Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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Weil ein polnisches historisches Museum über den polnischen Unabhängigkeitskampf fehlte und dank der Bedeutung Piłsudskis für das Erziehungsideal der Sanacja, ist das Muzeum Józefa Piłsudskiego w Belwederze 470 (Józef-Piłsudski-Museum im Belweder, MJPB) zunächst als ein pädagogisches Mittel zu sehen, das Geschichtsbild der Sanacja und den Kult um den Ersten Marschall Polens der Bevölkerung zu vermitteln, zumal die Schulbehörden Exkursionen zur Verdeutlichung des Unterrichtsstoffes z.B. ins Piłsudski-Museum, zur Grablege des Marschalls im Wawel und zur Aufschüttung des Piłsudski-Erdhügels bei Krakau förderten. 471 Gleichzeitig stellte das Belweder-Palais die Wirkungsstätte Piłsudskis zwischen 1918 und 1922 sowie zwischen 1926 und 1935 und einen repräsentativen Ort des Gedenkens an diesen dar. So wurde das Museum während der Piłsudski-Feiern zum 19. März, 12. Mai und 11. November in der Regel ganz oder stundenweise für die Besucher geschlossen, damit vor und im Palais Feiern mit militärischem Charakter stattfinden konnten. Außerdem war es ein bedeutender Ort für Kranzniederlegungen bei Kongressen von gesellschaftlichen und militärischen Organisationen sowie bei Besuchen von ausländischen Staatsgästen in Warschau. 472 Schon vor dem Tod Piłsudskis befand sich im Belweder eine Stelle, an der Geschenke des Volkes an ihn entgegengenommen und präsentiert wurden, ohne daß diese Sammlung offiziellen Charakter annahm. So konnten sich schon zu Lebzeiten des Marschalls bedeutende Staatsgäste, darunter Hermann Göring am 25. Januar 1935, diese Gaben, Publikationen über Piłsudski und Auszeichnungen persönlich ansehen. 473 Nach dem Tod Piłsudskis erließ Staatspräsident Mościcki im September 1935 ein Dekret 474 über die Museumsgründung, worauf im Januar 1936 ein entsprechendes Gesetz in Kraft trat. 475 Das Statut, das die Aufgaben des Museums präzisierte, wurde jedoch erst einige Monate darauf veröffentlicht. In diesem Gesetz wurde das Belweder-Palais als Amtssitz sowie als Ort der Arbeit und des Todes von Józef Piłsudski zum „Nationalheiligtum“ (przybytek narodowy) erklärt. Dazu gehörte nicht nur das Gebäude, sondern auch das umliegende Gelände, das dem Museum zum ewigen Gebrauch mit der Auflage überlassen wurde, alles in unverändertem Zustand zu belassen. Hatte das Dekret noch eine Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium vorgesehen, so bestimmte das Gesetz, daß das Museum dem Ministerium für Militärangelegenheiten unterstellt werden und einen Museumsrat als Beratungsorgan erhalten 470 Vgl. STOLARSKI; KOŁODZIEJ. 471 Dziennik Urzędowy Okręgu Szkolnego Warszawskiego [Amtsblatt des Warschauer Schulbezirks], Warszawa 1936, rezensiert in: Oświata i Wychowanie (1936), S. 707. 472 Vgl. z.B. AAN, MJPB, 5, B. 267 f. sowie AAN, MJPB, 6, B. 246 ff. (11. November 1936); AAN, MJPB, 7, B. 141 (12. Mai 1937); AAN, MJPB, 9, B. 170 (11. November 1938) und AAN, MJPB, 11, B. 447. 473 Vgl. STOLARSKI, S. 121 f. 474 Vgl. AAN, PRM a.-g. VI, 99-37, B. 131. 475 Das Gesetz findet sich in: AAN, PRM a.-g. VI, 99-37, B. 103 f. 156

sollte. 476 Der neunköpfige Museumsrat sollte, mit Ausnahme der lebenslänglichen Mitgliedschaft der Vorsitzenden Aleksandra Piłsudska, eine Amtszeit von fünf Jahren haben. Aufgrund von Rivalitäten zwischen Aleksandra Piłsudska und dem Minister für Militärangelegenheiten Tadeusz Kasprzycki, die sich z.B. in der Kontroverse um den Ort der Rekonstruktion des Magdeburger Gefängnisses offenbarten, konstituierte sich der Museumsrat nie. 477 Als Direktor ernannte Kasprzycki Oberstleutnant Adam Borkiewicz und als Kustos Dr. Józef Kluss. Insgesamt beschäftigte das Museum zehn Mitarbeiter. Da das Piłsudski-Museum im Belweder dem Ministerium für Militärangelegenheiten unterstellt war, brachte dieses auch das Budget des Museums auf, indem es bis 1939 auch die Umbaukosten von mehr als einer halben Million Złoty bezahlte. Am 16. Dezember 1935 konstituierte sich das Tymczasowy Komitet Organizacyjny 478 (Vorläufiges Organisationskomitee), dem Aleksandra Piłsudska vorstand. Mitglieder waren der Museumsdirektor Oberstleutnant Adam Borkiewicz, der Leiter des Exekutivkomitees des Obersten Gedächtniskomitees General Bolesław Wieniawa- Długoszowski und der Chef des Militärhistorischen Büros (WBH) Oberstleutnant Edward Perkowicz, der Historiker Artur Śliwiński, der Konservator für Denkmäler Dr. Józef Kluss, der für Bücher und Handschriften zuständige Konservator Professor Lenart sowie der Rektor der Akademie der Schönen Künste Professor Wojciech Jastrzębowski und der Generalkonservator des Kultusministeriums Jerzy Remer. Seit Dezember 1936 gehörte dieser Kommission neben Premierminister Felicjan Sławoj- Składkowski als kooptiertes Mitglied auch der Direktor des Piłsudski-Instituts Wacław Lipiński 479 an, der schon seit März in der historischen Unterkommission mitgearbeitet hatte. Formal war das Museum vom Piłsudski-Institut, dem Militärhistorischen Büro und dem Obersten Gedächtniskomitee unabhängig. Es arbeitete jedoch im Rahmen seiner Aufgabenstellung mit diesen zusammen. Außer der Vertretung der jeweiligen Leiter im Organisationskomitee des Museums lassen sich keine weiteren formellen Kontakte feststellen. Im Verlauf der Sitzungen schlug Wieniawa-Długoszowski jedoch vor, Gelder aus den Sammlungen des Obersten Gedächtniskomitees für die Renovierung des Palastdaches aufzuwenden und sich einen Teil der Kosten vom Baukomitee für 476 Das Gesetz wurde am 4.I.1936 beschlossen und am 17.I.1935 im Dziennik Ustaw Rzeczypospolitej Polskiej [Gesetzesblatt der Polnischen Republik] verkündet. Der Dziennik Rozkazów [Befehlsblatt] veröffentlichte das Gesetz und das Statut des Museums am 30.III.1936. 477 Vgl. KOŁODZIEJ, S. 126. 478 Es bildete eine historische, kulturelle und für Konservierungsfragen zuständige Unterkommission. 479 Sitzungsprotokoll vom 17.XII.1937, in: AAN, PRM a.-g. VI, 99-37, B. 60-63. 157

Weil ein polnisches historisches Museum über den polnischen Unabhängigkeitskampf<br />

fehlte <strong>und</strong> dank der <strong>Bedeutung</strong> <strong>Piłsudski</strong>s für das Erziehungsideal der Sanacja,<br />

ist das Muzeum Józefa <strong>Piłsudski</strong>ego w Belwederze 470 (Józef-<strong>Piłsudski</strong>-Museum im<br />

Belweder, MJPB) zunächst als ein pädagogisches Mittel zu sehen, das Geschichtsbild<br />

der Sanacja <strong>und</strong> den <strong>Kult</strong> um den Ersten Marschall Polens der Bevölkerung zu vermitteln,<br />

zumal die Schulbehörden Exkursionen zur Verdeutlichung des Unterrichtsstoffes<br />

z.B. ins <strong>Piłsudski</strong>-Museum, zur Grablege des Marschalls im Wawel <strong>und</strong> zur<br />

Aufschüttung des <strong>Piłsudski</strong>-Erdhügels bei Krakau förderten. 471 Gleichzeitig stellte das<br />

Belweder-Palais die Wirkungsstätte <strong>Piłsudski</strong>s zwischen 1918 <strong>und</strong> 1922 sowie zwischen<br />

1926 <strong>und</strong> 1935 <strong>und</strong> einen repräsentativen Ort des Gedenkens an diesen dar. So<br />

wurde das Museum während der <strong>Piłsudski</strong>-Feiern zum 19. März, 12. Mai <strong>und</strong> 11.<br />

November in der Regel ganz oder st<strong>und</strong>enweise für die Besucher geschlossen, damit<br />

vor <strong>und</strong> im Palais Feiern mit militärischem Charakter stattfinden konnten. Außerdem<br />

war es ein bedeutender Ort für Kranzniederlegungen bei Kongressen von gesellschaftlichen<br />

<strong>und</strong> militärischen Organisationen sowie bei Besuchen von ausländischen<br />

Staatsgästen in Warschau. 472<br />

Schon vor dem Tod <strong>Piłsudski</strong>s befand sich im Belweder eine Stelle, an der Geschenke<br />

des Volkes an ihn entgegengenommen <strong>und</strong> präsentiert wurden, ohne daß diese<br />

Sammlung offiziellen Charakter annahm. So konnten sich schon zu Lebzeiten des<br />

Marschalls bedeutende Staatsgäste, darunter Hermann Göring am 25. Januar 1935,<br />

diese Gaben, Publikationen über <strong>Piłsudski</strong> <strong>und</strong> Auszeichnungen persönlich ansehen.<br />

473 Nach dem Tod <strong>Piłsudski</strong>s erließ Staatspräsident Mościcki im September 1935<br />

ein Dekret 474 über die Museumsgründung, worauf im Januar 1936 ein entsprechendes<br />

Gesetz in Kraft trat. 475 Das Statut, das die Aufgaben des Museums präzisierte, wurde<br />

jedoch erst einige Monate darauf veröffentlicht. In diesem Gesetz wurde das Belweder-Palais<br />

als Amtssitz sowie als Ort der Arbeit <strong>und</strong> des Todes von Józef <strong>Piłsudski</strong><br />

zum „Nationalheiligtum“ (przybytek narodowy) erklärt. Dazu gehörte nicht nur das<br />

Gebäude, sondern auch das umliegende Gelände, das dem Museum zum ewigen Gebrauch<br />

mit der Auflage überlassen wurde, alles in unverändertem Zustand zu belassen.<br />

Hatte das Dekret noch eine Zusammenarbeit mit dem <strong>Kult</strong>usministerium vorgesehen,<br />

so bestimmte das Gesetz, daß das Museum dem Ministerium für Militärangelegenheiten<br />

unterstellt werden <strong>und</strong> einen Museumsrat als Beratungsorgan erhalten<br />

470<br />

Vgl. STOLARSKI; KOŁODZIEJ.<br />

471<br />

Dziennik Urzędowy Okręgu Szkolnego Warszawskiego [Amtsblatt des Warschauer Schulbezirks],<br />

Warszawa 1936, rezensiert in: Oświata i Wychowanie (1936), S. 707.<br />

472<br />

Vgl. z.B. AAN, MJPB, 5, B. 267 f. sowie AAN, MJPB, 6, B. 246 ff. (11. November 1936);<br />

AAN, MJPB, 7, B. 141 (12. Mai 1937); AAN, MJPB, 9, B. 170 (11. November 1938) <strong>und</strong><br />

AAN, MJPB, 11, B. 447.<br />

473<br />

Vgl. STOLARSKI, S. 121 f.<br />

474<br />

Vgl. AAN, PRM a.-g. VI, 99-37, B. 131.<br />

475<br />

Das Gesetz findet sich in: AAN, PRM a.-g. VI, 99-37, B. 103 f.<br />

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