Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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folgten aber eine möglichst große Vollständigkeit. Sie planten diese erste Gesamtausgabe der Schriften Piłsudskis seit 1928, schon zu einer Zeit also, als dieser selbst noch publizistisch tätig war. Das Vorwort zum ersten Band legt den Sinn der Pisma – Mowy – Rozkazy dar, indem es nämlich betont, „daß diese Publikation schon heute eine äußerst dringende Notwendigkeit geworden ist und daß sie eine grundlegende Rolle nicht nur bei der Arbeit über die Geschichte des wiederauferstandenen polnischen Staates, sondern auch im Bereich der staatlichen Erziehung des Volkes spielt.“ 246 Da die Schriften in ihrer Gesamtheit völlig unbekannt, z.T. zerstreut, schwer zugänglich und nur die neueren Bücher Piłsudskis bekannt seien, hat sich nach Ansicht der Herausgeber in der polnischen Gesellschaft die Meinung verbreitet, daß der Marschall viele Tatsachen geheimgehalten habe und daher sein Leben und Wirken nur schwer zu verstehen seien. Eine Veröffentlichung der Schriften habe daher zum Ziel, dieser Vorstellung entgegenzuwirken. Nur die Publikation aller bisher gedruckten Äußerungen Piłsudskis spiegle seine Tätigkeit in den jeweiligen Lebensabschnitten wider. 247 Aus diesem Grund sei es eine „nationale Verpflichtung“ 248 , diese der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Sie würden als Illustration und Kommentierung helfen, sein Leben zu verstehen. 249 Władysław Pobóg-Malinowski, der als Sekretär der Editoren fungierte, verdeutlicht in seiner Rezension der ersten beiden Bände die Absichten der Herausgeber: Trotz einiger hundert Schriften und wohl tausend Presseartikel über Piłsudski, die in den letzten 15 Jahren veröffentlicht worden seien, fehle ein Werk, das mit den psychologischen und historischen Tatsachen übereinstimme. Die einzige Quelle, die Kenntnisse, Verständnis und Einsicht in das Wesen der Persönlichkeit des Marschalls ermöglichen könne, bleibe Piłsudskis schriftstellerisches Werk. 250 Da die Forschungen über Piłsudski bisher in den Anfängen steckten, „kann und muß“ 251 man die Ausgabe seiner Werke als ersten grundlegenden Schritt auf diesem Gebiet betrachten. Sie könnten auf seine Persönlichkeit, die bereits vom Glanz der Legende umstrahlt werde, weiter erhellendes Licht werfen und damit zeigen, daß die Schriften aus den „tiefsten Schichten seines eigenen Geistes“ 252 kämen. Auch wenn sein Denken und Handeln romantisch geprägt seien, so hätte es doch gerade diese Romantik ermöglicht, daß 246 „że publikacja ta już dzisiaj palącą koniecznością i że odegra ona zasadniczą rolę nie tylko w pracach nad historią odrodzenia Państwa Polskiego, lecz również w dziedzinie wychowania państwowego narodu“ (Przedmowa wydawców [Vorwort der Herausgeber], S. XIV). Die Gazeta Warszawska vom 26.VII.1930 merkte an, daß mit dieser Begründung Druck auf die Beamten ausgeübt werde, die Werkausgabe zu kaufen. 247 Vgl. Przedmowa wydawców, S. V-VI. 248 „obowiązek narodowy“ (ebenda, S. VI). 249 Vgl. ebenda. 250 Vgl. POBÓG-MALINOWSKI, Rezension, S. 374. 251 „można i trzeba“ (ebenda, S. 378). 252 „z najgłębszych warstw jego własnego ducha“ (ebenda, S. 378). 118

„wir [Polen] aus der Asche der Knechtschaft, wie der Phoenix, zu neuem Leben erstanden sind.“ 253 Zunächst mußte jedoch aus praktischen Gründen bei der Herausgabe auf die gedruckten Schriften zurückgegriffen werden, die die Institutsmitarbeiter vor allem aus Zeitungen und anderen Veröffentlichungen heraussuchten. Von Aktenstücken aus seiner Amtszeit als Staatschef sahen die Herausgeber ab, da die Akten aus dieser Zeit nicht als eigene schriftstellerische Leistung zu betrachten seien. 254 Die Ausgabe der Pisma – Mowy – Rozkazy wurde auf acht Bände angelegt, wobei die Herausgeber Sokolnicki und Stachiewicz, die beim fünften und achten Band mit Kazimierz Świtalski zusammenarbeiteten, zwischen vier Tätigkeitsphasen (1893- 1908, 1908-1914, 1914-1918 und 1918-1926) unterschieden. 255 Jeder Band 256 wurde mit einer biographischen Einleitung durch den jeweiligen Bearbeiter und abschließend mit Anmerkungen, einem Pseudonymenverzeichnis und einem Index zur leichteren Erschließung versehen. Auffallend ist, daß nur die Schriften, die Piłsudski bis 1926 verfaßt hatte, berücksichtigt wurden. Die Zäsur entsprach offensichtlich den Intentionen der Herausgeber, keine explizit politischen Ziele zu verfolgen, denn die oben zitierte Begründung für die Gesamtausgabe weist zwar keine tagespolitischen, aber grundlegende ideologische Prämissen auf. 257 Die Herausgeber durchbrachen dieses Prinzip jedoch durch die Aufnahme der ergänzten und aktualisierten Ausgabe Józef Piłsudski. 1926-1930. Przemówienia, wywiady, artykuły („Józef Piłsudski. 1926-1930. Reden, Interviews, Artikel“) und sahen ihn als neunten Band (1934) an, der aber – wie oben erläutert – ausdrücklich politischen Charakter trug. 258 Schließlich brachten die Herausgeber noch einen Ergänzungsband 259 (1937) heraus. Auch wenn die Poprawki historyczne („Historische Korrekturen“) als eigenständiger Band erschienen, betrachtete sie das Instytut Badania 253 „z popiołów niewoli, jak feniks, powstaliśmy do nowego życia“ (ebenda, S. 379). 254 Vgl. Przedmowa wydawców, S. XI-XIII. 255 Vgl. ebenda. 256 Die Einleitung zum sechsten Band bezieht sich auch auf Band 7 und 8. 257 Insofern irrt JASKÓLSKI, S. 135, wenn er behauptet, daß die Herausgeber keine konkreten politischen Ziele verfolgten. Er hat dies wohl unkritisch von WERESZYCKI, O metodzie, S. 15, übernommen. Durch die Akzentuierung bestimmter Ereignisse in den Vorworten zu Band 5 und 6 werden jedoch politische Implikationen (der Kampf um die Grenzen und die scharfe Auseinandersetzung mit der Endecja, insbesondere um die Organisation der obersten Militärbehörden) deutlich. Vgl. ebenda, S. 16. 258 Vgl. auch ebenda, S. 17. 259 Von der Auflage von 5000 Stück zu 12 Złoty wurden jedoch nur rund 2000 Exemplare verkauft. Vgl. den Rechenschaftsbericht des Generalsekretärs bei der Mitgliederversammlung vom 24.III.1937, in: CAW, INBHP, 1, n.pag. 119

„wir [Polen] aus der Asche der Knechtschaft, wie der Phoenix, zu neuem Leben erstanden<br />

sind.“ 253<br />

Zunächst mußte jedoch aus praktischen Gründen bei der Herausgabe auf die gedruckten<br />

Schriften zurückgegriffen werden, die die <strong>Institut</strong>smitarbeiter vor allem aus<br />

Zeitungen <strong>und</strong> anderen Veröffentlichungen heraussuchten. Von Aktenstücken aus<br />

<strong>seine</strong>r Amtszeit als Staatschef sahen die Herausgeber ab, da die Akten aus dieser Zeit<br />

nicht als eigene schriftstellerische Leistung zu betrachten seien. 254<br />

Die Ausgabe der Pisma – Mowy – Rozkazy wurde auf acht Bände angelegt, wobei<br />

die Herausgeber Sokolnicki <strong>und</strong> Stachiewicz, die beim fünften <strong>und</strong> achten Band mit<br />

Kazimierz Świtalski zusammenarbeiteten, zwischen vier Tätigkeitsphasen (1893-<br />

1908, 1908-1914, 1914-1918 <strong>und</strong> 1918-1926) unterschieden. 255 Jeder Band 256 wurde<br />

mit einer biographischen Einleitung durch den jeweiligen Bearbeiter <strong>und</strong> abschließend<br />

mit Anmerkungen, einem Pseudonymenverzeichnis <strong>und</strong> einem Index zur leichteren<br />

Erschließung versehen.<br />

Auffallend ist, daß nur die Schriften, die <strong>Piłsudski</strong> bis 1926 verfaßt hatte, berücksichtigt<br />

wurden. Die Zäsur entsprach offensichtlich den Intentionen der Herausgeber,<br />

keine explizit politischen Ziele zu verfolgen, denn die oben zitierte Begründung für<br />

die Gesamtausgabe weist zwar keine tagespolitischen, aber gr<strong>und</strong>legende ideologische<br />

Prämissen auf. 257<br />

Die Herausgeber durchbrachen dieses Prinzip jedoch durch die Aufnahme der ergänzten<br />

<strong>und</strong> aktualisierten Ausgabe Józef <strong>Piłsudski</strong>. 1926-1930. Przemówienia,<br />

wywiady, artykuły („Józef <strong>Piłsudski</strong>. 1926-1930. Reden, Interviews, Artikel“) <strong>und</strong> sahen<br />

ihn als neunten Band (1934) an, der aber – wie oben erläutert – ausdrücklich politischen<br />

Charakter trug. 258 Schließlich brachten die Herausgeber noch einen Ergänzungsband<br />

259 (1937) heraus. Auch wenn die Poprawki historyczne („Historische Korrekturen“)<br />

als eigenständiger Band erschienen, betrachtete sie das Instytut Badania<br />

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„z popiołów niewoli, jak feniks, powstaliśmy do nowego życia“ (ebenda, S. 379).<br />

254<br />

Vgl. Przedmowa wydawców, S. XI-XIII.<br />

255<br />

Vgl. ebenda.<br />

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Die Einleitung zum sechsten Band bezieht sich auch auf Band 7 <strong>und</strong> 8.<br />

257<br />

Insofern irrt JASKÓLSKI, S. 135, wenn er behauptet, daß die Herausgeber keine konkreten<br />

politischen Ziele verfolgten. Er hat dies wohl unkritisch von WERESZYCKI, O metodzie, S.<br />

15, übernommen. Durch die Akzentuierung bestimmter Ereignisse in den Vorworten zu<br />

Band 5 <strong>und</strong> 6 werden jedoch politische Implikationen (der Kampf um die Grenzen <strong>und</strong> die<br />

scharfe Auseinandersetzung mit der Endecja, insbesondere um die Organisation der obersten<br />

Militärbehörden) deutlich. Vgl. ebenda, S. 16.<br />

258<br />

Vgl. auch ebenda, S. 17.<br />

259<br />

Von der Auflage von 5000 Stück zu 12 Złoty wurden jedoch nur r<strong>und</strong> 2000 Exemplare<br />

verkauft. Vgl. den Rechenschaftsbericht des Generalsekretärs bei der Mitgliederversammlung<br />

vom 24.III.1937, in: CAW, INBHP, 1, n.pag.<br />

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