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Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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enziert wurde. 352 Durch verminderte Ausgaben für das Bildungswesen infolge der<br />

allgemeinen Wirtschaftskrise verschlechterte sich die Lage des Schulwesens bis Mitte<br />

der 1930er Jahre zusehends 353 , so daß fast jeder fünfte Bürger Analphabet 354 blieb<br />

<strong>und</strong> jeder vierte nur bis zu vier Schuljahre absolviert hatte. Insgesamt läßt sich für die<br />

Zeit der Zweiten Republik ein starkes West-Ost-Gefälle feststellen, da die Situation in<br />

den polnischen Ostgebieten (Kresy) besonders schlecht war. 355<br />

Die Entwicklung des Bildungsideals der Sanacja setzte zwar schon vor 1926, vor<br />

allem in der Zeitschrift Droga („<strong>Der</strong> Weg“) ein, doch wurde sie erst seit 1929 von<br />

<strong>Kult</strong>usminister Sławomir Czerwiński <strong>und</strong> <strong>seine</strong>m Nachfolger Janusz Jędrzejewicz<br />

forciert. Maßgebend war die von ihnen im März 1929 gegründete Gruppierung Zrąb<br />

(„Gr<strong>und</strong>stock“), der führende Ideologen der Sanacja wie Adam Skwarczyński angehörten.<br />

Da das Bildungsideal im Rahmen der Motive für den <strong>Piłsudski</strong>-<strong>Kult</strong> skizziert<br />

wird, sei hier nur erwähnt, daß es sich um eine „staatliche Erziehung“ (wychowanie<br />

państwowe) im Sinne einer „Erziehung für den Staat“ 356 handelte <strong>und</strong> <strong>Piłsudski</strong> als<br />

personifiziertes Ideal der Epoche dafür herangezogen wurde. 357<br />

Die wichtigste Etappe bei der Umsetzung des Sanacja-Bildungsideals war die<br />

Schulreform von 1932, nach der die Erziehung einen „staatsbürgerlich-staatlichen“<br />

352 In der ersten Stufe umfaßte die dritte Klasse zwei Schuljahre <strong>und</strong> die vierte Klasse drei,<br />

während in der zweiten Stufe die sechste Klasse aus zwei <strong>und</strong> die dritte Stufe aus sieben<br />

Schuljahren bestand. Die Mittelschule war zweistufig mit einem vierjährigen Gymnasium<br />

<strong>und</strong> einem zweijährigen Lyzeum bzw. dreijährig für ein Berufslyzeum (liceum zawodowe).<br />

Vgl. IWANICKI, O ideowo-wychowawczym oddziaływaniu, S. 40.<br />

353 1935/36 waren lediglich 88,3 Prozent der sieben- bis 13jährigen Kinder von der Schulpflicht<br />

erfaßt, denn es fehlten r<strong>und</strong> 45 000 Schulstuben <strong>und</strong> 26 500 Lehrer, wobei dazu<br />

noch viele Pädagogen aus ideologischen Gründen ihren Beruf aufgeben mußten.<br />

354 1931 waren insgesamt 23,1 Prozent der Bevölkerung über 10 Jahre (17,8 Prozent der Männer,<br />

bzw. 27,9 Prozent der Frauen) Analphabeten, davon in den Städten nur 12,2 Prozent<br />

(8,9 Prozent bzw. 15 Prozent), auf dem Land aber 27,6 Prozent (21,3 Prozent bzw. 33,4<br />

Prozent). Vgl. Mały Rocznik Statystyczne 10 (1939), S. 29 (Tab. 24).<br />

355 1925 wurden in der Wojewodschaft Krakau 99,3 Prozent, in der Wojewodschaft Posen<br />

97,1 Prozent <strong>und</strong> in der Wojewodschaft Warschau 84 Prozent der Kinder von der Schulpflicht<br />

erfaßt, in Wolhynien dagegen nur 48,2 Prozent. Nach MAUERSBERG, S. 148 f., gingen<br />

1936/37 27,3 Prozent der 13jährigen Kinder nicht zur Schule, im Osten der Republik<br />

sogar 42,5 Prozent <strong>und</strong> im Süden 30,4 Prozent. Auf einen Lehrer kamen 1933/34 durchschnittlich<br />

63 Schüler, in den östlichen Wojewodschaften 73, in Polesien sogar 84. Vgl.<br />

auch die statistischen Angaben in: Mały Rocznik Statystyczny 10 (1939), S. 321-329.<br />

356 „Dies ist nicht eine Erziehung durch den Staat, sondern [...] eine Erziehung für den Staat“<br />

(„Nie jest to wychowanie przez państwo, lecz [...] wychowanie dla państwa“, in: Oświata i<br />

Wychowanie 7 (1935), S. 141.<br />

357 Die Endecja warf dem Konzept vor, daß sich die Sanacja mit dem Staat identifizieren <strong>und</strong><br />

sich die Nation unterwerfen wolle. Vgl. MAUERSBERG, S. 147 f.; zu den Bedingungen nach<br />

1926 vgl. WOJTAS, S. 43-46; zu Skwarczyński: vgl. ebenda, S. 46 f. Vgl. auch CZER-<br />

WIŃSKI.<br />

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