Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut
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3.2.3. Vermittlung durch politische Symbole Politische Symbole wirken in der breiten Öffentlichkeit und sind daher ein wichtiges Instrument der Propaganda aller politischen Systeme und Ideologien. „Klassische“ politische Symbole sind beispielsweise die Flagge, das Staatssymbol oder die Nationalhymne. Im weiteren Sinne sind darunter auch Parolen und Wortkombinationen (wie „Einheit der Arbeiterklasse“), Städte- und Gebietsnamen als „geographische Symbole“ 514 (wie „Leningrad“) und schließlich noch Ereignisse bzw. historische Daten (wie der „3. Mai“) zu verstehen. 515 Neben Denkmälern präsentieren auch Geldscheine oder Briefmarken die dominanten politischen und Themen des öffentlichen Lebens und offenbaren dadurch die ideologische Orientierung der Herrschenden, so daß die genannten Gegenstände als Träger politischer Symbole bezeichnet werden können. In autoritären bzw. totalitären Systemen gibt es daher einen bestimmten Kanon von Symbolen, die die herrschende Gruppe vorgibt, während sie andere Symbole verbietet, weil sie nicht systemkonforme Orientierungen repräsentieren. 516 Dabei ist zwischen dem symbolischen Inhalt und dem Symbolträger zu unterscheiden. Obwohl deren Zahl zumindest theoretisch unbegrenzt ist, sind dies neben Flaggen, Briefmarken, Geldscheinen, Städte- und Straßennamen 517 auch beispielsweise Schiffe, Parkanlagen, Schulen, Brücken, Fabriken und Krankenhäuser, die nach für das Geschichtsbild wichtigen Personen oder Ereignissen benannt werden. 518 Dabei muß nicht immer ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Symbol und dem Symbolträger bestehen. Es gibt auch Symbolträger, deren alleiniger Daseinszweck die Präsentation von symbolischen Inhalten ist, wie z.B. Denkmäler. Andere dienen hingegen lediglich als unverzichtbare öffentliche Gebrauchsgegenstände wie Briefmarken, Münzen oder Geldscheine. 519 514 AZARYAHU, Wilhelmplatz, S. 18. 515 Vgl. ebenda, S. 17 f. 516 Vgl. ebenda, S. 22. So verbot z.B. die Sanacja in den Schulen das Absingen des antideutschen, nationaldemokratisch gefärbten Kampfliedes der Rota („Eidesformel“). 517 Wie bedeutsam etwa Straßennamen als Symbolträger sind, zeigen die Wellen von Umbenennungen nach jedem politischen Systemwechsel. So erhielt z.B. der Plac Zwycięstwa (Siegesplatz [der Roten Armee]) in Warschau nach der politischen Wende 1989 wieder seinen Namen aus der Vorkriegszeit: Plac Piłsudskiego (Piłsudski-Platz). Vgl. zur Bedeutsamkeit von Straßennamen: AZARYAHU, Street Names, S. 581-604; DERS., What Is to Be Remembered, S. 241. 518 AZARYAHU, Wilhelmplatz, S.19, nennt in diesem Zusammenhang auch Denkmäler, die als Gedächtnisorte von symbolischem Wert sind. Jedoch ist gerade das Denkmal mehr als nur ein Symbolträger; es ist auch ein Medium der öffentlichen Vergangenheitsaneignung und -aufarbeitung mit pädagogischem Charakter. 519 Vgl. ebenda, S. 19 f. 164
Art und Häufigkeit der Verwendung auf den Symbolträgern weisen auf den Rang des Symbols im Kanon der politisch sanktionierten Symbole eines Staates oder einer politischen Bewegung hin. Je höher die Autorität einer Person ist, die zum Symbol stilisiert wird, desto häufiger ist sie auf Symbolträgern zu finden. Schließlich ist auch die Präsentation und die erstmalige Einführung eines Symbols in der Öffentlichkeit von Bedeutung, z.B. die feierliche Enthüllung eines Denkmals an besonderen Jahrestagen, auf die sich das Symbol bezieht. 520 Wie die Medien und das Erziehungssystem sind daher politische Symbole ein wichtiges Propagandamittel, durch das die herrschende Ideologie zum festen Bestandteil des öffentlichen Lebens gemacht wird. Symbolträger mit einer genau definierten Gebrauchsfunktion – wie etwa Briefmarken – lenken durch ihre Funktion den Benutzer oftmals vom dahinterstehenden politischen Inhalt ab, so daß dadurch die symbolisch vermittelten politischen Leitvorstellungen unmerklich in scheinbar unpolitische Lebensbereiche eindringen, weil etwa der Gebrauch von Zahlungsmitteln, Briefmarken oder Straßennamen unvermeidlich ist. Nach 1918 konnte der junge polnische Staat auf die alten Symbole der polnischen Flagge 521 mit beiden waagerecht angeordneten Farben Weiß-Rot und das Wappen mit dem Orzeł Biały (Weißer Adler) zurückgreifen. Weitere politische Symbole wurden für den Staat erst unter der Sanacja eingeführt. Zu deren Symbolkanon, der sich immer bei den Piłsudski-Feiern offenbarte, gehörten einerseits die wichtigsten staatlichen Symbole, der Orzeł Biały und die polnische Flagge, und andererseits die beiden originären Symbole des Piłsudski-Lagers, der Schützenadler 522 (orzeł strzelecki) und der Marsz Pierwszej Brygady (Marsch der Ersten Brigade). Der Schützenadler entstand im April 1913 als Abzeichen für die polnische Schirmmütze (maciejówka) und als Offiziersabzeichen des Hauptkommandos der Schützenverbände. Er hält in seinen Klauen ein Schild, auf dem ein „S“ für Strzelec (Schütze) abgebildet ist. 523 Das Erste Schützenregiment bzw. die Erste Brigade führ- 520 Vgl. ebenda, S. 22-25. 521 Vgl. RABBOW, S. 19 und 193. Die Nationalflagge mit ihren Farben Weiß und Rot wurde als Zeichen der nationalen Staatlichkeit schon immer verwendet. 522 Der Schützenadler wurde von Czesław Januszkiewicz entworfen, der dabei als Vorlage auf den im Heer des Königreichs Polens verwendeten Adler zurückgriff, der sich seinerseits vom Orzeł Biały herleitete. 523 Vgl. dazu Muzeum wojska polskiego, S. 242. Dieser Entwurf zeigte nicht die traditionelle Krone auf dem Haupt des Adlers, die an die corona regni Poloniae erinnern sollte. Dies erklärt sich wohl daraus, daß die demokratisch-revolutionären Bewegungen des 19. Jahrhunderts nationale Symbole ohne die Krone zeigten. Diese These erscheint insofern plausibel, als alle Mitglieder des Strzelec sich mit obywatel (Bürger) anredeten und die volkstümliche Schirmmütze Maciejówka sowie eine einfache Uniform ohne Rücksicht auf Rangunterschiede trugen, wobei der Strzelec als Organisation demokratisch-sozialistischer Richtung galt. 165
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3.2.3. Vermittlung durch politische Symbole<br />
Politische Symbole wirken in der breiten Öffentlichkeit <strong>und</strong> sind daher ein wichtiges<br />
Instrument der Propaganda aller politischen Systeme <strong>und</strong> Ideologien. „Klassische“<br />
politische Symbole sind beispielsweise die Flagge, das Staatssymbol oder die Nationalhymne.<br />
Im weiteren Sinne sind darunter auch Parolen <strong>und</strong> Wortkombinationen<br />
(wie „Einheit der Arbeiterklasse“), Städte- <strong>und</strong> Gebietsnamen als „geographische<br />
Symbole“ 514 (wie „Leningrad“) <strong>und</strong> schließlich noch Ereignisse bzw. historische Daten<br />
(wie der „3. Mai“) zu verstehen. 515<br />
Neben Denkmälern präsentieren auch Geldscheine oder Briefmarken die dominanten<br />
politischen <strong>und</strong> Themen des öffentlichen Lebens <strong>und</strong> offenbaren dadurch die ideologische<br />
Orientierung der Herrschenden, so daß die genannten Gegenstände als<br />
Träger politischer Symbole bezeichnet werden können. In autoritären bzw. totalitären<br />
Systemen gibt es daher einen bestimmten Kanon von Symbolen, die die herrschende<br />
Gruppe vorgibt, während sie andere Symbole verbietet, weil sie nicht systemkonforme<br />
Orientierungen repräsentieren. 516<br />
Dabei ist zwischen dem symbolischen Inhalt <strong>und</strong> dem Symbolträger zu unterscheiden.<br />
Obwohl deren Zahl zumindest theoretisch unbegrenzt ist, sind dies neben<br />
Flaggen, Briefmarken, Geldscheinen, Städte- <strong>und</strong> Straßennamen 517 auch beispielsweise<br />
Schiffe, Parkanlagen, Schulen, Brücken, Fabriken <strong>und</strong> Krankenhäuser, die nach für<br />
das Geschichtsbild wichtigen Personen oder Ereignissen benannt werden. 518 Dabei<br />
muß nicht immer ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Symbol <strong>und</strong> dem<br />
Symbolträger bestehen. Es gibt auch Symbolträger, deren alleiniger Daseinszweck die<br />
Präsentation von symbolischen Inhalten ist, wie z.B. Denkmäler. Andere dienen hingegen<br />
lediglich als unverzichtbare öffentliche Gebrauchsgegenstände wie Briefmarken,<br />
Münzen oder Geldscheine. 519<br />
514<br />
AZARYAHU, Wilhelmplatz, S. 18.<br />
515<br />
Vgl. ebenda, S. 17 f.<br />
516<br />
Vgl. ebenda, S. 22. So verbot z.B. die Sanacja in den Schulen das Absingen des antideutschen,<br />
nationaldemokratisch gefärbten Kampfliedes der Rota („Eidesformel“).<br />
517<br />
Wie bedeutsam etwa Straßennamen als Symbolträger sind, zeigen die Wellen von Umbenennungen<br />
nach jedem politischen Systemwechsel. So erhielt z.B. der Plac Zwycięstwa<br />
(Siegesplatz [der Roten Armee]) in Warschau nach der politischen Wende 1989 wieder<br />
<strong>seine</strong>n Namen aus der Vorkriegszeit: Plac <strong>Piłsudski</strong>ego (<strong>Piłsudski</strong>-Platz). Vgl. zur Bedeutsamkeit<br />
von Straßennamen: AZARYAHU, Street Names, S. 581-604; DERS., What Is to Be<br />
Remembered, S. 241.<br />
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AZARYAHU, Wilhelmplatz, S.19, nennt in diesem Zusammenhang auch Denkmäler, die als<br />
Gedächtnisorte von symbolischem Wert sind. Jedoch ist gerade das Denkmal mehr als nur<br />
ein Symbolträger; es ist auch ein Medium der öffentlichen Vergangenheitsaneignung <strong>und</strong><br />
-aufarbeitung mit pädagogischem Charakter.<br />
519<br />
Vgl. ebenda, S. 19 f.<br />
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