Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

Wesentlichste Aufgabe des Obersten Gedächtniskomitess war in bezug auf die
żywe pomniki die Genehmigung von lokalen Projekten zur Namengebung von Institutionen.
Dabei legte es die oben beschriebenen strengen Bewertungsmaßstäbe an. Daher
durfte nur ein einziges Objekt in jeder Stadt den Namen des Marschalls tragen
und mußte zugleich den baulichen und architektonischen Ansprüchen des Obersten
Gedächtniskomitees genügen. 557 So konnte etwa in Białystok nur entweder das örtliche
Theater oder das Volkshaus nach Piłsudski benannt werden 558 , während das Exekutivkomitee
den Antrag der Verwaltung der Lesegesellschaft ehemaliger Mitarbeiter
der Zuckerfabrik auf Benennung ihrer Bibliothek nach Piłsudski nicht nur deswegen
ablehnte, weil die Bibliothek zu klein war, sondern auch weil die Dauerhaftigkeit ihrer
Existenz nicht garantiert werden konnte. 559
Der Kompetenz des Obersten Gedächtniskomitees waren jedoch die Benennung
der Nationalbibliothek, der Universität in Warschau, der Akademia Wychowania Fizycznego
(Akademie für Leibeserziehung) oder des Fundusz Kultury Narodowej 560
(Nationaler Kulturfond) und des Forschungsinstituts zur Neuesten Geschichte Polens
nach dem Marschall entzogen. Die Bewilligung der entsprechenden Anträge bzw. die
Benennung der genannten zentralen Institutionen lag bei der Regierung, die diese per
Gesetz vollzog. Die Umbenennungen dieser Institutionen begründete man vor allem
damit, daß sie von zentraler Bedeutung für den Staat seien und man damit das Gedenken
an den Marschall fördern könne, wie etwa bei der Benennung der Nationalbibliothek
nach Piłsudski (Biblioteka Narodowa im. Józefa Piłsudskiego). 561 Der Senat
der Universität in Warschau initiierte die Benennung der Warschauer Universität
nach Piłsudski mit dem Argument, daß die Universität nur auf den Fundamenten arbeiten
könne, die ihr ein freies Polen – Piłsudskis Werk – böte. 562 Bei der Benennung
des nationalen Kulturfonds nach Piłsudski im November 1936 wurde zudem noch be-
nach Piłsudski benannten Muzeum Ziemi Pomorskiej (Museum von Pommern, s.u.) und zur
Herstellung von Radios mit dem Profil Piłsudskis, einer Autobahn als Ost-West-
Verbindung oder eines Kanals von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer mit seinem Namen.
557
Vgl. AAN, WWNK, 34, B. 29 -33 oder AAN, WWNK, 35, B. 17 f.
558
Vgl. AAN, WWNK, 34, B. 244-297.
559
Vgl. AAN, WWNK, 34, B. 136. Zur Verteilung der żywe pomniki vgl. Abb. 13.
560
Piłsudski hatte die Gründung Ende der 1920er Jahre angeregt. Vgl. AAN, PRM a.-g. VI,
99-43, vgl. auch AAN, PRM a.-g. VI, 99-5. Aufgabe des Fonds war es, Wissenschaft und
Kunst zu fördern.
561
AAN, PRM 78, B. 546.
562
Vgl. Gazeta Polska vom 7.VI.1935. Um diese Auffassung einer besonders engen Relation
zwischen der Existenz der Universität und dem Werk Piłsudskis im Namen zu verdeutlichen,
hieß sie nun Uniwersytet Józefa Piłsudskiego w Warszawie (Józef Piłsudski-Universität
in Warschau), so daß im Namen nicht das normalerweise übliche Wort imienia
(„mit dem Namen von“) enthalten war.
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