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Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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Als neue Identifikationsfigur bot sich <strong>Piłsudski</strong> insofern an, als er im Ersten Weltkrieg<br />

zu einer populären militärischen <strong>und</strong> politischen Führerpersönlichkeit aufgestiegen<br />

war <strong>und</strong> in der Konsolidierungsphase des jungen polnischen Staates zwischen<br />

1918 <strong>und</strong> 1922 als Staatschef <strong>und</strong> militärischer Oberbefehlshaber eine herausragende<br />

Stellung eingenommen hatte. Es war ihm aber nicht gelungen, eine parteiübergreifende<br />

Popularität zu gewinnen.<br />

Unabdingbare Voraussetzung für die Durchsetzung der staatlich geförderten <strong>Piłsudski</strong>-Verehrung<br />

war infolgedessen, daß sein politisches Lager die Machtmittel in<br />

der Hand hatte, sie umzusetzen.<br />

<strong>Der</strong> nach dem Staatsstreich des <strong>Piłsudski</strong>-Lagers vom Mai 1926 offiziell etablierte<br />

<strong>Piłsudski</strong>-<strong>Kult</strong>, der in den Ereignissen des Ersten Weltkrieges wurzelte <strong>und</strong> sich parallel,<br />

jedoch unabhängig von den anderen Führerkulten in Europa entwickelte, hatte<br />

daher nicht nur die allgemeine Verehrung des Marschalls zum Ziel, sondern nahm als<br />

zentrales Element der Herrschaftsideologie des Sanacja-Regimes legitimatorische, identitätsstiftende<br />

<strong>und</strong> integrative Funktionen für den Staat an <strong>und</strong> diente zu dessen<br />

Selbstdarstellung nach innen <strong>und</strong> außen. Das Wort des wichtigsten politischen Gegners<br />

<strong>Piłsudski</strong>s, des Nationaldemokraten Roman Dmowski, „nicht die Nation schafft<br />

den Staat, sondern der Staat schafft die Nation“ 3 , spiegelt die gr<strong>und</strong>legenden Aufgaben<br />

des <strong>Piłsudski</strong>-<strong>Kult</strong>es prägnant wider, diente der <strong>Kult</strong> doch letztlich dazu, fehlende<br />

staatliche Traditionen neu zu schaffen bzw. alte staatliche Traditionen zu ersetzen,<br />

damit die polnische staatliche Gemeinschaft darzustellen <strong>und</strong> ein Nationalgefühl aufzubauen.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Piłsudski</strong>-<strong>Kult</strong> war damit letztlich ein emotionales Identifikationsangebot<br />

an die Bürger der Zweiten Republik.<br />

1.1. <strong>Der</strong> <strong>Kult</strong> <strong>und</strong> <strong>seine</strong> Komponenten Mythos, Symbol <strong>und</strong> Ritual. Begriffsbestimmung<br />

<strong>und</strong> theoretische Reflexion<br />

Politische <strong>Kult</strong>e sind mit ihren Komponenten Mythos, Symbol <strong>und</strong> Ritual ein wesentlicher<br />

Faktor bei der Entstehung <strong>und</strong> Festigung von imagined communities im Sinne<br />

von Benedict Anderson 4 , da sie ein Mittel der Massenbeeinflussung sind. Bevor die<br />

öffentliche Wirksamkeit <strong>und</strong> die Funktionen des <strong>Piłsudski</strong>-<strong>Kult</strong>es dargestellt werden,<br />

muß in diesem Rahmen zunächst eine knappe theoretische Einordnung <strong>und</strong> Definition<br />

erfolgen.<br />

3 R. Dmowski, zit. nach: ROOS, Geschichte, S. 53.<br />

4 Vgl. ANDERSON.<br />

3

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