Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

zwischen dem Obersten Gedächtniskomitee und der Regierung, für den er verantwortlich
war. 688 Vermutlich war sein Verhalten ein wichtiger Grund dafür, daß er Anfang
1938 Botschafter in Rom und von Sosnkowski als Leiter des Exekutivkomitees abgelöst
wurde.
Der Wawel-Konflikt war somit zunächst das Ergebnis einer politischen Animosität
zwischen Sapieha und der Regierung und der Versuch eines Machtkampfes zwischen
beiden Parteien. Während seines Verlaufs wurde jedoch deutlich, daß die Sanacja
bereit war, die kultische Verehrung Piłsudskis höheren machtpolitischen Interessen
unterzuordnen. Andererseits war auch der Vatikan, dem der polnische Klerus
folgen mußte, bereit, im Sinne seiner Konkordatspolitik auf einen unnachgiebigen
Standpunkt bezüglich des Piłsudski-Kults zu verzichten. Insgesamt ist das Verhalten
beider Seiten symptomatisch für ihre Haltung gegenüber diesem, wobei bezüglich der
Krypta „unter den Silbernen Glocken“ als Grablege der erreichte Status beibehalten
wurde. Sie blieb die sicherlich wichtigste gesamtnationale Gedenkstätte, obwohl weder
ihre Herrichtung nach den Vorstellungen des Obersten Gedächtniskomitees noch
die Errichtung des Sarkophags bis zum Kriegsausbruch realisiert werden konnten.
3.2.4.3. Das geplante Piłsudski-Denkmal und das Piłsudski-Viertel in Warschau
Die Errichtung eines Piłsudski-Denkmals und -Viertels in Warschau hatte für das Oberste
Gedächtniskomitee nach den geplanten Gedenkstätten in Krakau herausragende
Bedeutung. 689 Dieses insgesamt größte und umfassendste gesamtnationale Gedenkprojekt
entstand aufgrund von zwei Initiativen bei Piłsudski-Trauerveranstaltungen
in Warschau. Die Stadtbehörden hatten anläßlich ihrer Trauerveranstaltung am
16. Mai 1935 beschlossen, ein Piłsudski-Denkmal zu errichten. Zur Umsetzung dieses
Plans gründeten sie das Komitet Stołeczny Budowy Pomnika Marszałka Piłsudskiego
(Hauptstädtisches Baukomitee für das Marschall-Piłsudski-Denkmal), das sich am 7.
Juni 1935 dem Obersten Gedächtniskomitee unterstellte und seitdem als untergeordnete
Einrichtung tätig war. 690 Seine Überlegungen verband das Denkmalbaukomitee
mit dem Projekt der Stowarzyszenie Architektów Rzeczypospolitej Polskiej (Verband
der Architekten der Polnischen Republik) und des Towarzystwo Urbanistów Polskich
(Gesellschaft der polnischen Städteplaner), die während der Trauerveranstaltung am
688 Vgl. den Kommentar Sarkofag i krypta wawelska („Sarkophag und Wawel-Krypta“) von
FERDYNAND GOETEL, in: Gazeta Polska vom 5.VIII.1937, in dem er zwar auf die Autorität
des Obersten Gedächtniskomitees hinweist, aber gleichzeitig betont, daß das Verhalten des
Exekutivkomitees falsch gewesen sei und es nicht so viele Vollmachten besitzen solle, um
über das Schicksal der Krypta entscheiden zu können.
689 Vgl. dazu Stołeczny Komitet Budowy Pomnika Marszałka Józefa Piłsudskiego w
Warszawie; GRZESIUK-OLSZEWSKA, Konkurs, S. 149-167; DIES., Świątynia.
690 Vgl. AAN, WWNK, 21, B. 67.
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