Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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stellt. Beispielsweise behandelt der Vortrag Nr. 9 der Staatsbürgerkunde 458 Marschall Piłsudski als nationalen Helden. Zunächst nimmt der Text Bezug auf die Orte, wo Piłsudski beigesetzt worden ist, und stellt dann fest, daß sein Name für immer mit der Geschichte des polnischen Volkes verbunden sei, durch den es zur Freiheit gelangte. Daher lebe er, obwohl er gestorben sei, im Geist und in den Taten des Volkes fort. Erst nach dieser fast hagiographischen Einführung (von insgesamt nur 4,5 Seiten) folgt ein biographischer Abriß. Abschließend würdigt der Vortrag Piłsudski als einen der größten nationalen Helden neben Bolesław Chrobry, Stefan Batory, Jan Sobieski und anderen, weil er den Kampf um die Unabhängigkeit zum Sieg geführt, den Staat und dessen machtvolle Entwicklung geschaffen habe. 459 Der Vortrag über Marschall Rydz-Śmigły 460 leitet dessen Stellung von der Hinterlassenschaft Piłsudskis ab, während der Vortrag für den 11. November Piłsudski als „geistigen Führer des ganzen Volkes“ 461 stilisierte. Insgesamt hob der Unterricht die moralischen Verdienste des Piłsudski-Lagers hervor. Er sollte die Soldaten davon überzeugen, daß die Unabhängigkeit Polens nicht „umsonst“ erreicht worden sei, sondern durch die Unbeugsamkeit Piłsudskis und die Opferbereitschaft der besten Söhne des Vaterlandes. Daher unterstrich dieser Vortrag über die Erringung der polnischen Unabhängigkeit besonders, daß die Legionen Piłsudskis zunächst der einzige maßgebliche Repräsentant eines polnischen Heeres waren. 462 Insgesamt wurde die Position des Oberbefehlshabers durch die Vorträge herausgehoben, so daß neben Piłsudskis Rolle seit 1935 auch Rydz-Śmigłys Stellung, zunächst noch unter Bezug auf die Nachfolge des Ersten Marschalls, zunehmend betont wurde. 463 458 Nauka obywatelska. Pogadanka nr. 9: Marszałek Piłsudski jako bohater narodowy [Staatsbürgerkunde. Vortrag Nr. 9: Marschall Piłsudski als nationaler Held], in: CAW; GMSWojsk., WINO, I.300.68.85, n.pag., o.J. [1938]. 459 Im gleichen Tenor verfährt der Vortrag Nauka obywatelska. Pogadanka nr. 53: Dorobek Państwa Polskiego w epoce Marszałka Józefa Piłsudskiego [Staatsbürgerkunde: Vortrag Nr. 53: Die Errungenschaften des polnischen Staates in der Epoche von Marschall Józef Piłsudski], in: CAW, WINO, I.300.68.65, n.pag., o.J. [1938]. 460 Nauka obywatelska. Pogadanka nr. 10: Marszałek Edward Śmigły-Rydz [Staatsbürgerkunde. Vortrag Nr. 10: Marschall Edward Śmigły-Rydz], in: CAW, WINO, I.300.68.65, n.pag., o.J. [1938]. 461 „wodzem duchowym całego narodu“ (Nauka obywatelska. Pogadanka Nr. 8: Dlaczego czcimy dzień 11 listopada 1918 r. [Staatsbürgerkunde. Vortrag Nr. 8: Warum wir des 11. Novembers 1918 gedenken], in: CAW, WINO, I.300.68.85, n.pag., o.J. [1938]). 462 Vgl. Nauka obywatelska. Pogadanka nr. 5: Jak odzyskaliśmy Niepodległość [Staatsbürgerkunde. Vortrag Nr. 5: Wie wir die Unabhängigkeit erreichten], in: CAW, WINO, I.300.68.85, n.pag. Vgl. auch KĘSIK, S. 147 f. 463 Vgl. ebenda, S. 154. 154

3.2.2.3. Das Józef-Piłsudski-Museum im Belweder in Warschau Ein pädagogisches Instrument besonderer Art für die Weiterbildung von Kindern und Erwachsenen ist das Museum. In ihm können die Besucher das anschaulich überprüfen und vertiefen, was sie sich in meist schriftlicher oder mündlicher Form in Schulen oder anderen Bildungsanstalten angeeignet haben. Eine museale Ausstellung illustriert also die gelernten Inhalte, indem sie dem Besucher ein Bild der Gegenwart oder der Vergangenheit in sehr medialer und konzentrierter Form zeigt. 464 Es dient insbesondere dazu, dem Besucher vor allem nach einem einführenden Vortrag und mittels einer begleitenden Führung ein bestimmtes Geschichtsbild zu vermitteln. 465 Aus diesem Grund entstanden im 19. Jahrhundert in den meisten europäischen Ländern nationale Museen, die ihrem Besucher ein auf die Geschichte der eigenen Nation bzw. auf die staatlich vertretene Ideologie zugeschnittenes Bild zeigen wollten. 466 Das Museum will also nicht nur historische Kenntnisse schlechthin vermitteln, sondern durch die Verbindung von Ideologie und Geschichte auch die Vergangenheit in den Dienst der Gegenwart stellen. 467 Dabei ziehen nationale oder lokale Museen den Wert der Vergangenheit aus außergewöhnlichen, positiven Entwicklungen, Ereignissen oder Persönlichkeiten der eigenen nationalen bzw. örtlichen Geschichte und nutzen diese zur Legitimation und zur Identitätsstiftung in der Gegenwart. Ein Museum ist daher eine Art „Mikrokosmos“. Es gibt ein konzentriertes Bild der Erscheinungen des staatlichen bzw. nationalen Lebens wie Nationalbewußtsein oder Traditionen, so daß es von einem (national-)pädagogischen Impetus geprägt wird. 468 Die Anfänge des polnischen Museumswesens liegen bei der Gründung von Privatmuseen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wobei diese auch einen nationalpolnischen Anspruch vertraten. Ein erstes polnisches Nationalmuseum entstand 1848 im Exil in Rapperswil bei Zürich anläßlich des hundertsten Jahrestages der Konföderation von Bar, während 1879 in Krakau ein Nationalmuseum gegründet und 1916 das Warschauer Museum für Bildende Künste in ein Nationalmuseum umgewandelt wurde. 469 Das erste gesamtstaatliche Museum der Zweiten Republik war das 1920 gegründete Militärmuseum. 464 Vgl. dazu MALINOWSKI; HUDSON, vor allem das Kapitel Museums as Educational Instruments, S. 48-77. 465 Dies gilt um so mehr, als die Exponate in der Regel noch als Quellen (häufig als die einzigen) zur wissenschaftlichen Untersuchung einer historischen Begebenheit dienen. Vgl. dazu auch Gazeta Polska vom 9.II.1932. 466 Dazu ausführlich POMIAN. 467 Vgl. ebenda, S. 29 f. 468 Vgl. ANNA ODERFELDÓWNA: Oświata i muzea [Die Bildung und die Museen], Teil 2, in: Oświata i Wychowanie 2 (1930), S. 523. 469 Vgl. POMIAN, S. 27 ff., und GODLEWSKI. 155

stellt. Beispielsweise behandelt der Vortrag Nr. 9 der Staatsbürgerk<strong>und</strong>e 458 Marschall<br />

<strong>Piłsudski</strong> als nationalen Helden. Zunächst nimmt der Text Bezug auf die Orte, wo<br />

<strong>Piłsudski</strong> beigesetzt worden ist, <strong>und</strong> stellt dann fest, daß sein Name für immer mit der<br />

Geschichte des polnischen Volkes verb<strong>und</strong>en sei, durch den es zur Freiheit gelangte.<br />

Daher lebe er, obwohl er gestorben sei, im Geist <strong>und</strong> in den Taten des Volkes fort.<br />

Erst nach dieser fast hagiographischen Einführung (von insgesamt nur 4,5 Seiten)<br />

folgt ein biographischer Abriß. Abschließend würdigt der Vortrag <strong>Piłsudski</strong> als einen<br />

der größten nationalen Helden neben Bolesław Chrobry, Stefan Batory, Jan Sobieski<br />

<strong>und</strong> anderen, weil er den Kampf um die Unabhängigkeit zum Sieg geführt, den Staat<br />

<strong>und</strong> dessen machtvolle Entwicklung geschaffen habe. 459 <strong>Der</strong> Vortrag über Marschall<br />

Rydz-Śmigły 460 leitet dessen Stellung von der Hinterlassenschaft <strong>Piłsudski</strong>s ab, während<br />

der Vortrag für den 11. November <strong>Piłsudski</strong> als „geistigen Führer des ganzen<br />

Volkes“ 461 stilisierte.<br />

Insgesamt hob der Unterricht die moralischen Verdienste des <strong>Piłsudski</strong>-Lagers<br />

hervor. Er sollte die Soldaten davon überzeugen, daß die Unabhängigkeit Polens nicht<br />

„umsonst“ erreicht worden sei, sondern durch die Unbeugsamkeit <strong>Piłsudski</strong>s <strong>und</strong> die<br />

Opferbereitschaft der besten Söhne des Vaterlandes. Daher unterstrich dieser Vortrag<br />

über die Erringung der polnischen Unabhängigkeit besonders, daß die Legionen <strong>Piłsudski</strong>s<br />

zunächst der einzige maßgebliche Repräsentant eines polnischen Heeres waren.<br />

462 Insgesamt wurde die Position des Oberbefehlshabers durch die Vorträge herausgehoben,<br />

so daß neben <strong>Piłsudski</strong>s Rolle seit 1935 auch Rydz-Śmigłys Stellung,<br />

zunächst noch unter Bezug auf die Nachfolge des Ersten Marschalls, zunehmend betont<br />

wurde. 463<br />

458 Nauka obywatelska. Pogadanka nr. 9: Marszałek <strong>Piłsudski</strong> jako bohater narodowy [Staatsbürgerk<strong>und</strong>e.<br />

Vortrag Nr. 9: Marschall <strong>Piłsudski</strong> als nationaler Held], in: CAW;<br />

GMSWojsk., WINO, I.300.68.85, n.pag., o.J. [1938].<br />

459 Im gleichen Tenor verfährt der Vortrag Nauka obywatelska. Pogadanka nr. 53: Dorobek<br />

Państwa Polskiego w epoce Marszałka Józefa <strong>Piłsudski</strong>ego [Staatsbürgerk<strong>und</strong>e: Vortrag<br />

Nr. 53: Die Errungenschaften des polnischen Staates in der Epoche von Marschall Józef<br />

<strong>Piłsudski</strong>], in: CAW, WINO, I.300.68.65, n.pag., o.J. [1938].<br />

460 Nauka obywatelska. Pogadanka nr. 10: Marszałek Edward Śmigły-Rydz [Staatsbürgerk<strong>und</strong>e.<br />

Vortrag Nr. 10: Marschall Edward Śmigły-Rydz], in: CAW, WINO, I.300.68.65,<br />

n.pag., o.J. [1938].<br />

461 „wodzem duchowym całego narodu“ (Nauka obywatelska. Pogadanka Nr. 8: Dlaczego<br />

czcimy dzień 11 listopada 1918 r. [Staatsbürgerk<strong>und</strong>e. Vortrag Nr. 8: Warum wir des 11.<br />

Novembers 1918 gedenken], in: CAW, WINO, I.300.68.85, n.pag., o.J. [1938]).<br />

462 Vgl. Nauka obywatelska. Pogadanka nr. 5: Jak odzyskaliśmy Niepodległość [Staatsbürgerk<strong>und</strong>e.<br />

Vortrag Nr. 5: Wie wir die Unabhängigkeit erreichten], in: CAW, WINO,<br />

I.300.68.85, n.pag. Vgl. auch KĘSIK, S. 147 f.<br />

463 Vgl. ebenda, S. 154.<br />

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