen, aber gleichzeitig monumentalen Charakter tragen.<br />

Nach Ansicht des Exekutivkomitees genügten vor allem Tafeln aus Granit oder Bronze<br />

an Gebäuden sowie Gedenksteine auf Feldern oder in Parks diesen Ansprüchen.<br />

Besonders langlebige Bäume konnten dieses Werk des Gedenkens in besonderen Fällen<br />

vervollständigen. Finanzieren wollte das Oberste Gedächtniskomitee die Maßnahmen<br />

aus <strong>seine</strong>m Fond, wobei es speziell ausgearbeitete Muster für die Denkmäler<br />

bzw. Gedenktafeln <strong>und</strong> deren Aufschriften, Buchstaben <strong>und</strong> Embleme lieferte. Diese<br />

Hilfestellung begründete das Komitee offiziell damit, daß es die Arbeiten vor Ort erleichtern<br />

wolle. Dahinter stand jedoch sicherlich das Bestreben, alles möglichst einheitlich<br />

gemäß der eigenen Vorgaben gestalten zu wollen. 751<br />

Die Realisierung des Projektes war in drei Phasen unterteilt: Bis zum 11. November<br />

1935 sollten die historischen Plätze festgestellt werden, bis zum 19. März 1936<br />

die Vorbereitungen abgeschlossen <strong>und</strong> zwischen dem 12. Mai 1936 <strong>und</strong> dem 12. Mai<br />

1937 die Denkmäler eingeweiht <strong>und</strong> deren Pflege den Jugendorganisationen übertragen<br />

werden. Die lange Frist für die Einweihung ergab sich aus der Überlegung, einen<br />

Termin zu bestimmen, der zum lokalen Ereignis am besten paßte, um dadurch das<br />

patriotische Gefühl der Gesellschaft vor Ort bzw. deren Verb<strong>und</strong>enheit mit diesem<br />

746<br />

Vgl. die Korrespondenz bezüglich des Gedenksteins in Zielona, in: AAN, WWNK, 26, B.<br />

1-32, bes. B. 14.<br />

747<br />

Vgl. AAN, WWNK, 27, B. 6-43.<br />

748<br />

Vgl. AAN, WWNK, 27, B. 36.<br />

749<br />

Z.B. an der Stelle, wo <strong>Piłsudski</strong> 1901 die russische Teilgebietsgrenze nach Galizien überschritt.<br />

Vgl. IJP, AJP 19, n.pag. <strong>und</strong> als weiteres Beispiel die Quelle im Anhang 3.<br />

750<br />

Dazu verschickte das Exekutivkomitee an die Wojewodschaftskomitees Listen für die Erfassung<br />

der Orte, um <strong>seine</strong> Erhebungen fortlaufend zu ergänzen. Außerdem sollten die<br />

Wojewoden zu den möglichen Standorten Stellung beziehen. Vgl. beispielsweise das<br />

Schreiben an das Wojewodschaftskomitee in Lemberg am 12.XI.1937, in: AAN, WWNK,<br />

24, B. 45, <strong>und</strong> an den Wojewoden von Białystok am 30.VI.1939, in: AAN, WWNK, 27,<br />

B. 9.<br />

751<br />

Vgl. Gazeta Polska vom 11.VIII.1938.<br />

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